"Integrierte Sexualität" = Pädo-Sexualität?
Verfasst: 28.11.2008, 21:41
"Integrierte Sexualität" im Gegensatz zu "abgespaltener Sexualität" als sexuelle Orientierung des Pädophilen?
(Triebhaftigkeit versus autonome Geistigkeit, Humbert Humbert versus Lewis Carroll und das Kind als Therapeut: Ein Versuch)
Die durch Sigmund Freud begründete Psychoanalyse sieht das Wesen des Menschen letztlich ausschließlich durch Triebhaftigkeit bestimmt. Nachfolgende psychologische Schulen haben sich bekanntlich zum Teil scharf gegen diese einengende Sichtweise vom Menschen ausgesprochen und alternative Modelle vorgelegt. So können wir etwa bei Viktor E. Frankl - Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse - Folgendes lesen:
So sehen wir, wie das Seelische (in der Freudschen Psychoanalyse, Anm.) nicht nur genetisch reduziert wird auf Triebhaftigkeit, sondern wie es von der Triebhaftigkeit her auch kausal determiniert ist, und beides in einem totalitären Sinne. Menschliches Sein wird von der Psychoanalyse von vornherein als Getrieben-Sein interpretiert. Das ist auch der letzte Grund, warum dann das menschliche Ich im nachhinein aus Trieben rekonstruiert werden muss. Im Sinne solcher atomisierenden, energetischen und mechanistischen Konzeption sieht die Psychoanalyse im Menschen letztlich die Automatie eines seelischen Apparates.
Hier klinkt die Existenzanalyse ein. Sie stellt der psychoanalytischen Konzeption eine andere entgegen: An Stelle der Automatie eines seelischen Apparats sieht die Existenzanalyse die Autonomie der geistigen Existenz.
(aus: Frankl, Viktor E.: Der unbewusste Gott. München [2.Aufl.] 1994)
Der Vorstellung eines durch Triebe determinierten menschlichen Wesens wird also die Vorstellung eines durch autonome Geistigkeit gekennzeichneten menschlichen Wesens gegenübergestellt.
Gehen wir von letzterem Modell - das im Gegensatz zum Freudschen Modell dem Menschen auch seine Würde belässt - aus, so ist folgerichtig auch die Sexualität des Menschen in ihrer spezifischen Ausprägung mit den mit ihr einhergehenden Handlungen und Wünschen als der autonomen Geistigkeit des Menschen grundsätzlich untergeordnet zu betrachten. Es ist daher dem Menschen grundsätzlich möglich, seine spezifische - durch Handlungen und Wünsche geprägte - Sexualität als in seine Geistigkeit integrierte Sexualität zu leben.
Bei einer Vernachlässigung der Verbindung von Sexualität und Geistigkeit im menschlichen Leben droht die integrierte Sexualität zu einer von seiner Geistigkeit abgespaltenen Sexualität zu werden (die dem triebhaften Element nahe kommt). Letzterer Fall ist in weiterem Sinne mit einer Sucht zu vergleichen. Und Süchte machen den Menschen bekanntlich unfrei und unterbinden langfristig ein erfülltes Mensch-Sein. (Auch wenn im oberflächlichen gesellschaftlichen Diskurs gerade in Bezug auf Sexualität heute oft das Gegenteil behauptet wird.)
Das Kind, das - bei gesunder Entwicklung - noch nicht von einer Abspaltung seiner Sexualität bedroht ist, kann in seiner Beziehung zum erwachsenen Menschen somit gewissermaßen als Therapeut dienen, der den erwachsenen Menschen durch Vorbildfunktion vor der (weiteren) Abspaltung seiner eigenen Sexualität bewahren kann. Der Kontakt des Erwachsenen mit dem Kind kann somit als Schutz verstanden werden, die eigene integrierte Sexualität aufrechtzuhalten und nicht abzuspalten (da eine abgespaltene Sexualität mit der kindlichen Sexualität nicht mehr kompatibel wäre und die Erwachsenen-Kind-Beziehung dadurch letztlich zerstört würde).
Wenn (wie etwa bei R. Lautmann u.a.) häufig vom Pädophilen als "sexuell reduziertem Erwachsenen" die Rede ist, dann kann diese scheinbare "Reduziertheit" in bezug auf die durch Wunsch und Umsetzung gekennzeichnete sexuelle Interaktion auch als integrierte Sexualität (gewissermaßen als sexuelle Orientierung) - oder die Bemühung darum - verstanden werden, in der sexuelle Handlungen und Wünsche nicht von der Geistigkeit des Menschen abgespalten sind.
Allerdings ist Pädophilie ein weites Feld und das oben Gesagte trifft kaum auf alle Menschen zu, die sich selber als pädophil empfinden und bezeichnen.
Ein Vergleich von zwei berühmten Pädo-Gestalten - Lewis Carroll und Humbert Humbert - mag illustrieren, was gemeint ist. Der namhafte Lewis Carroll-Forscher und Herausgeber Martin Gardner schreibt in "The Annotated Alice" (Revised edition. Harmondsworth 1970):
In letzter Zeit wurde Carroll u.a. mit Humbert Humbert, dem Erzähler in Vladimir Nabokovs Erzählung "Lolita" verglichen. Es stimmt zwar, dass beide eine Leidenschaft für kleine Mädchen hatten, aber ihre Ziele dabei waren genau entgegengesetzt. Humbert Humberts "Nymphen" waren Kreaturen, die dafür da waren, fleischlich genutzt zu werden. Carrolls kleine Mädchen waren für ihn genau deswegen attraktiv, weil er sich mit ihnen sexuell sicher fühlte.
Die empfundene Sicherheit, die Gefahr einer triebhaft-suchthaften Abspaltung der eigenen Sexualität durch den Kontakt mit dem Kind als integriert-sexuellem Wesen verhindern zu können, war nach dieser Darstellung ein wesentliches Moment für die Attraktivität des kleinen Mädchens für Lewis Carroll (womit er sich von Humbert Humbert wesentlich unterscheidet).
Wenn sich in Carrolls umfangreichen Spät- und (selbstdeklarierten) Hauptwerk "Sylvie und Bruno" (aus dem u.a. auch in Sakuras Essay zum Alice Day zitiert wird und das ich hier vorgestellt habe) der widerwärtige Knabe Uggug - Opfer eines lieblosen Lebens - sich am Ende in ein aggressives, borstiges Stachelschwein verwandelt, sieht J. Gattégno darin wohl zu Recht eine Symbolik für eine von der menschlichen Geistigkeit abgespaltene Sexualität. (Das Motiv der Verwandlung eines Kindes in ein Schwein tritt bei Carroll hier keineswegs zum ersten Mal auf: Wir erinnern uns an das zum Ferkel mutierende Baby - ebenfalls Opfer eines lieblosen Lebens - in "Alice im Wunderland".) Untermauert wird die Feststellung der Symbolik einer abgespaltenen Sexualität im "Schweinemenschen" auch formal durch die Bezeichnung "borstiges Stachelschwein" ("prickly porcupine"), in der - wie Gattégno feststellt - eindeutig der Begriff "prick" (= vulg.: Penis) enthalten ist.
vgl. dazu: Gattégno, Jean: Sylvie and Bruno, or the Inside and the Outside. In: Guiliano, Edward (Hrsg.): Lewis Carroll. A Celebration. Essays on the Occasion of the 150th Anniversary of the Birth of Charles Lutwidge Dodgson. New York 1982.
Der abstoßenden abgespaltenen Sexualität Uggugs stellt Carroll jene integrierte Sexualität des kindlichen Geschwisterpaares Sylvie und Bruno sowie des (ihnen entsprechenden) Ehepaares Muriel und Arthur gegenüber, was etwa zum Ausdruck kommt, wenn Bruno sagt, er könne - da er Sylvie ganz toll lieb habe - nie so borstig ("prickly") werden (d.h. er bleibt durch authentische Liebe vor einer abgespaltenen Sexualität verschont). Und dass die hier zum Ausdruck gebrachte Liebe der menschlichen Geistigkeit entwächst und ganz im Sinne einer (christlich-)spirituellen Liebe zu verstehen ist wird deutlich, als diese mit dem Himmel in Verbindung gebracht wird, zu dem beide Kinder aufschauen: Sylvie, die zuletzt in einer Apotheose zum Engel wird, antwortet auf Brunos Frage, was denn dem blauen Himmel seine "wunderherrliche Farbe" gäbe: "Es ist die Liebe".
Ist Pädophilie (in der Ausprägung Carrolls) somit ein Ausdruck für integrierte Sexualität - bzw. das authentische Streben danach? Und ist somit jene (angestrebte) integrierte Sexualität die eigentliche sexuelle Orientierung auch des heutigen Pädophilen (Carrollscher Prägung), der sich gerade damit von jenem, irrigerweise die abgespaltene Sexualität als "Freiheit" glorifizierenden, und die menschliche Geistigkeit negierenden oberflächlichen gesellschaftlichen Diskurs abheben will?
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PS: Entschuldigung, dass es wieder so lang geworden ist.
Ist wenigstens einigermaßen verständlich hinüber gekommen, was ich mit diesem ganzen Wörterausstoß aussagen wollte?
(Triebhaftigkeit versus autonome Geistigkeit, Humbert Humbert versus Lewis Carroll und das Kind als Therapeut: Ein Versuch)
Die durch Sigmund Freud begründete Psychoanalyse sieht das Wesen des Menschen letztlich ausschließlich durch Triebhaftigkeit bestimmt. Nachfolgende psychologische Schulen haben sich bekanntlich zum Teil scharf gegen diese einengende Sichtweise vom Menschen ausgesprochen und alternative Modelle vorgelegt. So können wir etwa bei Viktor E. Frankl - Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse - Folgendes lesen:
So sehen wir, wie das Seelische (in der Freudschen Psychoanalyse, Anm.) nicht nur genetisch reduziert wird auf Triebhaftigkeit, sondern wie es von der Triebhaftigkeit her auch kausal determiniert ist, und beides in einem totalitären Sinne. Menschliches Sein wird von der Psychoanalyse von vornherein als Getrieben-Sein interpretiert. Das ist auch der letzte Grund, warum dann das menschliche Ich im nachhinein aus Trieben rekonstruiert werden muss. Im Sinne solcher atomisierenden, energetischen und mechanistischen Konzeption sieht die Psychoanalyse im Menschen letztlich die Automatie eines seelischen Apparates.
Hier klinkt die Existenzanalyse ein. Sie stellt der psychoanalytischen Konzeption eine andere entgegen: An Stelle der Automatie eines seelischen Apparats sieht die Existenzanalyse die Autonomie der geistigen Existenz.
(aus: Frankl, Viktor E.: Der unbewusste Gott. München [2.Aufl.] 1994)
Der Vorstellung eines durch Triebe determinierten menschlichen Wesens wird also die Vorstellung eines durch autonome Geistigkeit gekennzeichneten menschlichen Wesens gegenübergestellt.
Gehen wir von letzterem Modell - das im Gegensatz zum Freudschen Modell dem Menschen auch seine Würde belässt - aus, so ist folgerichtig auch die Sexualität des Menschen in ihrer spezifischen Ausprägung mit den mit ihr einhergehenden Handlungen und Wünschen als der autonomen Geistigkeit des Menschen grundsätzlich untergeordnet zu betrachten. Es ist daher dem Menschen grundsätzlich möglich, seine spezifische - durch Handlungen und Wünsche geprägte - Sexualität als in seine Geistigkeit integrierte Sexualität zu leben.
Bei einer Vernachlässigung der Verbindung von Sexualität und Geistigkeit im menschlichen Leben droht die integrierte Sexualität zu einer von seiner Geistigkeit abgespaltenen Sexualität zu werden (die dem triebhaften Element nahe kommt). Letzterer Fall ist in weiterem Sinne mit einer Sucht zu vergleichen. Und Süchte machen den Menschen bekanntlich unfrei und unterbinden langfristig ein erfülltes Mensch-Sein. (Auch wenn im oberflächlichen gesellschaftlichen Diskurs gerade in Bezug auf Sexualität heute oft das Gegenteil behauptet wird.)
Das Kind, das - bei gesunder Entwicklung - noch nicht von einer Abspaltung seiner Sexualität bedroht ist, kann in seiner Beziehung zum erwachsenen Menschen somit gewissermaßen als Therapeut dienen, der den erwachsenen Menschen durch Vorbildfunktion vor der (weiteren) Abspaltung seiner eigenen Sexualität bewahren kann. Der Kontakt des Erwachsenen mit dem Kind kann somit als Schutz verstanden werden, die eigene integrierte Sexualität aufrechtzuhalten und nicht abzuspalten (da eine abgespaltene Sexualität mit der kindlichen Sexualität nicht mehr kompatibel wäre und die Erwachsenen-Kind-Beziehung dadurch letztlich zerstört würde).
Wenn (wie etwa bei R. Lautmann u.a.) häufig vom Pädophilen als "sexuell reduziertem Erwachsenen" die Rede ist, dann kann diese scheinbare "Reduziertheit" in bezug auf die durch Wunsch und Umsetzung gekennzeichnete sexuelle Interaktion auch als integrierte Sexualität (gewissermaßen als sexuelle Orientierung) - oder die Bemühung darum - verstanden werden, in der sexuelle Handlungen und Wünsche nicht von der Geistigkeit des Menschen abgespalten sind.
Allerdings ist Pädophilie ein weites Feld und das oben Gesagte trifft kaum auf alle Menschen zu, die sich selber als pädophil empfinden und bezeichnen.
Ein Vergleich von zwei berühmten Pädo-Gestalten - Lewis Carroll und Humbert Humbert - mag illustrieren, was gemeint ist. Der namhafte Lewis Carroll-Forscher und Herausgeber Martin Gardner schreibt in "The Annotated Alice" (Revised edition. Harmondsworth 1970):
In letzter Zeit wurde Carroll u.a. mit Humbert Humbert, dem Erzähler in Vladimir Nabokovs Erzählung "Lolita" verglichen. Es stimmt zwar, dass beide eine Leidenschaft für kleine Mädchen hatten, aber ihre Ziele dabei waren genau entgegengesetzt. Humbert Humberts "Nymphen" waren Kreaturen, die dafür da waren, fleischlich genutzt zu werden. Carrolls kleine Mädchen waren für ihn genau deswegen attraktiv, weil er sich mit ihnen sexuell sicher fühlte.
Die empfundene Sicherheit, die Gefahr einer triebhaft-suchthaften Abspaltung der eigenen Sexualität durch den Kontakt mit dem Kind als integriert-sexuellem Wesen verhindern zu können, war nach dieser Darstellung ein wesentliches Moment für die Attraktivität des kleinen Mädchens für Lewis Carroll (womit er sich von Humbert Humbert wesentlich unterscheidet).
Wenn sich in Carrolls umfangreichen Spät- und (selbstdeklarierten) Hauptwerk "Sylvie und Bruno" (aus dem u.a. auch in Sakuras Essay zum Alice Day zitiert wird und das ich hier vorgestellt habe) der widerwärtige Knabe Uggug - Opfer eines lieblosen Lebens - sich am Ende in ein aggressives, borstiges Stachelschwein verwandelt, sieht J. Gattégno darin wohl zu Recht eine Symbolik für eine von der menschlichen Geistigkeit abgespaltene Sexualität. (Das Motiv der Verwandlung eines Kindes in ein Schwein tritt bei Carroll hier keineswegs zum ersten Mal auf: Wir erinnern uns an das zum Ferkel mutierende Baby - ebenfalls Opfer eines lieblosen Lebens - in "Alice im Wunderland".) Untermauert wird die Feststellung der Symbolik einer abgespaltenen Sexualität im "Schweinemenschen" auch formal durch die Bezeichnung "borstiges Stachelschwein" ("prickly porcupine"), in der - wie Gattégno feststellt - eindeutig der Begriff "prick" (= vulg.: Penis) enthalten ist.
vgl. dazu: Gattégno, Jean: Sylvie and Bruno, or the Inside and the Outside. In: Guiliano, Edward (Hrsg.): Lewis Carroll. A Celebration. Essays on the Occasion of the 150th Anniversary of the Birth of Charles Lutwidge Dodgson. New York 1982.
Der abstoßenden abgespaltenen Sexualität Uggugs stellt Carroll jene integrierte Sexualität des kindlichen Geschwisterpaares Sylvie und Bruno sowie des (ihnen entsprechenden) Ehepaares Muriel und Arthur gegenüber, was etwa zum Ausdruck kommt, wenn Bruno sagt, er könne - da er Sylvie ganz toll lieb habe - nie so borstig ("prickly") werden (d.h. er bleibt durch authentische Liebe vor einer abgespaltenen Sexualität verschont). Und dass die hier zum Ausdruck gebrachte Liebe der menschlichen Geistigkeit entwächst und ganz im Sinne einer (christlich-)spirituellen Liebe zu verstehen ist wird deutlich, als diese mit dem Himmel in Verbindung gebracht wird, zu dem beide Kinder aufschauen: Sylvie, die zuletzt in einer Apotheose zum Engel wird, antwortet auf Brunos Frage, was denn dem blauen Himmel seine "wunderherrliche Farbe" gäbe: "Es ist die Liebe".
Ist Pädophilie (in der Ausprägung Carrolls) somit ein Ausdruck für integrierte Sexualität - bzw. das authentische Streben danach? Und ist somit jene (angestrebte) integrierte Sexualität die eigentliche sexuelle Orientierung auch des heutigen Pädophilen (Carrollscher Prägung), der sich gerade damit von jenem, irrigerweise die abgespaltene Sexualität als "Freiheit" glorifizierenden, und die menschliche Geistigkeit negierenden oberflächlichen gesellschaftlichen Diskurs abheben will?
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PS: Entschuldigung, dass es wieder so lang geworden ist.

Ist wenigstens einigermaßen verständlich hinüber gekommen, was ich mit diesem ganzen Wörterausstoß aussagen wollte?