dextersdaughter hat geschrieben:Natürlich kannst du nachfolgende Beispiele als Mystik abtun, ob dies der Wahrheitsfindung dient, mag aber bezweifelt werden:
„I didn't know there was anything wrong with it, because I didnt't know it was abuse until later. I thought he was showing me affection.“ (*1:S.67)
Hier wird einfach vom Kind die Einschätzung der Gesellschaft übernommen. Ohne dieser Einschätzung eine sachliche Begründung zu geben.
„The concept of trauma never felt right to me. It never fit my story....There were no threats. I never sensed danger. I didn't fear him. He was nice to me. Something didn't add up – and it slowly started bothering me more and more....I knew I had been 'had,' so to speak, but I couldn't understand it.“(*2: S.68)
Im Prinzip dasselbe. Eine der Rechtfertigungen - das angebliche Trauma - wird ja hier explizit in das Reich der Mystik verwiesen.
Hier kommt, im Gegenteil, eine ganz andere Ebene hinein. Die "er hat mich gefickt" = "er hat mich betrogen"-Ebene. Es ist keine natürliche Folge vom Sex, sondern eine der gesellschaftlichen Interpretation der sexuellen Handlung.
Für die meisten Boylover ist dieses Problem allerdings ziemlich irrelevant. Erstmal kennen die Jungs solche gesellschaftlichen Vorurteile, und schon deshalb sind es viel öfter die Jungs, die uns "ficken", als andersrum.
If you are trying to ...figure out why the abuse screwed me up so badly, why are you asking so many questions about what it was like when it happened? What you need to be focusing on was what it was like later on“ (3*: S.114)
Genau das ist doch mein Punkt. Der Sex an sich ist nicht problematisch. Das was danach passiert, das Verhältnis der Gesellschaft dazu, ist das, was problematisch ist.
Das sind nur einige Aussagen von Erwachsenen, welche als Kinder sexuelle Interaktionen mit Erwachsenen als jeweils gewaltlos, ohne Zwang und in gegenseitigem Einvernehmen (aber: nicht unter den Bedingungen eines *informierten* Konsens!) erlebt haben. Es ist ganz eindeutig festzustellen, dass der PRIMÄRE Schaden durch die Rekonzeptualisierung des Erlebnisses entsteht.
Also ist der primäre Schaden durch die Gesellschaft erzeugt, denn sie bewirkt diese Rekonzeptualisierung durch ihre hysterische Hetze.
Psychische Beschwerden treten im Allgemeinen erst dann auf, wenn der Heranwachsende allmählich mitbekommt, dass da etwas stattgefunden hat mit ihm, dass gemäss allgemeiner gesellschaftlicher Lesart als falsch aufgefasst wird. Erst dies ist der Moment, an dem sich der Heranwachsende betrogen vorkommt.
Ja, weil eine verlogene Sexualmoral ihm dies eintrichtert.
Im Übrigen scheint mittlerweile klar zu werden, das der Grad des sich betrogen Fühlens gerade mit dem Grad des Affektes, der Zuneigung, des Vertrauens, den das Kind gegenüber dem Erwachsenen verspürt hat, wächst.
Das ist durchaus plausibel. Einem Kind einzureden, dass es vergewaltigt wurde, wenn es wirklich vergewaltigt wurde, ist harmlos. Einem Kind einzureden, dass es betrogen und ausgenutzt wurde, wenn es wirklich geliebt wurde, ist gefährliche, schädliche Gehirnwäsche.
Uninformiert einvernehmliche sexuelle Interaktion kann demgemäss gerade VERSTÄRKT zu Vetrauens- Beziehungs- und Näheprobleme führen.
Na klar. Bei Vergewaltigungen ist die extrem negative Reaktion der Gesellschaft ja auch angemessen, während sie bei einvernehmlichen Kontakten völlig unangemessen ist, und massenweise schwere Schäden verursacht.
Hast du dich wirklich gründlich genug mit der Literatur über die Perspektive von *Opfern* (in Ermangelung eines alternativen Ausdrucks) beschäftigt? Oder glaubst du nicht, was sie zu sagen haben?
Habe ich. Und in den oben genannten Fällen glaube ich ihnen sehr wohl.
Fälle, bei denen ich Kindern nicht glaube, sind eher selten. Kommen allerdings auch vor, beispielsweise bei Fällen von "ritual sexual abuse" einschließlich rituellem Kindermord mit anschließlichem Kannibalismus plus persönlichem Treffen mit Dutroux.
Ich empfehle Susan A. Clancy's Buch „The Trauma Myth“, aus welchem ich auch zitiert habe.
Von diesem Buch habe ich auch schon gehört, allerdings noch nicht selbst gelesen.
...wenn das, was die Gesellschaft dazu meint, falsch ist, ist es einfach falsch. Und wenn das Kind später zu dieser falschen Auffassung übertritt, ist dies bedauerlich, aber nicht meine Schuld.
Das Kind ist also ein Überläufer, ein Verräter?
Das nicht. Nur ist seine Einschätzung danach genauso falsch wie die der Gesellschaft.
Es ist selbst schuld ist, wenn es von deiner Wahrheit, sozusagen aus freiem Willen, zu den Feinden (99% der Menschen) übertritt, weil die Vergesellschaftung greift?
Ich pflege nicht in Schuldzuweisungen zu denken. Allerdings bin ich zumindest nicht daran schuld.
Und wegen des menschlichen Herdentriebs, der nun einmal sehr tief sitzt, ist es eben kein Argument für die Richtigkeit der Meinung der 99%, wenn auch ein Kind, was selbst anderes erlebt hat, übertritt.
Naja, wer sich von der Wahrheit des Messias nicht erlösen lässt, sich von ihr nicht aus den Tentakeln der Gesellschaft befreien lässt, soll weiterhin in geistiger Umnachtung leben und hat Busse zu tun. Was ist schon gegen ein bisschen Vorhölle psychischer Beschwerden wie Depressionen und Beziehungsunfägigkeit einzuwenden, wenn es darum geht, das *Licht* zu erblicken!
Netter Versuch, aber erstens verbreite ich meine Theorien nicht messianisch, behaupte keinerlei Unfehlbarkeit, im Gegenteil. Zweitens verlange ich keinerlei Buße von denen, die falschen Theorien glauben, und drittens finde ich es bedauerlich, wenn jemand warum auch immer leidet.
Die abstrakte Gesellschaft hat eine viel grössere Macht über unser moralisches Empfinden, als das einige Polizisten, die die Bude stürmen, jemals haben werden. Gesetze, Zeitungsberichte, Mom and Dad, die beste Freundin, die Schule usw. Dort wird die Moral eingetrichtert, nicht in der Hinterstube eines Polizeibüros. Auch nicht auf der Couch des Theras.
Nun, dort auch. Und sehr intensiv. Ansonsten Zustimmung.
Besser nicht nur vom moralischen Standpunkt aus gesehen, sondern auch pragmatisch. Denn langfristig setzt sich doch eher die Wahrheit durch.
Vielleicht. Bis dann wird es wohl zum Zwecke der Wahrheit wohl noch einige Bauernopfer geben. Wenn der Mensch Mittel zum Zweck wird, liegt Instrumentalisierung vor.
Das ist ja bei meiner Einstellung nicht der Fall. Wenn ich dich von etwas zu überzeugen versuche, bist du für mich ja kein Bauer, den ich zu opfern bereit bin, sondern ein Mensch, dem ich von etwas teilhaben lassen will, was mir (zumindest in meinem Glauben) glücklicherweise gelungen ist - einen kleinen Teil der Wahrheit zu erkennen.
Das ist für mich etwas positives, egal was die Gesellschaft darüber denkt. Im Gegenteil, für einen Wissenschaftler ist es geradezu der Traum seines Lebens, als erster etwas herauszufinden, was noch niemand anders vor ihm erkannt hat.
Leitet sich denn das Argument für eine Verpflichtung zur Unwahrheit in diesem extremen Fall nicht von der höhergeordneten Verpflichtung zur Nächstenliebe ab?
Kann man zumindest daraus ableiten.
Wenn ja, dann lässt sich ... argumentieren, dass diese Verpflichtung, den anderen zu schützen, auch in weniger extremen Situationen greift. Auf die Situation kommt es ja gar nicht an.
Richtig. Und dann kommt es darauf an, was man als wichtiger für den anderen ansieht - den Schutz vor Unwahrheit oder den Schutz vor Konflikten, die aus der Erkenntnis der Wahrheit entstehen können.
Und in dieser Frage tendiert meine Entscheidung sehr stark in Richtung Wahrheit. Auch schon rein pragmatisch: Wenn ich die Wahrheit kenne, kann ich ja trotzdem Konflikten ausweichen, indem ich sie verheimliche. Diese Entscheidungsmöglichkeit habe ich aber nicht, wenn ich an die falsche Theorie der Masse selbst glaube.
Die Verteidigung der Wahrheit ist nicht das höchste ethische Prinzip. Verstösst die Verteidigung der Wahrheit gegen höher geordnete ethische Prinzipien, kann sie, muss sie, ethisch verurteilt werden.
Ich ziehe es vor, die Wahrheit zu wissen. Und kann mir keine Situation vorstellen, wo ich davon abweichen würde. Ich weiß, dass andere dies anders sehen, lieber belogen werden wollen. Ich denke jedoch, dass diese sich dadurch eher selbst schaden. Und daher halte ich es auch für die, für die ich verantwortliche Entscheidungen treffen muss, für besser, wenn sie die Wahrheit erfahren.
Ich will die Wahrheit nicht als höchstes ethisches Gut postulieren. Ich sehe sie jedoch in den allermeisten Fällen gar nicht in einem Konflikt.
...weil wir nicht wissen, was richtig ist.
Gibt es für dich irgendwelche ethische Prinzipien, ausser der Verteidigung der subjektiven Wahrheit, die du als ethisch genügend relevant ansiehst, um die Verteidigung der eigenen Wahrheit als als ethisches Prinzip ausser Kraft zu setzen?
Der Schutz des Lebens von Menschen, die noch nicht fähig sind, einmal erkannte Wahrheiten für sich zu behalten, wenn dies für ihr Überleben notwendig ist.
Könnte es sich um das Prinzip der Nächstenliebe handeln?
Nicht bei mir. Nächstenliebe ist für mich ein natürliches Gefühl, aber nicht ein ernstzunehmendes ethisches Prinzip.
Kann es sein, dass du doch wissen kannst (und die meisten wissen können), *was richtig ist*?
Ich kann es wissen. Ich kann mir allerdings auch dann nicht sicher sein, dass ich es weiß.
Es ist richtig, dass er dieses Recht hat.
Aber es ist falsch, dass er davon Gebrauch macht.
Es schadet anderen, dass er davon Gebrauch macht. Aus einem Grund, den er nicht wissen kann - nämlich dass seine Theorien falsch sind.
Ethisch falsch oder moralisch verwerflich ist lediglich etwas, von dem man wissen kann, dass es schädlich ist.
Einen Gesellschaftsvertrag gibt es übrigens nicht, das ist lediglich eine Erfindung von Verteidigern von Unrechtsstaaten, die staatliches Unrecht als vertragliches Recht schönfärben wollen.
Naja. Eine Gesellschaft, in welcher die Mitglieder erwarten, dass ihnen Grundrechte zugesprochen werden, gegen deren Verstoss sie allenfalls klagen können, setzt halt einen übergeordneten Apparat voraus.
Ich erwarte nicht, dass mir etwas zugesprochen wird, was nicht auf Gegenseitigkeit beruht, also darauf, dass ich meinerseits freiwillig dem anderen etwas zuspreche.
Meistens gehen diese doch davon aus: Leben und Leben lassen, sonst gibt’s Haue.
Echt? Wo gibt es das? Da will ich hin. Das Pädoparadies.
Ist m.E. bereits ein Gesellschaftvertrag oder gesellschaftlicher Vertrag, in den du in dem Moment einwilligst, wo du dir als Person von diesem Apparat Vorteile verschaffst. Ansonsten ist es dir natürlich freigestellt, ohne jeglichen gesellschaftlichen Schutz dahinzuleben.
Schön wärs ja. Ist mir aber nicht.
Dass du diesen Apparat als faschistoide Einrichtung betrachtest, pervertiert dessen Grundgedanken und zeugt m.E. davon, dass du hauptsächlich die Nachteile siehst. Ich gehe aber davon aus, dass auch du von den Vorteilen profitierst.
Wenn mir zwangsweise von meinem Einkommen Geld für Arbeitslosen- und Rentenversicherung weggenommen wird, und ich dann nicht noch freiwillig auf Hartz IV und staatliche Rente verzichte, bedeutet dies keineswegs, dass ich in irgendeiner moralisch relevanten Form "von den Vorteilen profitiere".
Der Grundgedanke des Staates ist pervers. Denn er ist nun einmal eine Organisation, die mit ihren Monopolansprüchen offen gegen die fundamentalste ethische Grundregel, die Goldene Regel, verstößt.
Lol. Nein, das Problem ist nicht der Islam und der Koran, dass Problem ist dessen kurzsichtige Interpretation davon, wie sie vom ehrenwerten Islamisten vorgenommen wird
Ist egal, denn jeder Muslim vertritt notwendigerweise eine Interpretation des Islam, und dass seine Interpretation möglicherweise kurzsichtig ist, weiß er nicht.
Natürlich verurteile ich ihn für seiner Vorgehensweise.
Ich nicht. Ich sehe ihn lediglich als Feind an. Vor dem ich mich schütze.
Natürlich verurteile ich ihn dafür, dass er für (s)eine gerechte Sache unethische Wege geht.
Er vertritt eine falsche ethische Theorie. Das ist etwas anderes als unethisch zu handeln.
Er vertritt auch eine falsche Theorie der Gerechtigkeit. So etwas wie "seine gerechte Sache" gibt es also gar nicht. Was er vertritt ist ungerecht.
Er weiß allerdings beides nicht, und handelt so, wie diese falschen Theorien es ihm vorschreiben. Ihm moralische Vorwürfe zu machen ist daher unangebracht.