Ich glaube, dass wir uns in Vielen Punkten einig sind. Und dennoch erreichen wir unterschiedliche Ergebnisse wenn wir über die Rolle des Staats und der Privaten nachdenken.
Ich stimme zu, dass Kinder normalerweise von Kontakt mit Gleichaltrigen profitieren und nicht das Eigentum ihrer Eltern sind.
Und ja, in fast allen demokratischen Ländern gibt es Schulpflicht (mit der Ausnahme von z.B. Irland). Vor 200 Jahren war Sklaverei in fast allen Ländern, inklusive Demokratien. Und beinahe niemand würde damals dieses System kritisieren. Warum auch? Man behauptete, die Sklaven könnten nicht allein überleben. Ihnen fehlte Entscheidungsfähigkeit; wenn sie frei gesetzt wären, würden sie sterben.
Ist Schulpflicht ein Teil des Kinderrechtsrahmes? Kennst du ein anderes Recht, das die Form einer Pflicht hätte? Was wenn der Staat jetzt sagt, man habe das Recht auf ein Auto und dieses Recht wird in der Form einer Pflicht realisiert - jeder, der das hässliche und gefährliche staatliche Auto nicht fährt wird verhaftet, seine Kinder verschleppt und sein Vermögen verstaatlicht? Ergibt das denn Sinn? Und wenn nicht, dann was ist der Unterschied zwischen Autopflicht und Schulpflicht?
Wie würden die Unterstützer dieses "Rechts" argumentieren? Warum müssen alle gefährliche Autos fahren, wenn diejenige, die reicher sind, ein besseres Auto kaufen könnten und damit die Sicherheit für alle verbessern? Weil es ungerecht ist! Ungleichheit wird systematisch aufgebaut und die Bevölkerung in zwei Klassen verteilt!
Und jetzt noch Repressionsinstrument. Was ist, deiner Meinung nach, die effektivste Methode, die totalitäre Regimes verwenden, damit Menschen ihre Regierung nicht hinterfragen? Was ist einfacher, als die sogenannten Tatsachen den Kindern schon mit sechs Jahren vorzustellen und als die einzige Wahrheit zu präsentieren? Mit sechs können die meisten Kinder ohnehin nicht kritisch denken. Sie merken sich alles und nur wenige werden es später hinterfragen, insbesondere weil sie sich später lediglich an Emotionen und keine Fakten erinnern.
Nun kommen wir zu der Frage der Dezentralisierung von Macht. Was ist das größte Monopol, das wir haben? Google, Meta, Amazon? Die wirtschaftliche Definition eines Monopolisten lautet "Ein Anbieter von Waren oder Diensten, der den Preis erhöhen oder die Qualität verschlechtern darf, ohne dass er Kunden verliert."
Wenn Meta plötzlich eine Bezahlung für jede Anmeldung bei Instagram wollte, wie lange würde es dauern, bis sie sich in Nichts auflöste? Ein, zwei Wochen? Jedenfalls nicht länger als einen Monat.
Wenn der Staat die Steuern erhöht und gleichzeitig seine Dienste schlimmer werden, passiert überhaupt etwas? Einige Menschen gehen in die Straßen zu demonstrieren und werden von der Polizei verletzt, verhaftet oder sogar umgebracht. Die Menschen gewöhnen sich allmählich und die neue Generation, die die niedrigeren Steuern nie gekannt hat, hat keinen Grund zu protestieren. So war es doch immer.
Vielleicht siehst du hier den Unterschied:
Eine private Firma hat Macht, solange sie das tut, was den meisten Kunden mehr oder weniger gefällt. Wenn es unerträglich wird, eine andere nimmt ihren Platz.
Der Staat hat Macht und kann sich grundsätzlich alles leisten. Er kann unschuldige Menschen in anderen Ländern töten lassen und es Krieg nennen. Er kann Menschen, die mit unerlaubten Substanzen experimentieren, verurteilen, im Knast zu verrotten. Er kann das Leben derjenigen, die ungewöhnliche Präferenzen haben, mit einer Hausdurchsuchung völlig zerstören. Er kann den Eltern die Kinder abnehmen, wenn sie die Kinder selbst ausbilden wollen, weil sie dem Staat entweder nicht vertrauen oder ihr Kind spezielle Aufmerksamkeit benötigt.
Noch dazu: Es gibt viele verschiedene Familien und sogar Märkte, die eben viele kleine Teile haben, die antagonistisch gegeneinander wirken und sich konkurrieren. Der Staat ist der einzige im Land. Wenn du also Misstrauen gegenüber jeder ungeteilten Macht hast, dann solltest du vorallem dem Staat misstrauen.
Wenn die Politiker ein neues Gesetz machen, ist es nicht nur eine Empfehlung. Es handelt sich um eine Regel, die Gewalt und Zwang braucht, sodass sich Menschen an ihm halten.
Ich verstehe, dass bei euch niemand verschleppt wird, wenn Eltern das Kind temporär zu Hause unterrichten. Aber was passiert wenn die Eltern das Kind nicht nur temporär zu Hause behalten möchten?
Der Staat hat keine Verantwortung. Menschen haben Verantwortung. Wer ist verantwortlicher, wenn es um die Bildung der Kinder geht? Sind das die Eltern oder die Politiker? Natürlich gibt es Eltern, die sich unverantwortlich benehmen. Dann besteht noch die Hoffnung, dass sich das Umfeld um das Kind kümmert. Falls alle so ignorant sind, wie hälfe eine Intervention seitens des Staats?
Es ist durchaus möglich, dass das Kind sowieso in die Schule nicht geschickt würde. Und wenn ja? Oder wenn die Polizei das Kind "retten" würde und die ignoranten Eltern verhaften würde? Hätte das Kind überhapt eine Chance in der Schule zu überleben? In der Schule wären andere Kinder, die tolle Eltern hätten, und das Kind würde wahrscheinlich gemobbt. Die Lehrer*innen würden sich ihm gegenüber vermutlich ebenso schlecht verhalten. Das Kind würde die Schulpflicht mit zerstörtem Selbstbewusstsein beenden, dem Beispiel seiner Eltern folgen und früh im Knast landen.
Die Intervention des Staats bezieht sich allerdings nicht nur auf die arme Kinder mit unausgebildeten Eltern. Es betrifft eben die Kinder, die andernfalls eine tolle Kindheit hätten. Die hervorragend kluge Kinder langweilen sich, die weniger begabten verlieren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Wenn nicht alle Kinder gleich sind, muss die Gleichheit künstlich geschaffen werden.
Wir können es also zusammensetzen.
Staatliche Schulen mit Schulpflicht:
Vorteile:
- Alle können dort ihre Kinder schicken (allerdings nur wenn die Schule nah genug ist)
- Alle Kinder sind gleich
- Es ist irgendwie "gerecht"
Nachteile:
- Können als Indoktrationsinstrumente von totalitären Regeimes dienen und staatliche Propaganda unter den Kindern verbreiten
- Zentralisiert - man kann sich nur schwer um ungewöhnliche Kinder kümmern
- Weniger begabte Kinder und Kinder aus armen Familien verlieren Selbstbewusstsein
- Bietet nur begrenzte Möglichkeiten, was alternative Lernmethoden angeht
- Kann unbeschränkt schlimmer werden, hat keine Konkurrenz
- Es gibt keine zusätzliche Motivation für gute Lehrer*innen (schlechter bezahlt als andere Berufe)
- Die Leher*innen können nur schwer bewertet werden
- Kinder können straflos von der Polizei verschleppt werden
Staatliche Schulen mit Konkurrenz von privaten Schulen und Homeschooling:
Vorteile:
- Alle können ihre Kinder noch immer in die staatlichen Schulen schicken, zu Hause unterrichten (im Falle eines Kuponsystems eben in private Schulen schicken)
- Dezentralisiert - es ist möglich, Unterschiede zwischen den Kindern zu erkennen und dementsprechend die Ausbildungsart zu ändern
- Dank Konkurrenz müssen alle Schulen ständig versuchen, die beste Ausbildung anzubieten, andernfalls werden sie durch die besseren Alternativen ersetzt
- Gute Lehrer*innen bekommen ein Bonus in Form vom höheren Lohn
- Wenn sich das Regime ändert, ist es viel schwieriger, Menschen zu indoktrinieren
Nachteile:
- Es ist irgendwie "ungerecht"
Noch ein weiterer Gedanke zum Thema Homeschooling. Wenn ich ein normaler Mensch bin und meine Kinder zu Hause unterrichten will, dann werde ich den ganzen Tag nicht damit verbringen, sie über Pflanzen zu erzählen. Es gibt etwas, das nicht viele Kinder heutzutage kennen. Es heißt "Freizeit". Also die Zeit, wann sie sich mit ihren Freunden (z.B. Nachbarkindern) treffen können.
Ich denke sogar, dass die Eltern den Unterricht zusammen mit den Kindern von anderen Bekannten machen könnten. Dann wäre Homeschooling in der Tat keine Isolation. Aber vielleicht überschätze ich sie. Vielleicht können Politiker das Bedürfnis eines Sozialraums besser einschätzen als Eltern.
Warum würden die staatliche Schulen schwächer wenn sie Konkurrenz hätten? Vielleicht geht es darum, dass sie nicht so gut als die privaten Alternativen sein können. Falls du Zeit hast, kann ich dir The Beautiful Tree von James Tooley empfehlen. Er hat mehrere Studien geführt, in denen er die privaten Schulen für die Armen in Afrika, Indien und China (also die, die in extremer Armut leben) forschte. Es zeigte sich, dass wo die angebliche öffentliche Ausbildung grandiös gescheitert hatte, da entstanden private Schulen, die sogar den armsten Familien billige Ausbildung anboten, trotz der Versuchen des Staats alles zu verbieten und zu verbergen.
Ich meine nicht, dass du Lust am Zwang hast. Ich glaube nur, dass du diesen angeblichen Feind nicht ausreichend gut kennst. Niemand kann alles wissen.
Wenn die Kinder "Recht auf Schutz vor ideologischer Abschottung" haben sollen, warum glaubst du, der Staat sei der ideale Kandidat für den Beschützer? Wäre es nicht sicherer, alle Ideen zu erlauben, sodass jeder sein Kind so erzieht wie er und das Kind es wollen, als dem Staat die Macht zu verleihen, zu entscheiden, was wahr und was falsch ist?
Sollte die Macht des Staats unbegrenzt sein? Ähm, warte mal. Der Staat entscheidet eigentlich über seine eigene Macht.. Naja, er ist grob, dumm, träge, ideologisch. Aber hat beinahe unbegrenzte Macht und obwohl er ideologisch ist, kann er natürlich eine Ausbildung ohne ideologischer Abschottung für die Kinder garantieren.
Ich stimme zu, dass unkontrollierte private Macht schlimmer als staatliche Macht werden kann. Weil es effektiver ist. Aber als ich oben gezeigt habe, private Macht wird von der Macht der konkurrirenden Firmen begrenzt (natürlich nur bis wenn der Staat auftaucht, aus einer Firma de facto einen Monopolisten macht und die Konkurrenz verunmöglicht; siehe Deutsche Bahn).
Die staatliche Macht ist immer unbegrenzt (siehe was mit der Verfassung von Amerika geschehen ist, sogar das war ein unausreichendes Hindernis für sie).
Ich bin mir nicht sicher, ob du dir all den Schaden, die die Schulpflicht verursacht hat, bewusst bist. Du schreibst von Schadensbegrenzung und trotzdem vergisst du alle Kinder, die wegen der Schulpflicht das eigene Leben beendet haben, die Selbstvertrauen verloren haben und die, für die es nur eine Zeitverschwendung war. Es ist kein Zufall, dass es in den Ferien weniger Kindersuizidfälle gibt als während des Schuljahrs.
Ich dachte ursprünglich, ich würde noch das Sudburry Model erwähnen, aber ich sehe, dass ich bereits zu viel geschrieben habe. Es ist ein Beispiel eines Schulmodels, der mindestens genauso effektiv wie die Alternativen ist (wenn nicht effektiver), basiert jedoch nicht auf Zwang, sondern auf Verantwortung jedes einzelnen Kindes.
Im Gegensatz zu unserem aktuellen preußischen Model, der dazu gemacht wurde, gehorsame Soldaten zu generieren.
Re: Gesetzesentwurf zum Homeschooling in Argentinien
Achtung! Gedankenverbrecher!
Re: Gesetzesentwurf zum Homeschooling in Argentinien
@Zärtel, ich lese deinen Text aufmerksam, und ja: du hast Argumente, du hast offenkundig viel darüber nachgedacht. Aber genau deshalb irritiert mich, wie sehr du an entscheidenden Stellen danebenliegst.
Ich bin Argentinier, ich lebe und arbeite hier. Ich leite eine Primarstufe. Ich sehe Kinder nicht theoretisch, sondern jeden Tag. Und aus dieser Perspektive sage ich dir: Schulpflicht ist hier kein Herrschaftsinstrument, sondern ein Schutzmechanismus. Unvollkommen, manchmal brutal schlecht umgesetzt, aber notwendig.
Dein Grundfehler ist, dass du Schulpflicht wie einen Eigentumsanspruch liest. Als würde der Staat sagen: „Die Kinder gehören mir.“ Das sagt er nicht. Er sagt: „Kinder dürfen nicht vollständig vom Weltbild, von der Kompetenz oder von der Willkür ihrer Eltern abhängen.“ Das ist ein riesiger Unterschied.
Der Sklaverei-Vergleich ist ehrlich gesagt unhaltbar. Sklaverei hat Menschen entrechtet, entmündigt, ihnen Bildung und Sprache genommen. Schulpflicht ist historisch genau aus dem gegenteiligen Impuls entstanden. Sie war ein Angriff auf Kinderarbeit, auf religiöse Abschottung, auf Vererbung von Analphabetismus. Dass du das in eine Linie bringst, ist keine Provokation, sondern eine Verwechslung von Kategorien.
Du redest viel von Monopolen. Dann lass uns ehrlich sein: Die größte ungeteilte Macht, die ein Kind erlebt, ist nicht der Staat, sondern die Familie. Eltern sind kein Markt, keine konkurrierenden Anbieter. Ein Kind kann nicht wechseln, kündigen, vergleichen. Wenn Eltern ideologisch verengt, überfordert, gewalttätig oder schlicht gleichgültig sind, gibt es ohne Schule keinen Korrektivraum. Schulpflicht begrenzt diese Macht minimal. Mehr nicht.
Und bitte: Argentinien ist kein libertärer Thinktank. Wir haben massive soziale Ungleichheit. Wir haben Eltern, die drei Jobs haben, Eltern mit sehr geringer Schulbildung, Eltern, die ihre Kinder lieben, aber schlicht nicht in der Lage sind, sie systematisch zu bilden. Gesetze werden nicht für Idealeltern gemacht, sondern für die Realität. Homeschooling als Regel würde hier nicht Freiheit schaffen, sondern Unsichtbarkeit.
Was mich besonders stört, ist dein Bild vom Staat als monolithischem Block. Ja, staatliche Macht ist gefährlich. Aber Schule ist nicht „der Staat“. Schule sind Lehrkräfte, Direktor*innen, Teams, Konflikte, Aushandlungen. Und übrigens: In Argentinien gibt es längst Konkurrenz. Ein riesiges Privatschulsystem. Religiös, säkular, progressiv, elitär, armutsnah. Wahlfreiheit existiert. Was es nicht gibt, ist das Recht, Kinder komplett aus jedem verbindlichen Bildungsrahmen herauszunehmen. Und das ist kein Zufall.
Deine These von Schule als zentralem Indoktrinationsinstrument überzeugt mich nicht. Totalitäre Regime funktionieren nicht primär über Grundschulen, sondern über Angst, Gewalt, Medienkontrolle. Schule kann missbraucht werden, klar. Aber sie ist auch einer der wenigen Orte, an denen Kinder andere Perspektiven sehen als die ihrer Eltern. Das ist keine Abschottung, das ist Öffnung.
Wenn du Suizide und zerstörtes Selbstwertgefühl ins Feld führst, wird es heikel. Ich sehe Kinder, die leiden. Ich weiß, dass Schule Schaden anrichten kann. Aber das monokausal der Schulpflicht zuzuschreiben, ist nicht seriös. Nach derselben Logik müsstest du Familie als Institution abschaffen – denn der meiste reale Schaden entsteht im privaten Raum.
Sudbury, freie Modelle, Verantwortung der Kinder – alles bekannt. Interessant, inspirierend, aber Nischen. Sie funktionieren dort, wo Stabilität, Zeit, kulturelles Kapital vorhanden sind. Sie sind kein Modell für eine gesamte Gesellschaft, schon gar nicht für ein Land wie Argentinien.
Du sagst, du misstraust jeder ungeteilten Macht. Dann zieh das konsequent durch. Misstraue auch der ungeteilten Macht von Eltern. Schulpflicht ist kein Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern ein unvollkommener Versuch, diese Macht zu begrenzen und Kindern einen Raum jenseits der Familie zu garantieren.
Mir geht es nicht um Zwang. Mir geht es um Schadensbegrenzung in der Realität, nicht um theoretische Reinheit. Dein Text erkennt reale Probleme, aber deine Lösung würde vor allem jene Kinder treffen, die am wenigsten Alternativen haben.
Und genau deshalb widerspreche ich dir. Nicht aus Staatsgläubigkeit. Sondern aus Verantwortung.
Ich bin Argentinier, ich lebe und arbeite hier. Ich leite eine Primarstufe. Ich sehe Kinder nicht theoretisch, sondern jeden Tag. Und aus dieser Perspektive sage ich dir: Schulpflicht ist hier kein Herrschaftsinstrument, sondern ein Schutzmechanismus. Unvollkommen, manchmal brutal schlecht umgesetzt, aber notwendig.
Dein Grundfehler ist, dass du Schulpflicht wie einen Eigentumsanspruch liest. Als würde der Staat sagen: „Die Kinder gehören mir.“ Das sagt er nicht. Er sagt: „Kinder dürfen nicht vollständig vom Weltbild, von der Kompetenz oder von der Willkür ihrer Eltern abhängen.“ Das ist ein riesiger Unterschied.
Der Sklaverei-Vergleich ist ehrlich gesagt unhaltbar. Sklaverei hat Menschen entrechtet, entmündigt, ihnen Bildung und Sprache genommen. Schulpflicht ist historisch genau aus dem gegenteiligen Impuls entstanden. Sie war ein Angriff auf Kinderarbeit, auf religiöse Abschottung, auf Vererbung von Analphabetismus. Dass du das in eine Linie bringst, ist keine Provokation, sondern eine Verwechslung von Kategorien.
Du redest viel von Monopolen. Dann lass uns ehrlich sein: Die größte ungeteilte Macht, die ein Kind erlebt, ist nicht der Staat, sondern die Familie. Eltern sind kein Markt, keine konkurrierenden Anbieter. Ein Kind kann nicht wechseln, kündigen, vergleichen. Wenn Eltern ideologisch verengt, überfordert, gewalttätig oder schlicht gleichgültig sind, gibt es ohne Schule keinen Korrektivraum. Schulpflicht begrenzt diese Macht minimal. Mehr nicht.
Und bitte: Argentinien ist kein libertärer Thinktank. Wir haben massive soziale Ungleichheit. Wir haben Eltern, die drei Jobs haben, Eltern mit sehr geringer Schulbildung, Eltern, die ihre Kinder lieben, aber schlicht nicht in der Lage sind, sie systematisch zu bilden. Gesetze werden nicht für Idealeltern gemacht, sondern für die Realität. Homeschooling als Regel würde hier nicht Freiheit schaffen, sondern Unsichtbarkeit.
Was mich besonders stört, ist dein Bild vom Staat als monolithischem Block. Ja, staatliche Macht ist gefährlich. Aber Schule ist nicht „der Staat“. Schule sind Lehrkräfte, Direktor*innen, Teams, Konflikte, Aushandlungen. Und übrigens: In Argentinien gibt es längst Konkurrenz. Ein riesiges Privatschulsystem. Religiös, säkular, progressiv, elitär, armutsnah. Wahlfreiheit existiert. Was es nicht gibt, ist das Recht, Kinder komplett aus jedem verbindlichen Bildungsrahmen herauszunehmen. Und das ist kein Zufall.
Deine These von Schule als zentralem Indoktrinationsinstrument überzeugt mich nicht. Totalitäre Regime funktionieren nicht primär über Grundschulen, sondern über Angst, Gewalt, Medienkontrolle. Schule kann missbraucht werden, klar. Aber sie ist auch einer der wenigen Orte, an denen Kinder andere Perspektiven sehen als die ihrer Eltern. Das ist keine Abschottung, das ist Öffnung.
Wenn du Suizide und zerstörtes Selbstwertgefühl ins Feld führst, wird es heikel. Ich sehe Kinder, die leiden. Ich weiß, dass Schule Schaden anrichten kann. Aber das monokausal der Schulpflicht zuzuschreiben, ist nicht seriös. Nach derselben Logik müsstest du Familie als Institution abschaffen – denn der meiste reale Schaden entsteht im privaten Raum.
Sudbury, freie Modelle, Verantwortung der Kinder – alles bekannt. Interessant, inspirierend, aber Nischen. Sie funktionieren dort, wo Stabilität, Zeit, kulturelles Kapital vorhanden sind. Sie sind kein Modell für eine gesamte Gesellschaft, schon gar nicht für ein Land wie Argentinien.
Du sagst, du misstraust jeder ungeteilten Macht. Dann zieh das konsequent durch. Misstraue auch der ungeteilten Macht von Eltern. Schulpflicht ist kein Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern ein unvollkommener Versuch, diese Macht zu begrenzen und Kindern einen Raum jenseits der Familie zu garantieren.
Mir geht es nicht um Zwang. Mir geht es um Schadensbegrenzung in der Realität, nicht um theoretische Reinheit. Dein Text erkennt reale Probleme, aber deine Lösung würde vor allem jene Kinder treffen, die am wenigsten Alternativen haben.
Und genau deshalb widerspreche ich dir. Nicht aus Staatsgläubigkeit. Sondern aus Verantwortung.
Teleguard: WL4LLT5GV
Mis días sin ti son tan oscuros
Tan largos, tan grises, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan absurdos
Tan agrios, tan duros, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan oscuros
Tan largos, tan grises, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan absurdos
Tan agrios, tan duros, mis días sin ti
Re: Gesetzesentwurf zum Homeschooling in Argentinien
Es ist möglich, dass ich irgendwo Fehler gemacht habe. Mehr als 90% davon, was menschen glauben, falsch ist (oder zumindest glaube ich). Allerdings ist es auch möglich, dass du dich an den entscheidenden Stellen irrst.
Ich gebe zu, ich bin kein Argentinier und weiß natürlich nicht, wie genau es bei euch aussieht. Gerade deshalb kann ich nur über Theorie diskutieren. Das Gute an einer theoretischen Debatte ist, dass wenn die Theorie falsch ist, also entweder entsprechen die Voraussetzungen nicht der Wirklichkeit oder es gibt einen Fehler in der Logik des Arguments, kann man auf den schwachen Punkt einfach zeigen.Ich bin Argentinier, ich lebe und arbeite hier. Ich leite eine Primarstufe. Ich sehe Kinder nicht theoretisch, sondern jeden Tag. Und aus dieser Perspektive sage ich dir: Schulpflicht ist hier kein Herrschaftsinstrument, sondern ein Schutzmechanismus. Unvollkommen, manchmal brutal schlecht umgesetzt, aber notwendig.
Und übrigens, wenn du davon ausgehst, dass Schulpflicht notwendig ist, kannst du zu keinem anderen Schluss kommen, als dass sie notwendig ist.
Natürlich wäre es besser, wenn Kinder nicht völlig abhängig von ihren inkompetenten Eltern wären. Aber der Staat ist kein Deus ex Machina. Er wird nicht von Engeln geführt, sondern von Menschen. Und ich würde sagen, die Politiker, die in der demokratischen Prozess erwählt worden sind, seien oft schlimmer als der durchschnittliche Mensch (Populisten, usw.).Dein Grundfehler ist, dass du Schulpflicht wie einen Eigentumsanspruch liest. Als würde der Staat sagen: „Die Kinder gehören mir.“ Das sagt er nicht. Er sagt: „Kinder dürfen nicht vollständig vom Weltbild, von der Kompetenz oder von der Willkür ihrer Eltern abhängen.“ Das ist ein riesiger Unterschied.
Ich wollte mit dem Sklaverei Vergleich dich auf mehrere Dingen aufmerksam machen:Der Sklaverei-Vergleich ist ehrlich gesagt unhaltbar. Sklaverei hat Menschen entrechtet, entmündigt, ihnen Bildung und Sprache genommen. Schulpflicht ist historisch genau aus dem gegenteiligen Impuls entstanden. Sie war ein Angriff auf Kinderarbeit, auf religiöse Abschottung, auf Vererbung von Analphabetismus. Dass du das in eine Linie bringst, ist keine Provokation, sondern eine Verwechslung von Kategorien.
Jederzeit kann es in unserer Gesellschaft eine Regel geben, die wir heute für nötig und gut halten, ist aber nicht so.
Kinder sind eine der meist unterdrückten Minderheiten. Sie haben kein Wahlrecht, sie dürfen ihre Eltern nicht verlassen, sie dürfen nicht arbeiten, sie dürfen nicht mit ihrem Körper alles tun, was sie sich wünschten, sie dürfen ohne Erlaubnis von Eltern fast nichts sebst erledigen, usw.
Du hast den Autopflicht Vergleich nicht erwähnt. Den finde ich viel passender als Sklaverei in dem Sinne, dass alle aus freierem System profitieren würden, obwohl es zur Ungleichheit führen würde.
Natürlich gibt es immer eine Weise, wie man einen Vergleich betrachten kann, sodass er keinen Sinn ergibt. Das ist aber nicht hilfreich.
Du schreibst von religiöser Abschottung. Ist es dir jemals eingefallen, dass Ideologien die modernste Version von Religion sind? Du hast selbst gesagt, der Staat sei ideologisch.
Selbstverständlich hat die Familie viel Einfluss auf das Kind. Bedeutet das, dass sie abgeschafft werden soll? Wahrscheinlich nicht. Sollte sie also irgendwie begrenzt werden? Lass uns das tiefer erkunden.Du redest viel von Monopolen. Dann lass uns ehrlich sein: Die größte ungeteilte Macht, die ein Kind erlebt, ist nicht der Staat, sondern die Familie. Eltern sind kein Markt, keine konkurrierenden Anbieter. Ein Kind kann nicht wechseln, kündigen, vergleichen. Wenn Eltern ideologisch verengt, überfordert, gewalttätig oder schlicht gleichgültig sind, gibt es ohne Schule keinen Korrektivraum. Schulpflicht begrenzt diese Macht minimal. Mehr nicht.
Wie wird die Macht der Eltern limitiert, wenn es eine Schulpflicht gibt?
Wenn die Eltern das Gesetz nicht respektieren, ist es durchaus möglich, dass sie das Kind sowieso in die Schule nicht schicken werden. Das kann man verhindern, indem man alle ausspionieren lässt. Wenn der Staat alles sieht, gibt es keine Verbrechen.
Lass uns aber voraussetzen, dass jemand die Eltern meldet und sie einen Polizeibesuch bekommen, das Kind verschleppt wird und muss die Schule besuchen. Wenn wir die Fälle ignorieren, in denen das Kind Probleme in der Schule hat, kann es ab und zu eine Verbesserung der gesamten Situation sein.
Noch bleibt und der Fall mit Eltern, die Gesetze befolgen. Entweder sind die Eltern so ideologisch verengt, überfordert, gewalttätig und gleichgültig, dass sie das Kind in die Schule nicht schicken würden, aber wenn es ihnen die weisen Politiker so vorgeschrieben haben, werden sie gehorchen, oder sind die Eltern mehr oder weniger durchschnittlich und befolgen die Gesetze. In dem ersten Fall könnten die Kinder wieder potenziell profitieren.
Gegebenfalls die Eltern ideologisch verengt, überfordert, gewalttätig oder gleichgültig sind, kann sich die Situation verbessern, entweder wenn sie gemeldet werden oder aus irgendwelchem Grund Gesetze befolgen, obwohl sie andernfalls eine Katastrophe sind.
Du siehst diese potenzielle Verbesserung und behauptest, es sei der Grund weswegen Schulpflicht nötig sei. Aber du ignorierst völlig die zweite Seite - all die Kinder, denen die Schulpflicht das Leben verschlimmert oder gar genommen hat.
Es geht doch um Zulassung von Homeschooling, nicht um Homeschoolingspflicht. Das wäre ja was ganz anderes.Und bitte: Argentinien ist kein libertärer Thinktank. Wir haben massive soziale Ungleichheit. Wir haben Eltern, die drei Jobs haben, Eltern mit sehr geringer Schulbildung, Eltern, die ihre Kinder lieben, aber schlicht nicht in der Lage sind, sie systematisch zu bilden. Gesetze werden nicht für Idealeltern gemacht, sondern für die Realität. Homeschooling als Regel würde hier nicht Freiheit schaffen, sondern Unsichtbarkeit.
Du unterstellst mir hier etwas, was ich nicht gemacht habe (mindestens hoffe ich und kann es nirgendwo in meinem Text finden) - dass ich irgendwo mit idealen Eltern rechne. Was jedoch viele Menschen tun, und ich glaube, du bist hier keine Ausnahme, ist, dass sie sich implizit die Politiker als Engel vorstellen. Natürlich nicht bewusst. Aber wenn es ein schwieriges Problem gibt, suchen sie instinktiv die Antwort bei dem Staat, und das sogar in den Fällen, in denen die Lösung keine Gewalt benötigt.
Du hast geschrieben, du kennest das Sudburry Model. Dann ist dir vielleicht auch eingefallen, dass dieser und ihm ähnliche Alternativen nicht erlaubt sind, gerade wegen der verbindlichen Bildungsrahmen.Was mich besonders stört, ist dein Bild vom Staat als monolithischem Block. Ja, staatliche Macht ist gefährlich. Aber Schule ist nicht „der Staat“. Schule sind Lehrkräfte, Direktor*innen, Teams, Konflikte, Aushandlungen. Und übrigens: In Argentinien gibt es längst Konkurrenz. Ein riesiges Privatschulsystem. Religiös, säkular, progressiv, elitär, armutsnah. Wahlfreiheit existiert. Was es nicht gibt, ist das Recht, Kinder komplett aus jedem verbindlichen Bildungsrahmen herauszunehmen. Und das ist kein Zufall.
Schule ist nicht Staat. Und für dich schon gar nicht. Und daher schrieb ich nur über staatliche Schulen, wenn es um sie ging. Allerdings scheint mir ziemlich gefährlich, den Staat aus dem Ganzen rauszuziehen. Wenn es staatliche Schulen sind, haben sie mit dem Staat viel gemeinsam.
Und ich war nicht derjenige, der dem Staat Verantwortung zugeschrieben hat.
Hier ist es ein Nachteil (oder vielleicht Vorteil) nicht in Europa zu wohnen. Selbstverständlich wurden und werden Schulen als Stabilisierungsmittel von totalitären Regimes missbraucht. Siehe zum Beispiel:Deine These von Schule als zentralem Indoktrinationsinstrument überzeugt mich nicht. Totalitäre Regime funktionieren nicht primär über Grundschulen, sondern über Angst, Gewalt, Medienkontrolle. Schule kann missbraucht werden, klar. Aber sie ist auch einer der wenigen Orte, an denen Kinder andere Perspektiven sehen als die ihrer Eltern. Das ist keine Abschottung, das ist Öffnung.
Nazionalsozialismus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung_im_Nationalsozialismus
Sowjetischer Sozialismus in Europa:
https://www.totetu.org/assets/media/paper/k025_106.pdf
Nordkorea heute:
https://www.opendoors.at/news/nordkorea-intensivere-indoktrination-an-schulen/
Dass du von reiner Theorie nicht überzeugt bist, verstehe ich. Aber die Geschichte und Gegenwart bestätigen meine Behauptungen.
Und ja, was wenn die Kinder in Nordkorea schreckliche ideologisch verengte Eltern haben? Denen muss man in der Schule dann zeigen, dass es gut ist, Südkorea zu hassen und mit Krieg und Gewalt zu drohen.
Das schlimmste an Propaganda ist, dass wir unsere Propaganda nicht erkennen können, weil es uns als die Wahrheit präsentiert wird. Wenn ich in einer Zeitung lese, China sei unser Feind und respektiere Menschenrechten nicht, wie kann ich wissen, ob das wahr ist?
Ich reise nach China und kann entweder meine Meinung behalten oder ändern. In beiden Fällen besteht jedoch das Risiko, dass ich mich geirrt habe: Wenn ich noch immer glaube, China sei schlimm, kann es nur unsere effektive Propaganda sein. Wenn sich meine Meinung diesbezüglich ändert, kann es sein, dass chinesische Propaganda eine stärkere Wirkung auf mich hatte.
Hier verstehe ich nicht, warum ich nach derselben Logik Familie abschaffen müsste.Wenn du Suizide und zerstörtes Selbstwertgefühl ins Feld führst, wird es heikel. Ich sehe Kinder, die leiden. Ich weiß, dass Schule Schaden anrichten kann. Aber das monokausal der Schulpflicht zuzuschreiben, ist nicht seriös. Nach derselben Logik müsstest du Familie als Institution abschaffen – denn der meiste reale Schaden entsteht im privaten Raum.
Wenn es Schulpflicht gibt, leiden einige Kinder. Wenn es sie nicht gäbe, würden sie nicht leiden.
Wenn es Familie gibt, leiden einige Kinder. Wenn es sie nicht gäbe, würden sie dennoch leiden, da Familie der Grund ihres Leids nicht war.
Und das behaupte ich auch nicht. Ich wäre für die Zulassung von den alternativen Modellen, nicht dafür sie als das einzige System allen aufzuzwingen - das wäre doch genau das, was ich kritisiere.Sudbury, freie Modelle, Verantwortung der Kinder – alles bekannt. Interessant, inspirierend, aber Nischen. Sie funktionieren dort, wo Stabilität, Zeit, kulturelles Kapital vorhanden sind. Sie sind kein Modell für eine gesamte Gesellschaft, schon gar nicht für ein Land wie Argentinien.
Ich bin mir aber nicht sicher, wie weit deine Kentnisse des Sudburry Models reichen. Denn wenn du es gut kennst, verstehst du, dass es nicht für irgendwelche überdurchschnittliche Kinder ist. Es funktioniert gut sogar mit den gewöhnlichsten Kindern.
Weil man keinen Zwang zum Lernen braucht.
Falsch und falsch. Du hast gesagt, du misstraust jeder ungeteilten Macht. Und Schulpflicht ist auf jeden Fall kein Versuch, die staatliche Allmacht zu begrenzen.Du sagst, du misstraust jeder ungeteilten Macht. Dann zieh das konsequent durch. Misstraue auch der ungeteilten Macht von Eltern. Schulpflicht ist kein Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern ein unvollkommener Versuch, diese Macht zu begrenzen und Kindern einen Raum jenseits der Familie zu garantieren.
Reine Theorie ist das, was die erste Rakete ins All schickte. Es ist das, was den menschlichen Fortschritt ermöglichte, sodass die meisten Menschen nicht verhungern, Kinder nicht arbeiten müssen und wir über solche Distanzen kommunizieren können.Mir geht es nicht um Zwang. Mir geht es um Schadensbegrenzung in der Realität, nicht um theoretische Reinheit. Dein Text erkennt reale Probleme, aber deine Lösung würde vor allem jene Kinder treffen, die am wenigsten Alternativen haben.
Und genau deshalb widerspreche ich dir. Nicht aus Staatsgläubigkeit. Sondern aus Verantwortung.
Theorie kann zwar nicht alle Probleme der Welt lösen, aber ohne sie wären wir überhaupt nicht hier.
Ich würde sie deshalb an deiner Stelle nicht unterschätzen.
Ich wäre froh, wenn du dies weder als Kritik noch als eine Auseinandersetzung betrachten würdest. Es geht um eine Suche nach Wahrheit. Wahrscheinlich sind unsere beide Meinungen völlig verkehrt.
Achtung! Gedankenverbrecher!
Re: Gesetzesentwurf zum Homeschooling in Argentinien
Gut, dann gehe ich noch einmal direkt auf deinen Text ein: nicht, weil ich ihn als Angriff betrachte, nicht um dich zu diskreditieren, sondern um die Stellen klar zu markieren, an denen ich weiterhin fundamental widerspreche.
Zunächst zu deinem Einstieg: Du relativierst Wahrheit mit dem Hinweis, dass „mehr als 90 % dessen, was Menschen glauben, falsch ist“. Das klingt skeptisch, ist aber letztlich folgenlos. Wenn alles gleichermaßen falsch sein könnte, entzieht man jeder gemeinsamen normativen Grundlage den Boden. Politik, Pädagogik und Recht funktionieren aber nicht auf radikalem Skeptizismus, sondern auf der Frage: Welche Ordnung minimiert Schaden unter realen Bedingungen? Genau dort setzt mein Argument an, deines nicht.
Du schreibst, Theorie habe den Vorteil, dass man ihre Fehler klar benennen könne. Das stimmt – aber nur, wenn Theorie sich an der Wirklichkeit messen lässt. Dein Text tut das nur selektiv. Du erklärst selbst, dass du Argentinien nicht kennst und daher „nur theoretisch“ argumentierst. Genau hier liegt das Problem: Schulpflicht ist kein abstraktes Gedankenexperiment, sondern ein historisch und sozial gewachsenes Instrument in einem Land mit extremer Ungleichheit. Theorie, die diese Bedingungen systematisch ausblendet, ist nicht neutraler, sondern blind.
Du wirfst mir vor, ich käme zwangsläufig zu dem Schluss, dass Schulpflicht notwendig sei, weil ich von ihrer Notwendigkeit ausgehe. Das ist eine falsche Umkehrung. Ich gehe nicht von ihrer Notwendigkeit aus, sondern von beobachtbaren Alternativen: Wo Schulpflicht faktisch ausgehöhlt wird, verschwinden Kinder – nicht in Freiheit, sondern in Unsichtbarkeit. Arbeit, Pflege von Geschwistern, religiöse Abschottung, Verwahrlosung. Das ist keine logische Deduktion, sondern empirische Erfahrung.
Zum Staat: Du stellst ihn konsequent als Ansammlung potenziell schlimmerer Menschen dar als „der Durchschnitt“. Das mag als Misstrauen legitim sein, ist aber analytisch schief. Der Staat ist kein moralisches Subjekt, sondern ein Regelwerk mit Durchsetzungsmechanismen. Die relevante Frage ist nicht, ob Politiker Engel sind (das habe ich nie behauptet), sondern ob bestimmte Regeln im Mittel mehr Schaden verhindern, als sie verursachen. Deine Argumentation bleibt hier auffällig asymmetrisch: Du rechnest jeden möglichen Schaden der Schule dem Staat an, während du systematisch unterschätzt, wie zerstörerisch ungeregelte familiale Macht sein kann.
Dein Vergleich mit Sklaverei bleibt deshalb problematisch, weil er Kategorien vermischt. Du sagst selbst, er solle „aufmerksam machen“. Aber Aufmerksamkeit ist kein Argument. Wenn alles, was Zwang enthält, in die Nähe von Sklaverei rückt, wird der Begriff analytisch wertlos. Schulpflicht hat historisch nicht Macht verfestigt, sondern Machtverhältnisse gebrochen: Kinderarbeit, feudale Abhängigkeit, religiöse Totalabschottung. Dass Institutionen missbraucht werden können, bestreite ich nicht. Aber aus der Möglichkeit des Missbrauchs folgt nicht die grundsätzliche Unrechtmäßigkeit der Institution.
Dein Argument, Kinder seien eine „unterdrückte Minderheit“, greift ebenfalls zu kurz. Kinder sind keine Minderheit im politischen Sinn, sondern eine Entwicklungsgruppe mit struktureller Schutzbedürftigkeit. Dass sie nicht alles dürfen, ist kein Skandal, sondern Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt zu selbstbestimmten Subjekten werden können. Freiheit ist kein Naturzustand, sondern ein Ergebnis von Entwicklung. Und diese Entwicklung braucht verlässliche, externe Strukturen.
An dieser Stelle kommt dein Auto-Beispiel ins Spiel. Du fragst, ob Schulpflicht nicht so absurd sei wie ein staatlich verordnetes „Recht auf ein Auto“, das als Pflicht realisiert wird: Jeder muss ein staatliches, gefährliches Auto fahren, wer sich weigert, wird sanktioniert. Der Vergleich wirkt nur deshalb plausibel, weil er einen Kategorienfehler verschleiert.
Autofahren ist eine optionale Tätigkeit für Erwachsene. Bildung ist keine optionale Freizeitbeschäftigung, sondern die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe überhaupt. Ein Auto ist ein Konsumgut, austauschbar, kompensierbar. Bildung ist ein zeitgebundener, irreversibler Entwicklungsprozess. Wer mit acht Jahren nicht lesen lernt, holt das nicht einfach nach. Wer als Kind keinen Zugang zu Sprache, Struktur und sozialen Räumen hat, verliert Möglichkeiten, die später nicht mehr vollständig kompensierbar sind.
Du führst dann das Ungleichheitsargument an: Warum sollen alle das schlechte staatliche Auto fahren, wenn Reiche sich bessere Autos kaufen könnten? Genau dieses Argument spricht nicht gegen Schulpflicht, sondern für sie. Ohne verbindlichen Bildungsrahmen kaufen sich bildungsnahe Familien Freiheit, während bildungsferne Familien Unsichtbarkeit erben. Freiheit wird zur Ware. Ungleichheit wird nicht reduziert, sondern systematisch reproduziert. Die Zweiklassengesellschaft entsteht nicht durch Pflicht, sondern durch deren Abwesenheit.
Du fragst weiter, wie Schulpflicht die Macht der Eltern tatsächlich begrenze. Die Antwort ist schlicht: nicht perfekt, aber real. Schule ist ein externer Beobachtungsraum. Sie ist oft der einzige Ort, an dem Gewalt, Vernachlässigung, psychische Probleme oder massive Überforderung überhaupt sichtbar werden. Dein Szenario reduziert alles auf Polizei und Zwang, ignoriert aber den Alltag: Gespräche, Interventionen, soziale Netze, Unterstützungssysteme. Das ist keine Totalüberwachung, sondern minimale gesellschaftliche Einmischung.
An diesem Punkt ist Domingo Faustino Sarmiento relevant. Sarmiento war ein argentinischer Pädagoge, Schriftsteller und Präsident des 19. Jahrhunderts. Er lebte in einem Land, das damals von Analphabetismus, Caudillismus und extremer sozialer Fragmentierung geprägt war. Seine berühmte Formel „civilización o barbarie“ ist problematisch und historisch belastet, ja. Aber sein zentrales Anliegen war klar: Bildung als Infrastruktur der Republik. Schulpflicht war für ihn kein Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern ein Instrument gegen die Vererbung von Ausschluss. Er dachte Schule nicht als moralische Disziplinierungsanstalt, sondern als Voraussetzung dafür, dass überhaupt politische Subjekte entstehen können.
Zum Vorwurf der Indoktrination: Deine historischen Beispiele sind real, aber sie beweisen etwas anderes, als du meinst. Totalitäre Systeme indoktrinieren alles: Schule, Familie, Medien, Sprache. Schule ist dabei nicht die Ursache, sondern ein Vehikel unter vielen. In pluralistischen Gesellschaften ist Schule oft gerade der Ort, an dem Ideologien aufeinanderprallen und relativiert werden. In Argentinien erleben Kinder politische Vielfalt eher in der Schule als im Elternhaus.
Dein China-Beispiel zeigt eher das Problem radikalen Relativismus: Wenn jede Information potenziell Propaganda ist, bleibt nur Zynismus. Pädagogik zielt nicht darauf ab, „die Wahrheit“ zu implantieren, sondern Urteilsfähigkeit zu entwickeln. Und genau das ist ohne institutionelle Bildung kaum möglich.
Zum Thema Suizid und Leid: Deine Logik ist hier schlicht falsch. Du behauptest: Wenn es Schulpflicht gibt, leiden einige Kinder – ohne sie würden sie nicht leiden. Das ist eine unbelegte Kontrafaktik. Viele dieser Kinder würden ohne Schule nicht weniger, sondern anders und oft unsichtbarer leiden. Dass Familie nicht immer Ursache von Leid ist, stimmt, aber sehr oft ist sie es. Das blendest du konsequent aus.
Zu Sudbury und freien Modellen: Ich kenne sie gut genug, um ihren Wert zu sehen und ihre Grenzen. Sie funktionieren dort, wo äußere Stabilität vorhanden ist. Du sagst selbst, du willst sie nicht aufzwingen. Genau deshalb sage ich: Als Option ja, als Regel nein. In einem Land wie Argentinien wären sie nicht Befreiung, sondern Selektion.
Am Ende wirfst du mir Worte in den Mund, die ich so nicht gesagt habe. Ich misstraue ungeteilter Macht über Kinder. Und genau deshalb halte ich Schulpflicht, so unvollkommen sie ist, für einen notwendigen Eingriff. Nicht zur Stärkung staatlicher Allmacht, sondern zur Begrenzung privater.
Du verteidigst Theorie. Das ist legitim. Ich verteidige Verantwortung unter realen Bedingungen. Das ist kein Anti-Intellektualismus, sondern eine andere Prioritätensetzung. Wahrheitssuche ohne Blick auf Konsequenzen bleibt abstrakt. Pädagogik kann sich das nicht leisten.
Zunächst zu deinem Einstieg: Du relativierst Wahrheit mit dem Hinweis, dass „mehr als 90 % dessen, was Menschen glauben, falsch ist“. Das klingt skeptisch, ist aber letztlich folgenlos. Wenn alles gleichermaßen falsch sein könnte, entzieht man jeder gemeinsamen normativen Grundlage den Boden. Politik, Pädagogik und Recht funktionieren aber nicht auf radikalem Skeptizismus, sondern auf der Frage: Welche Ordnung minimiert Schaden unter realen Bedingungen? Genau dort setzt mein Argument an, deines nicht.
Du schreibst, Theorie habe den Vorteil, dass man ihre Fehler klar benennen könne. Das stimmt – aber nur, wenn Theorie sich an der Wirklichkeit messen lässt. Dein Text tut das nur selektiv. Du erklärst selbst, dass du Argentinien nicht kennst und daher „nur theoretisch“ argumentierst. Genau hier liegt das Problem: Schulpflicht ist kein abstraktes Gedankenexperiment, sondern ein historisch und sozial gewachsenes Instrument in einem Land mit extremer Ungleichheit. Theorie, die diese Bedingungen systematisch ausblendet, ist nicht neutraler, sondern blind.
Du wirfst mir vor, ich käme zwangsläufig zu dem Schluss, dass Schulpflicht notwendig sei, weil ich von ihrer Notwendigkeit ausgehe. Das ist eine falsche Umkehrung. Ich gehe nicht von ihrer Notwendigkeit aus, sondern von beobachtbaren Alternativen: Wo Schulpflicht faktisch ausgehöhlt wird, verschwinden Kinder – nicht in Freiheit, sondern in Unsichtbarkeit. Arbeit, Pflege von Geschwistern, religiöse Abschottung, Verwahrlosung. Das ist keine logische Deduktion, sondern empirische Erfahrung.
Zum Staat: Du stellst ihn konsequent als Ansammlung potenziell schlimmerer Menschen dar als „der Durchschnitt“. Das mag als Misstrauen legitim sein, ist aber analytisch schief. Der Staat ist kein moralisches Subjekt, sondern ein Regelwerk mit Durchsetzungsmechanismen. Die relevante Frage ist nicht, ob Politiker Engel sind (das habe ich nie behauptet), sondern ob bestimmte Regeln im Mittel mehr Schaden verhindern, als sie verursachen. Deine Argumentation bleibt hier auffällig asymmetrisch: Du rechnest jeden möglichen Schaden der Schule dem Staat an, während du systematisch unterschätzt, wie zerstörerisch ungeregelte familiale Macht sein kann.
Dein Vergleich mit Sklaverei bleibt deshalb problematisch, weil er Kategorien vermischt. Du sagst selbst, er solle „aufmerksam machen“. Aber Aufmerksamkeit ist kein Argument. Wenn alles, was Zwang enthält, in die Nähe von Sklaverei rückt, wird der Begriff analytisch wertlos. Schulpflicht hat historisch nicht Macht verfestigt, sondern Machtverhältnisse gebrochen: Kinderarbeit, feudale Abhängigkeit, religiöse Totalabschottung. Dass Institutionen missbraucht werden können, bestreite ich nicht. Aber aus der Möglichkeit des Missbrauchs folgt nicht die grundsätzliche Unrechtmäßigkeit der Institution.
Dein Argument, Kinder seien eine „unterdrückte Minderheit“, greift ebenfalls zu kurz. Kinder sind keine Minderheit im politischen Sinn, sondern eine Entwicklungsgruppe mit struktureller Schutzbedürftigkeit. Dass sie nicht alles dürfen, ist kein Skandal, sondern Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt zu selbstbestimmten Subjekten werden können. Freiheit ist kein Naturzustand, sondern ein Ergebnis von Entwicklung. Und diese Entwicklung braucht verlässliche, externe Strukturen.
An dieser Stelle kommt dein Auto-Beispiel ins Spiel. Du fragst, ob Schulpflicht nicht so absurd sei wie ein staatlich verordnetes „Recht auf ein Auto“, das als Pflicht realisiert wird: Jeder muss ein staatliches, gefährliches Auto fahren, wer sich weigert, wird sanktioniert. Der Vergleich wirkt nur deshalb plausibel, weil er einen Kategorienfehler verschleiert.
Autofahren ist eine optionale Tätigkeit für Erwachsene. Bildung ist keine optionale Freizeitbeschäftigung, sondern die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe überhaupt. Ein Auto ist ein Konsumgut, austauschbar, kompensierbar. Bildung ist ein zeitgebundener, irreversibler Entwicklungsprozess. Wer mit acht Jahren nicht lesen lernt, holt das nicht einfach nach. Wer als Kind keinen Zugang zu Sprache, Struktur und sozialen Räumen hat, verliert Möglichkeiten, die später nicht mehr vollständig kompensierbar sind.
Du führst dann das Ungleichheitsargument an: Warum sollen alle das schlechte staatliche Auto fahren, wenn Reiche sich bessere Autos kaufen könnten? Genau dieses Argument spricht nicht gegen Schulpflicht, sondern für sie. Ohne verbindlichen Bildungsrahmen kaufen sich bildungsnahe Familien Freiheit, während bildungsferne Familien Unsichtbarkeit erben. Freiheit wird zur Ware. Ungleichheit wird nicht reduziert, sondern systematisch reproduziert. Die Zweiklassengesellschaft entsteht nicht durch Pflicht, sondern durch deren Abwesenheit.
Du fragst weiter, wie Schulpflicht die Macht der Eltern tatsächlich begrenze. Die Antwort ist schlicht: nicht perfekt, aber real. Schule ist ein externer Beobachtungsraum. Sie ist oft der einzige Ort, an dem Gewalt, Vernachlässigung, psychische Probleme oder massive Überforderung überhaupt sichtbar werden. Dein Szenario reduziert alles auf Polizei und Zwang, ignoriert aber den Alltag: Gespräche, Interventionen, soziale Netze, Unterstützungssysteme. Das ist keine Totalüberwachung, sondern minimale gesellschaftliche Einmischung.
An diesem Punkt ist Domingo Faustino Sarmiento relevant. Sarmiento war ein argentinischer Pädagoge, Schriftsteller und Präsident des 19. Jahrhunderts. Er lebte in einem Land, das damals von Analphabetismus, Caudillismus und extremer sozialer Fragmentierung geprägt war. Seine berühmte Formel „civilización o barbarie“ ist problematisch und historisch belastet, ja. Aber sein zentrales Anliegen war klar: Bildung als Infrastruktur der Republik. Schulpflicht war für ihn kein Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern ein Instrument gegen die Vererbung von Ausschluss. Er dachte Schule nicht als moralische Disziplinierungsanstalt, sondern als Voraussetzung dafür, dass überhaupt politische Subjekte entstehen können.
Zum Vorwurf der Indoktrination: Deine historischen Beispiele sind real, aber sie beweisen etwas anderes, als du meinst. Totalitäre Systeme indoktrinieren alles: Schule, Familie, Medien, Sprache. Schule ist dabei nicht die Ursache, sondern ein Vehikel unter vielen. In pluralistischen Gesellschaften ist Schule oft gerade der Ort, an dem Ideologien aufeinanderprallen und relativiert werden. In Argentinien erleben Kinder politische Vielfalt eher in der Schule als im Elternhaus.
Dein China-Beispiel zeigt eher das Problem radikalen Relativismus: Wenn jede Information potenziell Propaganda ist, bleibt nur Zynismus. Pädagogik zielt nicht darauf ab, „die Wahrheit“ zu implantieren, sondern Urteilsfähigkeit zu entwickeln. Und genau das ist ohne institutionelle Bildung kaum möglich.
Zum Thema Suizid und Leid: Deine Logik ist hier schlicht falsch. Du behauptest: Wenn es Schulpflicht gibt, leiden einige Kinder – ohne sie würden sie nicht leiden. Das ist eine unbelegte Kontrafaktik. Viele dieser Kinder würden ohne Schule nicht weniger, sondern anders und oft unsichtbarer leiden. Dass Familie nicht immer Ursache von Leid ist, stimmt, aber sehr oft ist sie es. Das blendest du konsequent aus.
Zu Sudbury und freien Modellen: Ich kenne sie gut genug, um ihren Wert zu sehen und ihre Grenzen. Sie funktionieren dort, wo äußere Stabilität vorhanden ist. Du sagst selbst, du willst sie nicht aufzwingen. Genau deshalb sage ich: Als Option ja, als Regel nein. In einem Land wie Argentinien wären sie nicht Befreiung, sondern Selektion.
Am Ende wirfst du mir Worte in den Mund, die ich so nicht gesagt habe. Ich misstraue ungeteilter Macht über Kinder. Und genau deshalb halte ich Schulpflicht, so unvollkommen sie ist, für einen notwendigen Eingriff. Nicht zur Stärkung staatlicher Allmacht, sondern zur Begrenzung privater.
Du verteidigst Theorie. Das ist legitim. Ich verteidige Verantwortung unter realen Bedingungen. Das ist kein Anti-Intellektualismus, sondern eine andere Prioritätensetzung. Wahrheitssuche ohne Blick auf Konsequenzen bleibt abstrakt. Pädagogik kann sich das nicht leisten.
Teleguard: WL4LLT5GV
Mis días sin ti son tan oscuros
Tan largos, tan grises, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan absurdos
Tan agrios, tan duros, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan oscuros
Tan largos, tan grises, mis días sin ti
Mis días sin ti son tan absurdos
Tan agrios, tan duros, mis días sin ti