Ich glaube, dass wir uns in Vielen Punkten einig sind. Und dennoch erreichen wir unterschiedliche Ergebnisse wenn wir über die Rolle des Staats und der Privaten nachdenken.
Ich stimme zu, dass Kinder normalerweise von Kontakt mit Gleichaltrigen profitieren und nicht das Eigentum ihrer Eltern sind.
Und ja, in fast allen demokratischen Ländern gibt es Schulpflicht (mit der Ausnahme von z.B. Irland). Vor 200 Jahren war Sklaverei in fast allen Ländern, inklusive Demokratien. Und beinahe niemand würde damals dieses System kritisieren. Warum auch? Man behauptete, die Sklaven könnten nicht allein überleben. Ihnen fehlte Entscheidungsfähigkeit; wenn sie frei gesetzt wären, würden sie sterben.
Ist Schulpflicht ein Teil des Kinderrechtsrahmes? Kennst du ein anderes Recht, das die Form einer Pflicht hätte? Was wenn der Staat jetzt sagt, man habe das Recht auf ein Auto und dieses Recht wird in der Form einer Pflicht realisiert - jeder, der das hässliche und gefährliche staatliche Auto nicht fährt wird verhaftet, seine Kinder verschleppt und sein Vermögen verstaatlicht? Ergibt das denn Sinn? Und wenn nicht, dann was ist der Unterschied zwischen Autopflicht und Schulpflicht?
Wie würden die Unterstützer dieses "Rechts" argumentieren? Warum müssen alle gefährliche Autos fahren, wenn diejenige, die reicher sind, ein besseres Auto kaufen könnten und damit die Sicherheit für alle verbessern? Weil es ungerecht ist! Ungleichheit wird systematisch aufgebaut und die Bevölkerung in zwei Klassen verteilt!
Und jetzt noch Repressionsinstrument. Was ist, deiner Meinung nach, die effektivste Methode, die totalitäre Regimes verwenden, damit Menschen ihre Regierung nicht hinterfragen? Was ist einfacher, als die sogenannten Tatsachen den Kindern schon mit sechs Jahren vorzustellen und als die einzige Wahrheit zu präsentieren? Mit sechs können die meisten Kinder ohnehin nicht kritisch denken. Sie merken sich alles und nur wenige werden es später hinterfragen, insbesondere weil sie sich später lediglich an Emotionen und keine Fakten erinnern.
Nun kommen wir zu der Frage der Dezentralisierung von Macht. Was ist das größte Monopol, das wir haben? Google, Meta, Amazon? Die wirtschaftliche Definition eines Monopolisten lautet "Ein Anbieter von Waren oder Diensten, der den Preis erhöhen oder die Qualität verschlechtern darf, ohne dass er Kunden verliert."
Wenn Meta plötzlich eine Bezahlung für jede Anmeldung bei Instagram wollte, wie lange würde es dauern, bis sie sich in Nichts auflöste? Ein, zwei Wochen? Jedenfalls nicht länger als einen Monat.
Wenn der Staat die Steuern erhöht und gleichzeitig seine Dienste schlimmer werden, passiert überhaupt etwas? Einige Menschen gehen in die Straßen zu demonstrieren und werden von der Polizei verletzt, verhaftet oder sogar umgebracht. Die Menschen gewöhnen sich allmählich und die neue Generation, die die niedrigeren Steuern nie gekannt hat, hat keinen Grund zu protestieren. So war es doch immer.
Vielleicht siehst du hier den Unterschied:
Eine private Firma hat Macht, solange sie das tut, was den meisten Kunden mehr oder weniger gefällt. Wenn es unerträglich wird, eine andere nimmt ihren Platz.
Der Staat hat Macht und kann sich grundsätzlich alles leisten. Er kann unschuldige Menschen in anderen Ländern töten lassen und es Krieg nennen. Er kann Menschen, die mit unerlaubten Substanzen experimentieren, verurteilen, im Knast zu verrotten. Er kann das Leben derjenigen, die ungewöhnliche Präferenzen haben, mit einer Hausdurchsuchung völlig zerstören. Er kann den Eltern die Kinder abnehmen, wenn sie die Kinder selbst ausbilden wollen, weil sie dem Staat entweder nicht vertrauen oder ihr Kind spezielle Aufmerksamkeit benötigt.
Noch dazu: Es gibt viele verschiedene Familien und sogar Märkte, die eben viele kleine Teile haben, die antagonistisch gegeneinander wirken und sich konkurrieren. Der Staat ist der einzige im Land. Wenn du also Misstrauen gegenüber jeder ungeteilten Macht hast, dann solltest du vorallem dem Staat misstrauen.
Wenn die Politiker ein neues Gesetz machen, ist es nicht nur eine Empfehlung. Es handelt sich um eine Regel, die Gewalt und Zwang braucht, sodass sich Menschen an ihm halten.
Ich verstehe, dass bei euch niemand verschleppt wird, wenn Eltern das Kind temporär zu Hause unterrichten. Aber was passiert wenn die Eltern das Kind nicht nur temporär zu Hause behalten möchten?
Der Staat hat keine Verantwortung. Menschen haben Verantwortung. Wer ist verantwortlicher, wenn es um die Bildung der Kinder geht? Sind das die Eltern oder die Politiker? Natürlich gibt es Eltern, die sich unverantwortlich benehmen. Dann besteht noch die Hoffnung, dass sich das Umfeld um das Kind kümmert. Falls alle so ignorant sind, wie hälfe eine Intervention seitens des Staats?
Es ist durchaus möglich, dass das Kind sowieso in die Schule nicht geschickt würde. Und wenn ja? Oder wenn die Polizei das Kind "retten" würde und die ignoranten Eltern verhaften würde? Hätte das Kind überhapt eine Chance in der Schule zu überleben? In der Schule wären andere Kinder, die tolle Eltern hätten, und das Kind würde wahrscheinlich gemobbt. Die Lehrer*innen würden sich ihm gegenüber vermutlich ebenso schlecht verhalten. Das Kind würde die Schulpflicht mit zerstörtem Selbstbewusstsein beenden, dem Beispiel seiner Eltern folgen und früh im Knast landen.
Die Intervention des Staats bezieht sich allerdings nicht nur auf die arme Kinder mit unausgebildeten Eltern. Es betrifft eben die Kinder, die andernfalls eine tolle Kindheit hätten. Die hervorragend kluge Kinder langweilen sich, die weniger begabten verlieren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Wenn nicht alle Kinder gleich sind, muss die Gleichheit künstlich geschaffen werden.
Wir können es also zusammensetzen.
Staatliche Schulen mit Schulpflicht:
Vorteile:
- Alle können dort ihre Kinder schicken (allerdings nur wenn die Schule nah genug ist)
- Alle Kinder sind gleich
- Es ist irgendwie "gerecht"
Nachteile:
- Können als Indoktrationsinstrumente von totalitären Regeimes dienen und staatliche Propaganda unter den Kindern verbreiten
- Zentralisiert - man kann sich nur schwer um ungewöhnliche Kinder kümmern
- Weniger begabte Kinder und Kinder aus armen Familien verlieren Selbstbewusstsein
- Bietet nur begrenzte Möglichkeiten, was alternative Lernmethoden angeht
- Kann unbeschränkt schlimmer werden, hat keine Konkurrenz
- Es gibt keine zusätzliche Motivation für gute Lehrer*innen (schlechter bezahlt als andere Berufe)
- Die Leher*innen können nur schwer bewertet werden
- Kinder können straflos von der Polizei verschleppt werden
Staatliche Schulen mit Konkurrenz von privaten Schulen und Homeschooling:
Vorteile:
- Alle können ihre Kinder noch immer in die staatlichen Schulen schicken, zu Hause unterrichten (im Falle eines Kuponsystems eben in private Schulen schicken)
- Dezentralisiert - es ist möglich, Unterschiede zwischen den Kindern zu erkennen und dementsprechend die Ausbildungsart zu ändern
- Dank Konkurrenz müssen alle Schulen ständig versuchen, die beste Ausbildung anzubieten, andernfalls werden sie durch die besseren Alternativen ersetzt
- Gute Lehrer*innen bekommen ein Bonus in Form vom höheren Lohn
- Wenn sich das Regime ändert, ist es viel schwieriger, Menschen zu indoktrinieren
Nachteile:
- Es ist irgendwie "ungerecht"
Noch ein weiterer Gedanke zum Thema Homeschooling. Wenn ich ein normaler Mensch bin und meine Kinder zu Hause unterrichten will, dann werde ich den ganzen Tag nicht damit verbringen, sie über Pflanzen zu erzählen. Es gibt etwas, das nicht viele Kinder heutzutage kennen. Es heißt "Freizeit". Also die Zeit, wann sie sich mit ihren Freunden (z.B. Nachbarkindern) treffen können.
Ich denke sogar, dass die Eltern den Unterricht zusammen mit den Kindern von anderen Bekannten machen könnten. Dann wäre Homeschooling in der Tat keine Isolation. Aber vielleicht überschätze ich sie. Vielleicht können Politiker das Bedürfnis eines Sozialraums besser einschätzen als Eltern.
Warum würden die staatliche Schulen schwächer wenn sie Konkurrenz hätten? Vielleicht geht es darum, dass sie nicht so gut als die privaten Alternativen sein können. Falls du Zeit hast, kann ich dir The Beautiful Tree von James Tooley empfehlen. Er hat mehrere Studien geführt, in denen er die privaten Schulen für die Armen in Afrika, Indien und China (also die, die in extremer Armut leben) forschte. Es zeigte sich, dass wo die angebliche öffentliche Ausbildung grandiös gescheitert hatte, da entstanden private Schulen, die sogar den armsten Familien billige Ausbildung anboten, trotz der Versuchen des Staats alles zu verbieten und zu verbergen.
Ich meine nicht, dass du Lust am Zwang hast. Ich glaube nur, dass du diesen angeblichen Feind nicht ausreichend gut kennst. Niemand kann alles wissen.
Wenn die Kinder "Recht auf Schutz vor ideologischer Abschottung" haben sollen, warum glaubst du, der Staat sei der ideale Kandidat für den Beschützer? Wäre es nicht sicherer, alle Ideen zu erlauben, sodass jeder sein Kind so erzieht wie er und das Kind es wollen, als dem Staat die Macht zu verleihen, zu entscheiden, was wahr und was falsch ist?
Sollte die Macht des Staats unbegrenzt sein? Ähm, warte mal. Der Staat entscheidet eigentlich über seine eigene Macht.. Naja, er ist grob, dumm, träge, ideologisch. Aber hat beinahe unbegrenzte Macht und obwohl er ideologisch ist, kann er natürlich eine Ausbildung ohne ideologischer Abschottung für die Kinder garantieren.
Ich stimme zu, dass unkontrollierte private Macht schlimmer als staatliche Macht werden kann. Weil es effektiver ist. Aber als ich oben gezeigt habe, private Macht wird von der Macht der konkurrirenden Firmen begrenzt (natürlich nur bis wenn der Staat auftaucht, aus einer Firma de facto einen Monopolisten macht und die Konkurrenz verunmöglicht; siehe Deutsche Bahn).
Die staatliche Macht ist immer unbegrenzt (siehe was mit der Verfassung von Amerika geschehen ist, sogar das war ein unausreichendes Hindernis für sie).
Ich bin mir nicht sicher, ob du dir all den Schaden, die die Schulpflicht verursacht hat, bewusst bist. Du schreibst von Schadensbegrenzung und trotzdem vergisst du alle Kinder, die wegen der Schulpflicht das eigene Leben beendet haben, die Selbstvertrauen verloren haben und die, für die es nur eine Zeitverschwendung war. Es ist kein Zufall, dass es in den Ferien weniger Kindersuizidfälle gibt als während des Schuljahrs.
Ich dachte ursprünglich, ich würde noch das Sudburry Model erwähnen, aber ich sehe, dass ich bereits zu viel geschrieben habe. Es ist ein Beispiel eines Schulmodels, der mindestens genauso effektiv wie die Alternativen ist (wenn nicht effektiver), basiert jedoch nicht auf Zwang, sondern auf Verantwortung jedes einzelnen Kindes.
Im Gegensatz zu unserem aktuellen preußischen Model, der dazu gemacht wurde, gehorsame Soldaten zu generieren.
Re: Gesetzesentwurf zum Homeschooling in Argentinien
Achtung! Gedankenverbrecher!