Smaragd aus Oz hat geschrieben:
Und schon haben wir einen praktischen Fall, bei dem HSP über die Nichtwahrnehmung von Nicht-HSP frustriert ist. Toll.
Na da kann man doch mal sehen, dass ein möglichst hohes Test-Ergebnis noch kein Garant für das Verständnis anderer Leute ist. Sonst hättest Du mit Sicherheit mitbekommen, dass ich Deine kleine Geschichte mit den Betazoiden selbstverständlich verstanden habe (was gibt es daran auch nicht zu verstehen?). Und Du hättest erkannt, dass meine Frage, was Du mir mit der Geschichte eigentlich erzählen willst, in Wahrheit darauf abzielt, in Erfahrung zu bringen, ob Du für uns beide eine Rolle in Deiner Geschichte vorgesehen hast, und wenn ja welche.
Denn so wie Du das ganze Formuliert hast, drängt sich bei mir der schlimme Verdacht auf, dass Du Dich in diesem Zusammenhang als Betazoide und mich als Mensch betrachtest. Oder: Dich als jemanden, der anderen sowie mir überlegen ist, weil Du für Dich eine viel intensivere Wahrnehmung Deiner Umgebung sowie den Gefühlen Deiner Mitmenschen reklamierst, als ich z.B. haben soll.
Und da dachte ich: "Das kann doch nicht wahr sein! So kenne ich SaO ja gar nicht. Habe ich ihn etwa sooo falsch eingeschätzt? Oder woher kommt diese maßlose Arroganz und Selbst-Überschätzung dann sonst so plötzlich her?"
Zudem wäre das ja auch eine ganz schön unverschämte Beleidung mir gegenüber. "Nein, als einer, der mit Beleidigungen in die Offensive geht, habe ich SaO noch nie erlebt."
Und deshalb daraufhin meine ganz einfache Frage, was Du mir sagen wolltest. Also die Dinge, die zwischen den Zeilen stehen, mal ganz offen auszusprechen.
Ja, und es war doch gut, diese Frage mal in den Raum zu stellen. So konnte das Beinahe-Missverständnis doch noch gut aus der Welt geschafft werden!
Ich finde das Test-Ergebnis eigentlich gar nicht so erheblich. Zudem waren da eine ganze Menge Fragen, die ich kaum beantworten konnte. Ich habe in meinem Leben ausser Aspririn, Penicillin, einem Mittel zur Malaria-Prophylaxe und Impfstoffen noch gar keine Medikamente eingenommen (ach ja, ich vergass das Zeug gegen Durchfall). Die ganzen Fragen nach eventuellen Überempfindlichkeiten waren damit beantwortet, dass o.g. Medikamente bei mir prima wirken.
Interessanter als das reine Ergebnis ist für mich auch die Frage, woher die Punkte denn eigentlich kommen oder - wie bei mir - wohin sie denn "verschwunden" sind.
Dazu mal ein paar Beispiele:
Es bringt mich ganz durcheinander, wenn ich in kurzer Zeit vieles zu erledigen habe
Nein, überhaupt nicht. Das ist bei mir alltagsüblich.
Ich erschrecke leicht
Meistens nicht. Zum Glück.
Ich möchte am liebsten jedem in meiner Umgebung, der Hilfe braucht, helfen
Nein. Aber wer sich offen und direkt mit einem Problem an mich wendet, dem werde ich auch helfen so gut es mir möglich ist.
An Tagen, an denen viel los ist, beobachte ich an mir das Bedürfnis, mich zurück zu ziehen - ins Bett, einen abgedunkelten Raum oder irgend einen Platz, an dem ich für mich sein kann und gegen Außeneinflüsse abgeschirmt bin
Auch nicht. Und trotzdem ziehe ich meistens ein einigermaßen ruhiges Plätzchen vor.
Es ist mir wichtig, mein Leben so einzurichten, dass ich aufregende oder überfordernde Situationen vermeiden kann
Ganz im Gegenteil! Ich bemühe mich, jeden Tag etwas neues zu lernen. Und dazu sind oft Situationen erforderlich, die herausfordernd oder gar überfordernd sind.
Veränderungen in meinem Leben bringen mich durcheinander
Veränderungen in meinem Leben sind beinahe eine Pflicht. Zudem eine immense Bereicherung meines Lebens. Manche Dinge möchte ich aber auch eine Zeitlang so erhalten wie sie sind. Über diese "Dinge" ist dann eine sensible (und freundliche) Kontrolle nützlich.
Die ganzen Fragen nach Ängsten kann ich mit "habe ich nicht" beantworten. Angst ist das Hemmnis Nr. 1 persönliche Ziele nicht erreichen zu können - und erreichen zu wollen. Daher gilt es, Ängsten zu begegnen um sie abschütteln zu können.
Mein Verhältnis zu meinen Kollegen ist gut
Ja. Sie mögen mich als Mensch und schätzen meine Mitarbeit am gemeinsamen Produkt/Projekt ganz offensichtlich sehr. Mein Boss übrigens auch.
Ich scheine eher naiv zu sein, nehme Scherze von Freunden für bare Münze, etc.
Nicht mal die von SaO.
Ich strenge mich an, keine Fehler zu machen und nichts zu vergessen
Nö, ein solche Selbsverständlichkeit ist meistens nicht anstrengend. Und wenns doch vorkommt, ist es für mich und meine Leute meistens gut verzeihbar.
Ich habe gelegentliche Phasen von "Weltschmerz", wo mich gewohnte oder scheinbar banale Tatsachen sehr traurig stimmen
Auch nicht. Mein Motto ist: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.
Wenn jemandem jedoch etwas unvorhersehbares und schlimmes passiert, wird selbstverständlich geholfen.
In Wettbewerbssituationen oder unter Beobachtung werde ich so nervös oder unsicher, dass ich schlechtere Leistungen bringe als ohne diesen Stressfaktor
Nein, meine Konzentration steigt sogar spürbar an. Das Vergnügen, mich "schwitzen" zu sehen, würde ich anderen Wettbewerbern und Co. nicht bieten.
Es regt mich unangenehm auf, wenn rund um mich sehr viel vor sich geht oder Trubel herrscht
Wenn ja suche ich mir einfach einen ruhigeren Platz. Aber im großen und ganzen bleibe ich locker.
Ich war z.B. mal auf einer größeren Antifa-Demo. Mehrere hundert Demonstranten standen plötzlich einer ähnlichen Anzahl Schläger-Bullen gegenüber. Sehr angespannte Situation. Dann eskaliert es und die Bullen stürmen mit vollem Tempo und sogar Gebrüll auf die Demonstranten los. Ich stand weit vorn. (Fast) alle Demonstranten drehten sich um und rannten weg. Außer ich. Ich stellte mich in den Windschatten eines Verkehrsschild-Masten, an dem ein Fahrrad angeschlossen war. Keiner der Bullen interessierte sich für mich und rannten als Meute der wegrennenden Demonstranten-Meute hinterher. Demonstranten, die von den Bullen geschnappt, wurden zu Boden geschleudert und mit Stöcken verprügelt.
Mir selbst kam die Fähigkeit, all die obenstehen Fragen mit Nein beantworten zu können, in diesem Moment sehr zunutze. Als HSP wäre ich "überwältigt" weggerannt, verprügelt worden und nachdem der körperliche Schmerz nachgelassen hätte, wäre ich in "Weltschmerz" verfallen. Ich gehörte jedoch nicht zum Beute-Schema und wurde ignoriert, obwohl ich die Eskalation klasse fand.
Auch sonst kann ich in Stress-Situationen meistens gelassen bleiben. Auch im Umgang mit aggressiven Leuten auf der Straße habe ich bislang nie Probleme bekommen. Und "problematische" Leute gibt es in meiner Gegend sehr viele.
Aber auf der anderen Seite:
Lärm ist mir unangenehm
Lärm ist akustischer Müll und stört mich sehr. Lärm muss nicht laut sein. Bei einem klassichen Konzert können schon die locker sitzenden 3. Zähne des Zuhörers zwei Reihen vor mir reichen.
Bildende Kunst und/oder Musik und/oder Naturstimmungen bewegen mich tief
Vor allem Musik und Naturstimmungen
Ich fühle mich oft unverstanden
Durchaus, und auch von SaO
Ich bemerke und genieße zarte oder feine Gerüche, Geschmäcker, Klänge oder Kunstwerke
Absolut. Jedoch habe ich oft beobachtet, dass was für mich unter "fein" eingestuft wird, von anderen als offensichtlich wahrgenommen wird. Und noch öfters umgekehrt.
Wenn ich in einer Partnerschaft lebe, arbeite ich intensiv an der Beziehung und bin bereit, mich zu verändern
Gerne sogar. Das ist doch das spannende daran.
Ich habe ein reiches, vielschichtiges Innenleben
Daran glaube ich zumindest.
Aber woher soll ich das wissen? Was ist der Maßstab? Man kann vielleicht manchmal von aussen einen Einblick in das Innenleben eines anderen werfen. Aber ist das wirklich repräsentativ? Keiner von uns steckte jemals wirklich im Innenleben eines anderen drin. Also kann man auch nicht vergleichen. Es sei denn ein Vorurteil reicht als Vergleichsgrundlage aus. SaO wie siehst Du das?
Ich empfinde mein Innenleben als reich und vielschichtig. Ich könnte es mir aber trotzdem noch reicher und vielschichtiger vorstellen. Und ich bin mir auch sicher, dass es mit kommenden Jahren/Jahrzehnten auch, wie gewohnt, immer reicher und vielschichtiger wird.
Von intensiven Außenreizen (grelles Licht, starke Gerüche, grober Stoff auf der Haut, nahe Polizei- oder Rettungssirenen, etc.) fühle ich mich leicht überwältigt
Komische Frage. Natürlich nehme sich solche Reize meist sehr bewußt wahr. Aber überwältigen - also handlungsunfähig - macht mich so schnell gar nichts.
Bei vielen Fragen habe ziemlich neutral geantwortet. Ich habe keinen großen Hang zu extremen Äußerungen. Und in meiner Phantasie geht stets immer noch "mehr".
Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich
Mich beinflußt wovon ich mich beeinflussen lassen möchte. Von guter Laune lasse ich mich gerne anstecken. Die Depri-Stimmungen überlasse ich den anderen.
Ich bin mit meinem Leben zufrieden
Ich denke, das mit "Ja und ich betrachte es als nicht-selbstverständlich" beantworten zu können, spricht klar für eine gute Sensibilität, auch wenn es meinem Test-Ergebnis eine Menge Punkte genommen hat.
Und so sehe ich diesen Test. Er ist nicht der Maßstab. Und wer das doch so sieht, neigt meiner Meinung nach dazu, Menschen in höchst unsensibler Art und Weise in Schubladen stecken zu wollen (>168 Punkte = HSP, darunter = Nervensäge). Wahrscheinlich deshalb, weil er von der (für mich angenehmen) Komplexität des Lebens überfordert ist.
Und hier noch eine provokante These von mir:
Hier scheint es ja einen regelrechten Punkte-Wettbewerb zu geben. Und viele scheinen sich durch ein hohes Test-Ergebnis in ihrem Empfinden bestätigt zu fühlen. Ganz recht so.
Jedoch vermute ich auch, dass ein hohes Ergebnis bei manchen (aber nicht allen) dazu führt, eigene Probleme als unabänderlich zu betrachten. Nach dem Motto: "Bei höchster Sensibilität ist das eben so."
Ich jedoch als jemand mit dem Stigma "unsensibel"
Smaragd aus Oz hat geschrieben:
Wenn man unsensibel ist, dann ist es natürlich uninteressant, wie die anderen Menschen empfinden, und dann gehen solche Erklärungen am Arsch vorbei.
versuche immer etwas an meinen Problemen zu ändern, auch wenn die Erfolgsaussichten noch so gering sind, mein lieber Smaragd.
Liebe Grüße auch an alle anderen
Lolimat