Denker hat geschrieben:Es geht um Verantwortung! ...
Wenn man allerdings ohne Rücksicht auf die Kinder seine Meinung unbedingt den Kindern gegenüber vertritt, nur weil man selbst daran glaubt, obwohl sie so sehr von der ansonsten vorherrschenden allgemeinen Meinung abweicht, und obwohl man nur einer der wenigen ist, die diese Meinung öffentlich propagieren, so ist das verantwortungslos den Kindern gegenüber!
Deine "Verantwortung" soll mich also gewissermaßen dazu
verpflichten, das Kind zu belügen? Ihm zu erzählen, dass der Stürmer (äh, ich meine BILD) recht hat?
Im Freundeskreis meiner Eltern in der DDR gab es einen Kommunisten, der mir, in tiefster Honecker-Zeit, eine Bröschüre über Stalins Verbrechen zugänglich gemacht hat. Hat es mich gefährdet? Durchaus. Es hat mich stark beeinflusst. Wäre es 1989 nicht so ausgegangen wie es ausgegangen ist, wären mir (falls ich das überlebt hätte) ein paar Jährchen Knast sicher gewesen, eine Fernwirkung dieser ersten Konfrontation. Zu Hause konnte ich hingegen nur durch den Türspalt Westfernsehen, wenn ich offiziell schon schlief. Ich habe dies meinen Eltern verziehen, dem anderen Kommunisten bin ich hingegen heute noch dankbar.
Wenn man also seine eigene anarchistische Weltanschauung gegen alles vermittelt, was das Kind sonst so gelehrt bekommt, so verurteilt man das Kind zu unkalkulierbaren Konflikten. Und das nur, weil man seine Meinung als den Mittelpunkt der Welt betrachtet!
Wie kommst du auf den Quatsch? Es geht nicht darum, für wie wichtig ich meine Meinung halte. Es kommt darauf an, dass ich das Kind nicht bewusst belüge. Ich hätte sehr gerne die Fähigkeit, anderen nur Wahres beizubringen, ich habe sie nicht, ich kann mir nie sicher sein, dass das, was ich für die Wahrheit halte, richtig ist. Soll ich deswegen bewusst lügen, also ihnen bewusst etwas als "Wahrheit" vermitteln, woran ich selbst nicht glaube?
Mir geht es auch nicht um eine Rechtfertigung meiner eigenen Anschauungen, sondern um universelle ethische Kriterien. Ich billige ausdrücklich auch einem Zeugen Jehovas, einem Kommunisten oder einem Nazi das Recht zu, Kindern gegenüber seine Meinung zu vertreten - also das, was er für die Wahrheit hält.
Ansonsten verurteile ich kein Kind zu Konflikten, sondern erkläre ihm was ich denke. Es muss mir ja da überhaupt nicht zustimmen, warum sollte es auch, wenn seine ganze Umgebung was anderes erzählt?
Abgesehen laufe ich unter den Kids nicht als Prediger rum. Ich verteidige ledliglich mein moralisches
Recht, die Wahrheit zu verbreiten
. Wenn ich danach gefragt werde, vertrete und verteidige ich natürlich das, was nach meiner Überzeugung wahr ist, mit den Argumenten, die mich davon überzeugt haben. Egal wie alt der Frager ist. Das Problem, komplexe Fragen eventuell vereinfacht darstellen zu müssen, weil es ansonsten nicht verstanden wird, habe ich, abgesehen davon, hier genauso, SCNR.
Und es ist dabei immer zu berücksichtigen, welche Folgen auch später abzuschätzen sind. Wenn also vorhersehbar ist, dass das vermittelte Wissen für das Kind zu Konflikten führen kann, dann lässt man als verantwortungsbewusster Erwachsener diese Wissensvermittlung bleiben
Also tatsächlich ein Aufruf zur Lüge, oder zumindest zum Verschweigen der Wahrheit.
Ok, im stalinistischen Extrem bin ich bereit so etwas zu akzeptieren. Ja, gut, auch heute akzeptiere ich die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, die Wahrheit zu verschweigen, weil sie zu riskant ist.
Aber aus solcher Feigheit auch noch ein moralisches Gebot zu machen - nein, das geht mir eindeutig zu weit.
Und, ja, auch wenn die Verbreitung der Wahrheit dem Kind möglicherweise Konflikte beschert. Und das hat allerdings etwas damit zu tun, dass ich die Verbreitung der Wahrheit selbst für etwas halte, für das es wert ist, Konflikte auf sich zu nehmen. Weil ich der Überzeugung bin, dass man dadurch, dass man ein Kind zum Lügner macht, dem Kind mehr schadet als wenn man ihm ein paar Konflikte erspart. Du kannst mich aufgrund solcher Einstellung gerne Wahrheitsfundamentalist oder Wahrheitsextremist nennen.
... auch wenn man selbst noch so sehr davon überzeugt ist, dass es richtiger wäre (wenn nicht fast alle anderen dagegen wären…).
Es geht nicht um richtiger oder falscher (was soll das genau sein?) sondern um richtig oder falsch. Und richtig bleibt auch dann richtig wenn alle andern dagegen sind - das ist so ziemlich die Definition von richtig. Wenn alle denken, 2+2=5 ist, ist trotzdem 2+2=4, und nicht einmal 4.5, nicht einmal 4.01.
... dass diese Verarbeitung des Erlebten durch das Kind nur schwer beeinflussbar ist, wenn alles geheim bleiben muss und vielleicht auch noch der Kontakt zum Erwachsenen abreißt.
Ja und, was folgt daraus? Ja, auch wenn ich ihm die Wahrheit sage, kann es sein, dass es, unbeeinflussbar durch mich, später Lügnern und Betrügern auf den Leim geht. Soll ich es deshalb gleich mit den augenblicklich populären Lügen belügen?
Interessant ist auch, wie Du, Sascha, nach vielem „Herum- Argumentieren“ Deine Meinung zur Einvernehmlichkeit wirklich klar und deutlich äußerst. (Und Dich für mich dadurch als absoluten Egoisten outest!)
Und dazu zitierst du einfach nur meine Definition von Einvernehmlichkeit. Also das, was einvernehmlichen Sex von Vergewaltigung unterscheidet. Als wenn es nicht auch genüngend anderes gäbe, was in einer Beziehung wichtig ist:
Sascha hat geschrieben:Einvernehmlich ist für mich alles, womit sich das Kind einverstanden erklärt, ohne unter Druck zu stehen.
...
Auch ein durch Betrug erreichtes Einvernehmen ist ein Einvernehmen. Verurteilenswert ist der Betrug als Betrug,...
Es ist Deiner Meinung nach also völlig egal, aus welchem Grund das Kind „ja“ gesagt hat? Sobald es „ja“ gesagt hat, ist alles einvernehmlich???
Natürlich nicht, wie du sogar dem zitierten Text entnehmen kannst, ich habe die Phrasen, die dir das hätten klarmachen können noch mal hervorgehoben. Außerdem ist Einvernehmen noch längst nicht alles. Es gibt noch vieles andere, was wichtig ist. Insbesondere ist (außer Abwesenheit von Betrug) wichtig, dass keine für das Kind unsicheren Sexpraktiken stattfinden. Und natürlich ist auch die Gefahr, in die das Kind bei Aufdeckung kommt, wichtig.
Einvernehmlichkeit ist also notwendig, aber noch lange nicht hinreichend für eine ethisch akzeptable Beziehung.
Wenn man also dem Kind etwas vorlügt/ es betrügt, damit es z.B. zu sex. Handlungen einwilligt, damit es bereit ist, dem Erwachsenen seine intimste Persönlichkeit anzuvertrauen, dann ist die sex. Handlung Deiner Meinung nach tatsächlich einvernehmlich und vom Kind wirklich gewollt und sollte deshalb straffrei vor dem Gesetz sein???
Und das nach einem Zitat, in dem ich Betrug explizit
verurteilenswert nenne??? Von jemandem, der sich Denker nennt, erwarte ich eigentlich etwas bessere Fähigkeiten im Verstehen von Texten. Oder ist damit gemeint, dass du dir einfach ausdenkst, was deine Opponenten gemeint haben könnten?
Betrug ist auch heute schon nicht legal, und gegen Gesetze, die Betrug verurteilen, habe ich keine Einwände. Selbst in meiner idealen anarchistischen Gesellschaft bleiben Betrüger keineswegs unbestraft.
Womit sollte dann Deiner Meinung nach der Betrug bestraft werden???
Mit der für den konkreten Betrug angemessenen Strafe. Was dafür angemessen ist, ist allerdings ein weites Feld. Klar ist allerdings in jedem Fall, dass es ein ethisch verurteilenswertes Verhalten ist.
In dem von mir favorisierten anarchistischen Modell landen Betrüger mit einer Beschreibung ihres Betrugs für immer auf einer von jedermann einsehbaren schwarzen Liste.
Womit sollte dann Deiner Meinung nach das Gefühl des Kindes, ausgenutzt worden zu sein, gerechtfertigt werden??? (Denn auch Kinder merken irgendwann, dass sie betrogen/ belogen werden!)
Gerechtfertigt natürlich gar nicht. Ich verurteile es ja selbst als Betrug, wie du schon hättest lesen können, wenn du die von dir zitierten Zitate gelesen hättest. Ich halte lediglich nichts davon, Betrüger als Vergewaltiger zu bestrafen. Die deutsche Sprache hat nicht umsonst verschiedene Wörter dafür.
Wie willst Du wissen, dass das Kind tatsächlich nicht unter Druck steht???
Ich behaupte gar nicht, dies zu wissen. Ich sage lediglich, dass es einvernehmlich ist, wenn es nicht unter Druck steht. So schwer zu verstehen?
Ansonsten, wenn ich es in einem bestimmten Fall wissen will, würde ich vorgehen wie jeder Richter, nämlich die Beteiligten und Zeugen befragen.
Allein die Tatsache, mit etwas konfrontiert zu werden, was nicht zum alltäglichen Leben des Kindes gehört, ist Grund genug, um "unter Druck zu stehen"!
Das ist mal wieder eine ganz andere Bedeutung der Phrase "unter Druck stehen". Ich meine damit lediglich das, was derjenige zu verantworten hat, der das Kind bewusst unter Druck setzt.
Irgendwelcher eher metaphorischer "Druck" durch Werbung, peer-group, eigene Phantasien beim Kind, oder einfach nur durch Konfrontation mit etwas Unbekanntem ist nicht gemeint.
Ansonsten, wenn sich ein Kind durch Konfrontation mit Unbekanntem "unter Druck gesetzt" fühlt, wird es natürlich diesem Unbekannten ablehnend gegenüberstehen und deshalb nein sagen.
Falls Du das wirklich beantworten willst, dann komme mir bitte nicht mit Vergleichen, unter welchen Umständen solche Missbräuche schon stattgefunden haben, und deshalb heute viel weniger schlimm seien.
Dass ich hier die Nazis und Stalin in die Diskussion eingeführt habe, hat lediglich einen Grund: Ich muss, wegen dieser Beispiele, zugeben, dass die Forderung, Kinder zu belügen, unter solchen extremen Umständen doch gerechtfertigt werden kann. Ich begebe mich also hier selbst auf ein Gebiet, wo ich angreifbarer werde, weil ich es trotzdem selbst unter solchen Umständen nicht für moralisch verurteilenswert halte, bei der Wahrheit zu bleiben. (Ich akzeptiere lediglich, dass unter solchen extremen Umständen, aber auch nur dann, die Lüge auch eine moralisch akzeptable Option ist.)