Amys Porno-Odyssee
Verfasst: 16.06.2010, 21:48
Amy wurde als Kind von ihrem Onkel missbraucht und dabei fotografiert. Zwölf Jahre später geht sie in die Offensive und verklagt jeden, der sich die Fotos im Netz ansieht - mit Erfolg.
Es ist zwölf Jahre her, dass sie zuletzt missbraucht wurde, aber für sie hat es nie aufgehört. Ihr Körper ist auf Fotos zu sehen, die zigtausendfach weitergeleitet wurden und bis heute im Internet kursieren. Die Bilder zeigen sie als Mädchen beim Masturbieren, sie war damals sieben oder acht. Sie zeigen, wie sie vergewaltigt wird, Oral- und Analsex mit einem älteren Mann, ihrem Onkel. Er hat die Bilder ins Netz gestellt und sie als Hauptdarstellerin seiner »Misty«-Serie bei Pädophilen bekannt gemacht. Seit 1998 sitzt er dafür im Gefängnis.
Das Mädchen aus den Kinderpornos ist heute 20 Jahre alt, wohnt in einer Kleinstadt in Virginia und nennt sich Amy. Interviews gibt sie nicht, aber dem SZ-Magazin hat sie in einer Mail Fragen beantwortet. »Ich wünschte, meine Bilder stünden nur auf einer Webseite, dann könnte ich mich löschen«, schreibt sie. Das geht nicht mehr.
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Also hat sie einen anderen Weg gewählt, um sich zu wehren: Sie ist unter falschem Namen an die Öffentlichkeit gegangen und verlangt nun, als erstes Kinderpornografie-Opfer, Schadensersatz von jenen, die sich ihre Fotos angesehen haben. Mit ihrer Klage macht sie deutlich, dass die virtuelle Kinderpornografie echte Opfer hat. Außerdem definiert Amy neu, was es heißt, ein Täter zu sein.
Seit 1998 haben Ermittler mehr als 35 000 Fotos gefunden, auf denen vermutlich Amy zu sehen ist. Seit vier Jahren bekommt Amy jedes Mal eine Nachricht vom amerikanischen Justizministerium, wenn wieder einmal ihre Fotos auf dem Computer eines Pädophilen entdeckt wurden. Die Briefe kommen jeden Tag, manchmal sind es mehrere auf einmal. Seit einem Jahr beantwortet Amys Anwalt die Benachrichtigungen mit einer Standardklage.
Rund 375 solcher Schreiben hat er an Gerichte überall in den USA geschickt. Als Grundlage dient eine dreiseitige Aussage, die Amy für ihren ersten Prozess verfasst hat. »Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt zu wissen, dass jeden Tag irgendwo jemand Bilder davon anschaut, wie ich als kleines Mädchen von meinem Onkel missbraucht werde«, schreibt sie. »Es ist so, als ob ich wieder und wieder missbraucht werde.« Sie schreibt über ihre Angst, dass Freunde und Fremde ihre Bilder im Internet entdecken könnten. Und über die Horrorvorstellung, dass andere Pädophile Kinder mithilfe ihrer Bilder missbrauchen könnten. »Werden andere Mädchen mich sehen und denken, es sei okay, dasselbe zu tun?«, fragt sie.
Als Erstes verklagte Amy im September 2008 den Vizechef des Medikamentenkonzerns Pfizer, Alan Hesketh. Der Manager wurde beschuldigt, 2000 kinderpornografische Bilder besessen und verteilt zu haben, darunter drei Fotos von Amy. Unter dem Namen »Suzybibaby« hatte er in einem Google-Chat Kinderpornos ausgetauscht und dabei über den Duft von Babyfäkalien fantasiert. Bei seiner Verurteilung trafen sich die beiden im Gerichtssaal, das missbrauchte Mädchen und der Mann, der sich am Missbrauch erregt hatte. Der Prozess endete mit einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren für Hesketh - und mit Schadensersatz für Amy.
Ihr Anwalt argumentierte, Hesketh habe Amy durch das Anschauen der Bilder Schaden zugefügt, er sei also ein Täter und sie sein Opfer. Der Anwalt des Managers sagte, Hesketh habe nur bereits vorhandene Bilder angesehen, er habe Amy also nicht missbraucht. Der Richter empfahl eine Schadensersatzsumme von 200 000 Dollar, die Parteien einigten sich außergerichtlich auf 130 000 Dollar. »Wir beschreiten hier Neuland«, sagte der Richter bei Prozessende im Februar 2009.
Amy möchte insgesamt 3,4 Millionen Dollar Schadensersatz erstreiten. Diese Summe würde ihre Therapie- und Anwaltskosten decken und ihren Arbeitsausfall kompensieren; Amy lebt von Sozialhilfe - der Missbrauch hat Spuren und Schäden in ihrem Leben hinterlassen. Sobald der Betrag erreicht ist, will Amy aufhören zu klagen. Derzeit stehen 900 Pädophile vor Gericht, bei denen Bilder von ihr gefunden wurden. Insgesamt hat Amy bis jetzt 226 000 Dollar bekommen. Aber die Prozesse bringen ihr nicht nur Geld, sie kann sich auch rächen: »Viele der Leute, die meine Fotos besitzen, haben Geld«, schreibt sie, »ich will sie da treffen, wo es ihnen wehtut.«
Zwei junge Amerikanerinnen, die als Kinder missbraucht wurden, sind ihrem Beispiel inzwischen gefolgt. Die Zahl derer, die es noch tun könnten, geht in die Hunderttausende.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/33596
Unbestritten, das Veröffentlichen von Amys Fotos ist rechtswiedrig. Ist auch das bloße Anschauen schädlich (rechtswiedrig) ?
Es ist zwölf Jahre her, dass sie zuletzt missbraucht wurde, aber für sie hat es nie aufgehört. Ihr Körper ist auf Fotos zu sehen, die zigtausendfach weitergeleitet wurden und bis heute im Internet kursieren. Die Bilder zeigen sie als Mädchen beim Masturbieren, sie war damals sieben oder acht. Sie zeigen, wie sie vergewaltigt wird, Oral- und Analsex mit einem älteren Mann, ihrem Onkel. Er hat die Bilder ins Netz gestellt und sie als Hauptdarstellerin seiner »Misty«-Serie bei Pädophilen bekannt gemacht. Seit 1998 sitzt er dafür im Gefängnis.
Das Mädchen aus den Kinderpornos ist heute 20 Jahre alt, wohnt in einer Kleinstadt in Virginia und nennt sich Amy. Interviews gibt sie nicht, aber dem SZ-Magazin hat sie in einer Mail Fragen beantwortet. »Ich wünschte, meine Bilder stünden nur auf einer Webseite, dann könnte ich mich löschen«, schreibt sie. Das geht nicht mehr.
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Also hat sie einen anderen Weg gewählt, um sich zu wehren: Sie ist unter falschem Namen an die Öffentlichkeit gegangen und verlangt nun, als erstes Kinderpornografie-Opfer, Schadensersatz von jenen, die sich ihre Fotos angesehen haben. Mit ihrer Klage macht sie deutlich, dass die virtuelle Kinderpornografie echte Opfer hat. Außerdem definiert Amy neu, was es heißt, ein Täter zu sein.
Seit 1998 haben Ermittler mehr als 35 000 Fotos gefunden, auf denen vermutlich Amy zu sehen ist. Seit vier Jahren bekommt Amy jedes Mal eine Nachricht vom amerikanischen Justizministerium, wenn wieder einmal ihre Fotos auf dem Computer eines Pädophilen entdeckt wurden. Die Briefe kommen jeden Tag, manchmal sind es mehrere auf einmal. Seit einem Jahr beantwortet Amys Anwalt die Benachrichtigungen mit einer Standardklage.
Rund 375 solcher Schreiben hat er an Gerichte überall in den USA geschickt. Als Grundlage dient eine dreiseitige Aussage, die Amy für ihren ersten Prozess verfasst hat. »Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt zu wissen, dass jeden Tag irgendwo jemand Bilder davon anschaut, wie ich als kleines Mädchen von meinem Onkel missbraucht werde«, schreibt sie. »Es ist so, als ob ich wieder und wieder missbraucht werde.« Sie schreibt über ihre Angst, dass Freunde und Fremde ihre Bilder im Internet entdecken könnten. Und über die Horrorvorstellung, dass andere Pädophile Kinder mithilfe ihrer Bilder missbrauchen könnten. »Werden andere Mädchen mich sehen und denken, es sei okay, dasselbe zu tun?«, fragt sie.
Als Erstes verklagte Amy im September 2008 den Vizechef des Medikamentenkonzerns Pfizer, Alan Hesketh. Der Manager wurde beschuldigt, 2000 kinderpornografische Bilder besessen und verteilt zu haben, darunter drei Fotos von Amy. Unter dem Namen »Suzybibaby« hatte er in einem Google-Chat Kinderpornos ausgetauscht und dabei über den Duft von Babyfäkalien fantasiert. Bei seiner Verurteilung trafen sich die beiden im Gerichtssaal, das missbrauchte Mädchen und der Mann, der sich am Missbrauch erregt hatte. Der Prozess endete mit einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren für Hesketh - und mit Schadensersatz für Amy.
Ihr Anwalt argumentierte, Hesketh habe Amy durch das Anschauen der Bilder Schaden zugefügt, er sei also ein Täter und sie sein Opfer. Der Anwalt des Managers sagte, Hesketh habe nur bereits vorhandene Bilder angesehen, er habe Amy also nicht missbraucht. Der Richter empfahl eine Schadensersatzsumme von 200 000 Dollar, die Parteien einigten sich außergerichtlich auf 130 000 Dollar. »Wir beschreiten hier Neuland«, sagte der Richter bei Prozessende im Februar 2009.
Amy möchte insgesamt 3,4 Millionen Dollar Schadensersatz erstreiten. Diese Summe würde ihre Therapie- und Anwaltskosten decken und ihren Arbeitsausfall kompensieren; Amy lebt von Sozialhilfe - der Missbrauch hat Spuren und Schäden in ihrem Leben hinterlassen. Sobald der Betrag erreicht ist, will Amy aufhören zu klagen. Derzeit stehen 900 Pädophile vor Gericht, bei denen Bilder von ihr gefunden wurden. Insgesamt hat Amy bis jetzt 226 000 Dollar bekommen. Aber die Prozesse bringen ihr nicht nur Geld, sie kann sich auch rächen: »Viele der Leute, die meine Fotos besitzen, haben Geld«, schreibt sie, »ich will sie da treffen, wo es ihnen wehtut.«
Zwei junge Amerikanerinnen, die als Kinder missbraucht wurden, sind ihrem Beispiel inzwischen gefolgt. Die Zahl derer, die es noch tun könnten, geht in die Hunderttausende.
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/33596
Unbestritten, das Veröffentlichen von Amys Fotos ist rechtswiedrig. Ist auch das bloße Anschauen schädlich (rechtswiedrig) ?