Sich einen Einzelfall herauszupicken und über diesen intensiv zu berichten, funktioniert gleich aus mehreren Gründen nicht. Zum einen besteht, wie weiter oben angeklungen, die Gefahr, dass viel zu einseitig berichtet wird, und höchstwahrscheinlich kommt dann wieder dieses 08/15-Getue mit dem Schattenriss-Interview mit verfremdeter Stimme und dergleichen heraus, was uns allen mittlerweile zum Hals heraushängt. Bitte nimm's nicht persönlich, auch nicht den von Sascha genannten Vorwurf der "Lügenpresse", aber leider ist es so, dass wir uns schon mit sehr sehr vielen Medienberichten über Pädophile auseinandergesetzt haben, und es war praktisch
immer wieder der gleiche Käse.
Du glaubst vielleicht, wenn Du mit einer Person intensiveren Kontakt hast, das Thema authentischer herüberbringen zu können, weil dieser Jemand aus seinem Nähkästchen plaudert, und dass man von ihm auf andere Pädophile allgemein schließen kann, wissenschaftliche Ergebnisse einfließen lassen kann usw. Alles schön und gut, und der geneigte Leser/Hörer/Zuschauer kann sich vielleicht ein ungefähres Bild machen, wie wir so ticken, aber der Knackpunkt ist ja gerade, dass wir keineswegs alle gleich ticken! Frage zehn Pädos, und Du bekommst zehn völlig verschiedene Antworten. Genauso, wie Du zehn völlig verschiedene Antworten bekommen würdest, wenn Du beliebige heterosexuelle Männer fragen würdest, wie ihre Traumfrau aussieht.
Im Grunde genommen ist es ganz einfach, wir stehen genauso auf die holde Weiblichkeit wie Du und Dein Nachbar, nur sind die "Frauen" in unserem Fall halt nicht 16 bis 32 Jahre alt, sondern 2 bis 12 Jahre. Klingt jetzt erstmal doof, aber letztendlich wünschen sich die allermeisten Pädos auch nur das, was "normale" Erwachsene möchten, nämlich eine Partnerschaft mit einer Person, die man liebt, und die einen auch lieb hat. Und wenn Du jetzt vielleicht einwerfen möchtest, dass das mit dem Sex doch nicht geht, weil von wegen Kinder und so, dann ist das zwar durchaus ein wichtiges Thema, aber es ist eben nicht diese gigantische Bedrohung, die alle Leute immer sofort mit dem Thema Pädophilie verbinden. Wir verschanzen uns ausschließlich zum Schutz vor Verfolgung und Ausgrenzung hinter unserer Anonymität, ansonsten sprechen wir ja ganz offen darüber, wie Du selbst bereits festgestellt hast.
Pädophilie ist eben kein Mythos, über den man eine aufregende Reportage gestalten kann, sondern vielmehr etwas ganz Alltägliches, und die "Betroffenen" stammen aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten (und sind dementsprechend auch alle sehr unterschiedlich). Manche kommen bestens mit ihrer Neigung klar und leben ein ganz normales Leben, andere haben erhebliche Probleme damit und sind psychische Wracks, aber das ist ja in vielen Aspekten des Lebens auch nicht anders. Ich verstehe schon, dass Du für Deine Reportage einen schönen "Aufhänger" suchst, und es ist immer nett, wenn man einem "besonderen" Menschen quasi über die Schulter schauen kann, aber unsere Neigung an sich ist eigentlich nichts Außergewöhnliches, was man auf diese Weise herausstellen müsste.
Ich glaube, wir alle hier erhoffen uns von den Medien eigentlich nur eine faire, gleichberechtigte Behandlung, indem man unvoreingenommen an uns als Gruppe herantritt, so wie es vor einigen Jahren/Jahrzehnten auch mit den Homosexuellen geschehen ist. Auch heute noch ist die Reaktionsbreite auf die Offenbarung, dass der- oder diejenige homosexuell ist, immer noch groß, aber im Allgemeinen findet man eigentlich nichts so Außergewöhnliches daran, dass man den einzelnen Menschen besonders hervorheben müsste. Vielmehr geht es doch um die breite Akzeptanz, indem erst einmal diese latente Gefahr, die offenbar so gut wie jeder im Hinterkopf hat, für ad absurdum erklärt wird.
Es spricht ja nach wie vor nichts dagegen, wenn Du Dir für die eigentliche Reportage dann ein "Einzelschicksal" herauspickst, aber um erst einmal Fakten zu sammeln, wäre es meiner Meinung nach trotzdem sehr hilfreich, wenn Du Deinen Fragenkatalog einfach hier postest und dann die Antworten abwartest. Vielleicht findest Du viele Überschneidungen, vielleicht auch nicht, aber dann kannst Du immer noch entscheiden, welche Richtung Du einschlagen willst, um das Thema zu konkretisieren. Falls Du befürchtest, eine breite Diskussion an dieser Stelle würde die Sache verfälschen, besteht ja immer noch die Option, die Antworten erst einmal privat an Dich zu senden, aber für uns würde die Hemmschwelle sinken, wenn wir wüssten, was uns bei Deinem "Interview" überhaupt erwartet.
