Missbrauch: Salzgitteraner Pfarrer gesteht
Von Alexandra Ritter
Der katholische Pfarrer aus Salzgitter, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in 280 Fällen angeklagt ist, muss sich von heute Morgen an vor dem Landgericht Braunschweig verantworten. Der Pfarrer hat inzwischen ausgesagt. Er gab an, nichts von einer Gegenwehr der Kinder bemerkt zu haben.
Etwa 40 Medienvertreter erschienen heute Morgen im Landgericht, dazu zahlreiche Besucher, die erst einmal die Sicherheitsschleuse passieren mussten. Der Prozessbeginn, der eigentlich um 9 Uhr angesetzt war, wurde deshalb um einige Minuten verschoben.
Erst um 9.38 Uhr wurde der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt. Er hielt sich einen Aktenordner schützend vor das Gesicht.
280 Straftaten
Um 9.41 Uhr eröffnete Richter Manfred Teiwes die Sitzung. Staatsanwältin Ute Lindemann verlas die Anklageschrift. Demnach soll der Pfarrer 280 Straftaten begangen haben - in 44 Fällen sexuelle Handlungen mit unter 14-Jährigen.
In 223 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft dem Pfarrer schwere sexuelle Handlungen vor, diese beziehen sich in mehr als 200 Fällen auf den heute 17-Jährigen Jugendlichen. In den anderen Fällen soll sich der Pfarrer an zwei Brüder vergangen haben.
Mit allen drei Jungen soll der Pfarrer laut Staatsanwaltschaft Oralverkehr gehabt haben - zum Teil gegenseitig.
Pfarrer gesteht hundertfachen Missbrauch
Nach einer Unterbrechung um 10.10 Uhr wurde die Verhandlung um 10.50 Uhr fortgesetzt. Richter Manfred Teiwes schlug eine Mindeststrafe von sechs bis sechseinhalb Jahren vor, sofern der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegen würde. Staatsanwältin Ute Lindemann zeigte sich damit einverstanden.
Anschließend sagte der Pfarrer umfassend aus. Alle Übergriffe seien aus einer freundschaftlichen Beziehung und Nähe heraus entstanden und nicht geplant gewesen, gab der Geistliche an. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob er pädophil sei, antwortete er: "Ein Nein wäre falsch, aber ein Ja würde die Wahrheit auch nicht treffen."
Wie am Mittwoch bekannt wurde, hatte der Mann, in dessen Wohnung auch Kinderpornos gefunden worden waren, einen der Jungen "kleiner Bär" genannt. Sich selbst bezeichnete er dem Kind gegenüber als "kleiner Tiger". Der Pfarrer sagte aus, keine Gegenwehr der Jungen wahrgenommen zu habe. Wenn die Kinder etwas gegen die Handlungen gehabt hätten, hätte er sofort aufgehört, so der Angeklagte.
Längere Beziehungen nur zu den Kindern
Offenbar hatte er mit Anfang 20 erste homosexuelle Neigungen bei sich bemerkt. Längere Beziehungen zu Männern habe er aber nicht gehabt, nur gelegentliche sexuelle Kontakte. Die einzigen längeren Beziehungen seien die zu den Jungen gewesen, sagte der Geistliche.
Am 17. Januar spricht der Gutachter. Ursprünglich war ein Urteil für den fünften Prozesstag erwartet worden. Nun könnte es aber bereits am dritten Prozesstag, dem 19. Januar, gefällt werden.
Die Zuschauer im Gerichtssaal verfolgten die Gerichtsverhandlung am Donnerstag sichtlich entsetzt mit starren Gesichtern. Bei einigen Besuchern handelt es sich um Angehörige der St.-Joseph-Gemeinde in Salzgitter-Lebenstedt. Dort war der Pfarrer zuletzt tätig.
Dem Pfarrer aus Salzgitter wird vorgeworfen, sich von 2004 bis 2011 an drei Jungen vergangen zu haben, die zu den Tatzeiten zwischen 9 und 15 Jahre alt waren. Zu ihnen hatte er durch seine Tätigkeit als Gemeindepfarrer in Braunschweig und zuletzt in Salzgitter Kontakt bekommen.
Der 46-Jährige wurde Mitte Juli im Pfarrhaus der St.-Joseph-Gemeinde in Salzgitter-Lebenstedt verhaftet und sitzt seitdem in Braunschweig in Untersuchungshaft. Bei seiner Verhaftung hatte der Mann bereits gegenüber der Polizei gestanden, von 2004 an einen damals zehnjährigen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Daraufhin meldeten sich zwei weitere Opfer bei der Polizei.
Donnerstag, 12.01.2012
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