Hallo studi123,
ich hoffe, der bisweilen etwas raue Diskussionsstil hier im Forum hat Dich nicht verschreckt, aber es werden meiner Meinung nach einige ganz wichtige Punkte angesprochen, auf die näher eingegangen werden sollte. Einen ganz wichtigen Punkt hat Ovid genannt, warum ist es Dir so wichtig, herauszufinden, ob Dein Opa pädophil war? Aus dem Bauch heraus würde ich sagen "ja, vielleicht", aber ohne ihn zu kennen, lässt sich das in der Tat schlecht sagen. Und wenn man sich die Sache einmal genau überlegt, spielt es denn eine Rolle?
In den Medien werden Pädophile leider meistens recht verzerrt dargestellt, manchmal beschreibt man sie als Menschen, die ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben, und sich dann an Kindern vergreifen könnten, dann wiederum sind sie "krank" und bedürfen einer Therapie, wofür es leider nicht genügend Therapieplätze gebe, und so würden viele von ihnen unter einem Leidensdruck stehen, der dann wiederum alle möglichen Auswirkungen habe. Und auch wenn das auf einige von uns (Pädophilen) sicher zutreffen mag, so gibt es doch eine ganze Menge von Leuten, die eben nicht so "ticken".
Meiner Meinung nach ist die Neigung von Deinem Opa aber unerheblich, letztendlich ist (war) er doch sicher ein ganz normaler Mensch, der irgendwann mal eine Familie gegründet hat. Also genauso normal wie Deine Eltern, und wie Du auch. Daher solltest Du Dich weniger auf Definitionen und Begrifflichkeiten konzentrieren, sondern mehr auf Gefühle und Emotionen. Heute fühlst Du Dich unwohl, wenn Du an die Ereignisse von damals zurückblickst, weil Du sie nicht so recht einordnen kannst. Woher kommt dieses Unwohlsein? Von dem, was Deine Therapeutin Dir sagt, also dass Du das unschuldige Opfer und er der Täter war? Vom allgemeinen Bild, was die Gesellschaft über Pädophile hat?
Du schreibst, dass Dein Opa immer lieb zu Dir gewesen ist und nie etwas getan hast, was Du nicht wolltest. Und Du hattest ihn immer lieb und bist nun verunsichert darüber, dass andere Dir sagen, Du solltest ihn eigentlich hassen. Offenbar findest Du den Gedanken, mit älteren Männern intim zu werden, manchmal sogar erregend, aber andererseits schüttelt es Dich auch, wenn Du darüber nachdenkst. Warum ist das so? Findest Du, dass es einfach "unnormal" ist, dass Du "unnormal" bist? Ich weiß auch nicht, warum ich denn nun ausgerechnet auf kleine Mädchen stehe, aber offensichtlich bin ich mit meiner Neigung nicht allein, genauso wenig wie Du mit Deiner Neigung allein bist, ältere Männer zu mögen. Ich glaube sogar, dass es ganz vielen Menschen so geht, nur sind die meisten nicht bereit, es zuzugeben, weil es nicht der gesellschaftlichen "Norm" entspricht.
Es ist in der Tat nicht so toll, dass Dein Opa aus der Sache ein Geheimnis gemacht hat, auch wenn Du Dir damals vielleicht nichts dabei gedacht hast (jeder hat ja schließlich das eine oder andere Geheimnis), ist dies wohl etwas, was Dich heute - aus welchen Gründen auch immer - belastet. Sei es nun, weil man solche Dinge gemeinhin mit "sexuellem Missbrauch" in Verbindung bringt, oder weil es nicht "normal" ist oder weil Du als kleines Mädchen naiv und leichtgläubig warst, nicht "nein" sagen konntest. In einer Sache kann ich Deine Therapeutin zumindest bestärken: Versuche nicht, irgendeine Schuld bei Dir zu suchen. Wenn Du damals nicht "nein" gesagt hast, weil Du die Streicheleinheiten schön fandest, und weil Du Deinen Opa lieb hattest, dann sollte das die Basis Deiner Überlegungen sein, und nicht das, was andere über die Sache denken.
Ich habe viele Jahre gebraucht, um mir über meine Neigung klar zu werden, und all das zu verarbeiten, was auf mich eingestürmt ist, was allenthalben gesagt und geschrieben wird, wie die Gesellschaft darüber denkt, aber vor allem, was ich selbst von der Sache halte, und wie ich damit umgehe. Mit sich selbst ins Reine zu kommen, ist viel viel wichtiger als all das, was andere denken und sagen, denn es gibt kein "normal" und "unnormal", sondern es kommt darauf an, ob man Dinge als angenehm empfindet oder nicht, und ob man damit ohne Gewissensbisse leben kann. Der einfache Grundsatz, niemals etwas zu tun, was einem selbst nicht widerfahren soll, ist eins meiner Lebensmottos geworden, und so käme es für mich niemals in Frage, jemanden zu etwas zu zwingen, ihm zu drohen, oder ihm gar etwas anzutun. Im Gegenzug erwarte ich natürlich auch von anderen, dass sie freundlich, nett und hilfsbereit sind und meine Meinung respektieren.
Wie gesagt, ich kann mir anhand Deiner knappen Schilderung natürlich kein umfassendes Bild machen, noch ein Urteil darüber abgeben, wie die Geschehnisse von damals nun einzuordnen sind. Das kannst ganz allein Du, indem Du Dich von externen Einflüssen freimachst und Dich in die damalige Zeit zurückversetzst. Es mag zwar die eine oder andere Erinnerungslücke geben, aber das ist ja ganz normal, niemand erinnert sich an jedes Detail seiner Kindheit. Manchmal tauchen Bruchstücke ganz plötzlich wieder auf, aber erzwingen kann man das nicht. Wenn Du das Kuscheln damals schön fandest, warum sollte das heute anders sein? Weil jeder sagt, dass es "Missbrauch" war? Oder weil Du der Ansicht bist, dass ältere Männer nicht so mit Mädchen kuscheln sollten? War das Kuscheln ok, andere Berührungen aber vielleicht nicht? Findest Du es in Ordnung, dass er ein Geheimnis daraus gemacht hat?
Wenn es tatsächlich diese Verunsicherung ist, durch die Du Dich heute so schlecht fühlst, wenn Du Dich zurückerinnerst, dann ist die Auseinandersetzung damit, auch wenn sie bisweilen unangenehm ist, letztendlich der Schlüssel. Es ist schade, dass Dich Deine Therapeutin in die Opferrolle zu drängen versucht. Eigentlich sollte eine Therapie doch eine Hilfe sein, mit sich selbst ins Reine zu kommen, sie soll Ansatzpunkte und Ratschläge geben, wie man selbst mit der Sache fertig wird, denn einfach so "wegtherapieren" lassen sie die Erlebnisse nunmal nicht. Aber vielleicht gehst Du auch nur mit falschen Erwartungen an die Therapie heran? Jeder Mensch ist da anders, die einen fühlen sich oft hilflos und wollen dann mit jemandem sprechen, andere lesen lieber viel und legen sich ihre eigenen Theorien zurecht. Überlege, was Deine Stärken sind, und wie Du die anderen Probleme in Deinem Alltag löst. Versuche, rational zu überlegen, und höre darauf, was Dein Herz Dir sagt. Zusammen mit dem Bauchgefühl ist man meist auf dem richtigen weg, wenn man sich frei von Zwängen und äußeren Einflüssen machen kann. Ich drücke Dir die Daumen, dass Du Erfolg dabei hast.
