ARD // Die Hauda & die Kunst // Ernst Ludwig Kirchner: Waren die Brücke-Maler pädophil? // 18.08.2023
https://mediandr-a.akamaihd.net/progressive/2023/0817/TV-20230817-1347-1800.hq.mp4
Es geht um den Künstler Ernst Ludwig Kirchner, der auf etwa einem Drittel seiner Gemälde nackte weibliche Personen abbildete, darunter auch junge Mädchen ab 8 Jahren. Eine seiner Musen, Fränzi, war damals 8 Jahre alt.
So weit so gut. Die Gemälde mit den Mädchen finde ich tatsächlich nicht schlecht, vielleicht gerade weil eine gewisse gedrückte Stimmung vorherrscht, eine undefinierbar geheimnisvolle Stimmung. Von subversivem Verhalten und männlicher Dominanz kann ich allerdings nichts erkennen. Auch nicht bei diesem Bild, von dem die Autorin des Beitrages behauptet, es sei abgebildeter Kindesmissbrauch: https://www.staatsgalerie.de/de/sammlung-digital/liegender-nackter-mann-kind-dem-ruecken
Diese Aussage der Moderatorin fällt für mich eindeutig in die Kategorie "verfälschtes Geschichtsverständnis". Wir reden hier über ein Gemälde aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Was hat damals in unserer Kultur vorgeherrscht? Die Kirche. Was hat die Kirche gesagt? Ganz platt: Mehret euch, aber nur nicht nackt und lasst dabei eure Kleider an. Wen wundert es denn, dass die in Moralvorstellungen eingeklemmten europäischen Freigeister sich nach sexueller Freizügigkeit sehnen? Warum nur finden sie diese Freizügigkeit in anders entwickelten Kulturen? Dies nun als rassistisch darzustellen, ist eine Frechheit. Wäre unsere Moralvorstellungen damals nicht so extrem verkorkst gewesen, dann hätte man gar nicht in die Südsee schauen müssen, um aufreizende nackte Frauen zu suchen.Die Hauda hat gesagt und nicht hat geschrieben:Anders gesagt: Weiße Europäer projizieren ihre Männerphantasien auf andere Kulturen. Das ist nicht nur ziemlich platt, sondern vor allem verdammt rassistisch. Kirchners starke Vorliebe für nackte Kinder ist zusätzlich echt ekelhaft.
Warum betont die Autorin kurz vor Ende des Beitrages, dass Kirchners Vorliebe für kleine Mädchen in ihren Augen "zusätzlich echt ekelhaft" sei? Hat sie denn nichts gelernt aus der Geschichte? Männer mit Vorliebe zu Männern sind nicht auch echt ekelhaft? Oder Frauen, die Frauen geil finden? Warum ist es nicht ekelhaft, sich die Haut zu tätowieren oder andere Menschen am PC per Kopfschuss zu töten? Manche Sachen verstehe ich wohl nicht...
Weitere Bilder des Künstlers
https://www.arthipo.com/ernst-ludwig-kirchner-nacktes-madchen-hinter-vorhang.html
https://img.welt.de/img/kultur/mobile101338174/1362500917-ci102l-w1024/Ernst-Ludwig-Kirchner-07-DW-Kultur-New-York-jpg.jpg
Eine weitere Quelle über Kirchners Werke findet sich hier
https://musenblaetter.de/artikel.php?aid=7495
Für meine Begriffe ist die Frage, ob er pädophil sei, damit hinreichend geklärt.Neben anderen Frauen waren es diese beide zarten Mädchen, die den Brücke-Künstlern für zahllose Zeichnungen, für eine Reihe von Ölgemälden und für etliche druckgrafische Arbeiten als Modelle dienten. Dabei dominieren die Aktdarstellungen, und es stellt sich die Frage, was für Kirchner, Heckel und Pechstein die Attraktion Fränzis, dieses Kindes, und der kaum älteren Marcella ausgemacht haben könnte. Dazu Kirchner im Jahr 1910: „Marzella ist ganz heimisch geworden und entwickelt feine Züge. … Es liegt ein großer Reiz in einem solchen reinen Weibe. Andeutungen, die einen wahnsinnig machen können. Toller als die älteren Mädchen. Freier, ohne daß doch das fertige Weib verliert. Vielleicht ist manches bei ihr fertiger als bei den reiferen und verkümmert wieder. Der Reichtum ist sicher größer jetzt.“ Ganz ähnlich wie zahlreiche andere Künstler ihrer Zeit befanden sich auch die Brücke-Maler auf der Suche nach Ursprünglichkeit, Natürlichkeit und Unverfälschheit, jenseits des eng geschnürten Zivilisationskorsetts, des bombastischen historischen Ballasts und der Dekadenz und erstickenden Doppelmoral des Fin de siècle.

"Andeutungen, die einen wahnsinnig machen können"
"Toller als die älteren Mädchen"
"Vielleicht ist manches bei ihr fertiger als bei den reiferen und verkümmert wieder"
"Der Reichtum ist sicher größer jetzt"
Zum Bild "Ernst Ludwig Kirchner, Liegende Fränzi im Gespräch mit Erich Heckel", 1910 steht auf der oben genannten Internetseite folgendes:
Dem gegenüber möchte ich nochmal den infantilen Kommentar von "Die Hauda" stellenDarin hat die Religions- und Kulturwissenschaftlerin Irene Berkel zur Problematik des Verdachts des sexuellen Mißbrauchs einen sehr lesenswerten, überaus differenzierten Beitrag geleistet. Im Hinblick auf die Brücke-Künstler gibt sie „Entwarnung“, wenn sie abschließend feststellt, daß angesichts der aktuellen Debatte „einst als unverdächtig betrachtete Formen der Zärtlichkeit und Zuneigung zwischen Erwachsenen und Kindern … den Eindruck einer unverfänglichen Vertrautheit verloren“ haben.
Zwischen den Bildern, in deren Zeitgeist sie zwingend einzuordnen sind und heute liegen etwas mehr als 100 Jahre.Kirchners starke Vorliebe für nackte Kinder ist zusätzlich echt ekelhaft
Und ich finde es schade, damals im Jahre 2011 nicht von dieser Ausstellung gewusst zu haben. Die kurze Zugfahrt nach Hannover in der Mitte Deutschlands wäre es mir sicherlich wert gewesen.
Der Blick auf Fränzi und Marcella.
Zwei Modelle der Brücke-Künstler Heckel, Kirchner und Pechstein
Sprengel Museum - Kurt-Schwitters-Platz 1 - 30169 Hannover
Bis 9. Januar 2011 - dienstags 10-20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10-18 Uhr, montags geschlossen
Katalogbuch mit einem Vorwort von Ulrich Krempel und Katja Schneider und Beiträgen von Norbert Nobis, Gerd Presler, Karin Schick und Irene Berkel; 160 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen; Museumsausgabe 24,00 €, ISBN 978-3-89169-215-8