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Creasy
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Ein nettes Experiment, recht gut durchdacht. Es ist natürlich aus ethischen Gründen nicht durchführbar. Ein paar Anmerkungen:

Dir sollte klar sein, dass das Risiko nicht genau mit 14 stark abfällt, sondern mit zunehmendem Alter immer mehr sinkt. Der Gesetzgeber muss dann eine Grenze setzen, ab welchem Alter es vertretbar ist.

Nicht alle sexuellen Kind-Kind-Handlungen sind akzeptiert/erlaubt/schadlos. Insbesondere wenn es da eine große Altersdifferenz gibt - 13 und 6 ist nicht viel anders als 14 und 6.

Bei geistig behinderten Menschen gibt es logischerweise keine negative Neubewertung, weil sie nie über den Stand hinauskommen, auf dem sie sich befinden. Daher sehe ich keinen Widerspruch, einem geistig behinderten Menschen auf dem Stand eines achtjährigen Sex zu erlauben, einem achtjährigen Kind aber nicht.

Für die negative Neubewertung sprechen die Aussagen der Erwachsenen. Das Gefühl, als Kind verraten und ausgenutzt worden zu sein, hängt direkt mit den sexuellen Handlungen zusammen. Das dies in einer anderen Gesellschaft oder mit einer besseren Kindheit nicht mehr auftritt, ist ebenso eine ungetestete Hypothese, die dazu noch komplizierter, unplausibler und irgendwie ad-hoc ist.
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Creasy hat geschrieben: Dir sollte klar sein, dass das Risiko nicht genau mit 14 stark abfällt, sondern mit zunehmendem Alter immer mehr sinkt.
Nein, dieser Zusammenhang ist mir eben nicht klar. Soweit ich weiß wurde so eine Abstufung nie gemessen.
Das wäre ja eine Form von "dose-response" mit der man ganz gut Wirkungen herleiten könnte. Also je älter ein Mensch wird, desto harmloser werden sexuelle Kontakte im Mittel. Aber genau diesen Zusammenhang hat man eben nicht gefunden.
Was man vergleichsweise finden kann, ist eine Abhängigkeit vom Schutzalter der geltenden Justiz - zumindest in den case reports oder manche clinical trials. Aber um konsistent zu bleiben müsste man diese aus dem selben Grund ablehnen, wie man diese als Schadensbeweis allgemein auch ablehnt.
Creasy hat geschrieben: Nicht alle sexuellen Kind-Kind-Handlungen sind akzeptiert/erlaubt/schadlos. Insbesondere wenn es da eine große Altersdifferenz gibt - 13 und 6 ist nicht viel anders als 14 und 6.
Kann man eben nicht zeigen, also zumindest ohne andere Erklärungen auszuschließen, denn:
Besonders bei Jugendlich/Kind-Kontakten gibt es einen ganz anderen konfundierenden Zusammenhang.
Nämlich den der Gewaltanwendung, Erpressung, Geheimhaltungsverpflichtung, Drohung. Es ist sehr schwierig Jungenddelinquenz da herauszurechnen.
Du kannst also maximal zeigen, dass Jugendliche, die sich in einem rebellierenden kritischen Lebensabschnitt befinden, im relativen Maße und zumindest auffälliger (fliegen leichter auf als Erwachsene) im Negativen nicht gegenseitigen Sinne übergriffig werden.
Creasy hat geschrieben: Bei geistig behinderten Menschen gibt es logischerweise keine negative Neubewertung, weil sie nie über den Stand hinauskommen, auf dem sie sich befinden. Daher sehe ich keinen Widerspruch, einem geistig behinderten Menschen auf dem Stand eines achtjährigen Sex zu erlauben, einem achtjährigen Kind aber nicht.
Das ist ein interessantes Statement, also ethischer Pragmatismus.
Folgendes wäre also wahr (und ich spitze das einfach mal zu): Eigentlich ist das, was dem geistig behinderten Menschen widerfahren ist ethisch und moralisch falsch. Aber er ist einfach zu dumm um das zu erkennen. Also kann man das mit denen machen! :shock:
Also quasi: Behindertes Freiwild!
Kinder dagegen werden erwachsen und erkennen den wahren Missbrauch, der an ihnen begangen wurde, und deshalb ist es falsch (aber nur weil sie irgendwann von selbst drauf kommen).
Creasy hat geschrieben: Für die negative Neubewertung sprechen die Aussagen der Erwachsenen. Das Gefühl, als Kind verraten und ausgenutzt worden zu sein, hängt direkt mit den sexuellen Handlungen zusammen. Das dies in einer anderen Gesellschaft oder mit einer besseren Kindheit nicht mehr auftritt, ist ebenso eine ungetestete Hypothese, die dazu noch komplizierter, unplausibler und irgendwie ad-hoc ist.
Wir haben schon eine Menge Daten, die deine Hypothese entschieden schwächt. Und zwar in verschiedenen Schutzalters-Zonen, dann noch ähnliche Daten von unterdrückten sexuellen Minderheiten (religiös aufgezogene Homosexuelle, denen man schlechtes psychological adjustment nachweisen konnte nachdem sie Sex hatten). Wir haben auch in Regressionsanalysen die Familiensituation gemessen, welche späteres psychological adjustment 10 mal besser erklärt als das isolierte Vorkommen von sexuellen Kontakten. Wir haben widersprüchliche Symptomatiken (hypersexuell vs. aversiv) und wir haben qualitative Aussagen von Opfern, die je nach Erlebnis, die Ursache auf Scham, Betrogenfühlen usw. festsetzen, allerdings nicht auf die sexuelle Situation selbst. Wir haben Beobachtungen von Interventionen (Baurmann z.B.); wir haben qualiative Berichte von sehr alten Opfern (Bender & Blau), die keine derartigen neuen Symptome berichten.
Also eigentlich stapelt sich ein Zweifel nach dem anderen an dem heutigen "Modell".
Creasy
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Also, meine Hypothese ist ja im Grunde eine ganz einfache (probabilistische) Kausalkette:

Gewaltlose sexuelle Handlungen in der Kindheit --> Neubewertung und Rekonzeptualisierung als Erwachsener --> Gefühle von Betrogensein, Ausgenutztsein, Scham, Schuld, Ekel etc. --> Psychische Störungen wie Depression, Minderwertigkeitsgefühle, Vertrauensprobleme etc.

Diese psychischen Störungen werden aber auch durch emotionalen und/oder physischen Missbrauch ausgelöst. Du meinst, die können das sogar besser erklären. Um meine Hypothese zu testen, müsste man Missbrauchsdaten folgendermaßen auswerten:

1. SM und EM/PM
2. kein SM und EM/PM
3. SM und kein EM/PM
4. Kein SM und kein EM/PM (Kontrollgruppe)

Du willst eigentlich nur Fall 1 untersuchen und mit Regressionsanalysen Fall 2 rausrechnen. Ich würde vorschlagen, Fall 3 direkt zu untersuchen und zu ermitteln, ob es dort eine signifikante Erhöhung von psychischen Störungen im Vergleich zur Kontrollgruppe gibt. Nach meiner Hypothese ist es der Fall, nach deiner nicht. Möglicherweise sind die Werte von Fall 1 und Fall 2 ziemlich ähnlich, dann würdest du mit Regressionsanalyse nicht viel finden können. Für den Beweis meiner Hypothese reicht es aber aus, wenn Fall 3 signifikant höhere Werte liefert als Fall 4. Da du glaubst, Fall 3 würde keine signifikant höheren Werte liefern als Fall 4, wäre es sogar ein Experimentum Crucis zwischen unseren beiden Ansichten.

Wenn Fall 3 nie direkt untersucht wurde, besteht eine Forschungslücke. Falls du eine quantitative Studie für Fall 3 kennst, wäre ich sehr daran interessiert, sie zu lesen (Zur Erinnerung: Es geht um gewaltlose sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die keinen emotionalen und/oder physischen Missbrauch erlebt haben). Die Behauptung, Fall 3 gibt es gar nicht, weil nur vernachlässigte und/oder geschlagene Kinder Sex mit Erwachsenen haben, halte ich für Unsinn. Einzelne Gegenbeispiele reichen natürlich nicht, weil meine Hypothese probabilistisch ist (Helmut Schmidt beweist ja auch nicht, dass Rauchen harmlos ist).

Eine ähnliche Strategie könnte man übrigens theoretisch auch mit dem Einfluss der Gesellschaft durchführen, indem man gewaltlose sexuelle Handlungen an Kindern in einer Gesellschaft, die das akzeptiert mit einer Gesellschaft vergleicht, die das nicht tut. In der Praxis geht das natürlich nicht, weil keine Gesellschaft sowas akzeptiert. Ich glaube, dass die Gesellschaft negative Folgeschäden verstärken kann, aber nicht allein auslöst.

Zu den Behinderten: Ich lege ein konsequentialistisches ethisches Modell zugrunde, eine Handlung ist also nur dann falsch, wenn sie Leid verursacht. Da die obige Kausalkette von meiner Hypothese für Kinder gilt, für Behinderte aber nicht (da schon die Neubewertung nicht zustande kommt), entsteht kein Leid für die Behinderten und somit ist es (konsequentialistisch gesehen) moralisch auch nicht falsch.

Zu den Jugendlichen: Ich dachte es wäre klar, dass ich nur von gewaltfreien sexuellen Handlungen rede, bei allem anderen sind wir uns ja sowieso einig.
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Gib mir Zeit das etwas zusammenzufassen, was man bisher weiß.
Die epidemiologische Forschung ist kein leichtes Thema, weil da sehr viele komplexe Sachverhalte zusammenspielen, bei Missbrauch/Misshandlung mit latenten jahrzehnte späteren diffusen Folgen mit posierten sozialpsychologischen Erklärungsmodellen ist ein absolutes Clusterfuck.

Zumindest können wir uns ja darauf einigen, dass es bisher weder solide Evidenzen für Schaden von gewaltlosen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gibt, noch ein Schadensmechanismus mit explanatory power, also in deiner Hypothese warum neubewertet wird und welche Entwicklungsschritte dafür verantwortlich sind, dass diese Neubewertung ausgelöst wird.

Eigentlich könnte ich hier ja schon aufhören, weil ja eigentlich die Beweislast bei demjenigen liegt, der die Hypothese aufstellt. :wink:
Du müsstest also eigentlich alle Anstrengungen aufzeigen, die versuchen deine Hypothese zu falsifizieren und es nicht geschafft haben. Damit hätte deine Hypothese zumindest vorläufig Bestand.
Creasy hat geschrieben: Die Behauptung, Fall 3 gibt es gar nicht, weil nur vernachlässigte und/oder geschlagene Kinder Sex mit Erwachsenen haben, halte ich für Unsinn.
Strohmann. Ich habe nur gesagt, dass es eine Korrelation zwischen familienfernen Kindern (weil von der Familie schlecht behandelt/ignoriert/ausgestoßen) und sexuelle Erfahrungen mit Erwachsenen gibt. Klar: Solche Fälle passieren eher da, wo die Familie schlechter aufpasst.
Das skewed die Resultate natürlich.
Creasy hat geschrieben: Einzelne Gegenbeispiele reichen natürlich nicht, weil meine Hypothese probabilistisch ist (Helmut Schmidt beweist ja auch nicht, dass Rauchen harmlos ist).
Beim Rauchen hat man aber ein Schadensmodell und kann zeigen warum nicht aller Raucher Lungenkrebs kriegen (Bei Krebs sind praktisch alle Risiken kumulativ und probabilistisch).
Allerdings kann man bei allen Rauchern pulmonale Beeinträchtigungen messen. Auch hier hat man Schadensmechanismen, die das erklären.

Es bleibt ein behaupteter Zusammenhang von dem wir nicht wissen, wie der zustandekommt. (Also warum wird früher Sex als Kind mit Erwachsenem rekonzeptualisiert und warum führt diese Rekonzeptualisierung zu schaden? Und warum nur probabilistisch? Wenn das überhaupt so der Fall ist. Dazu haben wir bisher keine Theorie, die diesen Schadensmechanismus erklärt.)
Creasy hat geschrieben: Zu den Behinderten: Ich lege ein konsequentialistisches ethisches Modell zugrunde, eine Handlung ist also nur dann falsch, wenn sie Leid verursacht. Da die obige Kausalkette von meiner Hypothese für Kinder gilt, für Behinderte aber nicht (da schon die Neubewertung nicht zustande kommt), entsteht kein Leid für die Behinderten und somit ist es (konsequentialistisch gesehen) moralisch auch nicht falsch.
Das habe ich schon verstanden. Das heißt doch: Die Neubewertung der Kinder ist falsch. Eigentlich waren es ja auch nur gewaltlose für beide angenehme sexuelle Erfahrungen, wie bei einem geistig Behinderten mit einem Erwachsenen.
Bedeutet doch schlicht: In einer Therapie behandelt man diese falsche Rekonzeptualisierung (wenn sie denn auftritt) am besten in der Weise, dass man das Positive aus der vergangenen Tat hervorhebt um dieser Rekonzeptualisierung entgegenzuwirken anstatt sie zu bestärken.
Die Rekonzeptualisierung, die eben nicht immer vorkommt, ist dann so ähnlich wie eine allergische Reaktion auf eine benigne Erfahrung und nicht jeder ist allergisch.
Creasy hat geschrieben: Zu den Jugendlichen: Ich dachte es wäre klar, dass ich nur von gewaltfreien sexuellen Handlungen rede, bei allem anderen sind wir uns ja sowieso einig.
Ne, es ging nur um die Anmerkung, dass hohe Altersunterschiede eher schaden. Also z.B. zwei 7-Jährige ist besser als eine 7-Jährige und ein 15-Jähriger.
Ist auch nur so eine Hypothese aus dem Nichts (also ohne Erklärungsgewalt). Ich habe eine Erklärung posiert: Jugendliche (Pubertät, Rebellion, Umstellung des Hormonhaushalts) fallen öfter in Delinquenzen auf.
In einer Messung würde man folgendes finden: Eine Spitze bei Jugendlichen und dann wieder eine Abflachung bei jungen Erwachsenen in Bezug auf Gewaltbereitschaft.
Nach deiner Hypothese: Je älter der Jugendliche/Erwachsene, desto schlimmere Auswirkungen auf das Kind. (Weil es nach Alter rekonzeptualisiert? Oder wie lautet der Mechanismus?).
Man müsste also finden: 7 und 15 nicht so schlimm wie 7 und 21. Ich garantiere dir fast, dass es umgekehrt ist.

Wie gesagt ich werde in nächster Zeit noch mal einen Writeup machen, was man bezüglich Familiensituation und verschiedener Misshandlungs und Missbrauchsformen so weiß. Dann zeigt sich auch, dass das mit deinen "4 Gruppen" nicht ganz so leicht ist zu bewertkstelligen. Das passiert ja nicht alles in einem Reinraum und manchmal hat man wenig Daten über Gewaltfreiheit, vor allem gibt es ja Rekonzeptualisierungen, die Gewaltformen dazudichten, wenn es um spätere self reports geht. Wenn man andere befragt, dann sind Ermittlungsbehörden oder Familienangehörige ja auch voreingenommen; frühe Vernehmungsprotokolle von Kindern sind oftmals sehr aufschlussreich diesbezüglich.
Jedenfalls kann man trotzdem sehr bestechende Erkenntnisse gewinnen und zumindest die öffentliche Meinung über die Eigenschaften von sexuellem Missbrauch genügend widerlegen.

Das erfordert ein bisschen mehr Zeit das niederzuschreiben, weil ich das gerne bequellen möchte und auch mit Tabellen und Zitaten unterfüttern möchte.
Creasy
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Ovid hat geschrieben:Zumindest können wir uns ja darauf einigen, dass es bisher weder solide Evidenzen für Schaden von gewaltlosen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gibt,
Nope. Die Evidenzen sind da. Bei gewaltlosen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern zeigen fast alle Kinder als Erwachsene psychische Schäden. Das ist eine sehr gute Evidenz dafür, dass die gewaltlosen sexuellen Handlungen schaden. Du behauptest, dass hier keine Kausalität vorliegt, sondern nur Korrelation und in Wirklichkeit andere Faktoren dafür verantwortlich sind, was deine Hypothese komplizierter, unplausibler und adhoc macht. Die Beweislast, das der Anstieg von psychischen Schäden nicht durch die sexuellen Handlungen verursacht werden, liegt bei dir.
Ovid hat geschrieben:noch ein Schadensmechanismus mit explanatory power, also in deiner Hypothese warum neubewertet wird und welche Entwicklungsschritte dafür verantwortlich sind, dass diese Neubewertung ausgelöst wird.
Wieder Nope. Die Neubewertung wird erklärt durch das Wissensdefizit über Sexualität sowie das kognitive Defizit zur Sexualität zwischen Kind und Erwachsenem. Wie und wann genau das stattfindet, kann dir ein Entwicklungspsychologe viel besser erklären als ich.
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Mitleser
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Mitleser »

Warum ist es unplausibler, das gesellschaftliche Klima für den negativen Eindruck, den solche sexuellen Kontakte im Kindesalter bei Erwachsenen hinterlassen, verantwortlich zu machen. Meiner Meinung nach ist es nämlich vor allem diese negativ konnotierte Stimmung gegen jegliche intergenerationäre Sexualkontakte. Das betrifft ja noch nicht einmal nur die Konstellation Kind - Erwachsener, sondern (sogar abseits von entsprechenden Regelungen im Gesetz) die Konstellation Jugendlicher - Erwachsener. Auch bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren ist die Empörung in der Gesellschaft groß, wenn es sich beim Partner um eine Person über 25 Jahren handelt, wohingegen die Kombination 24/35 Jahre kaum mehr ein Stirnrunzeln hervorruft und die Paarung 34/45 quasi "Normalzustand" ist, auch wenn der Altersunterschied identisch ist.

Natürlich kann man einwenden dass sich solche Altersabstände mit zunehmendem Alter relativieren, aber die Kombination 24/65 ist dann schon wieder reichlich "skandalös". Allein das Gefälle in Sachen Wissen und Erfahrung kann es also nicht sein, was einen solchen Kontakt "gut" oder "schlecht" macht, sondern es sind eben doch meist moralische Aspekte, die hier eine Rolle spielen, und die je nach gesellschaftlichem Klima und je nach sozialem Umfeld mal positiver und mal negativer beurteilt werden. Und es dürfte ja kaum überraschen, dass alle derartigen Kontakte auch immer in Bezug auf die gesellschaftliche Situation hinterfragt werden, sowohl von den Beteiligten selbst als auch von Außenstehenden. Niemand wird hier völlig wertfrei urteilen können, sondern immer Orientierung an irgendwelchen Normen suchen. Das gehört zum menschlichen Leben und Handeln einfach dazu, ansonsten könnte die Gesellschaft nicht funktionieren.

Andererseits müssen wir aber auch kritisch reflektieren können, um logische Schlüsse ziehen zu können, denn gesellschaftliche Regeln können immer nur ein Grundgerüst darstellen, an dem man sich orientieren kann, aber für eine konkrete Situation gilt es objektiv zu bewerten, ob eine bestimmte Handlung nun positiv oder negativ ist. Aus Gründen der Vorsicht ist es gut, von gefahrvollen Handlungen allgemein abzusehen, aber oft ist es gerade das Wagnis, was letztendlich den gewünschten Erfolg bringt, beispielsweise der beherzte Sprung in einen reißenden Strom, um eine ertrinkende Person zu retten. Klar, das kann auch schief gehen, und beide ertrinken, aber wenn die Menschheit immer nur feige und vorsichtig gehandelt hätte, würde sie sicher nicht den aktuellen Entwicklungsstand erreicht haben.

Für mich steht jedenfalls fest: Sex an sich ist harmlos, egal, ob da nun Kinder oder Erwachsene beteiligt sind, denn in erster Linie macht es Spaß, ist aufregend, und befriedigt unsere sexuellen Bedürfnisse - natürlich nur, solange alle Beteiligten Rücksicht aufeinander nehmen und niemand zu Schaden kommt. Alle anderen Faktoren kommen von außerhalb, vom sozialen Umfeld und von der Gesellschaft allgemein, und selbstverständlich dringen diese auf die Beteiligten ein und führen ggf. zu Neubewertungen mit zweifelhaften Resultaten. Allein aus dem Grund mag es sinnvoll sein, auf den Sex zu verzichten, aber das kann doch kein Argument sein, es grundsätzlich sein zu lassen, oder? Und nochmal, warum gerade Sex? Was ist daran bitte so besonders? Wenn das alles so schlimm ist, wäre es dann nicht besser, Kinder allgemein in Watte zu packen und sie keinerlei Risiken auszusetzen?
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Creasy hat geschrieben: Nope. Die Evidenzen sind da. Bei gewaltlosen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern zeigen fast alle Kinder als Erwachsene psychische Schäden. Das ist eine sehr gute Evidenz dafür, dass die gewaltlosen sexuellen Handlungen schaden.
Quelle? Zweitens: Korrelation oder Kausalität? Alterszusammenhang? Trennung zwischen Gewaltanwendung und nicht und Staffelung nach Alter des Partners? Mechanismus? Haben wir nicht. Tut mir ja Leid?!
Creasy hat geschrieben: Du behauptest, dass hier keine Kausalität vorliegt,
Nein, ich beobachte nur das Exerzieren gesellschaftlicher Normen und was für Wahrheiten dies produziert.
Bist du dir der Zusammenhänge sicher, weil dir das so vorgekaut wird, oder weil wissenschaftliche Studien genau darauf hinweisen? :wink:
Vielleicht ist auch die Abhandlung "Sexualität und Macht" von Foucault für dich interessant. :wink:
Creasy hat geschrieben: sondern nur Korrelation und in Wirklichkeit andere Faktoren dafür verantwortlich sind, was deine Hypothese komplizierter, unplausibler und adhoc macht.
Moment. Du müsstest dir erst einmal bewusst werden, wie deine Beobachtung aussieht.
Die sieht nämlich genau so aus wie damals die Beobachtung, dass Kinder/Jugendliche, die masturbieren schwere gesundheitliche Schäden davontragen.

Willst du wirlklich behaupten all die Schäden, die wir bei Kindern und Jugendlichen bei Masturbation beobachten konnten, waren nur Korrelation? Tatsächlich ist Masturbation völlig ungefährlich und gar eine positive menschliche Handlung? Kein Knochenmarkschwund, Erblindung oder gar psychische Schäden?
Creasy hat geschrieben: Die Beweislast, das der Anstieg von psychischen Schäden nicht durch die sexuellen Handlungen verursacht werden, liegt bei dir.
Eben nicht. :)
Ich posiere gar nichts. Menschen unternehmen sexuelle Handlungen. Das ist beobachtbarer Fakt. Jetzt sagst du: In dem Falle, dass Kinder mit Erwachsenen sexuelle Handlungen unternehmen, gibt es einen Schadensmechanismus, der die Kinder schädigt.
Weder hast du diesen Mechanismus erklärt, noch zweifelsfrei einen kausalen Zusammenhang gezeigt.
(Menschen, die Brot essen, erkranken an Krebs übrigens)
Creasy hat geschrieben: wird erklärt durch das Wissensdefizit über Sexualität sowie das kognitive Defizit zur Sexualität zwischen Kind und Erwachsenem.
Moment. Aber dieses Wissensdefizit ist doch ein soziales Wissensdefizit.
Wie sehen diese Normen denn aus? Naja, dass eben sexuelle Handlungen, die in gemeinsamen Einverständnis und positiv empfunden werden, in Ordnung sind. Oder etwa nicht?
Woraus besteht denn sonst dieser Wissensdefizit? Sag doch mal: Was ist der Wissensdefizit und wie kann das Fehlen darüber schaden?
Es passiert doch sowieso das, was nur unter Kindern oder unter Erwachsene das Richtige wäre. Warum dann nicht auch zwischen Erwachsenen und Kindern?

Noch eine andere Frage: Es gibt in sonst allen anderen Lebensbezügen auch wieder gewisse Wissensdefizite. Warum können Erwachsene und Kinder gemeinsam all diese Situationen schadlos überstehen, außer ausgerechnet in sexuellen Situationen?
Kannst du diese Ausnahme erklären?
Creasy
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Moment, du musst dich schon entscheiden, was du behauptest:

Entweder es gibt gar keine signifikante Erhöhung psychischer Schäden bei Kindern, die in sexuelle Handlungen verwickelt waren, sondern das wird nur durch die Gesellschaft, schlechte Befragung der Kinder oder schleche Auswertung in der Wissenschaft angenommen.

Oder es gibt diese signifikante Erhöhung, aber es ist nur eine Korrelation und lässt sich auf physischen oder emotionalen Missbrauch zurückführen.

Du springst zwischen beiden Aussagen hin- und her. Was ist denn deine Meinung? Wir scheinen hier vollkommen aneinander vorbeizureden, wenn du ersteres behauptest.

Die Beweislast können wir uns jetzt schön hin- und herschieben. Tatsache ist, dass eine etablierte wissenschaftliche Hypothese nur zurückgenommen wird, wenn es eine bessere Alternative gibt. Da meine Hypothese halbwegs etabliert ist (halbwegs, da das Traumaparadigma dominiert) und deine Hypothese nicht, darfst du dir die Mühe machen.

Bei meiner Erklärung des Schadensmechanismus scheinst du einfach immer weiter zu fragen. Es ist bereits eine Erklärung, wenn ich negative Rekonzeptionalisierung als Ursache für die psychischen Schäden angebe. Dann willst du eine neue Erklärung, wie diese negative Rekonzeptionalisierung funktioniert. Das habe ich ebenfalls mit Wissensdefizit und kognitivem Defizit zu erklären versucht, im Grunde genommen steckt da die ganze Consent-Forschung drin, kannst du also auch bei Finkelhor nachlesen. Jetzt willst du Wissensdefizit und kognitives Defizit wiederum erklärt haben. Nur weil du immer weitere Erklärungen forderst heißt es nicht, dass ich dir gar keine Erklärung gegeben habe.

Analog: Eine Erklärung, warum Rauchen schädlich ist, ist bereits die Tatsache, dass Rauchen Krebs verursacht. Du kannst weiterfragen, wie genau dieser Krebs entsteht, aber das ist dann eine andere Erklärung für eine andere Frage.

Das Wissensdefizit ist aber nicht nur sozial. Kinder wissen z.B. nicht, wie es sich anfühlt, jemanden sexuell attraktiv zu finden. Das ist kein Wissen, das man aus Büchern lernen kann, das lernt man automatisch, wenn man in die Pubertät kommt. Daher können sie auch erst zu diesem Zeitpunkt nachvollziehen, was da eigentlich passiert ist.
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Creasy hat geschrieben: Entweder es gibt gar keine signifikante Erhöhung psychischer Schäden bei Kindern, die in sexuelle Handlungen verwickelt waren
So ähnlich ist das tatsächlich. Also in nicht-klinischen landesweiten Studien z.B. ist der Wirkungsgrad "small" und eben konfundiert mit Familiensituation und Gewalterfahrungen (und das nicht einmal unterschieden zwischen gewaltätigen und nicht-gewaltätigen sexuellen Handlungen).
Es stimmt also beides, ich muss mich hier nicht entscheiden. :wink:
Kann ich dir auch bequellen. Wie gesagt, das mache ich ein anderes mal ausführlicher.
Creasy hat geschrieben: Tatsache ist, dass eine etablierte wissenschaftliche Hypothese nur zurückgenommen wird, wenn es eine bessere Alternative gibt.
Etabliert ist eben nur folgendes: Dass Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalterfahrung schlecht für Kinder ist.
(Die meisten Untersuchungen unterscheiden also gar nicht erst ob es auch darunter mal sexuelle gegenseitige Handlungen gab, das wird meistens alles in den Mix geschmissen)

Weiterhein ist etabliert, aber eher normativ, dass man Kinder für sexuell unmündige Wesen hält. Die Frage ob gegenseitige positive sexuelle Erfahrungen später schaden, stellt sich also gar nicht oder nur am Rande, meistens in Diskussionen wie diese hier.

Wenn man also ehrlich antworten will, was etabliert sei, dann antwortet man wie Balluseck in diesem Interview:

https://web.archive.org/web/20130325075 ... halten.php
Maywald: Warum ist jeder sexuelle Kontakt zwischen Kindern und Erwachsenen für das Kind schädigend?

von Balluseck: Das Risiko ist da, denn es handelt sich immer um eine asymmetrische Beziehung. Es gibt Leute, die sagen, es sei gar nicht bewiesen, dass die Kinder immer Schaden nehmen. Das stimmt auch, für alle Kinder in allen Beziehungen ist dies nicht bewiesen. Aber die Gefahr, dass die asymmetrische Beziehung zu einer Schädigung des Kindes beiträgt, ist immer gegeben. Deswegen ist es sehr sinnvoll, in der Pädagogik rigide Normen zu setzen, damit hier keine Grenze überschritten wird.
Natürlich zieht sich die Pädagogin zurück und immunisiert ihr Argument mit "Die Gefahr ist eben da". Ja eben das weiß man halt nicht, weil man diesen Zusammenhang eben bisher nicht zeigen konnte in "allen Beziehungen", sprich: In denen sexuelle Handlungen rücksichtsvoll und auf Gegenseitigkeit beruhen.
Die Gefahr ist maximal iatrogener Natur. Also, dann wenn von außen interveniert wird (wie Baurmann z.B. beschreibt; dort entwickelt sich Schaden schon im Kindesalter), also die Gefahren, die bei allen kriminalisierten Handlungen sowieso gegeben sind.

Es ist also bloß das etabliert, was man allgemeine Einwände gegen sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen nennen könnte. Aber eben kein Schadenszusammenhang.
Creasy hat geschrieben: Es ist bereits eine Erklärung, wenn ich negative Rekonzeptionalisierung als Ursache für die psychischen Schäden angebe. Dann willst du eine neue Erklärung, wie diese negative Rekonzeptionalisierung funktioniert.
Ich will einfach nur eine Mechanismus-Erklärung für folgenden erstaunlichen Zusammenhang: Warum werden sexuelle positive Erfahrungen durch bestimmte kognitive Defizite neu kodiert und zwar auch nur negativ, wenn es einen Altersunterschied gibt?!
Das macht wenig Sinn.
Welcher Defizit orchestriert diese Rekodierung? Und wie macht diese z.B. evolutionär Sinn? Oder individualpsychologisch?
Kulturell kann man viele Erklärungen finden für diese Rekonzeptualisierung (Opferstigma u.a.) aber rein biologisch, psychologisch, evolutionär stehst du bisher mit leeren Händen da.
"Das ist irgendwie so, weil Defizit". ist eben kein erklärender Schadensmechanismus.

Finkelhor posiert nirgends so einem Mechanismus, noch erklärt er ihn und getestet wurde er auch nicht. :?
Oder hast du da einen Artikel zu?
Creasy hat geschrieben:
Analog: Eine Erklärung, warum Rauchen schädlich ist, ist bereits die Tatsache, dass Rauchen Krebs verursacht. Du kannst weiterfragen, wie genau dieser Krebs entsteht, aber das ist dann eine andere Erklärung für eine andere Frage.
Das klingt so überflüssig, weil wir sogar eben den Mechanismus karzinogener Stoffe verstehen können. Ja, wir wissen wie genau. Wie Zellen Schaden nehmen, mutieren und präkanzeröse Eigenschaften dazuentwickeln.

Wann macht die Frage nach einem genauen Mechanismus Sinn? Naja, wenn man eben einen schwachen Zusammenhang nur findet, der durch andere Einflüsse konfundiert sein könnte (das ist bei CSA der Fall).
Dann will man natürlich wissen wie es sein kann, wie positive Erfahrungen negativ rekodiert werden. Das passiert ja nicht einfach so.
Wir kennen bisher einen solchen Mechanismus (also allgemein für Rekonzeptualisierung von vergangenen Erfahrungen) und der funktioniert über weitere spätere Erfahrungen, die man macht, also z.B. in einer Kultur von "moral panic", wo es ganze Missbrauchsschauprozesse gab in denen Kinder schaden nahmen, in der aber nie ein solcher Missbrauch nachgewiesen werden konnte.
Aber wir kennen bisher keinen solchen Mechanismus, der rein über endogene kognitive Wissensdefizite funktioniert. Eher würden kognitive Entwicklungsprozesse dem Kind verhelfen mehr und komplexer zu verstehende Erfahrungen zu machen - das wären aber wieder Informationen von außen, also kulturbedingte Informationen, Bewertungen von Peers und ähnliches.
Creasy hat geschrieben:
Das Wissensdefizit ist aber nicht nur sozial. Kinder wissen z.B. nicht, wie es sich anfühlt, jemanden sexuell attraktiv zu finden.
Ja. Aber warum sollte dieses Fehlen zum Problem werden? Also kann ja sein, aber wie und ist es denn überhaupt so?
Kinder machen ja trotzdem unabhängig davon miteinander sexuelle Erfahrungen. Warum sollten die selben dann mit Erwachsenen schaden - also schädlich rekonzeptualisiert werden, obwohl positiv empfunden? Nur dadurch, dass sexuelle Attraktion fehlt und das Alter des Partners höher ist?
Wir wissen übrigens auch, dass Beziehungen mit hohen Altersunterschieden stigmatisiert werden.
Wenn also ein Kind versteht, dass es so eine Beziehung war und das Tabu sogar noch größer (eins der schlimmsten Verbrechen tatsächlich), könnte das nicht zu Schaden führen? Ist das nicht etwas plausibler, als irgendwelche inneren abgeschotten Entwicklungsprozesse, die vergangene positive Erfahrungen extra hochholen, das Alter des Partner einschätzen und dann danach negativ kodieren? wtf?
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Na da bin ich ja mal gespannt auf deine Studien. Ich hoffe, da kommt mehr als du musst das so und so interpretieren und dies und das rausrechnen, dann könnte das vielleicht ein Beleg sein. Eine klare Studie würde mich ja widerlegen. Dann gib mal Butter bei die Fische.
Ovid hat geschrieben:Ich will einfach nur eine Mechanismus-Erklärung für folgenden erstaunlichen Zusammenhang: Warum werden sexuelle positive Erfahrungen durch bestimmte kognitive Defizite neu kodiert und zwar auch nur negativ, wenn es einen Altersunterschied gibt?!
Das ist weit weniger erstaunlich, wenn man nicht davon ausgeht, dass die meisten Kinder gewaltlose sexuelle Erfahrungen als positiv bewerten. Es wird nicht als traumatisch empfunden, aber in den meisten Fällen als negativ oder neutral, wobei positive Erfahrungen natürlich nicht ausgeschlossen sind. Kinder sind eher verwirrt, was da eigentlich passiert und machen mit, weil sie ihre Bezugsperson nicht verlieren wollen oder Belohnungen und Komplimente bekommen. Die Vorstellung, dass Kinder diese Erfahrungen meistens als überaus positiv empfinden, ist aber eher eine Pädophantasie als die Realität. Genauso wie deine Überbewertung von sexuellen Handlungen zwischen Kindern - in Doktorspielchen wird mal gekuckt und vielleicht auch mal angefasst, aber viel mehr passiert normalerweise nicht. Gegenseitiges Streicheln bis zum Orgasmus oder Oralsex zwischen Kindern kommt selten vor.

Edith: Wie interpretierst du diese Aussage von Susan Clancy:
Almost every single one of them [die Teilnehmer ihrer Befragung] reported that these experiences had damaged them: symptoms of post-traumatic stress disorder (PTD), major depression, drug and alcohol abuse, and sexual problems (ranging from lack of interest to inability to orgasm to hypersexuality) were extremely common. Of my sample, 75 percent reported self-esteem problems; 50 percent reported feeling cut off from others or alienated because of the abuse; and almost 90 percent reported difficulties in relationships. Many victims said the abuse had multiple negative aftereffects. (The Trauma Myth, S. 50)
Bisher kam immer die Aussage, das ist alles nur wegen der bösen, bösen Gesellschaft. Aber du scheinst ja nicht mal anzuerkennen, dass eine Schädigung überhaupt erfolgt. Das obige Zitat legt das Gegenteil nahe.
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kEsel
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von kEsel »

Ovid hat geschrieben:Kinder machen ja trotzdem unabhängig davon miteinander sexuelle Erfahrungen. Warum sollten die selben dann mit Erwachsenen schaden - also schädlich rekonzeptualisiert werden, obwohl positiv empfunden? Nur dadurch, dass sexuelle Attraktion fehlt und das Alter des Partners höher ist?
Ich spreche nicht oft mit Leuten über deren Doktorspielchen in ihrer Kindheit, aber es ist mir schon ein der zwei mal zu ohren gekommen, dass man diese Erfahrungen jetzt im erwachsnen Alter als peinlich empfindet.
Ich denke (These!) derselbe Prozess/Umstand, der zu der Neubewertung von sexuellen Kind-Erwachsenen Kontakten führt, hat auch Einfluss auf die spätere Bewertung auf Kind-Kind Kontakten.

Vielleicht kommt man der Lösung nach der Frage nach der Ursache der Neubewertung näher, wenn man der Frage nachgeht, wie Erwachsene ihre Doktorspiele in der Kindheit aus ihrer heutigen Sicht sehen und warum.
Normal ist uncool !
Und ich liebe dich doch! >> https://www.girlloverforum.net/userpage ... /index.php
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Denker
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Denker »

kEsel hat geschrieben:Vielleicht kommt man der Lösung nach der Frage nach der Ursache der Neubewertung näher, wenn man der Frage nachgeht, wie Erwachsene ihre Doktorspiele in der Kindheit aus ihrer heutigen Sicht sehen und warum.
Ich weiß nicht, ob das funktioniert.
Denn ich erinnere mich noch gern und ziemlich genau an meine Zeit der Doktorspiele mit meiner damaligen Freundin.

Wir waren damals beide zwischen 8 und 10 Jahren alt. Die Interaktionen habe ich damals als normal empfunden. Aus HEUTIGER Sicht weiß ich, dass es weit über das Maß hinausging, was andere so als normale Doktorspielchen erlebt hatten. Penetration gab es zwar nicht, aber über das Nachspielen von irgendwelchen Phantasien des gegenseitigen Ausziehens beim Tanzen bis hin zum genauesten Untersuchens der Genitalien war irgendwie alles dabei. O.K., auch von zielführender Stimulation hatten wir keine Ahnung...
HEUTE weiß ich, dass dabei hauptsächlich ich der Aktivere war. Die Ideen kamen auch meistens von mir, sie hat diese dann nur umgesetzt. Es wäre mir aber nie eingefallen, meine Freundin damals zu irgend etwas zu überreden. Sicherlich gab es Momente, die ihr peinlich waren, dennoch habe ich ihrerseits NIEMALS Ablehnung erlebt. (Jedenfalls keine für mich spürbare...)

Also kann ich HEUTE und FÜR MICH sagen, dass ich diese Zeit der Sexualität als Kind sehr intensiv, interessant, (lehrreich) und positiv erlebt habe. Es gibt für mich auch keinen Grund, diese Zeit neu zu bewerten - EIGENTLICH!!!

Denn HEUTE mache ich mir Gedanken, ob ich vielleicht irgendwelche kleinen Hinweise von ihr nicht bemerkt hatte, mit welchen sie damals evtl. unsere gemeinsamen "Spielchen" gerne beendet hätte! Ich frage mich, ob sie vllt. immer nur MITGEMACHT hat, weil sie mich unbedingt als Freund haben wollte. Für mich stand es nie zur Debatte, Freundschaft und Sex(?) irgendwie voneinander abhängig zu machen! Aber habe ich ihr das deutlich gemacht???

Wir hatten uns damals aus den Augen verloren und 15 Jahre später wieder getroffen. Ihre Begrüßung war kühl und abweisend. Zur Begründung hat sie mir gesagt, dass sie mir das, was wir als Kinder getan haben (ihre Worte waren: "...was DU damals MIT MIR gemacht hast...") heute sehr übel nimmt und deshalb mit mir nichts mehr zu tun haben will!!!

Hat nun bei ihr eine UM-/ NEU- Bewertung stattgefunden?
Wenn ja, weshalb und in welchem Zusammenhang?
Hat sie vllt. schon damals sich (aufgrund fehlendem Selbstbewusstsein?, aufgrund...?) von mir bedrängt, ausgenutzt, ect. gefühlt?

Fragen kann ich sie nicht - zumindest glaube ich noch immer, dass sie mich hasst...

(Ich weiß allerdings, wie ich sie erreichen könnte...)
Doch das ist jetzt irrelevant. Deutlich wird an diesem Beispiel nur, dass es durchaus auf die Umstände und auf die nachfolgenden Entwicklungen ankommt, ob Sex in der Kinderzeit in positiver oder in negativer Erinnerung bleibt.

Gruß
Denker
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Mitleser
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Mitleser »

Das sind sehr interessante Einblicke, und eigentlich ist es doch eine sehr gute Antwort auf kEsels Einwurf, auch wenn Du glaubst, dass sein Vorschlag nicht unbedingt hilfreich ist. Man bräuchte ein paar mehr dieser Berichte; leider kann ich keinen derartigen beisteuern, da ich als Kind zum einen gar nicht so viele Möglichkeiten für "Doktorspiele" hatte, und zum anderen habe ich mich bei den wenigen Gelegenheiten, wo so etwas möglich gewesen wäre, schlichtweg nicht getraut habe. Denn schon damals als Kind war das Interesse eindeutig vorhanden, und auch wenn ich vielleicht noch keine Worte dafür hatte, war doch auf jeden Fall eine sexuelle Motivation dahinter, wenn es nur das reine Erforschen des Körpers gewesen wäre, hätte man das ja genauso mit Armen, Beinen, Nase und Ohren machen können. Aber gerade bei diesem Themenkomplex hat es doch immer so schön im Bauch gekribbelt, und wenn ich gewusst hätte, wie man sich bei diesen Gedanken selbst stimuliert, hätte ich das sicher auch weiterverfolgt. Irgendwann habe ich es dann auch tatsächlich per Zufall herausgefunden, so wie die meisten anderen Kinder wohl auch.

Aber das nur nebenbei, interessant ist ja vor allem, wie unterschiedlich Deine damalige Freundin und Du heute darüber denken, der eine erinnert sich mit Wohlwollen daran zurück, die andere hält es für eine sehr schlimme Sache, unter der sie evtl. auch leidet. Creasy argumentiert ja, dass es für die Kinder so schlimm ist, weil ihnen in dem Alter einfach das Wissen fehlt und sie einem Erwachsenen so "ausgeliefert" sind, aber das müsste bei Deiner Freundin dann ja auch zutreffen. Selbst mit dem Wissen von heute musst Du jedoch stark überlegen, ob Du in irgendeiner Form "übergriffig" geworden bist und sie zu Dingen gedrängt hast, die sie nicht mochte. Zumindest ein Machtgefälle kann man in diesem Fall aber nur sehr bedingt feststellen, jedenfalls keins, was von der Gesellschaft als kritisch angesehen wird. Es mag damit zusammenhängen, dass Jungs im Allgemeinen lockerer sind und durch ihre forsche Herangehensweise die Mädchen einschüchtern, aber bei mir war es ja eher umgekehrt, ich war immer sehr schüchtern und habe mich nie etwas getraut.

Ich denke daher, dass es sehr stark auf die Persönlichkeit der beteiligten Personen ankommt, ebenso wie auf das Umfeld, welches einen bestimmte Dinge anders interpretieren lässt. Als Pädos machen wir uns vermutlich sehr viel mehr Gedanken um unsere Kindheit und die Interaktion mit Kindern als andere Erwachsene, lassen uns also weniger durch andere beeinflussen, weil wir uns im Umgang und der Beschäftigung mit unserer Neigung ein mehr oder weniger positives Selbstbild angeeignet haben. Wer sich hingegen eher in einer Opferrolle sieht (egal, ob man als Kind nun ungewollte Sexualkontakte hatte oder ob man mit seiner Neigung nicht klarkommt), wird immer jammern und sich schlecht fühlen, das sieht man ja auch bei verschiedenen Leuten hier im Forum. All das bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass sowohl der eigene Charakter als auch Einflüsse von außen maßgeblich für den Umgang mit solchen Ereignissen sind, weniger aber die tatsächlich vorgefallenen Sachen. Auch Unfälle, Entführungen oder schmerzliche Verluste steckt der eine besser weg als der andere. So ist es mit allen Dingen im Leben, und die der Sexualität sind da keinesfalls irgendetwas besonderes, für das man spezielle Regeln bräuchte.
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Jinora
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Jinora »

Denker hat geschrieben:Wir hatten uns damals aus den Augen verloren und 15 Jahre später wieder getroffen. Ihre Begrüßung war kühl und abweisend. Zur Begründung hat sie mir gesagt, dass sie mir das, was wir als Kinder getan haben (ihre Worte waren: "...was DU damals MIT MIR gemacht hast...") heute sehr übel nimmt und deshalb mit mir nichts mehr zu tun haben will!!!

Hat nun bei ihr eine UM-/ NEU- Bewertung stattgefunden?
Wenn ja, weshalb und in welchem Zusammenhang?
Hat sie vllt. schon damals sich (aufgrund fehlendem Selbstbewusstsein?, aufgrund...?) von mir bedrängt, ausgenutzt, ect. gefühlt?
Ich würde darauf wetten, dass die Ursache hier in der gesellschaftlichen Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen hinsichtlich sexuellen Experimenten liegt.

Als Junge oder Mann sind frühe sexuelle Erfahrungen eine Trophäe, die dem Mädchen quasi abgerungen wird.
Ein Mädchen hingegen wird entweder als "Schlampe" oder als Opfer wahrgenommen.

Ich habe hier ja schon mal erzählt, dass ich mit vier oder fünf Jahren ein einmaliges Doktorspielerlebnis hatte, das vom gleichaltrigen Mädchen initiiert wurde und auch Penetration umfasste.
Meine Rolle war dabei ausschließlich passiv, ich habe nur den Anleitungen des (damals bereits von den Eltern teilweise aufgeklärten) Mädchens gefolgt. Rein körperlich war es für mich, wohl aufgrund der beidseitigen Unerfahrenheit, kein positives Erlebnis, aber auch kein negatives. Der Penetrationsversuch war zwar mit Schmerzen meinerseits verbunden, da sie mich da aber nicht zum Weitermachen überreden wollte oder gar zwang, habe ich mich nicht von ihr verletzt oder missbraucht gefühlt. (Und ich würde mich als eher sensibel einschätzen.)

Insgesamt war dieses Erlebnis, wenn man Sekundärschäden komplett ausklammert, wohl so "schlimm", wie es bei gewaltlosem Sex zwischen Kindern sein kann. Dein Erlebnis, so wie ich es verstehe, war da ein Stück harmloser (da niemand Schmerzen hatte).

Wenn man nun aber auch die gesellschaftlichen Reaktionen hinzuzieht, waren die Schmerzen, die ich hatte im Vergleich zur Reaktion meiner Mutter komplett nichtig. Auch damals war mir klar, dass diese Handlung tabu war und ich meine Mutter nicht ausfragen durfte, was es damit auf sich hatte. Die dadurch ausgelöste Verwirrung beeinträchtigte mich wesentlich mehr, als die Schmerzen, die kein bisschen über die alltäglichen Schürfwunden der Kindheit hinausgingen.

Allerdings war ich ein Mann. Spätestens mit 18 Jahren fand eine Umbewertung statt, aber zum Positiven.
Bis dato war dieses Erlebnis nämlich mein einziger Sex, und fällt je nach Definition unter Verlust der Jungfräulichkeit. Bei Männern wird dieser Verlust ja generell als erstrebenswert angesehen – je früher, desto besser.

Die wenigen Freunde, denen ich von dem Erlebnis erzählte, reagierten auch eher mit Verblüffung und, meine ich wahrgenommen zu haben, Anflügen von Neid – wer kann denn schon behaupten, mit einer Vierjährigen Koitus praktiziert zu haben, und das auch noch völlig legal?

Wäre alles gleich für mich, abgesehen von meinem Geschlecht, wären die Reaktionen ganz anders gewesen. Statt Erstaunen / Anerkennung / Neid hätte ich wohl Mitleid oder vielleicht auch Ablehnung (weil nun als Schlampe oder Opfer wahrgenommen) erfahren. Zudem hätte ich spätestens mit 18 Jahren die Bewertung der Umwelt auf das Erlebnis angewendet und mich als missbraucht und ausgenützt wahrgenommen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass ich unter diesen Umständen auch nicht gut auf den damaligen Erlebnispartner zu sprechen gewesen wäre und ihn wohl für einen verdorbenen, bösartigen Menschen gehalten hätte.



Um von der diskreten Ebene unserer Erlebnisse auf die allgemeine zu wechseln: Bei sexuellen Erlebnissen vor der Geschlechtsreife ist das gesundheitliche Risiko nicht abhängig vom Geschlecht. Die stark unterschiedlichen rückbezüglichen Bewertungen zwischen dem Erlebnis deiner Bekannten und mir, die an sich recht ähnlich geartet zu sein scheinen, sind meiner Meinung nach ausschließlich auf die gesellschaftlichen Dogmen zurückzuführen.
Diese entsprechen nicht der menschlichen Natur und erzeugen notwendigerweise Primärtrauma. Ich erachte es als ethisch geboten, sie zu missachten und auf deren Widersinn hinzuweisen.
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Ich habe lange überlegt, wie ich das jetzt genau aufziehe. Ich will ja keine Hausarbeit hier schreiben.
Folgende Punkte spreche ich an:

- Clancy, ihre Stichprobe, deine Hypothese in Relation zu ihren qualitativen Ergebnissen
- Korrelationskoeffizienten bei verschiedenen Gewaltformen gegenüber Kindern in Bezug auf maladjustment
- Selbiges bei child sexual abuse bei college und nationwide samples bezüglich maladjustment
- Modelle zu Moderator-Variablen, die man gefunden hat

Ich denke mal für jedes Thema nehme ich einen Beitrag.

In diesem Beitrag kümmere ich mich erst einmal nur um Clancy.
Creasy hat geschrieben: Das ist weit weniger erstaunlich, wenn man nicht davon ausgeht, dass die meisten Kinder gewaltlose sexuelle Erfahrungen als positiv bewerten.
Kommt auch darauf an, was du mit "gewaltlos" meinst.
Menschen machen allgemein auch schlechte sexuelle Erfahrungen. Das ist ein totaler Allgemeinplatz. Menschen machen auch in anderen Lebensbezügen schlechte Erfahrungen.

Es ist ja nicht so, dass es prinzipiell unmöglich ist, dass zwei Personen aufeinander zugehen und die Erfahrung kann nicht gegenseitig zu etwas Positivem werden.
Du würdest Erwachsenensex ja nicht mit dem Allgemeinplatz verbieten, dass diese auch schlechte Erfahrungen machen und diese sind dann verantwortlich für späteres psychisches Leiden?!

Was gibt es also für einen prinzipiellen Einwand, zwei Menschen sexuelle Erfahrungen machen zu lassen? Ungewollte, aufgedrängte, emotional erpresste sexuelle Erfahrungen sind in dem Sinne auch nicht gewaltlos und vor allem - völlig egal ob später nun schädlich oder nicht - allein schon aus diesem Grund abzulehnen.

Wir setzen das später noch in Relation zu anderen Dingen, die Kindern angetan werden. Gewaltbegriffe sind ohnehin schwer zu definieren. Vor allem ist ja auch nicht alles, was nicht gleich eine bestimmte Gewaltdefinition erfüllt gleich positiv.

Teenager machen übrigens am laufenden Band enttäuschende und schlechte Erfahrungen, wachsen aber auch daran und machen dann bestenfalls gute Erfahrungen. Man rettet sie auch nicht durch weitere Verbote oder Abstinenz.

Ein weiterer Punkt: In einer kriminalisierten Umgebung sind die Vorraussetzungen positive Erfahrungen zu machen allgemein schlechter. Geheimhaltung, Ambivalenzen und Erwachsene, die in so einer Umgebung Kinder einem solchen Risiko aussetzen, könnte man entweder eine instabile Persönlichkeit vorwerfen oder variierende Formen von Rücksichtlosigkeit.
Alles keine guten Vorraussetzungen für eine positive Erfahrungen, aber auch kein ultimatives Hindernis.
Man müsste nur im Hinterkopf behalten, dass der Kontext sexueller Kontakte in dieser Umgebung eben auch die Konsequenzen des Ganzen in eine negative Richtung lenkt, als es in einem legalisierten Szenario der Fall wäre.
Creasy hat geschrieben: Es wird nicht als traumatisch empfunden, aber in den meisten Fällen als negativ oder neutral, wobei positive Erfahrungen natürlich nicht ausgeschlossen sind. Kinder sind eher verwirrt, was da eigentlich passiert und machen mit, weil sie ihre Bezugsperson nicht verlieren wollen oder Belohnungen und Komplimente bekommen. Die Vorstellung, dass Kinder diese Erfahrungen meistens als überaus positiv empfinden, ist aber eher eine Pädophantasie als die Realität.
Das ist der gefährliche ungebräuchliche Topf, den man nicht umrühren sollte.

Wenn man beispielsweise von Sexualität zwischen Erwachsenen redet, kann ich dir auch sagen: Die Vorstellung, dass Erwachsene diese Erfahrungen meistens als überaus positiv empfinden, ist aber eher eine Pädophantasie als die Realität.

Und damit hätte ich Recht. Sexismus, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, Ausnutzen von Positionen (Chef), Fremdgehen und ähnliches gehören ja auch zum Realm der Realität von Sexualität.

Aber was tut denn das auch zur Sache? Es ist ja nicht so, dass zwei Menschen aufeinander zugehen und dann wird aus Versehen sexuelle Belästigung daraus oder irgendetwas Negatives.
Intentionen, Haltungen, Rücksicht, Kommunikation sind ein integraler Bestandteil positiv erlebter gemeinsamer Sexualität, die auch zwischen Kindern und Erwachsenen eben nicht unmöglich ist.

Das heißt, man kann sehr wohl an vielen Merkmalen unterscheiden , ob es sich nun um eine positiv gelebte sexuelle Beziehung zueinander handelt oder nicht. Das passiert nicht wochenlang und dann "Ups, war ja alles doof!?".
Creasy hat geschrieben: Genauso wie deine Überbewertung von sexuellen Handlungen zwischen Kindern - in Doktorspielchen wird mal gekuckt und vielleicht auch mal angefasst, aber viel mehr passiert normalerweise nicht. Gegenseitiges Streicheln bis zum Orgasmus oder Oralsex zwischen Kindern kommt selten vor.
Kann schon sein, wobei das auch sehr vom Alter, Soziotop und vom Individuum abhängt. Gute Quantitative Daten dazu kenne ich jetzt nicht. Man könnte sich nun Beispiele hin und herwerfen (z.B. Berichte von Müttern in Foren), aber das ist eher sinnlos, denn ich frage mich: Inwiefern ist das nun relevant?

Ich frage mich ein bisschen zu welchem Argument das gehört. Gehört das zur Schimäre der Wunschdisparität?
Oder sagst du damit im Prinzip: Diese Doktorspiele, wenn sie genauso zwischen Erwachsenen und Kindern passieren würden, wären dann nicht schädlich nach deinem Modell?
Geht damit auch noch ein anderes Argument einher, von wegen: Das wäre unschädlich, aber wenn Erwachsene Kindern andere ihnen bisher unbekannte Formen der Sexualität zeigen, dann wird das automatisch schlecht bewertet, negativ rekonzeptualisiert?
Creasy hat geschrieben: Edith: Wie interpretierst du diese Aussage von Susan Clancy:
Witzig, dass du das erwähnst.

Gehen wir doch mal Clancys eigene Gedankengänge durch. Zunächst einmal: Sie hatte von den Berichten der Missbrauchsopfer schlimmeres erwartet und stellt sich folgende Frage:

"Ist meine Stichprobe vlt. nicht repräsentativ? Habe ich vlt. nur harmlose Fälle aus der Population erwischt?"

Wenn man dies hier liest:
Were you sexually abused as a child? Please call Susan for more information regarding a research study
on memory in the Department of Psychology at Harvard University
könnte man ja zunächst denken, dass da jeder gleichsam angesprochen wird.

Aber sie findet am Ende ja selbst heraus, dass sich viele Opfer eben nicht als klassische Opfer sehen oder überhaupt als das.
Regender; Duggan hat geschrieben:Unfortunately, because their actual experiences do not align with the trauma model most popular among CSA advocates, these negative feelings grow stronger. Victims see themselves as different from classic victims — that is, complicit in their victimization because they did not experience trauma at the time of the abuse. And thus they are reluctant to disclose the abuse once they become adults and understand what happened to them. Clancy, like Finkelhor, urges advocates to turn to different strategies to assist victims of CSA.
Die Stichprobe ist also nicht repräsentativ. Sie spricht eben die Population mit den meisten adverse affects an. Also entweder diejenigen, die ihr Opfertum stark mit heutigen Problemen verbinden (wie z.B. Einstiegsbeispiel Frank) oder diejenigen, die eben klassiche Gewalterfahrungen gemacht haben.
Viele versprechen sich durch so eine Anzeige von der Abteilung "Department of Psychology", auch Antworten auf Fragen, Hilfe, Beistand, Erklärungen.
Jemand, der von dieser Erfahrung unbeeindruckt ist, es eher als Bagatelle sieht, sich nicht als "Opfer" fühlt und auch gar nichts mit Psychologen zu tun haben will in der Richtung - kann ja nur unangenehm sein, die reden da mit schlimmsten Gewaltopfern. Was soll man denn da? - wird eben eher nicht dahingehen.

Kein Wunder also wie der Bericht von Clancy über adverse effects in Zahlen ausfällt.

Aber das ist bei vielen qualitativen Studien so. Man will oft gar nicht wirklich Repräsentativität, man will Eindrücke eines Phänomens beschreiben, was man definiert. Das ist Clancy zum größten Teil gelungen.

Aber um quantitativ Schäden abzuschätzen und Zusammenhänge zu finden, Hypothesen zu falsifizieren, leider nicht wirklich hilfreich.
Wie wir später sehen werden, sind die margins von denen Clancy berichtet, in landesweiten/college Stichproben weit niedriger.
Und die Fragen eben (meistens) nicht plump "Wurdest du missbraucht", sondern spezifische Fragen bezüglich sexueller Handlungen - möglichst neutral formuliert.
Dann können wir gucken, was so realistische Korrelationskoeffizienten in der Allgemeinbevölkerung sind. Und die sind überraschend niedrig. ;)

Zuletzt wollte ich noch einmal qualitativ auf ein Beispiel eingehen, was im Buch von Clancy ganz oben ausgeschrieben ist, nämlich Frank.
Frank did not mind it. As a child, he loved this man, and he liked the attention this man gave to him.
And sometimes what they were doing felt good. Occasionally he gave Frank baseball cards after the touching,
and Frank looked forward to receiving them. When the man moved out of town, Frank felt upset.
He missed him, the time they had spent together, and the attention he had received.
Natürlich fällt der Satz auf: "Occasionally he gave Frank baseball cards after the touching, and Frank looked forward to receiving them."

Leider steht es da so unkommentiert. Man kann sich ja folgende Fragen dazu stellen:
- Hat das Schenken dieser Karten überhaupt mit dem "touching" zu tun? Wenn des diese "manchmal" gab, dann hätte es doch genau so sein können, dass "Manchmal guckten sie Fernsehen nach den sexuellen Zärtlichkeiten".
Wird diese Relevanz konstruiert oder will Frank hier deutlich machen, dass die Karten eine Belohnung für das Unangenehme/Neutrale sein sollen?
Oder hat Clancy diese Abschwächung bewusst eingefügt.
- Der wichtigste Part ist ja eher "And sometimes what they were doing felt good". Hier könnte man auch fragen: Warum nur manchmal? Ging es nur nach dem Willen seines Missbrauchers und nur manche Aktivitäten empfand er gut?
Oder ist das nur ein zögerliches Zugeben einer sehr schamvollen und peinlichen Situation?

Was kommt von Frank und was ist die Narrative con Clancy?

Leider hat Clancy keine Transkripte veröffentlicht. Sonst könnte man diese Punkte noch weiter explorieren unter verschiedenen Fragestellungen.

Ein großes Problem ist ja, dass das Geschehene als auch die Beweggründe, Intentionen der Beteiligten sowohl durch Frank (als Erinnerung eben) als auch durch Clancy rekonstruiert wurden.
Clancy gibt das später auch zu, also zumindest bezüglich des Problemkomplexes Gedächtnis und Erinnerung.

Aber dafür, dass es all diese caveats und biases gibt, die eine positive Situation noch vermeintlich als etwas Negatives rekonzeptualisieren, muss man doch sehen, dass dieses Beispiel bemerkenswert harmlos klingt.

Völlig undenkbar wäre ja auch nicht der Fehler in die andere Richtung: Also die sexuellen Handlungen waren alle viel schlimmer und erzwungener als im Gedächtnis geblieben. Angesichts der Umstände aber schon eher die unwahrscheinlichere Variante.

Vor allem muss man sich ja mal vor Augen führen, was ihn für Fragen heute herumtreiben. Als er Clancy fragt ob sein Fall denn "normal" sei, hakte er noch mal nach:
“No, not the sexual abuse part, I know kids get abused—for Christ’s sakes it’s in the papers all the time. . . . What I am asking is if other kids react to it like I did . . . you know, do what I did?”
Schamgefühl. Er schämt sich dafür, dass er so ein Kind war, welchesn eben die Situation mit seinem "Missbraucher" positiv empfunden hat.
Als er auf die Rekrutierungstext von Clancy reagierte, erhoffte er sich im Wesentlichen Antworten auf diese Frage. Was ist mit ihm los? Das ist doch nicht normal als Kind das so zu empfinden.

Notabel ist hier doch auch folgendes Gedankenexperiment dazu: Angenommen Frank lebt in einer Gesellschaft mit der Narrative in der sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen auch so positiv empfunden werden, wie er es erlebt hat.
Dann würde zumindest seine ganzen Sorgen, seine Scham diesbezüglich völlig unter den Tisch fallen.
Er könnte das auch gar nicht fragen. "War mein Fall überhaupt normal, so wie ich reagiert habe?" - diese Frage wäre nie aufgekommen, wenn dieser Sinn von Normalität eben gesellschaftlich existent gewesen wäre.

An einer anderen Stelle fragt sich Clancy - zu Recht - auch: Was schadet denn jetzt eigentlich?
What, specifically, about the abuse
has triggered the distress?
Does it have to do with objective
characteristics of the abuse (for example, how
many times it happened or whether penetration was
involved)? Does it have to do with subjective characteristics
about the abuse (how painful, frightening, or shocking
it was)? Perhaps it has less to do with the actual
abuse and more to do with, say, the particular child (how
old he or she was and how genetically predisposed to
long-term psychological problems) or the environment
the abuse occurred in (one characterized by poverty,
physical abuse, or neglect). Maybe it has to do with
the cognitive or social consequences of the abuse
(how the victim’s family or health professionals handled
it or how the victim understood or conceptualized
it later on in life). There are numerous ways to understand
how and why sexual abuse damages victims.
For
decades, however, the main focus has centered on one—
the incident itself.
Sie stiehlt sich aus der Frage ein bisschen heraus, indem sie sagt: Naja, man kann den Schadensmechanismus auf verschiedene Weisen verstehen.
Dabei muss eig. auffallen, dass viele Faktoren ja eben nicht per se mit sexuellen Handlungen an sich zu tun haben.
Viele dieser Ursachen sind gesellschaftlicher Umstand und weniger Konstante menschlichen Daseins.

Erhellend ist auch das Interview in der SZ mit ihr. Da ging es um folgende Frage:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/sexue ... n-1.959798

SZ: Würden sich in einer Gesellschaft, in der sexueller Umgang mit Kindern akzeptiert wäre, die Kinder später im Leben noch missbraucht vorkommen?

Clancy: Sie meinen, wie im antiken Griechenland oder in Ländern, in denen Kinder als Sexgespielen dienen? Es ist immer ein Verbrechen. Kinder können sexuelle Handlungen nicht beurteilen. Deshalb können sie nicht einwilligen. Sie werden klar missbraucht, egal, was die gesellschaftlichen Konventionen sind.
Entlarvend oder?
Auf einmal geht es überhaupt nicht mehr um den Schaden und die Ursachen, sondern um das Argument: Informed Consent.

So etwas ähnliches habe ich dir ja auch schon vorher gesagt Creasy. Dass eben - soweit ich weiß - keiner ein Modell vorschlägt, wie du es tust. Also komplett internale endogene Rekonzeptualisierung vergangener sexueller positiver Kontakte mit zu hohem Altersunterschied.
Gibt es eben nicht. Die gängigen Argumente habe ich auch schon mehrmals aufgezählt.

Man muss auch ein bisschen bedenken, dass die Viktimologie bezüglich "Sexueller Kindesmissbrauch" in solchen Belangen sehr polarisiert arbeitet. Die Frage ist für viele eigentlich gar nicht interessant. Die Frage, die zumindest Clancy, sich ein einem Punkt gestellt hat: "What, specifically, about the abuse has triggered the distress?".

Es ist doch auch total bemerkenswert, dass erst vor 5 Jahren die große "Erleuchtung" kommt von wegen: "Oh ja ups. Das mit den ganzen sexuellen Handlungen bei Kindern eigentlich nicht traumatisch".
Rind et. al. zeigen ja auch immer wieder: "Ach ja ups. Alle möglichen Studien zeigen in unseren Metaanalysen eine schwache Korrelation". (Dazu mehr im 3. Beitrag)

Wenn man also behauptet die Wissenschaft bezüglich sexuellem Kindesmissbrauch, ihren Schäden und die Gründe dafür wäre hieb und stichfest, der muss zumindest zugeben, dass dies ganz und gar nicht der Fall ist.
Viele, die ein bisschen in diese Richtung recherchieren, kommen auf eine Menge solcher Widersprüche. (Einen prominenten Vorgänger von Clancy würde ich z.B. Monika Rapold nennen. In "Schweigende Lämmer und reißende Wölfe, moralische Helden und coole Zyniker : zum öffentlichen Diskurs über 'sexuellen Kindesmissbrauch' in Deutschland" beleuchtet sie ein bisschen den Hintergrund wie überhaupt die übertriebene Narrative aufgebaut werden konnte, dass sexueller Missbrauch völlig überbewertet wird - ohne eigentlich die empirische Basis dafür zu haben.)

PS: Ein ganz guter alter Clancy-Thread:
https://www.girlloverforum.net/forum/vi ... =22&t=8993 (ab Seite 3)
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