GLF

[Wunderwelt]

"Der Mann, der das wilde Berlin entdeckte, ist tot
Partys, Sex und Politik: Will McBride war nach dem Krieg nicht nur kühler Beobachter, sondern auch Kollaborateur eines rebellischen Lebensgefühls. Nun starb der Fotograf in Berlin."

http://www.welt.de/kultur/article136927 ... t-tot.html

Aus den Kommentaren geht hervor, dass es wohl tatsächlich
der "Zeig mal!"-Will McBride ist, auch wenn der Autor des
Artikels das mit keinem Wort eingeht.

Das Buch "Zeig mal!" gab es damals in den 80er-Jahren in der Bücherei,
in der ich angemeldet war zum Ausleihen; doch das habe ich nie gewagt.
Stattdessen habe ich mich ab und zu - in einem Alter in dem ich dafür
schon viel zu alt war - unter Herzklopfen ab und zu ans Regal mit den
Aufklärungsbüchern gewagt und den ein oder anderen Blick ins Buch
erhascht, bis Gefahr in Verzug war und sich andere Personen zu nähern
drohten, so dass ich das Buch schnell wieder ins Regal stellen und
möglichst unauffällig zu einem unverdächtigerem Regal wechseln mußte.

[Mitleser]

Schon seltsam, dass die Aufklärungsbücher im Artikel mit keinem Wort erwähnt werden, auch wenn der Artikel durchaus die kontroversen Sex-Themen erwähnt, sind gerade sie doch mit die bekanntesten Werke von Will McBride.

Auch ich erinnere mich daran, dass ich in meiner Jugendzeit das "Zeig mal"-Buch in einem Regal in der Bibliothek gefunden habe, und mein Herzklopfen war sicher genauso groß, als ich es - nach einem verstohlenen Seitenblick nach links und rechts - zwischen den anderen Büchern hervorzog.

Nach ein paar Besuchen habe ich mich schließlich getraut, es auszuleihen, versteckt unter ein paar unverfänglichen Titeln bin ich an die Ausleihtheke, und schlug der Bibliothekarin nacheinander die Bücher auf, damit sie den Code abscannen konnte. Als sie bei "Zeig mal" angekommen war, glitt ein wissendes Lächeln über ihre Lippen, gesagt hat sie aber nichts.

[Khenu Baal]

Veranschaulicht mal wieder die feinen Unterschiede zwischen Ost und West. Im Osten gab's zwar offiziell keine Pornographie, aber reine Nacktheit war kein Problem und auch dem kleinen K.B. wie auch den anderen Kindern ohne weiteres zugänglich.

[Lolimat]

Veranschaulicht mal wieder die feinen Unterschiede zwischen Ost und West. [...] reine Nacktheit war kein Problem

Das habe ich als Wessi schon öfters gehört.
Ab dem Sommer nach der Maueröffnung kam ich in eine Schule, wo neben den Wessis etwa ein Drittel Ossis waren. Diese wunderten sich recht bald über eine sonderbare "Verklemmtheit" (oder so ähnlich) der Wessis.

[keksi]

dieses phänomen finde ich interessant...

eine these:

wenn man sich die "leitkulturen" bzw. "führungsmächte" der ossis bzw. wessis ansieht, dann erklärt dies möglicherweise so manches...

in den USA ist die prüderie ja schon seit vielen jahrzehnten (oder gar seit der kolonisierung) fest etabliert bzw. sogar "kulturell" (zumindest unter den "weißen") fest verankert... nicht zuletzt durch den einfluss der puritaner...

hingegen ist mir ein ähnliches phänomen aus der sowjetunion nicht bekannt...

[medic]

Ich kenne die Bücher nicht und ich weiß auch nichts von irgendeiner sexuellen Befreiung. So eine habe ich nie erlebt. Ich kenne aber einen Neptun und viele Menschen die sich problemlos neben einander den Strand teilten. Und die Nacktheit hinderte auch keinen daran intensiv und körpernah rum zu tollen, zu toben oder sich fest zu halten, um den Anderen dann ins Wasser zu werfen. Der Wissenschaftler, wenn er konsequent wäre, müsste jetzt ja eigentlich annehmen, dass es sich bei all diesen Menschen um Asexuelle handle, da irgendwie niemand mit einer Permaerektion auszumachen ist.
Ich wundere mich nicht nur über diese sonderbare "Verklemmtheit" der Westdeutschen sondern auch der Generationen die nach mir aufwuchsen. Für die Nacktheit gleichgesetzt scheint mit Sex und einen mit verstörten Blicken, Ekel und Entsetzen strafen, wenn man ihnen erzählt, dass in jedem Ostdeutschen Haushalt tonnenweise Bilder mit nackten Kindern lagern und man nichts verwerfliches daran erkennen könne. Und genauso auch nicht verstehen kann was an nackten Menschen eigentlich eklig sein soll. Nur ein paar scheinen zu wissen wovon ich überhaupt spreche.

[mrutik]

Naja, wenn die Westdeutschen damals verklemmt waren, dann lag das wohl am unredlichen EInfluss klerikaler Kreise, deren Lügenmonopol zu einem erheblichen Teil auf der Züchtung sexueller Schuldkomplexe beruht, so zumindest meine Ansicht.

sondern auch der Generationen die nach mir aufwuchsen. Für die Nacktheit gleichgesetzt scheint mit Sex

Das ist für mich kein Wundert. Stichwort: Youporn. Das einzige, was ich nicht ganz verstehe ist dann, warum die sich so ekeln, mir scheint derzeit die Gesellscaft aber dennoch von einer komischen Neoprüderie erfasst zu sein, denn die Sun hat das Seite-4-Girl ja auch abgeschafft, aber ich denke, dass das ein Phänomen ist, das man nicht so leicht erklären kann, zum einen rennen im Wetsen immer mehr Islamofaschisten herum, zum anderen sind in der EU nach dem Zusammenbruch des Ostblocks scheinbar faschistoide Tendenzen allgemein erstarkt, sowohl im Westen wo man denke ich jetzt die Errungenschaften der 69er in Frage stellt als auch im ehemaligen Ostblock (Ungarn, Polen etc.), und dann gibt es noch die frechen Kampfemanzen, die schon bei Werbung, bei der man ein bisschen Haut sieht, sich aufspielen, da braucht man nur mal die Emma zu lesen.

Ich kenne aber einen Neptun

In Rumânien?

[medic]

Nein, nicht in Rumänien. Das war so ein Brauch an der Ostsee wie die Jugendweihe auch so ein Ostbrauch ist. Also eine Art Taufe. Neptun steigt mit seinen Helfern aus dem Meer, schnappt sich ein Kind und nachdem er ihm einen Namen gegeben hat, werfen sie es so weit wie sie können ins Meer. Wenn das Kind dann wieder aus dem Meer steigt bekommt es feierlich eine Urkunde auf dem sein Name verzeichnet wurde. Schwimmprüfung bestanden, alle klatschen, jubbeln Friede Freude Eierkuchen.
Ich war aber noch zu Jung um tatsächlich die DDR in ihrer Gesamtheit zu erleben. Mit der Wende sind diese Dinge alle Stück für Stück immer mehr verschwunden. Wenn heute von der deutschen Vergangenheit gesprochen wird, reden sie doch eigentlich immer nur von der BRD. Ich wüsste nicht, dass es in der DDR irgendwelche Kinderläden oder Indianerdörfer gab.
Was nach der DDR kam, das hab ich allerdings sehr wohl mitbekommen. Ich nenne es einfach mal großes Durcheinander und über Sex wurde eigentlich auch nicht so viel gesprochen wie getan wurde. Bücher waren da eigentlich gar kein Bestandteil von. Es war bestenfalls anatomisch. Das Wort Pädophil kenne ich noch gar nicht solange. Aber dafür ein anderes schon seit der Grundschule, Kinderschänder. Heute kann man alles ganz leicht im Internet nachlesen.

[mrutik]

Ja, in den 90er Jahren da gab es denke ich in den 5 neuen Bundesländern in der Tat ein großes allgemeines Chaos, ich habe damals zwar im Westen gelebt und war noch jung, aber das ist auch so meine Einschätzung gemäß dem, was ich so mitbekommen habe. Das Wort "Pädophil" kenne ich ebenfalls noch nicht lange, den Begriff "Kinderschänder" kenne ich so seit der Oberschule, es gab da in den 90ern solche schlimmen Fälle, wo irgendwelche Mädchen abgemurkst wurden, die eine, da kann ich mich noch erinnern, hieß Kim Kerkow, und das wurde auch bei uns in der Schule sogar im Unterricht diskutiert, der Witz ist: Das Wort pädophil fiel im Zusammenhang mit den Taten nicht. Das waren halt irre Bestien, aber wir nannten die Täter nicht "Pädophile". Ich denke, dass diese Begriffsverfälschung auf den politischen Missbrauch des Begriffes zurückgeht, betrieben v. a. durch Feministinnen.

Davon abgesehen finde ich diesen Neptunbrauch sehr schön, ich glaube sogar, dass das aus der CCCP importiert wurde, eigentlich ist es schade, dass solches Brauchtum nicht gepflegt wird, es ist ja per se nicht irgendwie politisch.

[Nabokov]

"Zeig mal" kann noch heute ohne weiteres von jedermann erworben werden, auch z B über amazon. Ich wüsste nicht, dass es je eine Zensurdskussion darüber gegeben hätte. Kann ja sein, dass irgendwelche Kreise danach geschrieen haben. Soviel ich weiss ist es auch in den USA erhältlich, wobei ich da natürlich den Ueberblick über alle Bundesstaaten nicht habe.

Das Buch geriet in anderer Hinsicht langsam in Verruf. Es wurde anfänglich als Aufklärungsbuch gehandelt, und die Eignung dazu, ja ob es überhaupt seriös je auf solche Anwendung ausgerichtet war, das wurde angezweifelt, und durch Prof. Amendt schliesslich sozusagen offiziell aberkannt.

Nur andekdotisch noch das: Der gezeigte Junge ist Vater von inzwischen selber erwachsenen 2 Kindern. Er ist einmal in einem Interview zu seinen eigenen Erfahrungen in Sachen Aufklärung befragt worden und sagte dabei, dass er vergeblich versucht habe, mit seinen eigenen Kindern ein offenes Gespräch zu finden. Sie hätten bei allen Versuchen zu Aufklärungsgesprächen völlig abgeblockt.

[Mitleser]

Er ist einmal in einem Interview zu seinen eigenen Erfahrungen in Sachen Aufklärung befragt worden und sagte dabei, dass er vergeblich versucht habe, mit seinen eigenen Kindern ein offenes Gespräch zu finden. Sie hätten bei allen Versuchen zu Aufklärungsgesprächen völlig abgeblockt.

Das ist doch eigentlich normal, oder? Genau deshalb gibt es ja solche Aufklärungsbücher, Artikel in der Bravo, oder heutzutage auch Infos im Internet, weil die Kinder nicht unbedingt ihre Eltern fragen möchten. Ich habe meine auch nicht gefragt, sondern mir die Infos lieber anderweitig besorgt.

[Nabokov]

Das ist doch eigentlich normal, oder? Genau deshalb gibt es ja solche Aufklärungsbücher, Artikel in der Bravo, oder heutzutage auch Infos im Internet, weil die Kinder nicht unbedingt ihre Eltern fragen möchten. Ich habe meine auch nicht gefragt, sondern mir die Infos lieber anderweitig besorgt.

Ja ich schrieb ja: "Nur anekdotisch". Ich messe dem keine besondere Bedeutung zu - eben nicht. Meiner Ansicht nach haben die jahrzehntelangen Ermahnungen an die Eltern, ihre Kinder doch auch schön brav aufzuklären, deswegen wenig erbracht, weil es nicht nur den Eltern peinlich ist. Ich könnte mir vorstellen, dass sich darin das Inzesttabu auswirkt. Vor allem müsste der wesentliche Informationsschub vor dem 6. Altersjahr rüberkommen, weil bis dahin die Kinder noch wenig Schamgefühle zeigen und für eine lustvoll-verschwörerische Einführung in diese Welt durchaus zu haben sind. Leider ist aber genau die gegenteilige Haltung verbreitet: bis 6 dürfen es nur die Bienchen und Blümchen sein.

Wobei: zur Selbstaufklärung der Kinder taugt dieses Buch kaum.

[Mitleser]

Naja, zur "Aufklärung", wie das alles so funktioniert, sind andere Bücher natürlich besser geeignet. Aber es soll ja auch schlicht und einfach die Neugier befriedigen, wie das alles beim anderen Geschlecht (oder auch bei älteren Personen) aussieht, nicht jeder hat die Möglichkeit (oder auch nicht den Mut), das mit Familienmitgliedern oder mit Freunden auszukundschaften.

Und ja, idealerweise fängt mal ans Eltern damit an, wenn die Kinder noch klein sind, es gibt viele Ansätze, wie man eine ganze Menge auf kindgerechte Art und Weise erklären kann, und wenn man innerhalb der Familie immer offen damit umgeht, ist das Schamgefühl, was früher oder später bei den meisten Kindern ganz von alleine kommt, vielleicht nicht ganz so ausgeprägt.

Es ist ja auch nicht schlimm, wenn einem das peinlich ist, egal ob von der Seite der Eltern oder der Kinder. Und genauso, wie Kinder die Wünsche ihrer Eltern respektieren sollen, sollten die Eltern auch die Wünsche ihrer Kinder respektieren. Wenn man jederzeit die Möglichkeit anbietet, für alle Fragen offen zu sein, heißt das ja noch lange nicht, dass die Kinder verpflichtet sind, auch genau diesen Weg zu gehen.

Diese ganze Hysterie in Sachen Sex finde ich einfach nur furchtbar, wenn man nicht will, dass Kinder einen "Schaden" davontragen, sollte man ganz einfach die positiven Seiten aufzeigen, nämlich dass Sexualität etwas sehr angenehmes und schönes ist, was beide Partner genießen sollen. Leider herrscht in der Gesellschaft ja mehr oder weniger die Auffassung, dass Kinder keine Sexualität haben dürfen oder sollen, weil sie angeblich noch nicht reif dafür sind.

Woran das liegt, weiß ich auch nicht, offenbar denken die meisten Leute, dass Sexualität = Geschlechtsverkehr ist, typischer "Erwachsenensex" halt. Trotzdem ist jede auch noch so zärtliche Berührung im Intimbereich, Küsse auf Mund und Co. und was weiß ich alles zwischen Erwachsenen und Kindern illegal, der Gesetzgeber will es sich offenbar einfach machen, entspechende Fälle erst gar nicht großartig zu untersuchen, sondern pauschal verurteilen zu können.

[Nabokov]

Wir sehen das offenbar im Wesentlichen ähnlich. Die Verbindung von Sexualwissen und Lust ist in unserer Gesellschaft, sobald das Wissen an Kinder und Jugendliche adressiert werden soll, einfach gekappt. Warum weiss ich auch nicht recht. Irgendwie scheint man Angst zu haben, das eine Lawine losbrechen könnte, wenn Kinder die Lust entdecken. Zwar hat man diesbezäglich Fortschritte gemacht (SB wird kaum noch als Problem betrachtet, jedenfalls nicht unter Kinderärzten), aber irgendwie geht es jetzt nicht mehr weiter mit der Permissivität.

Und wenn nun die Aufklärung an die Schule delegiert wird, was ich zwar im Prinzip ganz gut finde, so muss jeder Anflug von Lust erst recht unterdrückt werden. Nur unter dieser Garantie darf die Schule den Auftrag überhaupt wahrnehmen.

[Horizonzero]

naja- man stelle sich die Hausaufgaben bei dem Thema vor ...