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gelöscht_13
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von gelöscht_13 »

Neutrale Wissenschaft ist erwähnenswert. Unfreie nicht.
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

@ Ovid


IMO war/ist der Sozialdarwinismus weniger ein Ergebnis schlechter Wissenschaft sondern eher ein Ergebnis schlechter Philosophie.

Unter schlechter Wissenschaft verstehe ich schlicht schlampige Wissenschaft. Also ungenaues Messen/Rechnen. Unter schlechter Philosophie verstehe ich solche, die sich über Logik und Humanismus stellt (Ich bin diesbezüglich sehr parteiisch.).

Die betreffenden wissenschaftlichen Ergebnisse an sich waren auch zu Hitlers Zeiten nicht grundlegend abwegig. Der Umgang mit ihnen war es jedoch schon. Dieser war von zahlreichen logischen Fehlschlüssen wie z.B. der Herleitung des Soll-Zustands aus dem beobachteten Ist-Zustand durchzogen. Darum glauben heute auch weiterhin viele Menschen an Darwins Theorien. Dass sich daraus irgendwie ein göttlicher Auftrag zur "rassischen Auslese" für uns herleiten würde, wirkt eher wie eine psychotische Wahnvorstellung. Und genau das ist sie wohl auch.

Überhaupt kann man sagen, dass echte Wissenschaft an sich NIE irgendeine Handlungsanweisung (also eigentlich: eine Ethik) liefern kann. Denn sie ist objektiv/neutral. Wertungen im Sinne von "gut" und "schlecht" gehen ihr am Arsch vorbei.

Das ist freilich eine recht neue Erkenntnis, die im Bewusstsein vieler leider noch nicht angekommen ist.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
(Thx @ ChrisGL&Anwalt)
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: IMO war/ist der Sozialdarwinismus weniger ein Ergebnis schlechter Wissenschaft
Ok, habe vlt. etwas missverständlich ausgedrückt.

Klar. Ich bin auch der Meinung, dass die Konsequenzen, die Menschen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ziehen, nicht unbedingt etwas mit Wissenschaft zu tun haben müssen; es eben nicht die "dunkle Seite der Wissenschaft", sondern die "dunkle Seite von Menschen" ist.
Cocolinth hat geschrieben: sondern eher ein Ergebnis schlechter Philosophie.
Cocolinth hat geschrieben: Überhaupt kann man sagen, dass echte Wissenschaft an sich NIE irgendeine Handlungsanweisung (also eigentlich: eine Ethik) liefern kann. Denn sie ist objektiv/neutral. Wertungen im Sinne von "gut" und "schlecht" gehen ihr am Arsch vorbei.
Nun ja. Die Frage ist, ob man die Sparte der Philosophie in der es um menschliches Zusammengehen geht, nicht selbst auch verwissenschaftlichen kann?
Es ist sozusagen die letzte Bastion der großen Religionen, die für sich behaupten die einzige Weltanschauung zu sein, die solche moralischen Fragen adressieren und im selben Atemzug versuchen Wissenschaft damit zu diskreditieren.
(Obwohl natürlich auch atheistische, non-spirituelle und humanistische Weltanschauungen ähnliche Antworten liefern)

Für eine Wissenschaft menschlichen Zusammenlebens bräuchte man auch erstaunlich wenig Prämissen. Man müsste sich nur darauf einigen, dass die flächendeckende Optimierung menschlichen Wohlergehens das anzustrebende Ziel sei.

Ein Vertreter einer Wissenschaft der "Werte" ist beispielsweise Sam Harris.
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Moral_Landscape

Außerdem: (Meta-)Wissenschaft liefert - mal abgesehen davon - natürlich auch andere Formen von Handlungsanweisungen. Beispielsweise wie man Wissenschaft richtig betreibt, wie man richtig forscht, beobachtet, misst, rechnet usw.

Eine andere Frage ist natürlich ob man forschen soll und ob man sich diese erarbeiteten Handlungsweisungen zu eigen macht. Wissenschaft kann natürlich nicht sich selbt begründen.

Aber ansonsten bin ich der Meinung, dass man mit wenigen humanistischen Prämissen die Fragen der Werte und menschlichen Zusammenlebens schon zum wissenschaftlichen Gegenstand machen kann.
Andere Wissenschaften haben ja ähnliche Prämissen. Beispielsweise muss man für viele davon vorraussetzen, dass man mit empirischen Methoden Erkenntnisse gewinnen kann, die in irgendeiner Form der Wahrheit entsprechen.
Dass man sich auf bestimmte beobachtbare Regelmäßigkeiten verlassen kann.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Induktionsproblem)

Könnte man dann nicht sagen, dass
(http://en.wikipedia.org/wiki/Is%E2%80%93ought_problem)

in die selbe Sparte gehört? Mit der Prämisse, dass man sich an der Optimierung menschlichen Wohlergehens orientiert, kann man Humanismus verwissenschaftlichen.
Mit der Prämisse, dass man sich auf empirische Erkenntnisse und deren Regelmäßigkeit bei Reproduktion verlassen kann, kann man Naturwissenschaft betreiben.

Sam Harris' Vorschlag liest sich etwas ungewohnt; finde aber nicht wirklich etwas, was grundsätzlich dagegen spricht.
Zumindest hat es den Vorteil, dass man damit dem Hoheitsanspruch von Religionen über die Fragen der Werte und Moral anfechten kann.
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Annika
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Annika »

Mitleser hat geschrieben:Nein, haben sie nicht, der gravitative Einfluss der Planeten auf die Sonne ist minimal. Umgekehrt "spüren" die Planeten aber durchaus Auswirkungen der Sonne, zum Beispiel ist diese neben dem uns relativ nahe stehenden Mond der Hauptauslöser für Ebbe und Flut.
Nee. Der Mond ist der Hauptauslöser der täglichen Flut (Jahreszeitlich hat die Sonne einen minimalen Einfluss auf den Pegel). Und durch das selbe Prinzip wirken die Planeten auf die Sonne. Die Oszilationen oder Zyklen der Sonnenaktivität (kurz, mittel- und langfristig) lassen sich statistisch beweisen.

Der Geburtstag hat nebenbei über den Melaninspiegel der Mutter Einfluss auf das Baby. Im Winter gibts weniger Sonne
Dumm fickt gut. Noch Fragen ??
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Ovid hat geschrieben:Für eine Wissenschaft menschlichen Zusammenlebens bräuchte man auch erstaunlich wenig Prämissen. Man müsste sich nur darauf einigen, dass die flächendeckende Optimierung menschlichen Wohlergehens das anzustrebende Ziel sei.
Du siehst: Um eine Ethik kommst Du nicht vorbei. Die kommt vor der Wissenschaft, und somit die Philosophie.

Ohne diesen Bezugspunkt, diesen Zweck, hast Du nur eine Reihe von Messwerten bzw. Rechenergebnissen, von denen Du nicht weißt, ob Du sie gut oder schlecht finden sollst. Nicht einmal ihre Korrektheit/Inkorrektheit kannst Du als Kriterium hernehmen, denn auch dazu benötigst Du wieder so einen Bezugspunkt ("Ist Korrektheit gut oder schlecht?").

(Meta-)Wissenschaft liefert - mal abgesehen davon - natürlich auch andere Formen von Handlungsanweisungen. Beispielsweise wie man Wissenschaft richtig betreibt, wie man richtig forscht, beobachtet, misst, rechnet usw.
Nein! Auch das sind lediglich deskriptive Aussagen ohne normativen Wert!

Denn um zu entscheiden, ob eine wissenschaftlich festgestellte Eignung oder Nichteignung z.B. eines Vorgehens nun gut oder schlecht ist, brauchst Du wieder einen Sinn und Zweck, auf den Du Dich vorher geeinigt haben musst. Und den liefert die Wissenschaft Dir nicht. Was Du tun sollst, steht weiter in den Sternen.

Zumindest hat es den Vorteil, dass man damit dem Hoheitsanspruch von Religionen über die Fragen der Werte und Moral anfechten kann.
Kann man aber nicht.

Indem Du hier einfach so eine Prämisse voraussetzt, übergehst Du schlicht den Wertedialog und erklärst einen partikularen humanistischen Slogan zum Gewinner. Dem würde ein typisch religiöser Mensch z.B. entgegnen, den Menschen ins Zentrum zu stellen sei Teufelswerk. Vielmehr sei Gottgefälligkeit oberstes Gebot.

Und schwupps bist Du mitten in einer rein philosophischen, also weltanschaulichen Diskussion.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: Indem Du hier einfach so eine Prämisse voraussetzt, übergehst Du schlicht den Wertedialog und erklärst einen partikularen humanistischen Slogan zum Gewinner.
Njein. Nur im zweiten Schritt, nachdem man sich auf bestimmte Prämissen geeinigt hat, in welche Richtung diese partikulare Wissenschaft der Werte gehen soll.

Das heißt: Ich gebe dir schon Recht, dass es einen Schritt davor geben muss.
Aber ich sage, dass selbiges für alle anderen Wissenschaften ebenso gilt.
Bei den Naturwissenschaften muss man sich beispielsweise darauf einigen, dass die Induktion beobachteter Naturregeln zulässig ist.

Der einzige Umstand, der hier zur Verwirrung führt, ist, dass man bei den Naturwissenschaften praktisch keine andere Wahl hat, als diese Vorannahme als gültig anzusehen.
Ebenso geht man davon aus, dass wir überhaupt so etwas wie Wahrheit erkennen können.
Es gibt also nur eine Richtung, die halbwegs ertragreich in ihren Erkenntnissen erscheint. Entscheidbar ob diese Richtung nun "richtig" ist oder nicht, ist wohl nicht möglich bzw. wir wissen nicht einmal ob es noch mehr Erkenntniswege gibt, die gleichsam "richtig" sind oder nicht. Schon allein das Konzept von "richtig" oder "wahr" wird zu einem Gegenstand über welchen es schwierig ist überhaupt Aussagen zu treffen.

Beim ethisch-vorwissenschaftlichem Diskurs dagegen steht uns eine Reihe anderer intuitiver Wege zur Verfügung.
Hier kommt man also ebenfalls nicht drumherum Prämissen zu setzen, also erste Entscheidungen zu treffen, wie man vorgeht und welche Ziele man sich setzt.
Danach erst kann man sein Vorgehen wissenschaftlich systematisieren - und das zu tun ist sicher auch sinnvoll.

In beiden Fällen bedarf es also irgendeiner Form von Fundament, welches sich nicht wissenschaftlich ermitteln lässt.

So habe ich jedenfalls Sam Harris Argumentation verstanden.
(http://www.youtube.com/watch?v=sTKf5cCm-9g)

Fühlt sich ungewohnt an, aber möglicherweise hat er da schon Recht.
Sowohl religiöse als auch nicht-religiöse Menschen würden größtenteils zubilligen, dass Wohlergehen von Menschen gut ist. Nur den Weg dahin hat Religion für sich beansprucht. Da sagt Sam Harris: Nö. Wissenschaft kann den Weg dahin besser ermitteln.
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Ovid hat geschrieben:In beiden Fällen bedarf es also irgendeiner Form von Fundament, welches sich nicht wissenschaftlich ermitteln lässt.
Wenn Du das annimmst, hast Du einen unendlichen Regress, bei dem vor der Philosophie stets eine weitere Philosophie steht.

Lässt sich jedoch einfach als "Philosophie" zusammenfassen, die also stets, egal wie weit Du in der Kette zurückgehst, den ersten notwendigen Schritt bedeutet. Vor der Philosophie also *keine* Philosophie. Und auch an diesem Argument selbst kannst Du sehen, dass der Regress stets in einer philosophischen Fragestellung mündet.

Fühlt sich ungewohnt an, aber möglicherweise hat er da schon Recht.
Sowohl religiöse als auch nicht-religiöse Menschen würden größtenteils zubilligen, dass Wohlergehen von Menschen gut ist.
Klar. Doch musst Du eben sehen, dass genau dies ein Argument im philosophischen, vor-wissenschaftlichen Diskurs ist, den Du zwar ignorieren kannst, doch vermutlich nicht ignorieren willst.
Nur den Weg dahin hat Religion für sich beansprucht. Da sagt Sam Harris: Nö. Wissenschaft kann den Weg dahin besser ermitteln.
Fraglich.

Zum Einen bedient sich Religion solcher Konstrukte wie der Verneinung des Diesseits (Nihilismus) zu Gunsten des Jenseits, um so menschliche Interessen (und damit weltlich humanistische Ansätze) der Irrelevanz zu überführen. Und speziell das Christentum betont ja nicht umsonst, dass Gott der Freund des Menschen sei, der letztlich aus seiner definitionsgemäßen Stellung heraus besser weiß bzw. überblickt als jede menschliche Methode, wie der Mensch selig wird.

Diesen schwierigen, da nicht wissenschaftlich klärbaren Diskurs können Du und Harris nur solange ignorieren, wie Ihr es nur mit solchen Leuten zu tun habt, die sich über sein Fazit ohnehin (stillschweigend) einig sind.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: Wenn Du das annimmst, hast Du einen unendlichen Regress, bei dem vor der Philosophie stets eine weitere Philosophie steht.

Lässt sich jedoch einfach als "Philosophie" zusammenfassen, die also stets, egal wie weit Du in der Kette zurückgehst, den ersten notwendigen Schritt bedeutet. Vor der Philosophie also *keine* Philosophie. Und auch an diesem Argument selbst kannst Du sehen, dass der Regress stets in einer philosophischen Fragestellung mündet.
Ja. Ich würde zustimmen, dass Philosophie verschiedene Teildisziplinen innehat, die die Erstbegründungen für die nachfolgenden Wissenschaften liefern (und innerhalb dieser Disziplinen musste man, wie du sagtest, leider auch immer in Kauf nehmen, dass sich nichts abschließend begründen lässt -> Münchhausen-Trilemma)

Das gilt aber wie gesagt sowohl für Naturwissenschaften als auch für die Wissenschaft der Ethik.
Cocolinth hat geschrieben: Klar. Doch musst Du eben sehen, dass genau dies ein Argument im philosophischen, vor-wissenschaftlichen Diskurs ist, den Du zwar ignorieren kannst, doch vermutlich nicht ignorieren willst.
Ganz ignorieren will ich das sicher nicht. Ich messe dem aber "nur" ein ebenso großes oder eben nicht so großes Gewicht bei, wie den Erstbegründungen der Naturwissenschaften.

Was wäre wohl los, wenn man sich in der Physik großflächig heute noch mit der Postulation supernatürlichem esoterischen Nonsens herumschlagen müsste. Viel mehr Energie und Zeit wären verschwendet, wenn man sich nicht methodologisch in dieser Disziplin festgelegt hätte.

Diese Festlegung der Methodologie (von mir aus im philosophisch-vorwissenschaftlichen Diskurs) vermisst man in der Ethik schmerzlich. Folglich wird sie heute noch dominiert von Theologie und Spiritualität - etwas, was in allen anderen Fächern zu größten Teilen verdrängt wurde.
Einige Auswüchse florieren zwar noch in der Biologie und Physik, wie beispielsweise der Kreationismus bzw. die Neuauflage Intelligent Design; aber ansonsten ist das ziemlich vernachlässigbar.
Cocolinth hat geschrieben: Diesen schwierigen, da nicht wissenschaftlich klärbaren Diskurs können Du und Harris nur solange ignorieren, wie Ihr es nur mit solchen Leuten zu tun habt, die sich über sein Fazit ohnehin (stillschweigend) einig sind.
Klar. Diesen Kampf gilt es auf dialektischer Ebene zu gewinnen. Der philosophische Diskurs, den du meinst.

Harris meint aber - entgegen seiner Kritiker - dass man diesen Diskurs auf kurz oder lang auf säkularer und humanistischer Ebene gewinnen kann, so ähnlich wie man sich damals auch über die Dominierung der Naturwissenschaften durch die Kirche hinweggesetzt hat.

Man muss diese Tür ja nicht für alle auf Ewigkeit offenhalten. Genauso wie man der Behauptung, dass die Erde 6000 Jahre alt ist, kaum mehr Beachtung schenkt, kann dasselbe doch beispielsweise auch für das Leben nach dem Tod gelten, für das es aus der Neurowissenschaft und gemäß verschiedener dialektischer Ansätze (Ockhams Razor) keinen vernünftigen Hinweis gibt.
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gelöscht_13
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von gelöscht_13 »

Sowohl Wissenschaft, Ethik, als auch Religionen haben ihre Vor- und Nachteile.
Da Religionen verdrängt werden, übertragen sich deren Ethiken auf Wissenschaften.
Cocolinth hat geschrieben: Überhaupt kann man sagen, dass echte Wissenschaft an sich NIE irgendeine Handlungsanweisung (also eigentlich: eine Ethik) liefern kann. Denn sie ist objektiv/neutral. Wertungen im Sinne von "gut" und "schlecht" gehen ihr am Arsch vorbei.
Jopp (und mir auch).
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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Ovid hat geschrieben: Bei den Naturwissenschaften muss man sich beispielsweise darauf einigen, dass die Induktion beobachteter Naturregeln zulässig ist.

Der einzige Umstand, der hier zur Verwirrung führt, ist, dass man bei den Naturwissenschaften praktisch keine andere Wahl hat, als diese Vorannahme als gültig anzusehen.
Ne, die augenblicklich wohl am weitesten verbreitete Wissenschaftsphilosophie tut das schließlich nicht.

Nach Popper sind wissenschaftliche Theorien Hypothesen, die nicht aus irgendwas hergeleitet werden, also insbesondere auch nicht aus irgendwelchen Annahmen über Induktion. Induktion hat für die moderne Wissenschaft in etwa denselben Status wie Kaffeesatzlesen - es ist nicht verboten, sie zu verwenden, um irgendwelche Theorien auszudenken, das wars aber auch schon. Die Bewertung einmal vorgeschlagener Theorien ist eine andere Sache, sie funktioniert nicht über logische Herleitungen der Theorie, sondern über erfolgreiche Voraussagen, die selbst aus der Theorie hergeleitet werden.
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Erfolgreiche Voraussagen sind eine Form von Induktion würde ich meinen.
Wie kann man denn beispielsweise schlüssig beweisen, dass die seit dem Beginn des Universums geltenden Naturkonstanten morgen auch noch gelten bzw. unter allen möglichen Bedingungen so gelten?
Kann man nicht. Man kann es unter Umständen nur falsifizieren. Solange nimmt man aber die Richtigkeit an. Solange sich eben gute Vorraussagen machen lassen, wird diese Theorie als Werkzeug benutzt, in der Annahme man kann sie grundsätzlich auf andere Fälle verallgemeinern. Es mag klappen - aber man kann nicht beweisen, dass die Voraussage immer klappen wird. Das ist Induktion.
http://de.wikipedia.org/wiki/Induktionsproblem
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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Trotzdem gibt es eben keine "Induktionsregel" auf die man sich irgendwie einigen könnte oder müsste. Der eine nimmt die ein noch nicht falsifizierte Theorie als richtig an, der andere eine andere. Ohne Zentralkommitee welches irgendwas beschließt. Reine Anarchie.
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Ovid hat geschrieben:(und innerhalb dieser Disziplinen musste man, wie du sagtest, leider auch immer in Kauf nehmen, dass sich nichts abschließend begründen lässt -> Münchhausen-Trilemma)

Das gilt aber wie gesagt sowohl für Naturwissenschaften als auch für die Wissenschaft der Ethik.
Das geht jedoch am Thema vorbei.

Es geht hier nicht um die Begründbarkeit aus sich selbst heraus, sondern ob Wissenschaft an und für sich ethische Werte generieren kann. Das kann sie nicht. Dazu braucht man zuerst eine Philosophie (also Weltanschauung).
Diese Festlegung der Methodologie (von mir aus im philosophisch-vorwissenschaftlichen Diskurs) vermisst man in der Ethik schmerzlich. Folglich wird sie heute noch dominiert von Theologie und Spiritualität - etwas, was in allen anderen Fächern zu größten Teilen verdrängt wurde.
Das liegt bei der Philosophie in der Natur der Sache. Eine solche Methologie kriegt man nicht hin, weil die Philosophie der erste Schritt ist und selbst keinen philosophischen (zwecklichen) Bezugspunkt außer sich selbst hat (im Ggs. zur Wissenschaft, wie dargelegt).

Sie ist notwendigerweise ein freies Feld der Mythen und Mysterien.
Einige Auswüchse florieren zwar noch in der Biologie und Physik, wie beispielsweise der Kreationismus bzw. die Neuauflage Intelligent Design; aber ansonsten ist das ziemlich vernachlässigbar.
Da würde ich nicht drauf bauen, dass das so vernachlässigbar ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Gesellschaft von der Wissenschaftlichkeit abkehrt und sich für einige Jahrhunderte nur noch um "Gottgefälligkeit" sorgt, bis sie bemerkt, dass sie doch was gegen ihre ständig verreckenden Babies unternehmen muss -- oder eher: möchte -- und in der Verzweiflung den ollen Scharlatan, den Hexenmeister, den Medizinmann konsultiert. DANN schlägt wieder die Stunde der Wissenschaft. Es ist im Grunde die Geschichte einer Verführung. (Pädo- UND Bibelrelevant!)

Das Risiko eines Rückfalls ins Finstere Mittelalter steigt sicherlich eher, wenn man wie Du und Harris versucht, den vorwissenschaftlichen Diskurs zu übergehen. Auch darum hat der Kreationismus in den USA solchen Zulauf -- weil die philosophischen Kernfragen hinter dieser Richtungswahl praktisch gar nicht diskutiert werden.
Klar. Diesen Kampf gilt es auf dialektischer Ebene zu gewinnen. Der philosophische Diskurs, den du meinst.

Harris meint aber - entgegen seiner Kritiker - dass man diesen Diskurs auf kurz oder lang auf säkularer und humanistischer Ebene gewinnen kann, so ähnlich wie man sich damals auch über die Dominierung der Naturwissenschaften durch die Kirche hinweggesetzt hat.
HA! :o

Das hat die Naturwissenschaft doch nicht auf säkular humanistischer Ebene hingekriegt! Das ist VIIIIEEEEL zu idealistisch gedeutet.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: Das geht jedoch am Thema vorbei.

Es geht hier nicht um die Begründbarkeit aus sich selbst heraus, sondern ob Wissenschaft an und für sich ethische Werte generieren kann. Das kann sie nicht. Dazu braucht man zuerst eine Philosophie (also Weltanschauung).
Ja, so dachte ich ja bisher auch. Versuche ich das ganze aber von uns bewussten Wesen zu abstrahieren, die der Ethik subjektiv eine Sonderbedeutung zusprechen, dann trifft die doch Analogie auch bei den Naturwissenschaften.

Ich könnte deinen Satz nehmen und sagen:

Es geht hier nicht um die Begründbarkeit aus sich selbst heraus, sondern ob Naturwissenschaft an und für sich Aussagen über Gesetzesmäßigkeiten der Natur generieren kann. Das kann sie nicht. Dazu braucht man zuerst eine Philosophie (also Weltanschauung).

Wenn man es genau nimmt, stimmt das auch. Auch unsere Naturwissenschaften beruhen auf Wissenschaftstheorien, die philosophischen Ursprungs sind.
Ohne eine Weltanschauung in der die Naturwissenschaften einen begründbaren Platz einnehmen, sind Naturwissenschaften sinnlos.
Cocolinth hat geschrieben: Das Risiko eines Rückfalls ins Finstere Mittelalter steigt sicherlich eher, wenn man wie Du und Harris versucht, den vorwissenschaftlichen Diskurs zu übergehen.
Übergehen würde ich nicht sagen. Ihn zu gewinnen trifft doch viel eher zu.
Und zwar durch schlagkräftige dialektische Argumente - aber auch, Argumente und Fakten, die sich der Naturwissenschaften bedienen um mythologischen Nonsens zu bremsen.
Damit kann man beispielsweise das Leben nach dem Tod entkräften, man kann versuchen die Vorteile gesellschaftlicher Fortschritte, Säkularisierung, evidenzbasierter Medizin usw. zeigen und ähnliches.

Das hilft eher als die Tür offenzuhalten für irgendwelche Magnet-Heiler, Sektenführer, die Massensuizide veranstalten oder christliche Fundis, die jede Katastrophe den Homosexuellen anlasten.

Das meine ich damit. Der philosophische und dialektische Diskurs im Bereich der Ethik ist ein unkontrollierter Tummelplatz.
Es scheine so, als würde man sich dort alles erlauben dürfen, weil es ist ja Ethik - davon hat Wissenschaft keine Ahnung, Logik und vernünftige Dialektik hat keinen Platz, anything goes.

Und da würde ich sagen: Blödsinn. Natürlich gibt es gute ethische Anhaltspunkte, die sich wissenschaftlich begründen lassen. Wir sind alle Lebewesen mit Bewusstsein und Verstand. Das lässt sich deskriptiv beschreiben. Unser subjektives Erleben liefert zudem ziemlich gleichmäßig und ähnliche Zustände von Wohlbefinden und Leid. Dort liegt eigentlich die einzige nur subjektiv begründbare Willensentscheidung und Prämisse, die sich aus einem philosophischen Diskurs recht leicht begründen lassen könnte.

Ok. Ich habe meinen letzten Absatz seeehhhrr stark vereinfacht. Ich will mich jetzt nicht weiter damit lächerlichmachen.
Aber ich hoffe ich habe zumindest ein wenig zeigen können, dass der Sprung zu einer Ethik, die mehr wissenschaftliche Kriterien erfüllt als bisher, nicht so schwer sein sollte, wie es allgemein immer hingenommen wurde.
Cocolinth hat geschrieben: Das hat die Naturwissenschaft doch nicht auf säkular humanistischer Ebene hingekriegt!
Das habe ich auch nicht behauptet. :P
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von gelöscht_13 »

Ovid hat geschrieben: Aber ich hoffe ich habe zumindest ein wenig zeigen können, dass der Sprung zu einer Ethik, die mehr wissenschaftliche Kriterien erfüllt als bisher, nicht so schwer sein sollte, wie es allgemein immer hingenommen wurde.
Du bist naiv. Geld regiert: Staat und Unternehmen bezahlen ethisch geprägte Vorzeigeprojekte wie“ kein Täter werden“. Die Sponsoren wollen moralisch gut ankommen und wissenschaftliche Korrektheit interessiert kein Stück. Wer gegen die Ethik ist, wird ersetzt oder fertig gemacht.
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