Das alles passierte kurz vor Weihnachten, (nebensatz entfernt, rainer).
Die Chronologie der Zeitungsberichte vom Tage des Unfalls bis zum heutigen Stand zeigt auf der einen Seite die Tragödie des Vorfalls, aber auch die große Anteilnahme und vor allem das beherzte Eingreifen eines türkischen VW-Arbeiters, der dem kleinen Mädchen durch seine Erstversorgung am Unfallort das Leben rettete:
LKW überfuhr Mädchen - Lebensgefahr
Von Katja Dartsch
Ein siebenjähriges Mädchen ist am Montagmorgen auf dem Schulweg in Braunschweig von einem Lastwagen angefahren und lebensgefährlich verletzt worden.
Laut Polizei erfasste der LKW das Mädchen beim Rechtsabbiegen vom Bienroder Weg in die Siegfriedstraße. Der Fahrer hatte das Mädchen offenbar übersehen.
Mit schwersten Beinverletzungen wurde das Kind nach der Erstversorgung durch einen Notarzt von einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. "Für die Schülerin besteht nach Auskunft der behandelnden Ärzte Lebensgefahr", heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Der Verkehrsunfalldienst sucht unter der Rufnummer 0531/476-3935 dringend Zeugen. Die Mutter des Mädchens kam zum Unfallort, erlitt einen Schock und musste ebenfalls in die Klinik gebracht werden.
An derselben Kreuzung hat es bereits vor wenigen Wochen einen schweren Unfall gegeben. Der Unfallhergang weist viele Parallelen zum aktuellen Vorfall auf: Am 9. November hatte ein LKW-Fahrer eine 61-jährige Radfahrerin beim Rechtsabbiegen übersehen. Der 38-Tonner überrollte die Radlerin, auch sie schwebte nach dem Unfall in Lebensgefahr. Für Radfahrerin und LKW-Fahrer hatte die Ampel grünes Licht gezeigt.
Montag, 19.12.2011
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Ein Schutzengel namens Erdogan Gülcan
Von Katja Dartsch
Erdogan Gülcan (52) war als erster am Unfallort, als am Montag ein Mädchen im Siegfriedviertel von einem Lastwagen überfahren wurde. Er rettete der Kleinen das Leben.
Der 52-Jährige war als Erster am Unfallort und band dem Mädchen geistesgegenwärtig das verletzte Bein ab. So verhinderte er laut Polizei, dass das siebenjährige Mädchen verblutete. Die Grundschülerin ist inzwischen außer Lebensgefahr, liegt aber wegen schwerer Beinverletzungen noch im Krankenhaus. Unfassbar: Mehrere Passanten sollen einfach an dem Unfall vorbeigegangen sein, ohne zu helfen.
Eigentlich wollte Erdogan Gülcan an jenem Morgen nur Brötchen fürs Frühstück holen. So wie jeden Morgen. Kurz vor der Bäckerei fuhr er mit seinem Fahrrad an einem kleinen Mädchen vorbei, das an der Fußgängerampel Bienroder Weg/Siegfriedstraße auf Grün wartete. Die Schülerin trug ein gelbleuchtendes Regencape über ihrem Ranzen.
Als der 52-jährige VW-Mitarbeiter kurz darauf wieder mit Brötchentüte aus der Bäckererei trat, sah er ein Mädchen auf der Straße liegen und einen LKW, der rechts ranfuhr. An dem gelben Regencape erkannte er das Mädchen von der AMpel. "Erst dachte ich, das Mädchen sei umgefahren worden, wollte beim Aufstehen helfen", erzählt der gebürtige Türke, der seit 50 Jahren in unserer Region lebt. Dann aber sah er, dass es viel schlimmer war, als gedacht: Die Schülerin blutete sehr stark, der Laster war ihr über das Bein gerollt.
Geistesgegenwärtig drückte Gülcan das Bein am Oberschenkel ab, erst mit den bloßen Händen, später band er eine Rettungsdecke fest darum. Der geschockte LKW-Fahrer und die Frau aus dem Bäckerladen halfen ihm, holten einen Verbandskasten und alarmierten Polizei und Feuerwehr. Nur wegen dieser schnellen Hilfe konnte verhindert werden, dass das Mädchen verblutet - das bestätigt Polizeisprecher Wolfgang Klages nach Rücksprache mit der Besatzung des Rettungswagens.
Doch in den ersten Minuten nach dem Unfall, als Erdogan Gülcan nach Hilfe rief und Passanten bat, den Rettungswagen zu holen, musste er erleben, wie mehrere Passanten einfach weitergingen, sich nicht kümmerten und dem verzweifelten Ersthelfer nicht zur Hilfe kamen. "Einige Autofahrer hupten sogar, weil sie nicht durchkamen. Dabei sahen sie doch, dass es einen Unfall gegeben hatte", ist Gülcan, selbst Vater zweiter erwachsener Kinder, entsetzt: "Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit geht es doch um Christlichkeit und Menschlichkeit. Wie kann man einfach achtlos weitergehen?"
Gülcan ist der Rummel um seine Person etwas unangenehm, die Redaktion musste ihn erst überzeugen, sich für die Zeitung fotografieren zu lassen - als gutes Beispiel sozusagen, wie man sich als Ersthelfer vorbildlich verhalten sollte. Schließlich willigte er ein, sagt: "Es geht mir nicht um Profilierung, sondern um die Sache." Sein Appell: "Auch wenn man unsicher ist und Angst hat, etwas falsch zu machen - das ist immer noch besser, als gar nichts zu tun! Man muss schnell handeln, sonst ist es vielleicht zu spät!"
Mittwoch, 21.12.2011
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Mädchen (7) nach LKW-Unfall auf dem Weg der Besserung
Von Katja Dartsch
Ärzte versuchen, das Bein des kleinen Mädchens zu retten - Familie ist gerührt von großer Anteilnahme
Julia kann mit den Zehen wackeln. Eigentlich kein Kunststück für ein siebenjähriges Mädchen. Aber über Julias Bein ist kurz vor Weihnachten ein LKW gefahren. Nur mit ganz viel Glück hat das blonde Mädchen diesen Unfall überlebt.
Die ersten vier Tage nach dem Unfall lag Julia im Koma. "Das waren die schlimmsten Tage meines Lebens", sagt ihre Mutter Simone L. (Name geändert). Sie saß im Krankenhaus neben dem Bett ihrer Tochter, spielte ihr deren Lieblingshörspiel "König der Löwen" vor, sprach mit ihr und las ihr Briefe von Menschen vor, die der Familie geschrieben haben - ohne eine Reaktion von ihrer Tochter zu bekommen. "Es war so wunderschön, als sie endlich wach war und das erste Mal "Mama" sagte", erzählt die dreifache Mutter.
Julia ist inzwischen über den Berg. Sie hatte viel Blut verloren bei dem Unfall an der Kreuzung Bienroder Weg/Siegfriedstraße. Zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Jonas war Julia auf dem Weg zum Schulbus, um wie jeden Morgen zur Edith-Stein-Schule am Magnitorwall zu fahren. Bei Grün ging sie über die Straße, als der Fahrer eines rechtsabbiegenden LKW sie übersah, überfuhr und mehre Meter mitschleifte.
Viele Menschen haben Briefe und Bilder geschickt
"Julia hat Glück gehabt. Sie hat überlebt - und bei dem schweren Unfall wurden weder Kopf noch innere Organe veletzt", sagt die alleinerziehende Mutter. Gesund ist ihr Kind noch lange nicht. Viele Wochen wird sie noch im Krankenhaus verbringen müssen. Mit Prognosen halten sich die Ärzte zurück. Ob sie das linke Bein ihrer Tochter retten können, sei noch unklar, sagt die Mutter. Aber sie ist voller Vertrauen: "Diese Ärzte verbringen Wunder." Etliche Male ist Julia in den vergangenen Tagen operiert worden, mit den Fortschritten seien die Ärzte - bei aller Vorsicht - zufrieden. Völlig gesund wird aber wird Julias Bein voraussichtlich nie wieder.
Das Leben der Familie hat sich mit dem Unfall verändert. Nächtelang verbrachte Simone L. an der Seite ihrer Tochter. Manchmal löste Julias großer Bruder sie ab, der 16-jährige Jan-Niklas. Von allen Seiten bekommt die Familie Unterstützung. "Meine Eltern kümmern sich um den Kleinen, eine Freundin hat mir ihr Auto geliehen, damit ich schneller zwischen Holwede-Klinik und unserer Wohnung pendeln kann", erzählt Simone L. Viele Menschen hätten Briefe geschrieben und Bilder gemalt, auch die Kinder aus Julias Kunstkursus an der Musischen Akademie und aus ihrer Schulklasse. Die Bilder - ganz viele Schutzengel - hängen nun alle in Julias Krankenhauszimmer.
Julias Lebensretter kann auch zaubern
Die Anteilnahme hat Simone L. gefreut, auch wenn sie es manchmal anstrengend fand, immer wieder über den Gesundheitszustand ihrer Tochter zu berichten. "Ich möchte Danke sagen. Die vielen Briefe haben uns Kraft gegeben, aber wir hatten nicht die Zeit, allen zu antworten", sagt sie. Besonders gerührt habe sie ein Paket von drei Geschwisterkindern: Diese kennen Julia gar nicht, hätten aber von ihrem Unfall gehört und das Paket am Empfang des Krankenhauses abgegeben.
Es kommt noch viel auf die Familie zu. Sie braucht Kraft. Unter anderem müssen sich Simone L. und ihre Kinder eine andere Wohnung suchen, denn die Treppen hoch in die dritte Etage des Altbaus im Siegfriedviertel sind für Julia nicht mehr zu bewältigen. "Das schaffen wir schon", sagt Simone L. und zieht an ihrer Zigarette. Das alte Laster ist wieder da, obwohl sie sich das Rauchen eigentlich längst abgewöhnt hatte. Die Sorgen und der Stress der letzten Wochen haben sie wieder anfangen lassen.
Ein Lichtblick der letzten Tage war der Besuch von Erdogan Gülcan und seiner Frau. Er war es, der an der Unfallstelle Julia vor dem Verbluten gerettet hat (wir berichteten). Im Krankenhaus bewies der Lebensretter ein weiteres Talent. Jede Menge Zaubertricks führte der 52-jährige Julia vor und brachte sie zum Lachen. "Er ist nicht nur ein Schutzengel, sondern auch ein Zauberer", hat die Kleine nach seinem Besuch gesagt. An ihrem Geburtstag im Februar wird er sie wieder besuchen - Julia freut sich schon.
Samstag, 14.01.2012 Braunschweiger Zeitung
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Ich muss zugeben, beim Lesen des heutigen Artikels sind auch mir Tränen der Rührung gekommen. Aber da halte ich es mit dem James-Bond-Zitat: "Lieber gerührt als geschüttelt."