Hallo Bolly,
Deine Meinung und Dein Unverständnis kann ich sehr gut nachvollziehen, weil ich genau dieses in meinem unmittelbaren Umfeld selbst immer wieder erleben "darf".
DAS Problem bei der ganzen Angelegenheit ist, dass niemand seine bisher im Leben gemachten
Erfahrungen aus seiner individuellen Bewertung von aktuellen Situationen und Meinungen heraushalten
kann! Und deshalb fällt es einem Erwachsenen auch so schwer, sich in Kinder
wirklich hineinzuversetzen. Bei ALLEN Handlungen gegenüber einem Kind (egal ob erzieherisch in Schule und Familie, egal ob bei den eigenen Kindern beim alltäglichen Leben/Spielen... oder auch bei der sex. Erziehung (Aufklärung)) wird der Erwachsene seine Erfahrungen mit einbringen. Selbst wenn er es bewusst verhindern will, sich bewusst auf den Wissensstand des Kindes begeben will, wird ihm (dem/der Erwachsenen) es
nicht gelingen, die eigenen Lebenserfahrungen außen vor zu lassen.
Also stimme ich Dir (wie auch viele andere vor mir) voll und ganz zu bei der Aussage, dass das kindliche Verständnis über Sexualität ein anderes ist, als unser erwachsenes Verständnis von Sexualität. Selbst
unter Erwachsenen gibt es große Unterschiede bei diesem Verständnis. Während die einen Sexualität als etwas sehr persönliches, vertrautes, mit innigen Gefühlen dem Partner gegenüber empfinden, können sie in keinster Weise nachvollziehen, dass andere ihre Sexualität am liebsten selbst mit dem eigenen Partner in Swingerclubs erleben möchten. Es wird auch viele Erwachsene geben, die noch nie etwas von bestimmten Praktiken gehört haben und schockiert wären, von ihnen zu erfahren.
Was bedeutet das für unsere Situation? Wir WISSEN gar nichts über die kindliche Sexualität. Wir als Erwachsene GLAUBEN zu wissen, wie Kinder ihren Körper und ihre Empfindungen erleben. Wir Erwachsene DENKEN, unsere Kinder würden alles GENAU SO entdecken müssen/dürfen, wie wir selbst unsere Erkenntnisse gewonnen haben. Und wir Erwachsenen sind völlig ÜBERRASCHT, wenn wir Handlungen bei Kindern erleben, die eindeutig sex. Charakters sind.
Vieles davon ist reine Neugier! Ich selbst habe schon erlebt, dass ein 6 jähriges Mädchen gezielt und wiederholt mir zwischen die Beine greift, ich selbst habe erlebt, wie ein (fremdes) Mädchen auf meinem Schoß sitzend den Rücken krümmt und mich zum Streicheln auffordert - und dabei das T-Shirt hochzieht, damit ich besser 'ran komme. Weiter oben wurde das schon einmal angesprochen: Alle schon erlebten Aktionen von Mädchen, welche direkt oder irgendwie sexuellen Charakter hatten, sind
niemals Aufforderungen gewesen, irgendwelche
erwachsenen Sexualpraktiken zu beginnen. Wie sollte das auch sein, weil die Kinder von diesen möglicherweise noch gar keine Ahnung haben.
Dennoch: Als Pädo erkenne ich an, dass Kinder schon sehr zeitig
ihre Sexualität erleben. Sie erkennen auch, wie unterschiedlich die Erwachsenen darauf reagieren. Wenn also vielleicht Du, Bolly, entsetzt auf den gezielten Griff des Mädchens an den eigenen Penis in Deiner Hose (ich glaube das geht bei Dir gar nicht, aber mal nur als Vergleich) reagieren würdest ("Das macht man nicht, das ist ungezogen..."), frage ich das Mädchen, warum sie das tut. ("...weil es Spaß macht...! Ich geh' jetzt spielen...") Während das Kind seine Neugierde in Zukunft bei Dir versteckt, kann es mir passieren, dass sie mich noch andere Dinge fragt. Und jetzt liegt es in meiner Verantwortung, alles zu vermeiden, was dem Kind in dem Moment und auch in Zukunft schaden könnte. (Zu dem Thema hatten wir schon mehrere Threads.)
Das Kind lernt somit, seine Sexualität nicht als etwas verruchtes/zu verheimlichendes zu sehen sondern als ganz normalen Teil seiner selbst. Und es lernt auch, vernünftig damit selbstbestimmend umzugehen, um später bei den eigenen Handlungen unter dem Einfluss der pubertären Hormone die Enttäuschungen zu vermeiden.
Ovid hat geschrieben:
...
Das heisst: Völlig heraushalten dürfen wir uns nicht und können wir uns nicht als Erwachsene. Alles, was Kinder später zu selbstverwirklichenden und selbstentfaltenden Wesen macht und machen kann, muss ihnen zugetragen und beigebracht werden, gezeigt werden, als Option offen gelassen sein - damit sich überhaupt ein informierter Wille und ein Gefühl von Identität und Individualität bezüglicher seiner eigenen personellen Lebensziele und Wünsche entwickeln kann.
Sei dies gesagt, bedeutet das natürlich sicher noch lange nicht, dass man so fahrlässig sein sollte, und generell jeden intergenerationären sexuellen Kontakt zwischen Kindern und Erwachsenen erlauben sollte.
...
"Amen"
Gruß
Denker