Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31264/1.htmlPolanski und seine Feinde
Wenn die Wahrheit nicht zu den Schlagzeilen passt: Die Medien, Sex, Kinder und Kunst - Teil 1
Roman Polanski wird in Zürich verhaftet, ihm droht die Auslieferung - wegen des 32 Jahre zurückliegenden Falles der "Unzucht mit Minderjährigen", genauer gesagt eines 13-jährigen Fotomodells. [...] "Free Polanski now!" [...] [Etliche renommierte Schauspieler, Regisseure und Produzenten] haben eine Petition (3) zu Polanskis Gunsten unterzeichnet. [...] Die vorhersehbaren Gegenreaktionen ließen nicht lange auf sich warten. [...] Wieso soll jemand bevorzugt behandelt werden, bloß weil er hervorragende Filme macht? Gute Frage! Allerdings sollte er deshalb auch nicht benachteiligt werden, und genau das ist hier der Fall.
[...] "Im Zweifel für den Angeklagten". [...] Obwohl der Regisseur vor 32 Jahren wegen "statutory rape", korrekt übersetzt "Unzucht mit Minderjährigen" angeklagt wurde, und dies auch - allerdings nur als Teil einer Absprache zwischen den Prozessparteien, um den Fall schnell beizulegen - zugegeben hat, keineswegs aber wegen "Vergewaltigung", ist konsequent genau davon die Rede. Man muss nur einmal eine jener widerlichen Internet-Foren zum Fall in diesen Tagen besuchen: Polanski ist da einfach ein "child rapist" [zu Deutsch: "Kindervergewaltiger"].
Selbst die Anklage unterstellt ihm keine Gewaltanwendung. [...] es geht nicht darum, ob man ihm das glaubt. Sondern darum, dass er den juristischen Anspruch darauf hat, dass wir es ihm glauben - bis zum Beweis des Gegenteils. Feine Unterschiede spielen aber bei der hier hysterisierten Öffentlichkeit und ihrer eingespielten Empörung längst keine Rolle mehr.
[...]Dabei könnte man es besser wissen, spätestens seit Marina Zenovichs herausragendem Dokumentarfilm "Roman Polanski: Wanted and Desired" (4). Zenovich zeigt, dass das, was heute auch durch deutsche Medien geistert, zum größten Teil Mythologie ist, die mit den Fakten nichts zu tun hat. [...]
[...]Was sicher ist: Polanski und [das Mädchen] hatten sexuellen Körperkontakt, ob erzwungen oder freiwillig. Der Regisseur hat zunächst auf "unschuldig" plädiert. Ebenso sicher ist: Gailey bzw. ihre Mutter waren ähnlich wie Polanski daran interessiert, den Fall so diskret wie möglich beizulegen und setzten sich bereits 1977 dafür ein, dass der Regisseur keine Gefängnisstrafe erhalte. [...]
[Polanskis Richter] Rittenband war [...] ein typischer Repräsentant des biederen, bigotten, zurückgebliebenen Middle-Amerika, dessen Kleinbürger-Gesinnung noch im 19.Jahrhundert wurzelt. Für dieses Amerika ist Hollywood nicht nur fremd, sondern eine faszinierend abstoßende Hölle. Und Polanski war in diesem Bild der böse kaputte Zwerg. [...]
Mit dieser Symbolfigur wollte Richter Rittenband erklärtermaßen abrechnen, [...] Darum nahm der Richter den bereits ausgehandelten Vergleich nachträglich, und nachdem Polanski bereits seine Strafe von 90 Tagen [...] abgesessen hatte, zurück. [...]
Polanski [...] floh, weil er mit guten Gründen nicht länger darauf vertrauen konnte, dass er einen fairen Prozess erhalten würde. Und hier kommt nun sehr wohl Polanskis Vergangenheit als Jude und Opfer der Nazi-Verfolgung ins Spiel[...]
was heißt hier nun Gerechtigkeit? Bestimmt nicht die Entschuldigung seiner Tat mit Hinweis auf sein hohes Alter. [...] Auch der Hinweis auf Polanskis doppelt und dreifach traumatische Vergangenheit zieht nicht. [...] Sehr wohl aber hieße Gerechtigkeit, dass ein Richter nicht, wie Rittenband, [...] gegenüber Staatsanwaltschaft und Verteidigung wortbrüchig wird. Und es hieße, [...] auch dem Opfer sein Recht zuzugestehen[...] Samantha Geimer, hat Polanski längst öffentlich verziehen [...] und wünscht keinen neuen Strafprozess. [...]
(Dank an Tenpenny von www.jungsforum.net für den Hinweis)