Tatort: Horrorshow mit blondem Mädchen
Verfasst: 17.10.2010, 22:53
Horrorshow mit blondem Mädchen
Hat jemand den heutigen "Tatort" gesehen?
Titel: Tatort - Der Schrei
Regie: Gregor Schnitzler
Darsteller: Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe, Annika Kuhl, Roeland Wiesnekker, Fabian Busch
Sendetermin: Sonntag, 17. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste
Dazu eine sehr treffende Kritik von Von news.de-Mitarbeiter Tobias Köberlein:
Tote Kinder in einem Krimi sind immer schwierig. Besonders in Verknüpfung mit sexuellem Missbrauch. Der Ludwigshafener Tatort nimmt sich diesmal viel vor. Zu viel. Statt einer glaubhaften Geschichte gibt es bemüht surreale Horrorspielchen.
Eigentlich könnte man meinen, dass der Rummel als Schauplatz für einen Krimi ausgereizt ist. Vergnügungsparks sind Orte der Ausgelassenheit, eine Zwischenwelt fernab der Sorgen des Alltags. Was passiert, wenn über einen solchen Ort das Grauen hereinbricht? Die Vorstellung hat Regisseure immer wieder fasziniert, und auch der Tatort: Schrei (Regie: Gregor Schnitzler, Buch: Harald Göckeritz) nutzt diesen Topos weidlich aus.
«Little Miss Sunshine» ist tot. Ihre Leiche wird am Rande eines Fahrgeschäfts gefunden. Am Nachmittag war das Mädchen mit den blonden Locken noch mit ihren Eltern über den Rummel spaziert. «Sunshine» steht auf ihrem Pullover. Welch böse Ironie! «Manchmal hasse ich unseren Job», sagt Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) zu Kollege Kopper (Andreas Hoppe) – ein Satz, der im Tatort auf den Index gesetzt werden sollte. Peter Fichter (Roeland Wiesnekker), der Vater des toten Mädchens, pendelt zwischen Wut und Verzweiflung. Ruth Fichter (Annika Kuhl), die Mutter, zieht sich völlig zurück.
Alles wie gehabt in diesem Tatort. Standardemotionen werden routiniert abgerufen. Routine ist auch die Ermittlungsarbeit. Wieder einmal geraten die üblichen Verdächtigen ins Visier der Polizei. Tom Heye (Fabian Busch), ein vorbestrafter Kinderschänder, war zur Tatzeit auf dem Rummel. Man sieht, wie er am nächsten Tag fast panisch Dateien auf seinem Computer löscht. Klar, dass Odenthal und Kopper so einen Typen in die Mangel nehmen. Auffallend unauffällig verhält sich dagegen der Anwalt Werner Rahn (Jan Messutat). Auch er war zur fraglichen Zeit im Vergnügungspark unterwegs.
Weil der Kreis der Verdächtigen mir Heye und Rahn aber zu klein ist, konstruiert dieser Tatort noch ein paar andere Motive. Ruth Fichter, die verschüchterte Mutter, war offenbar eifersüchtig auf ihre Tochter, fühlte sich von ihrem Mann zurückgesetzt. Eine ganze Menge Küchenpsychologie muss herhalten, um aus der Frau eine potenzielle Mörderin zu machen. Einmal klettert Ruth Fichter auf der Achterbahn herum und droht, sich in die Tiefe zu stürzen. Selbstmordabsichten aus einem Schuldgefühl heraus? Die Frau hat offenbar ein schweres Trauma erlitten. In penetrant surreal gefilmten Sequenzen sieht sie ihre Tochter mit blutverschmierter Kleidung durch die Wohnung wandeln. Wenn das Mädchen schließlich in ihren Halluzinationen aus einem Laubhafen aufersteht und einen markerschütternden Schrei ausstößt, ist die Grenze zum billigen Teenie-Horror endgültig überschritten.
Damit die Geschichte nicht gar zu düster wird, muss sich Kopper um einen Neffen aus Italien kümmern, der von seiner Mutter in Ludwigshafen zwischengeparkt wurde. Der Bambino hält den Polizisten-Onkel ordentlich auf Trab und schüttet ihm zum Dank – wie witzig! – Spülmittel in die teure Espresso-Maschine. Schon arg plump, wie Slapstick als Kontrastprogramm zur gar nicht lustigen Kindsmordgeschichte eingesetzt wird. Am Ende singt Kopper dem kleinen Rabauken noch ein Einschlafliedchen. Er wählt Guten Abend, gute Nacht. Letztere wird der Zuschauer nach diesem beklemmenden Fall wohl eher nicht haben.
Wer es verpasst hat; hier ein Link zum Live-Stream in voller Länge:
http://mediathek.daserste.de/daserste/s ... oto=&show=
Hat jemand den heutigen "Tatort" gesehen?
Titel: Tatort - Der Schrei
Regie: Gregor Schnitzler
Darsteller: Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe, Annika Kuhl, Roeland Wiesnekker, Fabian Busch
Sendetermin: Sonntag, 17. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste
Dazu eine sehr treffende Kritik von Von news.de-Mitarbeiter Tobias Köberlein:
Tote Kinder in einem Krimi sind immer schwierig. Besonders in Verknüpfung mit sexuellem Missbrauch. Der Ludwigshafener Tatort nimmt sich diesmal viel vor. Zu viel. Statt einer glaubhaften Geschichte gibt es bemüht surreale Horrorspielchen.
Eigentlich könnte man meinen, dass der Rummel als Schauplatz für einen Krimi ausgereizt ist. Vergnügungsparks sind Orte der Ausgelassenheit, eine Zwischenwelt fernab der Sorgen des Alltags. Was passiert, wenn über einen solchen Ort das Grauen hereinbricht? Die Vorstellung hat Regisseure immer wieder fasziniert, und auch der Tatort: Schrei (Regie: Gregor Schnitzler, Buch: Harald Göckeritz) nutzt diesen Topos weidlich aus.
«Little Miss Sunshine» ist tot. Ihre Leiche wird am Rande eines Fahrgeschäfts gefunden. Am Nachmittag war das Mädchen mit den blonden Locken noch mit ihren Eltern über den Rummel spaziert. «Sunshine» steht auf ihrem Pullover. Welch böse Ironie! «Manchmal hasse ich unseren Job», sagt Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) zu Kollege Kopper (Andreas Hoppe) – ein Satz, der im Tatort auf den Index gesetzt werden sollte. Peter Fichter (Roeland Wiesnekker), der Vater des toten Mädchens, pendelt zwischen Wut und Verzweiflung. Ruth Fichter (Annika Kuhl), die Mutter, zieht sich völlig zurück.
Alles wie gehabt in diesem Tatort. Standardemotionen werden routiniert abgerufen. Routine ist auch die Ermittlungsarbeit. Wieder einmal geraten die üblichen Verdächtigen ins Visier der Polizei. Tom Heye (Fabian Busch), ein vorbestrafter Kinderschänder, war zur Tatzeit auf dem Rummel. Man sieht, wie er am nächsten Tag fast panisch Dateien auf seinem Computer löscht. Klar, dass Odenthal und Kopper so einen Typen in die Mangel nehmen. Auffallend unauffällig verhält sich dagegen der Anwalt Werner Rahn (Jan Messutat). Auch er war zur fraglichen Zeit im Vergnügungspark unterwegs.
Weil der Kreis der Verdächtigen mir Heye und Rahn aber zu klein ist, konstruiert dieser Tatort noch ein paar andere Motive. Ruth Fichter, die verschüchterte Mutter, war offenbar eifersüchtig auf ihre Tochter, fühlte sich von ihrem Mann zurückgesetzt. Eine ganze Menge Küchenpsychologie muss herhalten, um aus der Frau eine potenzielle Mörderin zu machen. Einmal klettert Ruth Fichter auf der Achterbahn herum und droht, sich in die Tiefe zu stürzen. Selbstmordabsichten aus einem Schuldgefühl heraus? Die Frau hat offenbar ein schweres Trauma erlitten. In penetrant surreal gefilmten Sequenzen sieht sie ihre Tochter mit blutverschmierter Kleidung durch die Wohnung wandeln. Wenn das Mädchen schließlich in ihren Halluzinationen aus einem Laubhafen aufersteht und einen markerschütternden Schrei ausstößt, ist die Grenze zum billigen Teenie-Horror endgültig überschritten.
Damit die Geschichte nicht gar zu düster wird, muss sich Kopper um einen Neffen aus Italien kümmern, der von seiner Mutter in Ludwigshafen zwischengeparkt wurde. Der Bambino hält den Polizisten-Onkel ordentlich auf Trab und schüttet ihm zum Dank – wie witzig! – Spülmittel in die teure Espresso-Maschine. Schon arg plump, wie Slapstick als Kontrastprogramm zur gar nicht lustigen Kindsmordgeschichte eingesetzt wird. Am Ende singt Kopper dem kleinen Rabauken noch ein Einschlafliedchen. Er wählt Guten Abend, gute Nacht. Letztere wird der Zuschauer nach diesem beklemmenden Fall wohl eher nicht haben.
Wer es verpasst hat; hier ein Link zum Live-Stream in voller Länge:
http://mediathek.daserste.de/daserste/s ... oto=&show=