(Ein Darstellungsversuch unter Zuhilfenahme von kindheitshistorischer Literatur)
Kaum jemand würde heute die Existenz von "Kindheit" als eigenständige Kategorie, als eigenständigen Abschnitt im Leben des Menschen in Frage stellen, und es gibt - wenngleich die Abgrenzung nach oben verschwimmen kann - klare Definitionen, die "Kindheit" vom Erwachsenenleben unterscheiden:
Biologisch gesehen gilt heute als "Kindheit" bekanntlich in der Regel die Lebensphase von der Geburt bis zur Geschlechtsreife, d.h. sie endet somit in einem gewissen Streubereich etwa zwischen 11 und 15 Jahren.
Juristisch (laut Jugendschutzgesetz) endet die Kindheit hingegen - hierzulande - bekanntlich einheitlich mit 14 Jahren.
Wenn wir - etwa anhand der Untersuchungen von Kindheitshistorikern wie Philippe Aries oder Hugh Cunningham - in der Geschichte zurückgehen, dann sehen wir jedoch, dass "Kindheit" in ihrer Existenz als eigenständige Kategorie keineswegs immer in dieser "modernen" Form vorhanden war. Es handelt sich dabei vielmehr um ein sozial-kulturelles Konstrukt und dieses muss hochgradig überhaupt erst als "Erfindung" der Neuzeit (v.a. 18./19.Jh.) angesehen werden. Und das für unser Thema Entscheidende: Wenn wir diesen Untersuchungen Glauben schenken, dann war der Ausschluss von Sexualität ein ganz wesentliches, wenn nicht das wesentliche Kriterium zur Ausbildung von "Kindheit" als eigenständiger Kategorie und Lebensphase.
Was damit gemeint ist, soll näher verdeutlicht werden:
In der traditionellen (d.h. durch Landwirtschaft und Handwerk geprägten) Gesellschaft vor dem 18. Jh. (und regional bis ins 19. Jh. hineinreichend) war die kindliche Lebenswelt noch kaum von der Lebenswelt der Erwachsenen getrennt. Arbeit, Spiele und Kleidung der Kinder war nicht fundamental unterschiedlich von der Arbeit, den Spielen und der Kleidung der Erwachsenen. In einer Zeit vor der Verbreitung der Lese- und Schreibfähigkeit und vor der aufkommenden Dominanz des intellektuellen Verstehens im Lebensalltag bestand auch in dieser Hinsicht noch kein Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen. Wie etwa R. Sieder es knapp auf den Punkt bringt kann gesagt werden: Kinder waren "kleine Erwachsene" und Erwachsene waren "große Kinder". Der Hauptunterschied zwischen Kindern und Erwachsenen bestand lediglich in der Körpergröße und der physischen Kraft.
Kinder hatten auch noch keine eigenen Kinderzimmer, sie wurden mit allen häuslichen Vorgängen - d.h. mit den häufigen Geburten- und Todesfällen sowie auch mit Erwachsenensexualität - konfrontiert. Wir müssen auch davon ausgehen, dass verbreitet Handlungen an Kindern vorgenommen wurden, die wir heute als "sexuell" etikettieren würden, ohne sanktioniert zu werden. (Vgl. dazu die Arbeiten von Historikern, v.a. Philippe Aries: Geschichte der Kindheit; Lloyd de Mause: History of Childhood)
Erst mit der Etablierung der bürgerlichen Schichte seit dem 18.Jh., begannen sich - v.a. durch die zunehmende Bedeutung der (Schul-)Bildung und die Freistellung der Kinder von der häuslichen Arbeit - die Lebenswelten zwischen Kindern und Erwachsenen zu trennen. Im Gegenzug dazu setzte sich eine verstärkt affektive Eltern-Kind-Beziehung durch. Die provokante These von E. Shorter, dass Mutterliebe erst eine "Erfindung" des 18. Jh. sei und vorher nicht vorhanden war, ist zwar in dieser Form sicherlich nicht aufrechtzuhalten, drückt aber doch den um diese Zeit einsetzenden Wandel in der Eltern-Kind-Beziehung deutlich aus.
Im Zuge der forcierten Trennung der kindlichen Lebenswelt von jener der Erwachsenen wurde nun auch (Erwachsenen-)Sexualität von den Kindern im Zuge der pädagogischen Bemühungen der Aufklärungszeit bewusst ferngehalten, was sich auch etwa in der nun neuen Kontrolle und den Unterbindungsversuchen der kindlichen Onanie äußert.
Die aktive Fernhaltung von (Erwachsenen-)Sexualität vom Kind ist somit ein sozial-kulturelles Phänomen, das unmittelbar und untrennbar mit der Entstehung einer eigenständigen (von der Erwachsenenwelt unterschiedenen) Kategorie "Kindheit" einhergeht.
Im Zuge der Weiterentwicklung der medizinischen und biologischen Wissenschaft wurde es im späten 18. und vor allem im 19. Jh. möglich, immer mehr Charakteristika und Verhaltensweisen des Menschen durch seine Geschlechtlichkeit zu erklären. Es bildeten sich die (normierten) männlichen und weiblichen "Geschlechtercharaktere" heraus (aktiver Mann, passive Frau u.a.) und - als Kontrast zur Erwachsenensexualität - die postulierte "kindliche Asexualität".
Doch einhergehend mit der oben beschriebenen Forcierung einer affektiven Erwachsenen-Kind-Beziehung kam es gleichzeitig im 18. und 19. Jh. zu einer zunehmenden Erotisierung des Kindes. Gerade das als asexuell angesehene Kind wurde zum erotisch attraktiven Subjekt für den Erwachsenen. Und dieser Zusammenhang einer angenommenen kindlichen Asexualität und einer gerade darauf beruhenden erotischen Attraktivität findet sich in der Literatur und Kunst zahlreich - von den Romantikern bis zu den Viktorianern (darunter natürlich auch Lewis Carroll).
Hat Sigmund Freud zu Beginn des 20. Jh. mit der "Entdeckung" der infantilen Sexualität diesen Zusammenhang zunichte gemacht? Wenn wir näher hinsehen, nicht wirklich. "Orale" und "anale" Phase sind spezifische kleinkindliche Ausdrucksformen einer "Sexualität", und die kurze "phallische Phase" wird von einer langen "Latenzphase" (etwa vom 6. bis zum 11. Lebensjahr) abgelöst, die gerade die stark reduzierte Sexualität des Kindes zum Ausdruck bringt und die Tatsache, dass es sich damit stark vom Erwachsenen unterscheidet (und somit tendenziell "asexuell" bleibt).
Eine andere Tatsache im 20.Jh. hat die Existenz einer eigenständigen Kategorie Kindheit aber tatsächlich bedroht: Die Etablierung einer Konsum- und Mediengesellschaft verunmöglichte die Beibehaltung einer Trennung der kindlichen von der erwachsenen Lebenswelt. Der Medienkritiker Neil Postman sagt in seinem berühmten Buch "Das Verschwinden der Kindheit": Die Druckerpresse hat zwischen dem 16. und 18. Jh. die Kindheit hervorgebracht, das Fernsehen hat sie im 20. Jh. wieder verschwinden lassen. Gerade da auch eine sexuelle Quarantäne des Kindes in der nun hochgradig sexualisierten, hedonistischen Konsum- und Mediengesellschaft wiederum viel schwieriger geworden ist, scheint die im 18. und 19. Jh. definierte Form von "Kindheit" (und auch ihre damit zusammenhängende emotional-erotische Attraktivität!) ernsthaft in Gefahr geraten zu sein. Die Vermischung der Lebenswelten und universale Präsenz der Sexualität führen gewissermaßen (wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen) in die traditionellen Zustände vor dem 18. Jh. zurück, als es noch keine eigenständige Kategorie "Kindheit" gab.
Und wie H. Cunningham treffend bemerkt, drohen genau jene "Kinderrechte", die Kinder intensiv an jener hedonistisch orientierten, hochgradig sexualisierten modernen Konsum- und Mediengesellschaft partizipieren lassen, ihnen ausgerechnet ihr wichtigstes Grundrecht zu nehmen: Das Recht, Kind zu sein.
Und damit zurück zu unserem Thema: Was macht die Attraktion des Kindes für den Pädophilen wirklich aus? Ist es nicht genau die sexuelle UNreife des Kindes, die als essenzieller Bestandteil des Kindseins gesehen wird? Besteht nicht die Attraktion des Kindes für den heutigen Pädophilen auch noch im weiteren Sinne in einer "Erotisierung der kindlichen Asexualität" so wie seinerzeit bei den Romantikern und Viktorianern bis hin zu Lewis Carroll? Und widerspricht dem nicht ein sexueller Interaktionswunsch mit dem Kind? Würde nicht bereits der Wunsch nach sexueller Interaktion mit dem Kind eine (weitere) Auflösung der Kategorie "Kindheit" forcieren, womit der Pädophile sich selbst das "Objekt" seiner eigenen Begierde entzieht?
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Wie ich u.a. in meinem Vorstellungthread und der Umfrage "Was kennzeichnet dich als Girllover?" dargestellt habe, schließt meine persönliche Pädophilie - wenngleich auch sexuell geprägt - einen sexuellen Interaktionswunsch der Sache nach kategorisch aus. Die lange obige Darstellung mag als eine Art Erklärungsversuch dafür dienen. Und freilich nur als mein persönlicher.
Aber dennoch würden mich natürlich Kommentare interessieren, wenn sich denn jemand die Mühe gemacht hat, das alles zu lesen.
