Zur Aufklärung der Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese von
gelöscht_17 ein Auszug aus Vogts Studie (2006):
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1.5.1 „Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese“
Der weit verbreitete populäre Glaube in der Allgemeinbevölkerung , dass Kinder und Jugendliche, die durch Erwachsene oder bedeutsam ältere Jugendliche sexuell missbraucht wurden, selbst gefährdet sind als Erwachsene später Kinder/ Jugendliche zu missbrauchen, wird in dieser Studie als „Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese“ bezeichnet. Dieses Klischee nahm in der Vergangenheit einen großen Raum in Fachpublikationen und der öffentlichen Diskussion ein. Die Hypothese wurde auch auf die primärpädophile Population verallgemeinert. Empirische Befunde aus dem Dunkelfeld für diese Bevölkerungsgruppe liegen jedoch bislang nicht vor.
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Im Hellfeld lässt sich bislang keine empirisch fundierte, substantielle
sexualwissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet für strukturierte pädophile Männer ausmachen. Das große Problem von Studien ist, dass die sexuelle Orientierung der betreffenden Männer nicht eindeutig geklärt wird. Postulierte hypothetische Wirkmechanismen sind kognitivbehavioraler
Art (klassische Konditionierung, operante Konditionierung und Modellernen) und
psychodynamischer Art (Missbrauchsumkehr, Wiederholungszwang, Identifikation mit dem Aggressor). Bei Zutreffen einer allgemeinen Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese müsste zudem
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die Zahl von Frauen als Täterinnen viel höher liegen, denn diese sind überwiegend Opfer von sexuellem Missbrauch.
Nach Garland & Dougher (1990), die eine kritische Durchsicht aller bis dato veröffentlichten Studien durchführten, kann die „Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese“ in ihrer allgemeinen Form nach schon seit Ende der 80er Jahre als widerlegt gelten: „Given the popularity of the abused/abuser hypothesis, it is perhaps suprising to find that there is a dearth of evidence supporting it. This is not to say that there is a substantial body of contradictory evidence“ (S. 488). Sie schlussfolgern: „...is neither a necessary nor a sufficient cause of similar behavior in the child or adolescent when he or she becomes an adult ..., it is related only in the context of other, interacting variables. Unfortunately, at this point, researchers do not know what all these other variables are or how they interact...“(S. 505).
Im Bereich von Rückfalluntersuchungen bei Sexualstraftätern konnten Hanson & Bussiere (1998) in ihrer Meta-Analyse an 61 Rückfallstudien nachweisen, dass die Variable Traumatisierung des Täters durch sexuellen Missbrauch in der eigenen Kindheit keine Vorhersagekraft besitzt.
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Es wird in dieser Studie vom Nichtzutreffen der Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese ausgegangen. Betreffende pädophile Männer werden mit Untersuchungsteilnehmern, die in der Kindheit nicht durch Erwachsene sexuell adressiert wurden, hinsichtlich des Vorhandenseins pädosexueller Kontakte im Erwachsenenalter verglichen. Des Weiteren wird die „sexuelle Missbrauchsquote“ der Untersuchungspopulation erfasst und als Einteilungskriterium für einen Vergleich im Gesundheits- und Belastungserleben pädophiler Männer genutzt.
Ergebnis:
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Es finden sich keine Hinweise auf das Zutreffen der populären „Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese“ für primärpädophile Männer insgesamt (vgl. Garland & Dougher, 1990). Untersuchungsteilnehmer, bei denen sexuelle Erfahrungen als Kind zu einem Erwachsenen existieren, weisen nicht signifikant häufiger pädosexuelle Praxis auf, als Untersuchungsteilnehmer, bei denen keine sexuellen Kontakte als Kind zu einem Erwachsenen stattgefunden haben. Der Großteil der Befragungsteilnehmer (76,4%) wurde in der Kindheit nicht pädosexuell adressiert. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass bei 23,6% der Teilnehmer pädosexuelle Kontakte in der Kindheit stattgefunden haben. Somit liegt die „sexuelle Missbrauchsquote“ bei der untersuchten pädophilen Population bedeutsam höher als in der Allgemeinbevölkerung (z.B. van Outsem, 1992, S. 27 ff.; Beier et al., 2001, S. 405). In ihrer allgemeinen Form kann diese Hypothese nicht auf die pädophile Population verallgemeinert werden. Sie ist allenfalls als ein Einflussfaktor niederer Ordnung für eine pädophile Minderheit zutreffend. Es scheint nahe liegender, dass pädophile Männer pädosexuelle Kontakte schlicht aufgrund des Vorliegens ihrer pädophilen Orientierung eingehen und nicht, weil sie in ihrer eigenen Kindheit sexuell missbraucht wurden (vgl. Hanson & Bussiere, 1998). Die Hypothese 2.1 wird größtenteils zurückgewiesen. Die pädosexuellen Kontakte in der Kindheit der Teilnehmer fanden teilweise durch Männer, teilweise durch Frauen statt und werden retrospektiv ca. zur Hälfte als angenehm beurteilt. Die andere Hälfte der betroffenen Teilnehmer beurteilt ihre pädosexuellen Erfahrungen entweder als neutral oder als sexueller Missbrauch bzw. als sexualisierte Gewalt (vgl. Rind, Tromovitch & Bauserman, 1998).
aus:
Vogt, Horst (2006): Pädophilie: Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer; Papst Science Publishers
Zum Anteil Pädophiler Täter:
1% (Wolter, 1985), 5% (Lautmann, 1994), 2 - 10% (Kinsey-Report, Lautmann, Brongersma, Groth,
(Anm.: zitiere ich ungerne, weil ich kaum nähere Angaben habe, nicht mal eine Jahreszahl)), 12% (Zonana & Abel 1999), 15% (Beier 1995, Bosinski 1997), 20% (Fiedler 2004), 30% (Barbaree & Marshall, 1989)
Ich halte einen Anteil im Hellfeld von ca. 10 - 15% für realistisch. Im Dunkelfeld könnten pädophile Täter durchaus häufiger vorkommen, was ich mir damit erkläre, dass durch Pädophile deutlich seltener Druck/Zwang/Gewalt angewendet wird und es dadurch auch seltener zu Anzeigen kommt.
lg kim