TIDELAND, Terry Gilliam und Pädophilie
Verfasst: 29.11.2009, 01:46
TIDELAND, Terry Gilliam und Pädophilie
"Tideland" ist ein 2005 entstandener Film von Terry Gilliam. (Romangrundlage: Mitch Cullin)
Der Film wurde bei seinem Erscheinen stark kontrovers und vielfach ablehnend aufgenommen. In den deutschen Kinos wurde er nicht gespielt, auf DVD ist er aber in einer deutschen Synchronfassung erhältlich.
Für Girllover ist der Film mitunter aus zwei Gründen interessant: Zum ersten, weil die 9-jährige Jodelle Ferland in der Hauptrolle der Jeliza-Rose zu beeindrucken weiß, zum Zweiten, weil eine pädophil anmutende Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind thematisiert wird. Die vielen Zitate aus "Alice im Wunderland", die einen Bezug zu Lewis Carroll herstellen sollen - Jeliza-Rose liest immer wieder Passagen aus dem Buch -, sind noch das Tüpfchen auf dem I.
Mir selbst hat der Film nicht gefallen. Mein Eindruck war, dass Gilliam die Darstellung von Grauenhaftigkeiten als Selbstzweck offenbar leider wichtiger war, als eine dramaturgisch interessante Geschichte, die die Laufzeit von über 1,5 Stunden rechtfertigt. Und der durch die immer wiederkehrenden Alice-Zitate postulierte Bezug zu Lewis Carroll ist insgesamt - wenn überhaupt - lediglich auf einer sehr oberflächlichen Ebene vorhanden. (Was letzteres betrifft, ist Gilliams Werk freilich beileibe kein Einzelfall.)
Interessant war für mich die Auseinandersetzung mit dem Film aber dennoch. Und nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Film selbst, sondern auch mit den (ebenfalls im Doppel-DVD-Paket enthaltenen) Kommentaren Gilliams zum Film und zu der gegen ihn vorgebrachten Kritik.
Zunächst aber kurz zum Filminhalt:
Das kleine Mädchen Jeliza-Rose (gespielt von Jodelle Ferland) wächst unter drogenabhängigen Eltern auf, die mit ihrer elterlichen Rolle heillos überfordert sind. Als Jeliza-Rose 9 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Der Vater zieht mit Jeliza-Rose daraufhin in sein abgeschieden gelegenes, verfallenes Geburtshaus, wo er kurz darauf ebenfalls an einer Überdosis stirbt. Jeliza-Rose lebt nun dort alleine neben der verwesenden Leiche ihres Vaters. Realität und Fiktion beginnen nun für sie zunehmend zu verschwimmen: Sie spricht mit dem toten Vater ebenso wie sie mit abgetrennten Puppenköpfen Zwiegespräche führt. Bei ihren Streifzügen durch die Gegend entdeckt Jeliza-Rose ein anderes abgeschiedenes Haus, in dem Dell und deren Bruder Dickens leben. Der etwa 20-jährige geistig behinderte Dickens lebt ebenso wie Jeliza-Rose in einer von der Realität weitgehend abgekoppelten Traumwelt. Auf dieser Ebene knüpfen Jeliza-Rose und Dickens Kontakt, der sich schnell intensiviert und später auch den Austausch sexueller Handlungen beinhaltet. Am Ende des Films kommt es zu einem Eisenbahnunglück, da Dickens den vorbeifahrenden Zug für einen zu bekämpfenden Haifisch hält und mit Dynamit in die Luft sprengt. Man sieht am Schluss lediglich noch kurz , wie Jeliza-Rose schließlich mit überlebenden Fahrgästen des verunglückten Zuges in Kontakt gerät.
Dass diese Geschichte, besonders auch aufgrund ihrer vielfach sehr detailreichen Darstellung, zu einem guten Teil auf Ablehnung stoßen würde, war Gilliam freilich schon im Vorfeld klar (und die Provokation wohl auch seine Absicht). Im Vorspann des Filmes "entschuldigt" sich Gilliam daher in einer kurzen an den Zuseher gerichteten Vorrede für den Film, und versucht zu erklären, was er mit der Geschichte eigentlich sagen wollte. Sinngemäß ins Deutsche übertragen sagt Gilliam Folgendes:
Viele Menschen werden den Film nicht mögen, viele werden ihn aber lieben und viele wiederum werden am Ende nicht wissen, was sie davon halten sollen. Das wichtigste ist aber, dass sie darüber nachdenken. Beenken Sie bitte Folgendes: Der Film wurde aus der Perspektive eines Kindes gedreht. Was schockierend wirkt, entspringt der Unschuld. Ich lade Sie daher ein, Ihre Erwachsenen-Erfahrungen, ihre damit verbundenen Ängste, Vorurteile, vorgefertigten Meinungen und alles, was den Blick auf die Welt beschränkt, bitte zu vergessen. Versuchen Sie wieder, wie ein Kind zu empfinden: Offen für Wunder, voller Unschuld und vergessen Sie dabei auch nicht den Humor. Denn Kinder sind stark, unverwüstlich und voller Lebensmut. Ich selbst habe, wie ich diesen Film machte, das Kind in mir wiederentdeckt und es hat sich gezeigt, dass es ein kleines Mädchen ist.
Gilliam betont also, dass der Film "aus der Perspektive eines Kindes gedreht wurde". Richtiger müsste es aber wohl heißen: Terry Gilliam hat das Drehbuch so geschrieben, wie er behauptet, dass ein Kind aus seiner Perspektive die Dinge erleben könnte. Das ist doch ein kleiner Unterschied.
Und wenn Gilliam so selbstsicher meint, dass das "was schockierend wirkt, der Unschuld entspringt", so scheint auch hier ein Einwand vonnöten zu sein: Denn wenn in dem Film etwas schockierend wirkt, dann ist es die detailreiche offensichtliche Darstellung von Grauenhaftigkeiten als Selbstzweck, die nicht durch einen übergeordneten dramaturgischen Rahmen wirklich schlüssig gerechtfertigt erscheint. Und diese Darstellung entspricht wohl nicht - wie von Gilliam behauptet - kindlicher Unschuld, sondern ganz alleine Gilliams eigenem - nicht unbedingt unschuldigem - erwachsenen Gehirn.
Wenn Gilliam in dem oben bereits angesprochenen Interview auch die im Film gezeigten - sexuelle Handlungen miteinschließende - Beziehung zwischen dem geistig behinderten 20-jährigen Dickens und der 9-jährigen Jeliza-Rose als "unschuldig und nicht verwerflich" bezeichnet, so scheint auch hier eine nähere Erklärung angebracht:
Der geistig behinderte Dickens kann moralisch freilich nur eingeschränkt für sein Tun als verantwortlich angesehen werden. Das gilt für seine - sexuelle Handlungen einschließende - Beziehung zu Jeliza ebenso wie für den von ihm verübten fatalen Sprengstoffanschlag auf den Zug, den er für einen zu bekämpfenden Haifisch hält. Dass die Taten des geistig behinderten Dickens fatale Auswirkungen auf die Außenwelt haben können - und zwar völlig unabhängig davon, ob sie nun vom (individuellen) moralischen Standpunkt aus unschuldig oder verwerflich sind - zeigt sich spätestens durch das Zugsunglück hingegen mehr als offensichtlich.
Gilliam meint, dass viele Betrachter auch deshalb mit der Tatsache, dass das Kind in einem sexuellen Kontext erscheint, Probleme haben, da sie bei sich selbst ungewollte Reaktionen beobachten. So stellt er etwa im Interview fest:
Wenn das 9-jährige Kind Jeliza sich mit Perücke und Lippenstift herrichtet, verwandelt es sich plötzlich scheinbar in eine attraktive junge Frau. Männer führen sich unwohl, wenn sie das Mädchen plötzlich attraktiv finden, obwohl es in Wirklichkeit erst 9 Jahre alt ist und fragen sich vielleicht, ob sie pädophil sind. Das ist aber ein Unsinn, da es sich ja lediglich um eine Reaktion auf ein sexualisiertes Bild handelt, wie wir es in vielfältiger Weise ständig in den Medien finden und darauf reagieren.
Gilliam meint also, dass erwachsene Männer, die den Film sehen, die kleine Jodelle Ferland in ihrer Rolle als Jeliza-Rose in den Momenten plötzlich selbst "attraktiv" finden könnten, wo sie sich künstlich älter und reifer aussehen lässt.
Damit mag er Recht haben. Ich wage aber zu behaupten, dass bei vielen Girllovern - bei mir selbst weiß ich es sicher - der Fall genau umgekehrt liegt: Das Mädchen verliert durch die versuchte künstliche Elimination der Kindlichkeit an Attraktivität. Freilich: Die Kindlichkeit geht nie ganz verloren, auch dort nicht, wo sich das Mädchen in einem gemachten erotisch-sexuellen Kontext befindet. Aber in diesen Momenten dominiert die Ambivalenz zwischen noch nicht erlangter Erwachsenenreife und dem sich schon Erwachsen-Geben und schafft - in Abgrenzung zur Kindheit und Kindlichkeit - die neue Qualität der Jugend. Wenn genau dieser Zustand der Auslöser für ein Attraktivitätsempfinden seitens des erwachsenen Mannes ist, dann hat Gilliam wohl Recht, dass es sich dabei kaum mehr um Pädophilie handelt (schon gar nicht um Girllove "Carroll'scher Prägung", wie die Alice-Zitate im Film zu Unrecht unterschwellig suggerieren), sondern vielmehr um heterosexuell orientierte - wohl weit verbreitete - Tendenzen eines "Lolitasyndroms".
Dass letzteres durch die moderne (Medien-)Gesellschaft forciert wird und die Kindheit tendenziell eliminiert, ist keine neue Erkenntnis und wurde auch von Gilliam richtig beschrieben, wenn er zB. feststellt:
Beim Casting hatten wir ein Problem: Im Buch ist das Mädchen 12 Jahre alt, d.h. an der Schwelle zur Pubertät. Aber die 11- oder 12-jährigen Mädchen (in Kanada), die wir uns angesehen haben, waren schon nicht mehr unschuldig. Sie glichen zu sehr dem, wozu die Medien sie machen wollten: Sie trugen Miniröcke und waren "schick, wie große Mädchen". Für den Film mussten wir ein Mädchen finden, dass noch kindlich-unschuldig ist, aber dennoch die Filmrolle gut genug spielen konnte.
Gilliam sagt hier am Ende indirekt selber, dass es für ihn offenbar reizvoll ist, seinen eigenen Beitrag zur gesellschaftlich so forcierten exogenen Kindheits-Elimination zu liefern. Wenngleich dies aufgrund des bereits fortgeschrittenen Prozesses - was wohl richtig ist - immer schwieriger wird und man altersmäßig immer früher ansetzen muss. Nun ja.
"Tideland" ist ein 2005 entstandener Film von Terry Gilliam. (Romangrundlage: Mitch Cullin)
Der Film wurde bei seinem Erscheinen stark kontrovers und vielfach ablehnend aufgenommen. In den deutschen Kinos wurde er nicht gespielt, auf DVD ist er aber in einer deutschen Synchronfassung erhältlich.
Für Girllover ist der Film mitunter aus zwei Gründen interessant: Zum ersten, weil die 9-jährige Jodelle Ferland in der Hauptrolle der Jeliza-Rose zu beeindrucken weiß, zum Zweiten, weil eine pädophil anmutende Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind thematisiert wird. Die vielen Zitate aus "Alice im Wunderland", die einen Bezug zu Lewis Carroll herstellen sollen - Jeliza-Rose liest immer wieder Passagen aus dem Buch -, sind noch das Tüpfchen auf dem I.
Mir selbst hat der Film nicht gefallen. Mein Eindruck war, dass Gilliam die Darstellung von Grauenhaftigkeiten als Selbstzweck offenbar leider wichtiger war, als eine dramaturgisch interessante Geschichte, die die Laufzeit von über 1,5 Stunden rechtfertigt. Und der durch die immer wiederkehrenden Alice-Zitate postulierte Bezug zu Lewis Carroll ist insgesamt - wenn überhaupt - lediglich auf einer sehr oberflächlichen Ebene vorhanden. (Was letzteres betrifft, ist Gilliams Werk freilich beileibe kein Einzelfall.)
Interessant war für mich die Auseinandersetzung mit dem Film aber dennoch. Und nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Film selbst, sondern auch mit den (ebenfalls im Doppel-DVD-Paket enthaltenen) Kommentaren Gilliams zum Film und zu der gegen ihn vorgebrachten Kritik.
Zunächst aber kurz zum Filminhalt:
Das kleine Mädchen Jeliza-Rose (gespielt von Jodelle Ferland) wächst unter drogenabhängigen Eltern auf, die mit ihrer elterlichen Rolle heillos überfordert sind. Als Jeliza-Rose 9 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Der Vater zieht mit Jeliza-Rose daraufhin in sein abgeschieden gelegenes, verfallenes Geburtshaus, wo er kurz darauf ebenfalls an einer Überdosis stirbt. Jeliza-Rose lebt nun dort alleine neben der verwesenden Leiche ihres Vaters. Realität und Fiktion beginnen nun für sie zunehmend zu verschwimmen: Sie spricht mit dem toten Vater ebenso wie sie mit abgetrennten Puppenköpfen Zwiegespräche führt. Bei ihren Streifzügen durch die Gegend entdeckt Jeliza-Rose ein anderes abgeschiedenes Haus, in dem Dell und deren Bruder Dickens leben. Der etwa 20-jährige geistig behinderte Dickens lebt ebenso wie Jeliza-Rose in einer von der Realität weitgehend abgekoppelten Traumwelt. Auf dieser Ebene knüpfen Jeliza-Rose und Dickens Kontakt, der sich schnell intensiviert und später auch den Austausch sexueller Handlungen beinhaltet. Am Ende des Films kommt es zu einem Eisenbahnunglück, da Dickens den vorbeifahrenden Zug für einen zu bekämpfenden Haifisch hält und mit Dynamit in die Luft sprengt. Man sieht am Schluss lediglich noch kurz , wie Jeliza-Rose schließlich mit überlebenden Fahrgästen des verunglückten Zuges in Kontakt gerät.
Dass diese Geschichte, besonders auch aufgrund ihrer vielfach sehr detailreichen Darstellung, zu einem guten Teil auf Ablehnung stoßen würde, war Gilliam freilich schon im Vorfeld klar (und die Provokation wohl auch seine Absicht). Im Vorspann des Filmes "entschuldigt" sich Gilliam daher in einer kurzen an den Zuseher gerichteten Vorrede für den Film, und versucht zu erklären, was er mit der Geschichte eigentlich sagen wollte. Sinngemäß ins Deutsche übertragen sagt Gilliam Folgendes:
Viele Menschen werden den Film nicht mögen, viele werden ihn aber lieben und viele wiederum werden am Ende nicht wissen, was sie davon halten sollen. Das wichtigste ist aber, dass sie darüber nachdenken. Beenken Sie bitte Folgendes: Der Film wurde aus der Perspektive eines Kindes gedreht. Was schockierend wirkt, entspringt der Unschuld. Ich lade Sie daher ein, Ihre Erwachsenen-Erfahrungen, ihre damit verbundenen Ängste, Vorurteile, vorgefertigten Meinungen und alles, was den Blick auf die Welt beschränkt, bitte zu vergessen. Versuchen Sie wieder, wie ein Kind zu empfinden: Offen für Wunder, voller Unschuld und vergessen Sie dabei auch nicht den Humor. Denn Kinder sind stark, unverwüstlich und voller Lebensmut. Ich selbst habe, wie ich diesen Film machte, das Kind in mir wiederentdeckt und es hat sich gezeigt, dass es ein kleines Mädchen ist.
Gilliam betont also, dass der Film "aus der Perspektive eines Kindes gedreht wurde". Richtiger müsste es aber wohl heißen: Terry Gilliam hat das Drehbuch so geschrieben, wie er behauptet, dass ein Kind aus seiner Perspektive die Dinge erleben könnte. Das ist doch ein kleiner Unterschied.
Und wenn Gilliam so selbstsicher meint, dass das "was schockierend wirkt, der Unschuld entspringt", so scheint auch hier ein Einwand vonnöten zu sein: Denn wenn in dem Film etwas schockierend wirkt, dann ist es die detailreiche offensichtliche Darstellung von Grauenhaftigkeiten als Selbstzweck, die nicht durch einen übergeordneten dramaturgischen Rahmen wirklich schlüssig gerechtfertigt erscheint. Und diese Darstellung entspricht wohl nicht - wie von Gilliam behauptet - kindlicher Unschuld, sondern ganz alleine Gilliams eigenem - nicht unbedingt unschuldigem - erwachsenen Gehirn.
Wenn Gilliam in dem oben bereits angesprochenen Interview auch die im Film gezeigten - sexuelle Handlungen miteinschließende - Beziehung zwischen dem geistig behinderten 20-jährigen Dickens und der 9-jährigen Jeliza-Rose als "unschuldig und nicht verwerflich" bezeichnet, so scheint auch hier eine nähere Erklärung angebracht:
Der geistig behinderte Dickens kann moralisch freilich nur eingeschränkt für sein Tun als verantwortlich angesehen werden. Das gilt für seine - sexuelle Handlungen einschließende - Beziehung zu Jeliza ebenso wie für den von ihm verübten fatalen Sprengstoffanschlag auf den Zug, den er für einen zu bekämpfenden Haifisch hält. Dass die Taten des geistig behinderten Dickens fatale Auswirkungen auf die Außenwelt haben können - und zwar völlig unabhängig davon, ob sie nun vom (individuellen) moralischen Standpunkt aus unschuldig oder verwerflich sind - zeigt sich spätestens durch das Zugsunglück hingegen mehr als offensichtlich.
Gilliam meint, dass viele Betrachter auch deshalb mit der Tatsache, dass das Kind in einem sexuellen Kontext erscheint, Probleme haben, da sie bei sich selbst ungewollte Reaktionen beobachten. So stellt er etwa im Interview fest:
Wenn das 9-jährige Kind Jeliza sich mit Perücke und Lippenstift herrichtet, verwandelt es sich plötzlich scheinbar in eine attraktive junge Frau. Männer führen sich unwohl, wenn sie das Mädchen plötzlich attraktiv finden, obwohl es in Wirklichkeit erst 9 Jahre alt ist und fragen sich vielleicht, ob sie pädophil sind. Das ist aber ein Unsinn, da es sich ja lediglich um eine Reaktion auf ein sexualisiertes Bild handelt, wie wir es in vielfältiger Weise ständig in den Medien finden und darauf reagieren.
Gilliam meint also, dass erwachsene Männer, die den Film sehen, die kleine Jodelle Ferland in ihrer Rolle als Jeliza-Rose in den Momenten plötzlich selbst "attraktiv" finden könnten, wo sie sich künstlich älter und reifer aussehen lässt.
Damit mag er Recht haben. Ich wage aber zu behaupten, dass bei vielen Girllovern - bei mir selbst weiß ich es sicher - der Fall genau umgekehrt liegt: Das Mädchen verliert durch die versuchte künstliche Elimination der Kindlichkeit an Attraktivität. Freilich: Die Kindlichkeit geht nie ganz verloren, auch dort nicht, wo sich das Mädchen in einem gemachten erotisch-sexuellen Kontext befindet. Aber in diesen Momenten dominiert die Ambivalenz zwischen noch nicht erlangter Erwachsenenreife und dem sich schon Erwachsen-Geben und schafft - in Abgrenzung zur Kindheit und Kindlichkeit - die neue Qualität der Jugend. Wenn genau dieser Zustand der Auslöser für ein Attraktivitätsempfinden seitens des erwachsenen Mannes ist, dann hat Gilliam wohl Recht, dass es sich dabei kaum mehr um Pädophilie handelt (schon gar nicht um Girllove "Carroll'scher Prägung", wie die Alice-Zitate im Film zu Unrecht unterschwellig suggerieren), sondern vielmehr um heterosexuell orientierte - wohl weit verbreitete - Tendenzen eines "Lolitasyndroms".
Dass letzteres durch die moderne (Medien-)Gesellschaft forciert wird und die Kindheit tendenziell eliminiert, ist keine neue Erkenntnis und wurde auch von Gilliam richtig beschrieben, wenn er zB. feststellt:
Beim Casting hatten wir ein Problem: Im Buch ist das Mädchen 12 Jahre alt, d.h. an der Schwelle zur Pubertät. Aber die 11- oder 12-jährigen Mädchen (in Kanada), die wir uns angesehen haben, waren schon nicht mehr unschuldig. Sie glichen zu sehr dem, wozu die Medien sie machen wollten: Sie trugen Miniröcke und waren "schick, wie große Mädchen". Für den Film mussten wir ein Mädchen finden, dass noch kindlich-unschuldig ist, aber dennoch die Filmrolle gut genug spielen konnte.
Gilliam sagt hier am Ende indirekt selber, dass es für ihn offenbar reizvoll ist, seinen eigenen Beitrag zur gesellschaftlich so forcierten exogenen Kindheits-Elimination zu liefern. Wenngleich dies aufgrund des bereits fortgeschrittenen Prozesses - was wohl richtig ist - immer schwieriger wird und man altersmäßig immer früher ansetzen muss. Nun ja.