Gestern habe ich erfahren wie es ist sich ganz und gar der Realität zuzuwenden - was es heißt
wach zu sein, voll hier und ganz ich selbst.
Vielleicht waren auch 100 µg von irgendeiner Substanz im Spiel
Die Erfahrung war aber authentisch, denn ein guter Teil davon hält noch an.
Es hat damit angefangen, dass ich irgendwann verwirrt im Bett lag und nach nach einem klaren Geist gesucht habe, irgendjemanden der die Kontrolle hat. Da war aber niemand, kein Selbst, niemand der die Gedanken denkt. Also haben die Gedanken beschlossen, dass sie sich selbst denken müssen. Sofort hat sich alles geordnet und war vollkommen klar. Damit sind aber auch die Illusionen, Träume, Lügen, Geschichten weg die ich mir über mich selbst erzählt habe. Und ich kann meine blinden Flecken sehen - Dinge die ich auszublenden gelernt habe.
Wir alle kommen unwissend auf die Welt, werden mit Sinneseindrücken geflutet und bilden uns langsam ein Weltmodell daraus um als Wesen interagieren zu können. Wir leben nicht in der Welt selbst, sondern in unserem Modell, und vergleichen nur ab und zu. Es ist uns aber auch möglich das Weltmodell unseren Wünschen anzupassen und das tun wir alle unbewusst. Wir blenden Teile aus die wir nicht mögen und verschönern was nicht schön ist. Wir halten uns zum Beispiel für klüger als wir sind und ignorieren dass das Leben irgendwann endet.
Wenn die Illusion weg fällt, dann steht man der Realität nackt gegenüber und muss sich mit all diesen Dingen auseinandersetzen. Das befreit aber auch ungemein.
Bei mir war (ist?) es so, dass ich aus Angst mich zu outen (als pädo, trans, als komisch) einen Filter aufgebaut habe. In jeder sozialen Situation ist er angesprungen und hat wie ein Wachmann aufgepasst, dass ja nichts persönliches über mich herauskommt. Mein wahres Selbst wurde unterdrückt, während der Wachmann schauspielt.
Gestern dann, als ich jeden Atemzug wahrgenommen habe, alles so angenommen habe wie es ist, kam zufällig mein Vater kurz zu Besuch. Ich konnte live beobachten wie der Filter immer wieder angesprungen ist und mich mit Gewalt in die Dunkelheit gedrückt hat. Ich musste mich dann immer konzentrieren um wieder zurück zu kommen.
Das ist die Lüge der ich entkommen will. Andere Menschen belüge ich durch den Filter, und alleine flüchte ich mich in Träume. Nie aber stelle ich mich der Wahrheit. Und das schränkt mein Leben massiv ein.
Daraus kam die Erkenntnis, dass ich nicht gleichzeitig lügen und ich selbst sein kann. Weil ich mich aber daran klammer, komme ich zum Schluss, dass ich nicht mehr lügen kann - aus Angst mich selbst wieder zu verlieren.
Ich habe auch einen Zettel geschrieben:
"Ich lüge nicht mehr.
Und wenn doch, dann schrei mich an und sag:
Setzt dich in und meditier bis du wieder du selbst bist!"
Nur wie wird mein Leben dann aussehen? Auf der Arbeit muss ich täglich mit Leuten verhandeln und das funktioniert nicht wenn ich ehrlich bin. Und im persönlichen Umfeld wird irgendwann die Sprache auf Mädchen kommen. Und wenn mir mein gegenüber wichtig ist, dann werde ich auch ehrlich antworten. Von der sozialen Angst unter der ich leide wäre ein Outing das schlimmste überhaupt. Aber ich habe mir gesagt, wenn es dann irgendwann kommt, dann muss ich mich der Angst stellen. Wenn ich mich der Angst sowieso stellen muss, dann mach ich das am besten gleich jetzt, sonst weiß ich nicht ob ich es kann.
Es war wirklich schwer, ich habe geheult und dann irgendwann einen Waffenstillstand ausgehandelt.
Nun hab ich einen guten Rat gefunden: Das erste mal, dass man sowas erlebt soll man als Geschenk betrachten. Egal wie schön, wenn man versucht es festzuhalten oder zu erzwingen wird es einem entweichen. Wenn man los lässt kommt es langsam zurück.
Das war genau mein Fehler. Ich werde wohl in Zukunft noch lügen, aber ich arbeite daran öfter ich selbst zu sein.
Ich werde mir aber einen anderen Job suchen, und irgendwann werde ich mich auch meinen Eltern gegenüber outen können.