Quelle: http://www.nw-news.de/lokale_news/pader ... ndern.htmlPaderborn. Eine Fünfjährige fasst den Jungs aus ihrer Kindergartengruppe ständig in den Schritt. Ein Sechsjähriger versucht, einem dreijährigen seinen Penis in den Po zu stecken. Ist das kindliche Sexualität? Oder sexueller Übergriff? Sollten Erzieher einschreiten? Und wie? Antworten und Informationen zu diesem Tabu-Thema will die erste Paderborner Fachtagung "Sexuelle Übergriffe unter Kindern" geben.
Belladonna, Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), registriert eine wachsende Zahl von Anfragen aus Kindergärten zu dieser Thematik. "Hier ist ein neuer Beratungsschwerpunkt entstanden. Das pädagogische Personal in Kindergärten fühlt sich im Umgang mit solchen Situationen überwiegend nicht ausreichend qualifiziert", sagt Susanne Roesler, Sozialpädagogin von Belladonna.
Auch Psychologin Brigitte Tretow-Hardt von der freien Beratungsstelle Lilith konstatiert: "Beim Thema kindliche Sexualität herrscht bei Erzieherinnen und auch bei Eltern sehr viel Unsicherheit*."
Gemeinsam mit Andreas Baum vom Kreisjugendamt bereiten die beiden Expertinnen die Fachtagung vor, die vom Paderborner Arbeitskreis "Sexuelle Gewalt gegen Kinder" veranstaltet wird.
Die Verunsicherung beginnt damit, sogenannte altersgemäße "Doktorspiele" von sexuellem Missbrauch unter Kindern zu unterscheiden. Während kindliche Sexualität gekennzeichnet ist durch Spontaneität, Freude, Neugier und Unbefangenheit, ist bei Übergriffen Unfreiwilligkeit und Macht im Spiel und die Opfer sind in Not, erklärt Susanne Roesler. In diesem Fall verzögen sich Kinder oft an möglichst unbeobachtete Plätze und versuchten, das Geschehen geheim zu halten.
Warum macht ein Kind das?, fragen Erzieher und Eltern. Kinder können übergriffig werden, wenn sie beispielsweise Verhaltensweisen von Erwachsenen übernehmen, sagt Roesler: "Sexuell aggressives Verhalten wird auch schon von kleinen Jungen mit vermeintlich männlichem Rollenverhalten gleichgesetzt."
Ein anderer Erklärungsansatz ist die Kompensation mangelnden Selbstwertgefühls: "Das Ausüben von Macht und Kontrolle über Schwächere kann das Gefühl von Stärke verleihen."
Nicht auszuschließen ist auch die eigene Betroffenheit: "Übergriffe Kinder sind längst nicht zwangsläufig auch gleichzeitig Opfer, aber man muss sehr genau hinschauen", betont Brigitte Tretow-Hardt: "Auf jeden Fall ist genitale Sexualität kein Bedürfnis, das aus den Kindern selbst heraus entsteht." In jedem Fall sei es am wichtigsten, "die Ruhe zu bewahren und nicht aus einer Unsicherheit heraus überzureagieren."
Sexuelle Übergriffe unter Kindern habe es immer gegeben, so Tretow-Hardt, mittlerweile würden sie aber mehr und mehr thematisiert – bislang allerdings nur in Extremen: "Entweder wird bagatellisiert und das Kind allein gelassen, oder es wird dramatisiert", hat die Psychologin beobachtet.
Sexuelle Übergriffe unter Kindern stellen im Kindergarten "vor allem ein pädagogisches Problem dar", sagt Susanne Roesler: "Das betroffene Kind braucht Trost und Bestätigung, dass ihm Unrecht erfahren ist, sowie Schutz vor weiteren Übergriffen. Dagegen muss das übergriffige Kind erfahren, dass sein Verhalten keinesfalls toleriert, sondern klar sanktioniert wird.
Auch in der Beziehung zwischen Erziehern und Eltern, die "verständlicherweise meist hochemotional und heftig erschrocken** reagieren", plädieren die Expertinnen für mehr Gelassenheit und mehr Nüchternheit – ohne sexuelle Übergriffe dabei herunterzuspielen: "Ohne Zweifel ist Missbrauch eine schädliche Erfahrung für die Opfer. Aber weil das Thema Sexualität tabuisiert ist, kocht es besonders hoch und das ist nicht immer angemessen. Es hilft allen Beteiligten, wenn auf einen Missbrauch genauso konsequent reagiert wird wie auf anderes Fehlverhalten von Kindern."
Wichtig sei es darum, in Kindergärten (und anderen Einrichtungen) die Bereiche kindliche Sexualität und sexuelle Übergriffe offen anzusprechen, Definitionen bzw. Standards festzulegen und die Aufgaben von Erziehern oder Pädagogen abzustecken – als Grundlage für einen adäquaten Umgang sowohl mit betroffenen als auch mit übergriffigen Kindern.
Hab wieder einige Passagen unterstrichen. Hilft euch das, ist das dadurch besser oder sollte ich das besser lassen?
Dazu noch 2 rhetorische Spielchen:
* "unsicherheit" = unwissen, klingt nur besser. werd ich mir mal merken.

** "hochemotional und heftig erschrocken" = irrational bzw. ugs. hirnlos.