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Waldbär
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Mal mehr BL: Sagittas Bücher der namenlosen Liebe

Beitrag von Waldbär »

Hallo,

eigentlich passt der Text nicht recht an diese Stelle, allein, ich weiß auch nicht, wohin ich ihn sonst posten kann.

Sagitta (bürgerlicher Name John Henry MacKay) war ein BL, was in dem Wikipedia-Artikel
http://de.wikipedia.org/wiki/John_Henry_Mackay
nicht recht klargestellt wird, bestenfalls noch ein TBL. Unter dem Pseudonym "Sagitta" schrieb sich MacKay seinen Frust von der Seele - und versuchte ebenso wie einige hier und heute, unter Einsatz aller damals zur Verfügung stehender Mittel für die Anerkennung (seiner) Pädophilie zu kämpfen.

Es handelt sich hier zuerst um eine Art Einleitung zu der Nachveröffentlichung der "Bücher der namenlose Liebe", die Sagittas Kampf schildern. Ich habe diesen Text gescannt und veröffentliche ihn hier als Antwort auf die Threads, welche diversen Aktionismus fordern.
Ich lege denen, die sich (hier!) planlos zusammenfinden, um die Welt verändern zu wollen mit Pädoparteien und Girlloverfronten, nahe, diesen Text genau zu lesen und ihn auf seine Aktualität zu prüfen. Den einzigen Gedankensprung, den man machen muss, ist den von Boylove auf Girllove - ansonsten passt alles.

Ich werde auch noch die Flugschrift "Gehör! Nur einen Augenblick" hier anhängen, ich hatte jene seinerzeit schon einmal gepostet, finde sie aber nirgends wieder.

Sagitta starb 1933, seine Texte sind deshalb inzwischen frei. Ich habe noch einen Haufen Fehler aus der OCR darin übersehen, ich weiß, aber ich wollte auch die Originalschreibweise erhalten und deshalb keine automatische Rechtschreibkorrektur anwenden. Sorry für Leseprobleme deswegen.

Waldbär hatte heute sowieso einen BL-Tag
Zuletzt geändert von Waldbär am 25.10.2009, 00:14, insgesamt 2-mal geändert.
Liebst du die Sonne? ©Mima

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Waldbär
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Re: Mal mehr BL: Sagittas Bücher der namenlosen Liebe

Beitrag von Waldbär »

I
EINGANG
ICH habe einen Kampf gekämpft, einen Kampf, in dem
ich unterlegen bin. Ich habe ihn gekämpft um die
Liebe, die die Liebe auch meines Lebens ist, um die
Liebe, die ich die ,namenlose‘ nannte, da kein Name
sie heute recht noch nennt.
Ich habe ihn gekämpft um die Ehre, die Wahrheit
und die Schönheit dieser Liebe.
Ich habe ihn gekämpft mit meiner ganzen Kraft:
bewußt, zielsicher und hingebend.
Ich bin in ihm unterlegen. Vielleicht gerade des-
halb bin ich in ihm unterlegen.
Der Kampf ist beendet.
Er ist beendet für Heute, um Morgen wieder zu be-
ginnen.
Aber zwischen diesem Heute und jenem Morgen liegt
eine lange Nacht, deren Ende Niemand sieht und deren
Tagesgrauen Keiner von uns mehr erleben wird. Denn
ein solcher Kampf wird nur einmal gekämpft in einem
Leben, nur einmal in dem Leben einer Generation.

Es ist Nacht.
Der Kampf ist beendet und ich bin unterlegen.
Alles, was ich noch thun kann, ist: in den langen
Stunden dieser Nacht, in deren Schweigen sie uns und
unsere Liebe weiter morden, die Geschichte dieses
Kampfes, dieses meines Kampfes um die namenlose
Liebe, zu erzählen.
Sie zu erzählen bin ich mir selbst schuldig, wie ich
es schuldig bin Denen, die einst bei der Durchforschung
unserer Zeit nach den ersten Anfängen des Kampfes
um diese Liebe nicht vor vagen und verleumderischen
Gerüchten, sondern vor Thatsachen stehen wollen und
sollen.
Ich gebe daher vor Allem diese Thatsachen, und wer
bei der Aufzählung ihrer Enzelheiten ermüden oder
wem die eine oder andere von ihnen überflüssig er-
scheinen sollte, der möge bedenken, daß ich nicht zu
ihm mehr spreche, der diesem Kampfe mit vollkommener
Gleichgültigkeit zusah, obwohl es auch sein Kampf War,
sondern zu Denen, die einst ohne die Kenntniß seiner
Geschichte seinen Ausgang nie begreifen würden.
Ich werde seine Geschichte daher erzählen in allen
ihren Einzelheiten.
Ich will zeigen, mit welchen Waffen ich kämpfte; ich
will zeigen, mit welchen Waffen ich bekämpft wurde.
Ich spreche nicht mehr zu meiner Zeit, der Zeit, in
der zu leben ich verflucht bin, einer Zeit, die mich
nicht hört und nicht hören will, weil sie von dieser
Liebe Nichts hören will.
Ich spreche zu der Zeit, die nach mir kommt: einer
Zukunft, die sich keiner Frage, die das Leben an sie
stellt, mehr verschließen darf, zu einer freieren und
darum besseren und gerechteren Zeit.
Es ist Nacht.
Um das einsame Feuer unserer Liebe schaaren sich
die Wenigen, deren Treue allein seine karge Flamme
noch wach hält in den langen und bangen Stunden
dieser kalten Nacht.
Sie nur hören mir zu. Ihnen zunächst will ich die
Geschichte meines Kampfes um ihre Liebe erzählen.
Wie sie mich jetzt hören, wird mich einst die Zu-
kimft hören.
Sie lauschen . . . Aber — ach! — wie Wenige sind
ihrer!
Und wie schwach brennt unser Feuer! . . . .


2

ENTSCHLUSS ZU DEM KAMPFE
ICH will nicht selbst sprechen.
Ich will die nüchternen und harten Thatsachen reden
lassen.
—— Es war im Jahre 1905, als ich den Plan faßte, in
einer Reihe von Schriften, die den gemeinsamen Titel:
"SAGITTA’S BUECHER DER NAMENLOSEN LIEBE"
tragen sollten, Licht und Wahrheit über das Wesen
einer Liebe zu verbreiten, die ganz allgemein seit zwei-
tausend Jahren hier für ein Verbrechen, dort für eine
Krankheit, immer aber, hier und dort, für ein Laster
angesehen wurde, dessen Bekämpfung und Unter-
drückung in jedem Falle als eine unanzweifelbare
Forderung der Kultur betrachtet werden müsse, während
diese Liebe in Wirklichkeit weder ein Verbrechens noch
eine Krankheit, und wenn sie Liebe war, schon deshalb
kein Laster sein konnte; die folgerichtig demnach in
der Entwickelung der Menschheit als solche wie jede
andere Liebe hingenommen, beurtheilt und bewerthet
werden mußte, sollte nicht die erste und unabweis-
barste Forderung jeder Lebens-Betrachtung und Lebens-
Erforschung: Unvoreingenommenheit des Urtheils außer
Acht gelassen und mit Füßen getreten werden.
Das aber war bisher geschehen — immer und
überall! Denn die Wissenschaft stellte sich, statt zu
untersuchen, ob diese Liebe in Wirklichkeit ein Ver-
brechen, ein Laster oder eine Krankheit war, in den
Personen ihrer Vertreter, die sich berufen fühlten, die
Menschheitzu richten, zu heilen und zu retten, aus-
nahmslos von Vornherein auf den Standpunkt, daß sie
ein Verbrechen, ein Laster oder eine Krankheit sei,
und während die Aerzte ihre Heilung, die Richter
ihre Bestrafxmg und die Priester ihre Verdammnng
befürworteten und verlangten, fanden sie sich Alle —
einmüthig auch mit der ganzen öffentlichen Meinung —
in dem Rufe nach ihrer Unterdrückung.
Dieser Zustand, unerträglich an und für sich am
Eingang eines zwanzigsten .Iahrlnmderts der Menschheits-
Entwickclung, mußte endlich vollends unertragbar für
Die geworden sein, welche unter diesem allgemeinen
Vorurtheil als die zunächst Betroffenen litten — war es
jedenfalls für mich geworden, der ich (vielleicht mehr
als irgend ein Anderer) unter ihm gelitten.
So entstand nach langem Kampfe, langsam, aber
unahweislich, in mir der Entschluß zu diesen Büchern.

3
SCHLACHTPLAN
ICH wußte Nichts, oder doch fast Nichts, von Denen,
die gleich mir gelitten hatten und litten. Ich wußte
nur, daß ihre Zahl weit größer sein mußte, als ich es
geahnt, weit größer, als allgemein angenommen wurde,
und jedenfalls groß genug, daß ein Kampf um ihre Sache
mit Aussicht auf einen Sieg gewagt werden konnte.
Sie Alle, die bisher geschwiegen, wie ich geschwiegen,
warteten offenbar nur auf das erste, erlösende Wort,
um selbst sprechen zu können. Ich wollte es sprechen,
dieses erste Wort . . .
Ich beschloß, bevor ich mich an die breite Oeffentlich-
keit wandte, mich zunächst an Die zu wenden, in denen
die natürlichen Bimdesgenossen in diesem Kampfe zu er-
blicken ich wohl berechtigt war. In ihre Hände, die da-
zu bestimmt waren, sie späterhin weiterzugeben, sollten
diese Bücher zuerst gelangen. Sie kennen zu lernen: zu
erfahren, wie groß ihre Anzahl in Wirklichkeit, wie heiß
ihre Sehnsucht und wie stark ihr Muth war; zu hören,
wie sie selbst über ihre eigene Liebe dachten und wie
sie in ihr fühlten; endlich zu wissen, auf wen in
diesem Kampfe zu zählen war, war erstes Erforderniß.
Der Weg der namentlichen, die Oeffentlichkeit vorerst
völlig ausschließenden Subscription unter ganz bestimmten
Bedingungen war somit der von selbst gegebene.
Ihn wollte ich also zunächst gehen: die Bücher
sollten einstweilen — und zwar jedesmal zwei in einem
Jahre — auf diesem Wege der Subscription in je
Tausend Exemplaren ——~ (Tausend: was waren Tausend
unter so Vielen!) —— dem engeren Kreise Derer zu-
gänglich gemacht werden, die an ihmen das nächste
und größte Interesse haben mußten, und zwar in einer
Art und Weise der Ankündigung und Ausstattung, die
jedem Verdacht: es könne sich hier um Anderes, als
eine ernste Sache handeln, von Vornherein die Spitze
abbrechen sollte.
War dieses Ziel: die Erschließung eines festbestimmten
Kreises erreicht, so war das Weitere: der Weg zu der
breiten Oeffentlichkeit frei und die eigentliche Arbeit
Eir das endliche der Aufklärung hatte zu beginnen. ——

Leicht erschien mir der erste Wveg im Vergleich
zum zweiten — ein Thalgang nur vor dem beschwer-
lichen Aufstieg.


4
"SAGlTTA"
ICH wußte, daß es in einen Kampf ging.
Hier stand nicht Mann gegen Mann. Hier stand, zu
Änfang weinigstens, Einer gegen Alle.
Als SAGITTA wollte ich ihn kämpfen.
Ich bin keinem Menschen, als mir selbst, Rechenschaft
schuldig über die Gründe, die mich dazu veranlaßten.
mit geschlossenem Visir zu kämpfen, und nur gedanken—
lose Neugier oder die Unverschämtheit könnten es
wagen, nach diesen Gründen zu fragen. Ganz abgesehen
davon, daß es nicht darauf ankommt, oh man mit be-
wehrter oder unhewehrter Brust, sondern darauf, wie
und mit welchen Waffen man kämpft, hat mir schon der
Ausgang dieses Kampfes: der so leichte Sieg einer durch
ein übermächtiges Vorurtheil geschützten Gewalt gezeigt,
wie wahnsinnig und wie zwecklos zugleich das Opfer
der eigenen Person gewesen wäre, statt sie als letzte
Waffe zu sparen für einen endlichen, wenn auch in
anderen und ferneren Tagen liegenden Austrag der Sache.
Wenn ich also diesen Kampf überhaupt kämpfen
wollte, konnte ich nur so kämpfen, und nur so gewann
ich mir auch als ersten Genossen und Helfer in ihm den
wackeren Mann, dessen hier als erstem zu allem Anfang
gedacht sei: den Mann, der — obwohl persönlich ganz un-
interessiert an dieser Sache und erst durch meine Bücher
von ihrer Berechtigung und Bedeutung überzeugt — mir
in allen Widerwärtigkeiten und Fährnissen der kommen-
den Jahre zur Seite gestanden hat bis zuletzt, und dessen
Handlungsweise von so viel Großherzigkeit und Muth all’
Denen die Röthe der Scham in’s Gesicht jagen sollte, die-
unthäitig und feige diesem Kampfe um ihre Sache aus
der Ferne zugesehen haben, statt zu thun, was zu thun
eine Pflicht gewesen wäre gegen sich selbst.
Auch er hat keinen Dank für seine Mühen und seine
Aufepferung geerntet. Aber auch er hat ihn gefunden in
dem Bewußtsein, seine Kräfte in den Dienst einer guten
Sache gestellt zu haben, einer Sache, um die es Anders
stünde, hätte sie in ihren Reihen Derer mehr, wie er. Ich
brauche seinen Namen hier nicht zu nennen. Er steht auf
den Titeln der Bücher als ihr Verleger, und wenn auch An-
dere ihm nicht gedankt- haben, ich thue es heute und hier.


5
ERSTE SUBSCRIPTIONS—ElNLADUNG.
ERSTE ENTTAEUSCHUNG
AM 1. August 1905 erfolgte als erster Vorstoß die erste
Subscriptions-Einladung auf die ersten beiden der
„BUECHER DER NAMENLOSEN LlEBE“: „DIE NA-
MENLOSE LIEBE. Ein Bekenntniß“ das erste; ,,WER
SIND WIR? Eine Dichtung der namenlosen Liebe“
das zweite. Das erste Buch, gering in seinem Umfang,
wollte ich als ihr ihnen allen gemeinsames Vorwort
den Büchern voranstellen, da „diese selbst mir keine
rechte Einfügung dieses einleitenden Bekenntnisses er-
lauhten“.
Die Bedingungen der Subscription waren auf das Ge-
naueste formuliert: die Oeffentlichkeit wurde vollständig
ausgeschlossen; auf jedes der Bücher konnte einzeln,
aber nur durch eigenhändige Unterzeichnung eines
Scheines subscribiert werden, in dem der Subscribent
ausdrücklich erklärte, daß er „an Schöpfungen der Kunst
und Litteratur, die vielleicht geeignet seien, das Scham-
gefühl sogenarmter normaler Menschen zu verletzen,
grundsätzlich keinen Anstoß nehme“; und endlich, daß
er das Buch nur zu seinem Privatgebrauch erwerbe.
Die Gründe, die zu dieser Form der Veröffentlichung
bewogen, wurden — als leider nur zu naheliegende —
dargelegt: „so lange es einem Theil der Menschen mög-
lich ist, nicht nur das Handeln, sondern auch das Denken
des anderen Theiles gewaltsam zu kontrollieren, und so
willkürlich hemmend in den Gang der Kultur einzu-
greifen, erwächst nicht nur den Verfassern, Verlegern
und Druckern von Werken, die diesem Fortschritt
dienen, die Pflicht gegen sich selbst, sich auf jede Weise
gegen alle etwa, möglichen Eingriffe zu schützen, son-
dern auch deren Erwerbern“. So sei denn, wurde
gesagt, ein Weg eingeschlagen, der alle Genannten
gleichermaaßen sicherstelle. . .
Und nachdrücklichst wurde noch „Jeder, der hinter
dieser Ankündigung von Werken einer ernsten und
strengen Kunst irgendwelche Sensationen nach be-
kannter Art” suche, vor der Subscription gewarnt, da
er sich sonst sehr enttäuscht sehen würde. Hingegen
wurde Solchen, die darnach verlange, auf ein dunkles
Gebiet, in das Forschung und Kunst kaum die ersten
Schritte gethan, neue Lichter fallen zu sehen, die Hoff-
nung nahe gelegt, diese Bücher einer namenlosen und
unverstandenen Liebe zur Kenntniß eines verständniß-
vollen Kreises zu bringen.
Zum Schluß wurde noch die Versicherung gegeben,
daß hier kein Name, welcher es auch immer sei, genannt
werden würde, ein Versprechen, das gehalten wurde,
wie nur ein Versprechen gehalten werden kann. —
Langsam, unendlich langsam, liefen die ersten Sub-
scriptionen ein, kamen die ersten als so wichtig er-
betenen Adressen.
Als die beiden Bücher —~ in einer ersten Officin
Deutschlands auf echtem Material gedruckt und muster-
gültig in ihrem äußeren Gewande — erschienen, war
die Zahl der Subscribenten eine so kleine, daß ich mir
sagen mußte, eine erste Erfahrung gemacht zu haben,
eine Erfahrung, die zugleich eine erste, große Ent-
täuschung war.

6
ZWEITE SUBSCRIPTIONS-EINLADUNG.
AUSSICHTSLOSIGKEIT
ABER so leicht durften die Waffen nicht aus der Hand
gelegt werden.
Vielleicht hatte eine von allem Anfang an zu hoch
gespannte Hoffnung zu Viel erwartet: vielleicht erreichte
die Beharrlichkeit, was dem Muth allein nicht sofort
gelingen wollte.
So erfolgte, nicht ganz ein Jahr später, am 1. Juli 1906,
die zweite Subscriptions-Einladung auf das dritte und
vierte Buch: das dritte „FENNY SKALLER. Ein Leben
der namenlosen Liebe“,nnd das vierte „UEBER DIE
STUFEN VON MARMOR. Eine Scene der namenlosen
Liebe“. Die Subscriptionsbedingungen blieben unver-
ändert genau dieselben und wurden wiederholt. An
ihrem Schlusse aber wurde gesagt, daß „nachdem die
ersten beiden Bücher erschienen seien und keine Zweifel
mehr an der Lauterkeit der Absichten und dem Ernste
dieser Kunst gestatteten" nun gezeigt sei, um welche
Art von Werken und um was es sich hier handele;
und es wurde zugleich darauf hingewiesen, daß, wenn
jetzt das Interesse nicht einsetze und die Herausgabe
der weiteren Bücher sichere, das Unternehmen mit den
beiden ersten zugleich seinen Abschluß gefunden haben
müsse.
Auch dieser Appell blieb umsonst!

Obwohl das Material an Adressen wuchs und wuchs,
und obwohl Nichts versäumt wurde mit seiner Hülle
an alle subjektiv oder objektiv an dieser Frage Inter-
essierten zu gelangen — die Zahl Derer, die Antwort
gaben, blieb zu klein, als daß das Wagniß der Druck-
legung weiterer Bücher vor dem ruhigen Urtheil hätte
gerechtfertigt erscheinen können.
Ich sah mich vor die Uninöglichkeit gestellt, den be-
gonnenen Kampf weiterzuführen: auch wenn ich die
Arbeitskralft noch weiterer Jahre gern in seinen Dienst
gestellt hätte -— die Mittel waren erschöpft.
Er schien mir, kaum begonnen, bereits beendet.

7
EINZIGE HUELFE — EINZIGE FREUDE
ER wäre es gewesen, wenn ihm nicht von Seiten eines
Mannes Htilfe gekommen wäre, dessen ich hier nur mit
tiefer Bewegung gedenken kann. Denn er lebt nicht
mehr. Unter all' den Schlägen, die diese arme Sache
von allen Seiten her und unausgesetzt getroffen haben
und treffen, ist der selbstgewählte Tod, den dieser starke
und völlig ungebrochene Geist einer von ihm für un-
heilbar gehaltenen langen Erkrankung des Körpers vor-
zog, sicherlich der schwerste Schlag gewesen. Nie hat
sie einen muthigeren und energischeren Freund gehabt
als ihn.
Äuch seinen Namen hrauche ich hier nicht zu nennen.
Wohl Jeder, der der Renaissance des Eros Uranies mehr
als das flüchtige Interesse der Neugier entgenbringt
und in ihr mehr als eine Frage des Tages, in ihr eine
Frage vor Allem der männlichen Kultur sieht, hat ihn
gehört. Und wer, der diese Renaissance ersehnt, wie
er sie ersehnte, kennt ihn nicht und hält ihn nicht in
ewigen Ehren! —
Mit dieser Hülfe, die ich unter Bedingungen annahm,
die mir keine anderen Verpflichtungen, als die freiwillige
der Dankbarkeit, auferlegten, wurde es mir möglich, die
unterbrochene Arheit wieder aufzunehmen, und sie ging
weiter.
Heute, we sie hcendet ist, und unter so ganz an-
deren Bedingnmgen zu Ende geführt werden mußte,
als je Einer von uns es ahnte und ahnen konnte,
und ich auf die dann folgenden Jahre des eigent-
lichen Weiter-Kämpfens und Unterliegens, diese Jahre
voll nie endender Drangsal und ununterbrochener
Aufregungen, der Bitternisse und immer neuer Ent-
täuschungen zurückblicke, heute erscheint mir die
Handlungsweise dieses seltenen Mannes mehr noch,
als was sie mir damals war, und ich sehe auf sie,
wie auf die einzige Freude, die mir diese Jahre und
dieser Kampf gebracht haben.

8
„GEHOER! — NUR EINEN AUGENBLICK! . . .“
DIE Arbeit ging weiter.
Da traten in dem Winter von 1907 auf 1908 plötz-
lich jene Ereignisse ein, die diese Sache und ihr Schick-
sal in ein ganz neues Licht rückten —— in das Volle
Licht der Oeffentlichkeit, in das grelle des Tages.
Es galt die Vernichtung eines politischen und in den
Kreisen der Macht einliußreichcn Gegners. In der
Politik aber, wo alle Begriffe, die sonst im Zusammen-
leben der Menschen, wenigstens hier und da noch,
Gültigkeit haben, und denen immerhin noch eine ge-
wisse Berechtigung zugestanden wird, Begriffe wie die
der Ehrlichkeit und Bitterlichkeit, der Achtung vor dem
persönlichen Leben und seiner Freiheit und ähnliche,
in der Politik, wo alle diese Begriffe ausnahmslos hin-
fällig werden und wo jede Waffe, auch die vergiftete,
erlaubt und gang und gäbe ist — was war da be-
quemer, als nach der so leicht zu handhabenden und
ihres Zieles stets so sicheren der Hinweisung auf die
„geschlechtliehe Veranlagung“ des Gegners zu greifen
und ihn so mit einem Schlage, nein, mit einem Wort
schon zu vernichten? ~— Es geschah, und sang- und
klanglos wäre auch dieses Opfer einer feigen Politik
gefallen, wenn nicht seine Begleitumstände diesen Fall
zu einem Ereigniß für die Oeffentlichkeit gemacht hätten,
die sie Monate lang in Athem hielt: dem Pöbel und
seinen sensationsgierigen Organen eine Wonne, den
Freunden kulturellen Fortschritts ein Ekel und ein Ab-
scheu, dem Wissenden aber ein Grauen.
Es war ein ganz Unerhörtes, das hier geschah: eine
Sache, die bis dahin, Jahrtausende lang, mit allen Mitteln
gewaltsamer und heimlicher Unterdrückung niederge-
halten, vertuscht und totgeschwiegen, die bis dahin
höchstens beäugelt und beblinzelt, beraunt und begraut
werden war, wurde plötzlich das Gespräch, das Haupt-
gespräch des Tages, und kein Mensch konnte irgend
eine Zeitung mehr in die Hand nehmen, ohne in ihr
auf die oft spaltenlangen Erörterungen des Problemes
der gleichgeschlechtlichen Liebe zu stoßen, Erörterungen,
die vor Nichts mehr Halt machten, es sei denn dem
Einen: der wirklichen Ergründung und dem Verständ-
niß der so behandelten Frage, was sie und ihren Ton
allein hätte entschuldbar machen können. Denn was
diese Erörterungen schufen, diese jähe "Aufklärung“,
war in Wirklichkeit weit schlimmer als die völlige
Unkenntniß, die bisher so siegreich geherrscht hatte.
An ihre Stelle traten nun jene halben Wahrheiten, die,
schnell zu neuen Schlagworten gemodelt, jeder neuen
tieferen Ergründung dieser Liebe auf Lange hinaus den
Weg versperren mußten und lüsterner Neugier allein,
nicht ernster und unvoreingenommener Betrachtung und
Forschung, erwünschte Nahrung gaben.
Nicht als ob für uns, die wir unsere jüngeren
Freunde mit männlicher Liebe lieben, die Personen
grade dieses aktuellen Falles in dem politischen Spiele
dieses Winters von irgendwelchern besonderen Interesse
hätten sein können — das Spiel selbst war es und
mußte es werden in seinem Ausgang. Wieder· waren
wir es, die — wie immer — durch ihn am Sehwersten
in unserer Liebe getroffen wurden. Denn wenn sich
auch einzelne Stimmen zu der Forderung der „Freigabe
des Verkehrs zwischen erwachsenen Personen“ erhoben
— die Jugend mußte „geschützt“ ,werden, und Nirgends,
aber auch Nirgends erhob sich jene, die auch nur an-
zudeuten wagte, daß es keinen besseren Schutz für die
Jugend geben könne, als den, welchen ihr wahre Freund-
schaft und echte Liebe sichert.
Eine Stimme wenigstens mußte sich jetzt endlich er-
heben, und laut und weithin mußte sie schallen,
sollte sie Aussicht haben, gehört zu werden, wie sie
es wollte.
Das Kampffeld war in diesem Winter ein anderes
geworden; ein anderer der Gegner. Es galt den
Sehlachtplan zu ändern, nur den Feind. besiegen zu
können.
Jener hieß jetzt die Öffentlichkeit; die Masse dieser.
Mein bisheriger Plan mußte, wenn nicht aufgehoben,
so doch aufgeschoben werden.
Meine Bücher hatten sich bei der einstweilen vor-
gesetzten Art ihrer Verbreitung nur an einen eng be-
grenzten, fest geschlossenen Kreis richten dürfen. Jetzt
galt es, sich an Alle zu wenden.

Sie waren „zu theuer“ gewesen. Also mußte ein Preis
angesetzt werden, der Nirgends ein Hinderniß mehr
sein konnte.
Eine Flugschrift allein, von geringem Umfang und zu
dem Preise von Pfennigen, allgemein verständlich ge-
halten und darmn wirkungsvoll in jedem ihrer scharf
unnrissenen Worte — sie allein konnte die nene Waffe
sein, geschmiedet in dem Feuer dieser Tage.
Zugleich aber mußten nunmehr Die, welche es
anging, verständigt werden über Zwecke und Ziele
dieses Kampfes. Und — jetzt mußten sie helfen
oder nie! ——
Diesen Appell erließ ich um die Jahreswende in dem
Rundschreiben „An die ernsten Freunde der Saehe‘“,
das zugleich mit einem Exemplar der Flugsehrift:
„GEHOER! —— nur einen Augenblick . . . Ein Schrei“
(um jedem Angerufenen ihre Kenntniß sofort zu ver-
mitteln) in geschlossenem Kuvert an alle von mir ge-
sammelten Adressen, fast eintausend, ging.
Jetzt mußte es sich zeigen, wie viele und welche
Freunde diese Sache besaß: ob der Kampf überhaupt
noch möglich war und erfolgreich fortgesetzt werden
konnte, oder ob er aufgegeben werden mußte, weil es
Keine oder doch zu Wenige gab, die ihn unterstützten
als ihren eigenen.
Immer noch hoffte ich das Erstere.
Jetzt mußte es sich zeigen.
Die Entscheidung war nahe.

9
ERSTES RUNDSCHREIBEN
MEIN Rundschreiben lautete in allem Wesentlichen so:
AN DIE ERNSTEN FREUNDE DER SACHE!
In diesen Tagen, wo das schwache Licht unserer
Liebe, so schlecht gehiitet von den Händen, die
seine Betreuung übernommen, in dem Sturm des
neu zur Wuth gefachten allgemeinen Hasses zu
verlöschen droht, stehen wir vor der Wahl: unter-
zugehen oder weiterzuleben.
Unterzugehen oder weiterzukämpfen. Denn
weiterleben bedeutet jetzt mehr als je für Jeden
von uns: weiterkämpfen.
Auf den Lippen Derer, die sich dem eigenen
Untergange noch entgegenstemmen, liegt die eine
Frage: Etwas muß geschehen. — Aber was? . . .
Ernste und einsichtige Freunde der Sache schen
alle Wege des Weiterwirkens verschlossen: die
sogenannte wissenschaftliche Forschung hat an
Stelle der absoluten Unkenntniß jene halben und
schiefen Wahrheiten gesetzt, unter deren entsetz-
licher Verwirrung wir heute schlimmer leiden,
als früher unter jener; jede Art der Vereinigung
stößt nach den gemachten traurigen Erfahrungen
heute gerade Die, zu denen sie vor Allem dringen
möchte, die Besten, ab, statt sie anzuziehen; eine
Zeitschrift würde, falls sie auf Subscription er-
schiene, ohne Wirkung auf weitere Kreise bleiben,
falls sie sich an die Oeffentlichkeit zu wenden
noch den Muth hätte, unterdrückt werden; an öffent-
liche Vorträge ist auf Lange hinaus nicht mehr zu
denken; und die Organe der öffentlichen Meinung,
ob Zeitung, ob Zeitschrift, öffnen sich zwar weiter
bereitwilligst jedem wüsten Unsinn, jedem An-
griff, von Welcher Seite er auch kommen möge,
saugen jede neue Sensation begierig auf, um die
krankhaft erhitzte Leidenschaft ihrer Leser durch
täglich neue Opfer zu befriedigen, verschließen
sich aber in sonst ungewohnter Einmüthigkeit
selbst dem ruhigsten Wort der Erwägung, das
jetzt noch für diese Sache zu sprechen wagt.
Als einziges Resultat der bisherigen Aufklärungs-
arbeit stehen wir Heute nicht vor der Abschaffung,
sondern vor der Verschärfung jenes Paragraphen,
der uns zu Verbrechern, unsere Liebe zum Laster
stempelt! . . .
Und dennoch muß Etwas geschehen! —
Es ist oft und immer von Neuem beklagt
worden, daß es uns noch völlig an allgemein ver-
ständlichen Aufklärungsschriften fehlt, an Schriften,
die eindringlich, kurz und klar, zur Verbreitung
in weiten Kreisen unbedenklich sich eignen.
Die ernsten und einsichtigen Freunde der Sache,
von denen ich sprach, sehen in solchen Schriften
allein noch einen Weg des Wirkens, nach dem alle
anderen Wege verschlossen sind. Wo aber ein Weg
ist, muß jetzt auch der Wille sein, ihn zu gehen. —
Als ich vor drei Jahren die Arbeit meiner
„Bücher der namenlosen Liebe“ begann, lag ihr
von vornherein ein bestimmter Plan zu Grunde.
lch wollte, nachdem ich in den beiden ersten
dieser Bücher den Begriff der „namenlosen Liebe"
bestimmt und die Frage nach dem „Wer sind
wir?" dichterisch zu beantworten versucht hatte,
ihn in dem dritten („Fenny Skaller“) psycholo-
gisch vertiefen und unserer Liebe in dem vierten
(„Ueber die Stufen von Marmor") und dem fünften
der Gedichte ihr hohes Lied singen, bevor ich
mich in einem sechsten und letzten, dem „Buch
der Briefe“, endgültig mit ihren Fragen im Ein-
zelnen auseinanderzusetzen gedachte. Dies Buch
sollte das eigentliche Buch der Kämpfe um diese
Liebe werden, und es war mir ein freundlicher
Gedanke, zu hoffen, dann auch vielleicht durch
die öffentliche Herausgabe einzelner dazu geeig-
neter Briefe auf weitere Kreise wirken zu dürfen,
Kreise, die mir bis dahin durch die leider noth-
wendige Form der Subscription verschlossen ge-
wesen waren.
Die Ereignisse dieser Tage nehmen mir den Ge-
danken voraus und rufen, ja zwingen mich zu
seiner Verwirklichung. —

Ich habe mich daher entschlossen, mit der öffent-
lichen Herausgabe eines, alle Fragen in eine Ant-
wort zusammenfassenden, Briefes einen Anfang zu
weiterer Wirkung. zu machen.
Ein solcher erster Versuch war vor drei Be-
dingungen gestellt: er mußte zunächst völlig un-
angreifbar gegen jede Maaßregelung von Außen,
von welcher Seite sie auch kommen könnte, sein;
er mußte zweitens so gehalten sein, daß er un-
bedenklich Jedermann, der ein einfaches Deutsch
überhaupt zu lesen und zu verstehen im Stande
ist, einerlei ob Mann oder Frau, Jung oder Alt,
Gebildet oder Ungebildet, in die Hand gegeben
werden konnte —— sich mit anderen Worten daher
an Das wenden, was alle Menschen, oder doch
fast alle, zu besitzen glauben: an ihr Herz; und er
mußte endlich wirkungsvoll sein.
Die beiden ersten Bedingungen glaube ich erfüllt
zu haben. Wie weit ich der dritten nahe ge-
kommen bin, kann einzig der Erfolg lehren.
An den ernsten Freunden der Sache ist es jetzt,
zu zeigen, ob sie ihre Mithülfe zur Begehung des
von mir eingeschlagenen Weges leihen wollen.
Denn nur mit ihr natürlich kann er zu irgend
einem Ziel führen.
Ich hoffe, diese Freunde immer noch zu finden,
obwohl ich Heute weiß, wie klein ihre Zahl im
Grunde genommen ist, und wie sehr die Ent-
muthigungen der letzten Zeit diese Zahl zusammen-
schmelzen ließen.
Auch für mich war es eine große und sicher-
lich die letzte große Enttäuschung meines Lebens,
als ich sehen mußte, welchem Mißtrauen, welcher
Voreingenommenheit des Urtheils und welch hä-
mischer, oft sogar bewußtcr Mißdeutung ernste
Arbeit für diese Sache nicht nur bei den Feinden,
nein, auch unter Denen ausgesetzt ist, die doch
genau wissen, wie ungeheuer schwer sie ist. Die
völlige Sonderstellung im Leben, die wir in unserer
Liebe einnehmen, hat — es soll und muß gesagt
werden - eine Verwahrlosung der Charaktere,
eine Verwirrung des Urtbeils und eine Verbitterung
erzeugt, die sich, so traurig es auch ist, selbst
gegen die eigene Sache kehrt. Und wo Das nicht:
so doch eine Muthlosigkeit und eine Ermattung,
die so groß sind, daß selbst die noch Aufrechten
sich ihrer zu erwehren haben, wenn sie sehen,
wie ihnen von jeder Seite her, sogar von der
eigenen, Hülfe und Mitwirkung versagt werden.
Aber ich weiß Heute auch, daß es eine zer-
streute Schaar Solcher giebt, die Nichts entmuthigen
kann. Zu ihr zu dringen versuche ich mit diesen
Worten: nicht um sie zu sammeln für irgend einen
Zweck (Nichts kann mir ferner liegen), sondern
um mich bei ihr zu fühlen. Wohl gilt es, sich
zu sammeln, aber nicht mit Anderen, oder gar
unter Andere, sondern sich zu sammeln zu sich
—— zu der Hoffnung, daß noch nicht Alles verloren
ist, zu dem Glauben an eine bessere Zeit, und vor
Allem sich zu sammeln zu der Liebe, in der wir
leben, mit einem Wort: zu der Erkenntniß, wie
wir noch wirken können . . .
Ihren Zuruf zu hören soll meine Freude sein.
Was immer mir Jeder aus ihr zu sagen hat, ich
werde ihm aufmerksam lauschen, seinen Hoff-
nungen und Befürchtungen, seinen Rathschlägen
und seinen Hinweisen, und, soweit es Zeit und
Arbeitskraft erlauben, auch antworten.
Nicht an Die daher wende ich mich mit diesem
Werk, die immer nur warten, daß Etwas gethan
wird, und die dann, wenn Etwas gethan ist, zwar
stets zu billiger und unfruchtbarer Kritik, nie aber
zu irgendwelcher Mitarbeit bereit sind; die, statt
einzig darnach zu fragen, was ein Mensch gethan
hat, sich in dreister und völlig unberechtigter, echt
weibischer Neugier allein mit der Frage beschäftigen,
wer dieser Mensch ist; die immer nur absprechen,
nie aber selbst an die Stelle des Sehlechten das
Gute, an die des Guten das Bessere setzen; und
die, wenn der Schrei ihrer Sache ertönt, fort-
laufen, statt in ihn einzustimmen . . . nicht an
sie wende ich mich, sondern an Die, die in ihn
einzustimmen bereit sind!
Ich erwarte und verlange keine „Opfer“. Nichts
ist lächerlicher als Opfer. Aber zwischen ihnen
und Dem, was man thun kann, was man eigent-
lich immer thun möchte und doch nie thut,
aus Lauheit und Trägheit, unter dem Druck der
Zeit und aller möglichen Umstände aufschiebt
und schließlich unterläßt, liegt der ganze Unter-
schied.
Ich habe geschrieen. Ich habe in meinen Schrei
Alles gepreßt, was ich selbst erlebt und erlitten,
gesehen und gehört habe, und nicht ein zweites
Mal werde ich die Kraft und Lust zu ihm finden,
nicht nochmals werde ich zu Denen sprechen, für
die ich wie hier gescluieen, wenn auch er un-
gehört verhallt.
Um die Jahreswende 1907-1908
SAGITTA
Liebst du die Sonne? ©Mima

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Re: Mal mehr BL: Sagittas Bücher der namenlosen Liebe

Beitrag von Waldbär »

10
NEUE ENTTAEUSCHUNG
IM Anschluß an dieses Rundschreiben setzte ich im
Namen meines Verlegers auseinander, in welcher Weise
die Verbreitung der Flugschrift geplant und gedacht
war — Wege wurden genannt, durch deren Begehung
einstweilen eine solche in Höhe von 50000 Exemplaren
unschwer erreicht werden müßte: „kein großer, aber
immerhin ein Erfolg, der in der Oeffcntlichkeit nicht
ganz übersehen werden könnte . . .“ Doch sollte dies
natürlich nur der Anfang sein, um sie von ihm aus
dann in ungezählten Exemplaren: Hundert- und Aber-
hunderttansenden — überallhin zu verbreiten.
Wieder war es eigentlich nur derselbe Mann, dessen
ich bereits gedacht habe, der auch diesmal sofort
begriff, worauf es ankam. Er bestimmte 500 Mark zur
Vertheilung der Flugschrift.
Für diese Summe, neben der die wenigen ander-
weitig gezeichneten nicht ins Gewicht fielen, da ihre
Anzahl zu klein war, konnten 3340 Exemplare versandt
werden. Von diesen 3340 Exemplaren gingen auf den
ausdrücklichen Wunsch des Gebers hin 1200 an die
Vorsteher von evangelischen Jünglingsvereinen in Deutsch-
land (deren Adressen versandfertig bezogen wurden),
die übrigen an die Mitglieder des deutschen Reichs-
tags, an Volks- und Stadtbibliotheken und andere
Institute. (Außerdem gingen auf eigene Kosten an die
1000 Exemplare zur Besprechung an Zeitungen und
Zeitschriften — unnütz zu sagen, daß auch nicht eine
einzige von ihnen die Schrift auch nur dem Titel nach
erwähnte). Den Zusendungen an die Vorsitzenden der
genannten Vereine (und in ähnlicher Weise auch den
anderen Sendungen) war ein gedrucktes Begleitschreiben
beigelegt, das ich hier seinem vollen Wortlaut nach
wiedergeben muß, da es in der ungeheuerlichen Ver-
kennung seines Zweckes recht eigentlich der Stein des
Anstoßes geworden ist. Es lautete, von dem Verleger
unterzeichnet, so:
„Indem ich Ihnen, als dem Vorsitzenden Ihres
Vereins, auf Veranlassung von Freunden der Sache,
die beifolgende kleine Schrift zu überreichen mir
erlaube, bitte ich Sie höiiichst, sie, welche eine
ernste Frage unserer Zeit in einer Weise be-
handelt, die wohl bei Niemandem Anstoß erregen
kann und wird, in Ihrem Vereinslocal aufzulegen
und in Ihrem Verein von Hand zu Hand gehen
zu lassen, um sie so zur möglichst allgemeinen
Kenntniß Ihrer Mitglieder zu bringen. —— Ich füge
hinzu, daß, wenn Ihr Verein als solcher oder das
eine oder andere Ihrer Mitglieder dem Verfasser,
der auf j e d e Antwort, von welcher Seite sie
auch immer kommen möge, aufmerksam hören
wird, eine solche zu geben wünscht, alle unter
obiger Adresse an mich gelangenden Zuschriften
für ,SAGITTA‘ von mir an ihn pünktlich weiter-
gegeben werden.“
Daß dieser Bitte nicht überall entsprochen werden
würde, war mir natürlich bewußt —— wer sich ihr ver-
schloß, konnte die Sendung ja einfach bei Seite legen;
daß sich irgend Jemand durch sie beleidigt fühlen
könnte, kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Wie
konnte auch wohl ein denkender und fühlender Mensch,
wie konnten vor Allem Jene, die die Liebe zu ihren
Mitmenschen als erstes und höchstes Gebot lehrten,
Anstoß an einer Aufforderung nehmen, Licht über das
wahre Wesen einer Liebe verbreiten zu helfen, die
eine Liebe war, wie jede andere Liebe, nur ärmer,
verfolgter, verkannter? — Manches habe ich seitdem
sehen, Vieles in seiner ganzen unerfreulichen Deutlich-
keit erst ganz begreifen lernen müssen, so auch Das:
daß es vielleicht keinen Stand giebt, der an Engherzig-
keit, Unduldsamkeit und dunklem Fanatismus den der
evangelischen Geistlichen übertrifft, aber auch Heute
noch, wenn ich die Briefe wieder lese, die mir aus
diesen Kreisen (von verschwindenden Ausnahmen ab-
gesehen) als Antwort eingingen, stehe ich verständniß—
los vor dieser Fluth niedriger Beschimpfungen, maaß-
losen Hasses und sinnloser Wuth, wie vor einem Un-
begreiflichen. . .
Was noch kommen sollte, wußte ich noch nicht.
Aber daß ich zum zweiten Male, und damit end-
gültig, unterlegen war, unterlegen war nicht an dem
Hasse der Feinde, sondern an der Gleichgültigkeit und
dem Unverständniß Derer, die jetzt zu ihrer Sache,
jetzt zu ihr, wie zu sich selbst, hätten stehen müssen,
das sah ich, und sah es nur zu bald!
Wohl fehlte es nicht an begeisterten Zustimmungen,
wohl wurde von einigen wenigen Einsichtigen der ge-
zeigte Weg, und zwar mit unbestreitbarem Erfolge,
beschritten, aber völlig versagte es daran, worauf es
ankam: an der Geschlossenheit des Vorgehens, der that-
kräftigen Mitwirkung jedes Einzelnen je nach Maaß-
gabe seiner Kräfte, und damit an der Bereitwilligkeit
Aller. . .
Ich war zum zweiten Male unterlegen und ein Sieg,
wie ich ihn heimlich noch immer erhofft, ewig un-
möglich.

11
BESCHLAGNAHME UND ANKLAGEEBHEBUNG
S0 war ein Nachspiel, wenn auch ein völlig un-
erwartetes, nur noch, was dann folgte, und leicht dem
Feinde die völlige Vernichtung des Gegners.
Was Keiner vorausgesehen, Niemand auch nur im
Traume für möglich gehalten hätte, geschah: am 12. März
1908 wurden nicht nur die Flugschrift, sondern auch
die erschienenen beiden ersten Bücher beschlagnahmt.
Eine sofort eingereichte Beschwerde gegen diese Be-
schlagnahme blieb erfolglos (nachdem am 4. April
noch nach dem dritten und vierten Buch ge·
haussucht worden war, die indessen nicht gefunden
werden konnten, weil sie — noch nicht erschienen
waren).
Der Beschlagnahme folgten zwei Anklagen auf dem
Fuße: die erste in Magdeburg wegen Beleidigung eines
dortigen Geistlichen, begangen durch Zusendung der
Flugschrift, eine Anklage, die, um es gleich vorweg-
zunehmen, nach zuerst erfolgter Freisprechung im ersten
Termin vom 15. Mai, mit der Verurtheilung des Ver-
legers im zweiten vom 8. Juli zu 50 Mark Geldstrafe
„wegen Beleidigung“, bestätigt durch das Oberverwal-
tungsgericht in Naumburg, endete.
Die zweite, weit umfassendere Anklage, erfolgte in
Berlin: die wegen Beleidigung von neunzehn Personen,
ausschließlich evangelischer Geistlicher, die sich eben-
falls sämmtlich durch die Uebersendung der Flugschrift
beleidigt fühlten. Ihre Erledigung sollte länger dauern.
Zugleich aber — und das war der Hauptanschlag
gegen diese Sache — wurden Bücher und Flugschrift
unter die Anklage gestellt, „unzüchtige Schriften“ zu
sein und der Verleger der Verbreitung dieser unzüch-
tigen Schriften beschuldigt.


12
NEUNZEHN MONATE
NEUNZEHN lange Monate, in denen jede Thätigkeit
unterbunden, jede weitere Wirksamkeit brach gelegt
und zur Unmöglichkeit geworden war, hat dieses Nach-
spiel gedauert.
Seine Phasen waren kurz die folgenden:
Der erste Termin in dieser Sache fand am 14. October
statt und wurde vertagt, weil die Staatsanwaltschaft
ihrerseits ebenfalls auf der Ladung von Sachverständigen
bestand; der zweite, zwei Monate später, am 9. Decem-
ber, führte zur Einstellung des Verfahrens, „da die Ver-
sendung der Flugschrift als eine einheitliche Handlung
aufzufassen sei, und das Magdeburger Gericht bereits
Veranlassung gehabt habe, Flugschrift und Bücher auf
ihren unzüchtigen Inhalt hin zu prüfen“. Gegen dieses
Urtheil der Richter legte der Staatsanwalt Bevision
beim Beichsgericht in Leipzig ein, das Ende April des
folgenden Jahres 1909 diesem Einspruch stattgab und
das Urtheil zu neuer Verhandlung zurückwies. Die
Richter hatten sich „geirrt“, und Flugschrift wie Bücher
blieben beschlagnahmt.
Am 6. October 1909 fand endlich die Hauptverhand-
ltmg statt, die damit endete, daß Bücher und Flugschrifl
als „unzüchtige Schriftcn“ erklärt wurden, womit zu-
gleich ihre Vernichtung ausgesprochen und ihre Ver-
breitung in Deutschland unter Strafe gestellt wurde.
Gleichzeitig wurde der Verleger wegen Verbreitung
dieser „unzüehtigen Schriften“, sowie wegen Beleidi-
gung, begangen durch Zusendung der Flugschrift, zu
600 Mark Geldstrafe und in die Gerichtskosten ver-
urtheilt. (Der Staatsanwalt hatte vier Monate Gefäng-
niß und 300 Mark Geldstrafe beantragt). Mit nicht
mißzuverstehender Deutlichkeit wurde er zugleich in
der Urtheilsverkündigmig darüber belehrt, daß jeder
weitere Schritt in dem Kampfe um diese Sache für ihn
zugleich ein Scl1ritt ins Gefangniß sein würde.
Der Kampf war beendet.
Die Gewalt hatte gesiegt.

13
DRITTE SUBSCRIPTIONS-EINLADUNG
UM die lange und qualvolle Zwischenzeit des Wartens
wenigstens nicht ganz verstreichen und das werthvolle
Adressen-Material nicht völlig veralten zu lassen, ent-
schloß ich mich unterdessen zu der Herausgabe des
fünften unter diesen Büchern der namenlosen Liebe:
den Gedichten „AM KANDE DES LEBENS“.
Denn obwohl nach dem Gesehehenen jetzt Alles
möglich war und mich Nichts mehr überrascht hätte,
schien mir doch dieses Buch unter den folgenden noch
am Ehesten vor der Gefahr einer neuen Beschlagnahme
gesichert zu sein. Es ist ja denn auch, merkwürdiger-
weise, noch unangetastet geblieben und bis Heute, dem
Erscheinen dieser Gesammt-Ausgabe, das einzige noch
erhältliche gewesen.
Die Subscriptions-Einladung auf dieses fünfte Buch,
die dritte, erschien am 1. Mai 1909 und im Juni
wurde das Buch, wie die beiden ersten, in einer Auf-
lage von 1000 Exemplaren und in derselben muster-
gültigen Ausslattung, wie jene, gedruckt. Die Bezugs-
bedingungen der Subscription blieben auch diesmal
unverändert dieselben. Die bisherige, so schicksalsreiche
Geschichte der Bücher wurde erzählt: „diese ungeheuer-
lichen Maaßnahmen einer in der Geschichte der Kultur
wohl beispiellosen Unterdrückung von Werken der
Kunst — einer Unterdrückung, selbst heute nur mög-
lieh, weil es sich hier um Werke handelt, die ein an-
deres Gebiet, als das noch immer allein von Macht und
Sitte privilegierte, zu betreten wagen“ kurz dargelegt,
zugleich aber auch versichert, es brauche nicht daran
gezweifelt zu werden, daß Sagitta, wenn seine Zeit zu
sprechen da sei, auch die letzte dieser Maaßnahmen in
jenes Licht rücken werde, dessen Helle kommenden
Tagen die ganze Kenntniß aller Einzelheiten dieser
Unterdrückung ermöglichen werde. (Man sieht, er l1at
sein Versprechen gehalten.} Zum Schluß war die Bitte
ausgesprochen, „durch Unterstützung wenigstens dieses
Buches einem schweren Kampfe die so nöthige Hilfe
zu leihen“, damit „nieht das Schlimmste von Allem ein-
trete: daß, wenn dieser Kampf siegreich beendet sein
sollte, die bis aufs Aeußerste erschöpften Mittel es nicht
mehr erlaubten, ihn fortzusetzen . . ."
Denn an einen völligen Sieg der Gewalt glaubte ich
damals noch nicht: wenigstens die Bücher mußten doch
freigegeben werden, nicht nur deshalb, weil sie gar-
nicht öffentlich erschienen waren, sondern auch, weil
bei ihrer Herausgabe ein Weg eingeschlagen war (kein
Exemplar wurde, wie gesagt, ausgegeben, das nicht auf
Grund eines eigenhändig unterschriebenen Scheines den
Namen des Subscribenten trug), sondern schon, weil
hier ein Weg gegangen war, wie er in dieser Strenge
wohl überhaupt noch nicht gewählt war, ein Weg, der
in sorgsamster Erwägung aller nur denkbar möglichen
Eingriffe gegen jeden sicherstellen mußte.

Wie sehr ich mich auch hier getäuscht hatte, sollte
das fünf Monate später gefällte Urtheil mich lehren.
Die Bitte auch dieser dritten und letzten Einladung
verhallte ungehört. Das Interesse an dem neuen Buch
blieb das gleiche geringe und allein wurde der
Kampf ausgekämpft bis zu seinem nun unausbleib-
lichen Ende.

14
GLOSSEN
NUN war er endlich beendet.
Alles, was gethan werden konnte, war gethan, und
der Vorwurf konnte nicht erheben werden, daß nicht
auch das Letzte noch versucht werden wäre, den Schlag
zu vereiteln.
Einer der ersten und angesehensten Anwälte Deutsch-
lands war gewonnen werden und hatte sich der Sache
mit besonderem Interesse angenommen. Nicht, weil
ich glaubte, daß meine Bücher eines Vertheidigers be-
dürften. Jedes Wert in ihnen vertheidigt sich selbst.
Aber dem Gegner sollte der Sieg wenigstens nach
Möglichkeit erschwert werden.
Sachverständige ersten Ranges waren mit ihren weit-
hin bekannten Namen für die Lauterkeit dieser Bücher
und ihren künstlerischen Werth eingetreten. (Die Ge-
schichte der Suche nach Sachverständigen mit ihren
Enttäuschungen und Ueberraschungen wäre ein Kapitel
für sich, und nicht das uninteressanteste, muß aber
schon deshalb ungeschrieben bleiben, weil hier keine
Namen, welche es auch seien, genannt werden).
Alles war umsonst gewesen.
Man wollte (und wohl auf einen Wink von „Oben"
herab hin, denn der Justiz-Minister hatte sich die Acten
vorlegen lassen) diese Arbeit vernichten und man hat
sie vernichtet. Man weiß, wie Das gemacht wird . . .
Heute sehe ich ganz klar, sehe, was ich damals so
noch nicht sah. Es galt weniger die Bücher und ihre
Verbreitung zu treffen, als den Willen, der hinter ihnen
stand. Man mochte ahnen, daß hier ein seines Zieles
durchaus bewußtes Wollen einen Kampf kämpfte, wenn
man auch unfähig war, zu begreifen, um was dieser
Kampf ging. Das durfte nicht sein, sagte man sich,
und griff ein. Man weiß, wie Das gemacht wird . . .
Selbstverständlich gehe ich hier auch nicht mit einem
Wort auf das „Urtheil“ und seine „Begründung“ ein.
Derartige Dinge sind ganz indiskutabel und allein eine
Frage der Macht. Niemand kann ernstlich von mir er-
warten, daß ich das schmierige Actenbündel, dick wie
eine Familienbibel, auch nur öffne, geschweige denn
lese. Ich könnte es nicht, auch wenn ich es wollte.
Ich würde schon allein diese scheußliche Sprache nicht
verstehen, am Wenigsten ihren Sinn, verständlich den
Eingeweihten allein, und auch ihnen. nicht einmal. Es
ist da, wie mir gesagt wurde, nach dem eigenen Zu-
geständniß der Richter, irgendwo von „Werken in
vollendeter Kunstform" die Bede. Nun, wenn meine
Bücher Werke der Kunst sind, so sind Die, welche
sie vernichtet haben, einfach Barbaren. Irgend Jemand
schrieb mir: „WVer diese Bücher für unzüchtig hält, ist
selber unzüchtig“. Alles, was etwa noch zu sagen
wäre, scheint mir mit diesen Worten gesagt zu sein,
und jedes weitere überflüssig.
— — An dem Abend des Tages, an dem das Urtheil
gefallen war, ging ich hinaus vor die Thore der Stadt,
in der ich lebe. Es war Herbst. Die Wälder, die die
Schatten der Erde früh in sich hineinzogen, lagen
einsam, einsam die stillen Seen in ihnen, und verlassen
die Wege, die mich der Zufall führte. Aber größer
als diese Einsamkeit war die Einsamkeit meines Herzens.
Noch nie in meinem Leben, so sehr gewöhnt doch an
alle Leiden der Einsamkeit, hatte ich mich so verlassen
von Allem gefühlt, wie in dieser Stunde. Mir war,
als sei ich allein auf dieser Welt, verlassen von meinen
letzten Freunden, ja, verlassen von mir selbst, und als
sei ich verdammt, so weiterzugeben, einem nahen amd
doch noch allzufernen Ende zu, allein mit mir wie
jetzt, Nichts vor mir, als diese sinkende Nacht und ihr
drohendes Dunkel, Nichts hinter mir, als die Trümmer
sinnlos vernichteter Kraft. Und in dieser Stunde begriff
ich zum ersten Male recht, was ich gethan und
empfand etwas wie Angst vor mir selbst und der
Macht in mir, die mich so weit getrieben. Es war
eine Stunde, wie wohl nur Der sie kennt, der sein
Leben an eine Sache gesetzt hat und es nun verloren
sieht mit ihr. Und wie ein Solcher, der nur noch
vorwärts geht, weil er nicht mehr zurück kann und
weiß, ging ich weiter und weiter hinein in die weg-
losen Wälder.
Aber je weiter ich ging, um so ruhiger wurde ich,
und langsam fand ich mich zurück zu mir selbst —
ehem umspannte mich wieder die alte Erkenntniß von
dem ewigen Gesetz der Nothwendigkeit: ich begriff,
daß ich thunn mußte, was ich gethan, und daß ich
nicht hätte leben und sterben können, ehe ich es
gethan. Als ich mich aber wieder selbst besaß, war
ich nicht mehr allein, und tröstend kam mir die nene
Erkenntniß: daß Nichts auf der Welt so mein
eigen war, wie mein Wort, und daß keine Macht
der Welt es biegen und brechen kann, so lange ich
selbst nicht gebogen und gebrochen war. In dieser
neuen Erkenntniß aber versank Alles, was an Groll und
Bitterkeit, an Verachtung und Enttäuschung noch in
mir war, versanken Muthlosigkeit und Ermüdung, zerfiel
das Gefühl der Einsamkeit so ganz, daß ich, als ich
die ersten Lichter sah, die mir wieder den Weg zu
Menschen, fremden Menschen, zeigten, sie ließ und
allein zurückging durch die Nacht und einem neuen
Tage zu. Und als ich an ihm in den vertrauenden und
reinen Augen meines Knaben die ewige Bestätigung
dieser Liebe las, fand er mich ruhig und heiter wie immer.

15
ZWEITES UND LETZTES RUNDSCHBEIBEN
IN den nächsten Wochen schrieb ich dann mein
letztes Wort an die „ernsten· Freunde der Sache“.
Es ging noch einmal in verschlossenem Kuvert an
alle gesammelten Adressen, jetzt etwa zwölfhundert,
und lautete:
AN VDIE ERNSTEN FREUNDE DER SACHE".
Das Schicksal unserer Sache in Deutschland hat
sich entschieden.
Es ist, vielleicht endgültig, sicher aber auf Jahre
hinaus, besiegelt.
Vor kurzem, am 6. Oktober, sind — nachdem
sie neunzehn Monate beschlagnahmt waren — das
erste und zweite meiner VBücher der namenlosen
Liebe“ (Die namenlose Liebe. Ein Bekenntniß; und
die Dichtung der namenlosen Liebe: Wer sind
wir?), sowie meine Flugschrift: VGehör! — nur
einen Augenblick! . . . Ein Schrei" vermittels eines
durch alle Instanzen geschleppten Gerichtsurtheils
als „unzüchtige Schriften“ erklärt worden und
damit für Deutschland verboten und unmöglich.
Ich sage, daß sich damit das Schicksal unserer
Sache in Deutschland entschieden hat. Nicht nur
deshalb, weil mir von jetzt an ede Möglichkeit
irgendwelcher Arbeit für unsere Sache in Deutsch-
land ein für allemal genommen ist, sondern auch
darum, weil von heute an in Deutschland jeder
ernste Versuch: Licht und Wahrheit über das wahre
Wesen unserer Liebe zu verbreiten, als völlig
aussichtslos betrachtet werden muß.
Jeder ernste Versuch, in welcher Form und Art
auch immer unternommen werden möge: ob er
sich an die Öffentlichkeit oder an einen ge-
schlossenen Kreis wende, ob er in einem unan-
fechtbaren Kunstwerk oder in der Wahrheit der
Wissenschaft auftrete - in demselben Augen-
blick, wo er sich seinem Ziele der Aufklärung
nähert, wird sich die Hand der Gewalt aus-
strecken und ihn mit jedem Mittel, das ihr recht
ist (und im Besitz aller), von Grund auf vernichten,
wie sie meine ganze Arbeit mit einem Schlage
vernichtet hat.

Denn - täuschen wir uns nicht - d i e s e
Liebe soll nicht sein. Als einzige ausgeschlossen
im zwanzigsten Jahrhundert von dem Gebiete des
Lebens und seiner Erforschung und Darstellung
glaubt man sie ausrotten zu können, indem man
ihr jedes Recht nimmt, selbst das Recht des
letzten Schreis. Dort, wo nur Schweigen herrscht,
das Schweigen des Todes, sollen wir erdrosselt
werden, dort, abseits vom Wege, wo Niemand
uns hört . . .

Täuschen wir uns nicht länger darüber, die wir
uns eine kurze Zeit täuschen und glauben konnten,
daß noch ein Recht unser sei!
Nur ein Wahnsinniger, nur ein Fanatiker kann
es noch länger. Eine trübe Litteratur wird wie
bisher aus unterirdischen Gängen herauf an die
Oberfläche des Tages und zu ihrem Nutzen zu
konnnen suchen, eine Pseudo-Wissenschaft auch
Fernerhin, von Vorurtheilen ausgehend, sich an diese
Liebe heranmachen, um sie, mit neuen Vorurtheilen
belastet, weiterzugeben — man wird jene dulden
und dieser gnädig gestatten, weiter ihr unheilvolles
Wesen zu treiben.
Aber gesund, stark und schön, wie sie ist, aus
der Nacht der Verkennung und der Verachtung in
das Licht des Lebens treten und ihren Platz in ihm
zu behaupten versuchen, Das darf diese Liebe nicht!
Aber was Anderes als Das ist es, was ich
wollte? Und was Anderes als das kann uns helfen!
Die Gewalt hat gesiegt.
Warum sie siegen, so siegen konnte, will ich
jetzt hier sagen.
Sie siegte, weil ihr Nichts entgegenstand, was
sie hinderte: keine öffentliche Meinung; kein Wider-
spruch ihrer Organe, der Presse; keine Schaar
Geeinter, die sich erhoben hätte gegen ihr Urtheil.
Nichts. Nichts als die That des Einzelnen —
so leicht zu treffen . . .

Daß die Ersteren gegen uns sind, wissen wir
längst; daß wir selbst unsere größten Feinde sind,
sollten wir jetzt endlich erkennen.
Als ich vor vier Jahren die ersten meiner Bücher
hinaussandte, war ich überzeugt, ein starkes Echo
wecken zu müssen. Ich täuschte mich.
Als ich dann vor fast zwei Jahren meine Flug-
schrift in das tobende Gcheul der gegen uns
rasenden Tage warf, glaubte ich mit ihr die Ver-
zweifelnden und Verscheuchten ihrer Muthlosigkeit
und Lethargie entreißen und sie zu einer großen
Aktion aufraffien zu können, und so mit ihrer
gemeinsamen Hülfe „der Fluth der Verleumdung
und des Hasses, der Niedertracht und der Dumm-
heit“ einen Damm entgegenzusetzen. Abermals
sah ich mich getäuscht.
Heute weiß ich mit unumstößlicher Gewißheit:
es giebt keine ernsten Freunde dieser Sache, giebt
sie wenigstens nicht in einer Anzahl, mit der in
diesem Kampfe auf Tod und Leben gerechnet
werden könnte!
Gewiß: Manche werden mit Schmerz und Ent-
rüstung diesem Untergang ihrer Sache zusehen;
Andere sich mit der lauen Bethätigung ihres kleinen
Interesses zu trösten suchen; wieder Andere so
Etwas wie Scham empfinden, unthätig bei Seite
gestanden zu haben — eine Schaar Solcher, die
diese ihre Sache in Wahrheit zu ihrer eigenen
gemacht haben, zu ihr stehen, wo immer es
auch sei, und hier, wo keine sozialen, religiösen
und politischen Anschauungen trennen, sich in
dem einen Ziele einen: die giebt es nicht!
Denn gäbe es sie, dieses Urtheil hätte nie ge-
sprochen werden können. Heute wie vor zwei
Jahren ist es meine feste Ueberzeugung, daß: wäre
meine Flugschrift auf einen Schlag in auch nur
hunderttausend Exemplaren über ganz Deutschland
verbreitet worden, der Strom der durch sie ge-
schaffenen Aufklärung wäre Heute nicht mehr zu
dämmen und ein Schlag wie dieser letzte gegen uns
nicht möglich gewesen.
Er ist es gewesen. Nichts hat ihn aufgehalten.
In dumpfer Ergebung und Feigheit hat man ihn
fallen lassen, und die Stunde von damals, die nicht
wiederkehrt, ist vorübergegangen an uns und über
uns hin . . .
Täuschen wir uns nicht länger: es giebt keine
ernsten Freunde dieser Sache!
Ueber die Anklage selbst verliere ich natürlich
kein Wort. Kein Mensch kann im Ernst diese
Bücher und diese Flugsehrift für „unzüchtig" halten,
und kein Mensch hat sie je dafür gehalten. Um
sie vernichten zu können, mußte man, da keine
andere Handhabe gegeben war, sie unter diese
Rubrik stellen. Sie sind dafür, für „unzüchtig“,
„erklärt“ worden, und Niemand hat Heute auch
nur die Möglichkeit mehr, sich davon zu über-
zeugen, daß sie es nicht sind.
Selbstverständlich war ein Urtheil wie dieses auch
nur möglich, weil es sich hier um Schriften handelt,
die ein anderes Gebiet der Liebe als das bisher
allein von Recht und Sitte privilegierte zu be-
treten wagen. Wäre dem nicht so, handelte es
sich hier um die Liebe zwischen Mann und
Weib und nicht um die namenlose des Mannes
zu dem Jüngeren seines Geschlechts, man hätte
nie diese Bücher anzutasten gewagt; und hätte
man es gewagt, ein Urtheil wie dieses wäre
begraben worden unter der einmüthigen Em-
pörung und dem unauslöschlichen Gelächter Aller,
die in Deutschland noch irgendein Interesse an
der Freiheit der Kunst und der Wissenschaft
haben.
Aber so! — diese Liebe hat ein Laster zu sein,
weil man sie für ein Laster hält, und zu sagen,
daß sie es nicht ist, sondern eine Liebe wie
jede andere Liebe, ist eben ein Verbrechen! —
Diese Liebe, mißverstanden und verachtet, verfolgt
und mißdeutet wie nichts Anderes in der Welt! . . .
Hier hört eben das Leben auf, Leben zu sein; und
Kunst ist nicht mehr Kunst!
Sie morden unsere Liebe -— und sie lebt. Sie
erdrosseln unseren Schrei —— und die Zukunft hallt
ihn wider!

Sie haben meine Bücher gemordet. Aber meine
Bücher werden leben.
Wenn Anders sie in Wahrheit Zeugen der Kunst
und des Lebens sind, so werden sie leben!
Einstweilen aber hat die Gewalt gesiegt. Und
täuschen wir uns nicht —- sie wird immer wieder
siegen, noch auf Lange hinaus!
Meine Arbeit ist zerstört von Grund aus. Ich
sehe keinen Weg mehr vor mir.
Das Einzige, woran ich — wenn ich diesen
Schlag überwunden haben werde — vielleicht
noch denken kann, ist, meine in Deutschland so
schmählich hingemeuchelten Bücher eines Tages
vielleicht irgendwo im Ausland wieder aufleben
zu lassen: in den Stunden, die mir der Kampf um
das eigene Leben noch läßt, zu suchen, das dritte
und vierte Buch zu vollenden, um sie mit den
drei erschienenen und „Gehör!“ als dem sechsten
und letzten, und — was wohl das wichtigste ist —
mit einer „Geschichte dieses Kampfes um die namen-
lose Liebe“ als Einleitung in einem Bande zu ver-
einigen — einem „Dokument von unserer Zeiten
Schande“ . . .
Die Mittel hierzu habe ich nicht mehr. Was
ich thun konnte, habe ich gethan; und was ich
gehen konnte, habe ich gegeben.
Aber vielleicht, daß sich der eine oder andere
der letzten Freunde dieser Sache doch noch auf
sich selbst besinnt und sich sagt, daß diese Bücher
wenigslens nicht ganz untergehen dürfen.
Wer so denkt und helfen will, der möge es
mir sagen: ob er helfen will, und wie er helfen
will. Aber man verschone mich mit allen leeren
Worten: mit den überflüssigen Ausdrücken des
Bedauerns und der Theilnahme und den ebenso
überflüssigen Ausführungen unmöglicher Vorschläge.
Man sage mir einfach, auf wen ich zählen kann.

Das ist, was ich noch zu sagen hatte, und aller
Wahrscheinlichkeit nach das Letzte, was ich in
dieser Sache überhaupt noch sagen kann.
Ich beklage mich nicht. Man hat nicht nehmen
wollen,- was ich geboten habe; man hat mir nicht
geholfen; 1md man hat mich allein gelassen in
diesem Kampfe. Es ist gut.
Ich beklage mich nicht. Ich beklage Die, welche
sich selbst um das reinste Glück und den edelsten
Gewinn ihres Lebens bringen: theilzunehmen an
dem Schicksal einer großen Sache, einem Schicksal,
das das ihre ist. —
Ein Urtheil ist gesprochen worden — das Urtheil
der trüben und dunklen Tage, in denen wir ver-
dammt sind, zu leben.
Ein anderes Urtheil wird gesprochen werden —
von einer helleren und besseren Zukunft.

Wann, das weiß Keiner.
Aber es ist das einzige, dem ich mich beuge.
lm October l909
SAGITTA

16
DAS ENDE
AUF dieses mein letztes Wort, gerichtet an Zwölf-
hundert, die mir als nahe oder ferne, subjektive oder
objektive Freunde -dieser Sache genannt worden Waren,
wurden mir sechs Antworten.
Sechs.
Sechs ernste Freunde dieser Sache! ....
— Mein Kampf war beendet.
Ich war unterlegen.
Was dann noch folgte, gehört ihm und seiner Ge-
schichte nicht mehr an. lm Anschluß an mein Wort
hatte ich durch meinen Verleger gesagt, wie der Prozeß
verlaufen war und welche Opfer er gekostet hatte.
Aber von diesen soll hier überhaupt nicht die Rede
sein. Kurz sei hier nur noch erwähnt, daß eine große
Aktion, darauf gerichtet, das ganze geistige Deutschland
aufzurufen gegen dieses frechste aller Attentate der
Gewalt auf die Freiheit der Kunst und des Gedankens
in letzter Stunde unterblieb, nachdem Alles vorbereitet
war. Unterblieb aus persönlichen Gründen. Auch Das
noch sollte ich kennen lernen: die Unterlassung einer
im Interesse der Sache für gut und zweckmäßig be-
fundenen Handlung — aus persönlichen Gründen!
Eine andere, von der ich Nichts wußte, ohne mein
Zuthun unternommen, und die ich, so gut sie gemeint
war, doch nicht billigen konnte, da ich sie mir selbst
noch für eine andere Zeit und in ganz anderer Weise,
vorbehalten wollteäie andere, dem Wunsche der
genannten Freunde der Sache entsprungen: diese Bücher
wenigstens nicht ganz untergehen zu lassen, mußte
natürlich unter diesen Umständen scheitern, war aber
dann doch einer der Gründe mehr, aus denen der Ent-
schluß entstand, meine Bücher (nach der langen inneren
Ueberwindimg, das dritte und vierte zu vollenden und
die Geschichte dieses Kampfes zu schreiben) zu einer
Gesammt-Ausgabe vereinigt im Ausland erscheinen zu
lassen, bestimmt nur für einen kleinen und engbegrenzten
Kreis, und ohne die Hoffnung noch, mit dieser endlichen
Ausgabe über ihn hinaus und in absehbarer Zeit irgend-
wie nennenswerth wirken zu können.
Hier ist sie.

17
DIE GESAMMT-AUSGABE
SIE ist vollständig diese Gesammtausgabe.
Sie enthält neben dem ersten und zweiten der in
Deutschland als „unzüchtige Schriften“ verbotenen
Bücher, und der ebenfalls gewaltsam unterdrückten
Flugschrift als sechstem, das fünfte der Gedichte, das
diesem Schicksal bisher entging, sowie das dritte und
vierte, für diese Ausgabe vollendet; und sie enthält als
Einleitung diese eingehende Geschichte meines Kampfes
um eine noch namenlose Liebe.
Allein unvollendet geblieben ist somit nur das sechste
Buch, das ,Buch der Briefe‘ oder, besser gesagt, es ist
nicht in der Form vollendet worden, in der ich es
plante — der Form von Briefen. Das hat Nichts zu
sagen. Denn an die Stelle dieser Briefe ist ein Brief
getreten, aber ein Brief, der sich so sehr mit jeder
Frage dieser Liebe auseinandersetzt, daß er ruhig ihren
Platz einnehmen kann. Er, dieser Schrei um Gehör
(den Die nicht verstanden haben, die in ihm eine Bitte
sahen), ist ja auch mein eigentlichster Kampf um diese
Liebe und seine Vernichtung war der härteste Schlag
unter allen.
Noch Eins sei bemerkt. Ich habe in diesen Büchern
nicht einen jener, fremden und toten Sprachen ent-
lehnten Fachausdrücke, nicht einmal auch nur eines
der vieldeutigen Worte gebraucht, die zu den unent-
behrlichsten Hülfsmitteln und den wirkungsvollsten
Allüren der Wissenschaft geworden zu sein scheinen,
und mit denen wohl keine so reichlich operiert, wie
die Wissenschaft von den Geschlechtem und ihrer
geschlechtlichen Beziehungen zu sich und untereinander,
wahrscheinlich, weil grade sie glaubt, so nur sagen zu
dürfen, was sonst zu sagen unmöglich wäre. Ich habe
versucht, ohne diese Brücken zu meinem Ziele der Auf-
klärung zu gelangen und glaube doch Alles gesagt zu
haben, was ich zu sagen hatte. Es geht auch so, (wenn
es vielleicht auch Etwas schwerer ist), und der nicht
eingeweihte Leser wird mir nur dankbar sein.
— S0 habe ich denn meine Aufgabe doch noch zu
Ende geführt und nicht ohne Gefühl innerer Ruhe,
einer Ruhe, die nur das Bewußtsein geben kann, einen
sich selbst einst gegebenen Schwur gehalten zu haben,
lege ich heute die Waffe meiner Feder aus der Hand.
Ich habe gethan, was ich thun konnte. Und wer ver-
mag mehr zu thun? — ·
Wie weit die Wirkung meiner Bücher in dieser ihrer
neuen und abgeschlossenen Form nun reichen wird, kann
allein die Zeit lehren. Einstweilen nur auf den aller-
engsten Kreis beschräkt (um ihre Ausgabe überhaupt
ermöglichen zu können) kann von einem weiter-
reichenden Einfluß natürlich nicht die Bede sein. Das
war nicht, was ich wollte. Was ich wollte war:
kämpfen, um zu siegen! Doch das ist vorbei und
ich muß mich bescheiden . . .
Immerhin: die Bücher sind doch nicht mehr tot. Sie
leben wieder, wenn auch nur ein fernes Leben im Dunklen.
Aberzuweilen scheint es mir, als glühten ihre Worte
tiefer in der Nacht, in die man sie begraben, tiefer, als
damals, darsie zuerst sich wagten an das freche Licht
dieser Tage . . .

18
DAS SCHICKSAL DER SACHE
MEIN Kampf ist beendet.
Allein, wie ich in ihn ging, gehe ich aus ihm heraus:
ärmer um den Glauben, daß dieser Sache, die sich
selbst nicht helfen will, geholfen werden könne; ent-
täuscht in der Hoffnung, daß es mir beschieden gewesen
sein könnte, ihr zu helfen, aber völlig unerschüttert in
der Ueberzeugung, daß auch diese Frage ihre Lösung
finden wird — finden wird: vorbei an Denen, die an ihr
arbeiten müßten, wie an ihrer eigenen Befreiung, aber
statt dessen abseits stehen in Feigheit und Stumpfheit,
und über Die hinweg, die ihr in der engen Gebunden-
heit des Blickes und Gedankens noch feindlich gegen-
übertreten und nicht sehen, was um sie her geschieht,
nicht hören, was sie umtönt. Das Leben selbst wird
diese Lösung finden, nicht abgesondert von seinen
anderen Fragen, sondern mit ihnen. Denn auch die
Frage dieser Liebe ist in ihrem tiefsten Grunde
eine soeiale Frage: der Kampf des Individuums um
seine Freiheit gegen jede wie immer geartete Unter-
drüekung.
Mein Kampf ist beendet. _
Aber ich kann nicht Abschied nehmen von einer
Sache, an die ich die besten Jahre meines Lebens
gegeben, ehne noch ein Wort zu haben für ihr Schicksal
in der nächsten Zukunft.


Fehler und Irrthümer sind begangen worden, die
unbedingt vermieden werden müssen.
Zwei vor Allen.
Man hat, im Umschlag gegen eine bis zur Unerträg—
lichkeit gesteigerte Verfolgung, versucht, diese Liebe
als eine besondere hinzustellen, als eine „edlere und
bessere“. Das ist sie nicht. Diese Liebe ist eine Liebe,
wie jede andere Liebe, nicht besser, aber auch nicht
schlechter, und, wenn sie wirklich Liebe ist, segnungs—
reich in ihren Folgen wie jede Liebe. Der Kampf
für sie sollte nie ausarten in einen Kampf gegen
eine andere, denn jede Liebe ist gleich wesensberechtigt
und die gleichen Quellen des Lebens nähren alle.
Und man hat aus ähnlichen, oft nur zu verständ-
lichen Empfindungen heraus, versucht, die Freiheit der
Liebe des Mannes zu fordern auf Kosten der Frau.
Auch das ist ein Fehler. So völlig falsch die Stellung
des anderen Geschlechts (in allen Ständen) heute noch
sein mag —— ihm seine Entwicklungsmöglichkeiten
unterbinden und sie leugnen heißt nicht, sich aus
Feinden Freunde, sondern sich Feinde von Heute zu
unversöhnlichen Feinden für Morgen und immer zu
machen, imd es ist vor Allem ein völliges Mißverstehen
des großen Gesetzes der Zukunft. Dieses Gesetz heißt
Freiheit. Freiheit aber schließt Alle ein und Keinen aus.
Endlich aber ist ein Irrthum begangen worden, ver-
hängnißvoller in meinen Augen, als alle anderen. Diese
Liebe, verfolgt von den Richtern und verflucht von
den Priestern hat sich zu den Aerzten gefluechtet, als
sei sie eine Krankheit, die von ihnen geheilt werden
könne. Aber sie ist keine Krankheit. Aerzte haben
hier so wenig zu suchen und zu untersuchen, wie
Richter, und die sich ihrer angenommen haben wie
einer Kranken, irren sich, wenn sie glauben, sie könnten
sie aus den Fängen der Gewalt befreien, indem sie
mit dieser Gewalt paktieren. Das aber —— paktieren —-
thun sie, und indem sie es thun, suchen sie die Einen
auf Kosten der Anderen zu retten. Wohl wissend,
wie sehr· die „öffentliche Meinung“ (deren Beeinflussung
ihnen so über Alles wichtig erscheint) grade der Liebe
des Aelteren zu dem Jüngeren seines Geschlechts
widerstrebt, weil die gedankenlose hier immer nur
„Verführung“ zu sehen vermag, während sie sich mehr
und mehr dem Gedanken einer „Freigabe der Liebe
zwischen Erwachsenen“ hinneigt, billigen, ja befür-
worten jene gefährlichen Helfer ein Gesetz, das die
Einen freispricht, während es die Anderen verurtheilt.
Und das thun sie, die keinerlei Entschuldigung der
Unkenntniß und der Voreingenommenheit lür sich in
Anspruch nehmen können, sondern die wissen, genau
wissen, daß hier nicht die Altersstufe, sondern allein
die Reife entscheidend sein kann, und die die Ein-
geborenheit, die Unabwendbarkeit und die Unabänder-
lichkeit dieser Liebe zum gleichen Geschlecht als eine
wissenschaftlich begründete Thatsache kennen und lehren!
Ist das ihre Wissenschaft? —— Dann graut mir vor
ihr und ihnen, und je schneller und unzweideutiger
hier eine reinliche Scheidung vollzogen wird, um so
besser —— für sie und für uns!
Mein Kampf ist beendet.
Viele Feinde habe ich mir in ihm erworben, wenig
Freunde. Die letzteren werde ich wohl nicht mehr
verlieren; die schlimmsten meiner Feinde aber habe ich
mir unter ihnen gemacht, denen diese Liebe, statt das
Höchste ihres Lebens zu sein, sein Tiefstes geworden
ist — die Befriedigung geschlechtlicher Lust allein. Sie,
so sehr begünstigt durch das Dunkel, das auch unsere
Zeit noch immer über diese Liebe deckt, verkriechen
sich tiefer und tiefer in seine Schatten, und sie sind es,
die sich am Heftigsten gegen jede Aufklärung wehren.
Für sie hat Sagitta nicht gekämpft und er ist stolz auf
ihren Haß. Daß ihnen, diesen gewerbsmäßigen Verführern
der Jugend, die aller Gesetze spotten, nur in ver-
schwindend seltenen Fällen das Gesetz beikommen kann,
und daß ihr Treiben überhaupt nur möglich ist, weil
sich diese Liebe, unerkannt in ihrem Wesen und ver-
kannt in ihren Folgen, immer noch verbergen muß wie
ein Laster; daß aber diese Schädlinge und Finsterlinge
zu treffen und unschädlich zu machen doch grade Das
ist und allein Das sein muß, was sie wollen und zu
wollen vorgeben —— das Alles begreifen die Thoren und
Fanatiker nicht, deren blindwüthige Streiche immer nur
eine lebenswarme Liebe treffen, wie die Geschosse der
Barbaren von einst die weißen Bilder des Eros.

19
SCHLUSSWORT
LIEBE ist es, Liebe allein, für die ich hier gekämpft
habe: ich habe meine Stimme erhoben gegen das Ver-
brechen aller Verbrechen, aus dem welt- und menschen-
umspannenden Reiche ihres Glückes eine auszuschließen
durch die Verkennung ihres Wesens und die Verneinung
ihrer Berechtigung.
Aber die Zeiten wechseln und die Anschauungen der
Menschen in ihnen. Und wir leben Heute schnell.
Eine Generation wächst heran, die ganz Anders über
diese Liebe denken muß, als die unsere noch denkt.
Zn Viel hat sie von ihr an sich selbst erfahren und die
der Großstadt wenigstens weiß Heute mehr von ihr, als
alle Gesetzgeber und Gelehrten, Aerzte und die Pfaffen
aller Sorten zusammengenommen. Diese Generation
kann gar nicht Anders, als einmal völlig verschieden
von uns über diese Liebe zu denken, und sie müßte
ihre eigene Jugend vergessen, vergäße sie ihrer. Sie
wird aus ihren Erfahrungen gelernt haben. Wer ver-
führt wurde, wird wissen, wie er seinen Sohn am
Besten vor der Verführung zu schützen hat; wer
geliebt wurde, (wie er vielleicht nie wieder von einem
Weihe geliebt wurde) und selbst liebte (wie er vielleicht
nie wieder liebte), wird die Liebe, der sein Sohn be-
gegnet, in dem Lichte sehen, mit der sie seine Jugend
überstrahlte; und sie verachten und verfolgen, hieße für
ihn, das Andenken an diese seine eigeneJugend scbänden.
Daher ist es unsere Aufgabe, die wir die Jugend
lieben, sie für uns zu gewinnen: nicht durch Ueber-
redung und Verführung, sondern durch Liebe und
Freundschaft. Dann wird diese namenlose Liebe, für
die sie dann auch den rechten Namen finden wird,
ihr kein dunkles und schreckliches Geheimniß mehr,
sondern ihr bestes Theil sein, und nicht besser und
sicherer können wir uns die Zukunft erobern, als
indem wir leuchtende Augen, frohe Herzen und
lachende Lippen lehren, von ihr zu zeugen. Dann ist
sie unser, die helle Zukunft, die wir wollen, unser
schon in deLdüsteren Gegenwart. Denn die Jugend
ist immer auch die Zukunft.
So wollen wir denn nicht länger verzweifeln. Jeder
Nacht, auch der längsten und dunkelsten, folgt ein Tag.
Die Besiegten von Heute sind die Sieger von Morgen,
und die ersten Worte, mit denen ich vor nunmehr
sieben Jahren den Kampf um diese Liebe begann,
seien heute, wo ich an seinem Ende stehe, darum
auch meine letzten, die Worte:
Muth und Trost!
1912 Sagitta
Zuletzt geändert von Waldbär am 25.10.2009, 00:07, insgesamt 1-mal geändert.
Liebst du die Sonne? ©Mima

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Gehoer! Nur einen Augenblick! (Ein Schrei)

Beitrag von Waldbär »

UND ES WIRD SEIN, WIE EIN SCHREI! ...



AN Sie, den ich nicht kenne, von dem ich Nichts weiß, als daß sie ein Mensch sind wie ich, wende ich mich und erbitte Gehör von Ihnen - Gehör für einen Augenblick...
Ich kenne Sie nicht. Aber ich nehme an, daß Sie, da Sie ja ein Mensch sind, auf Ihrem Wege stillestehen würden, wenn plötzlich der Schrei eines Verunglückten an Ihr Ohr schlüge. Sie würden stillestehen und, je nach Ihrem Charakter, zu Hülfe eilen oder weitergehen - wenigstens aber stehen bleiben und einen Augenblick lauschen, wenn auch nur aus Neugier.
Mit einem Schrei, dem Schrei des Verzweifelten, rufe ich Sie: nicht um Hülfe, sondern um Gehör - um Gehör, und für einen Augenblick nur ...

WAS ich von Ihnen will? - -
Es mag geschehen, daß uns, Jedem von uns, eine Stunde im Leben kommt, wo wir fühlen, daß seine Last zu schwer für uns wird, so schwer, daß keine Hand der Liebe, kein Wort der Freundschaft mehr im Stande ist, sie uns tragen zu helfen. In einer solchen Stunde - (vielleicht ist sie Ihnen nicht fremd) - gehen wir, unfähig, länger mit uns allein zu sein, hinaus auf die Straße, irren ziellos umher und greifen, wie in der Angst des Todes, nach der Hand des ersten, nächsten Vorübergehenden und schreien, um zu fühlen, daß wir noch leben.
In einer solchen Stunde komme ich zu Ihnen, dem mir Fremden ...

SIE bleiben stehen. Erstaunt.
- Was ich von Ihnen will? - fragen Sie.
- Was ich von Ihnen will?
Ich will zu Ihnen sprechen. Nur einen Augenblick. Von Liebe will ich zu Ihnen sprechen.

SIE lachen.
- Von Liebe? - Wozu da die Einleitung? Von Liebe redet die ganze Welt. Von Liebe hört Jeder gerne reden. Sprechen Sie! -
Ich beginne und suche das erste Wort.
- Ja, von Liebe will ich sprechen. Aber nicht von der Liebe, von der die Welt redet, sondern von der Liebe, von der die Welt schweigt. Von der die Welt schweigt, weil sie von ihr Nichts weiß. Von der die Welt Nichts weiß, weil sie von ihr Nichts wissen will.
Ich will zu Ihnen sprechen von der Liebe --

SIE weichen zurück und wenden sich ab. Um Ihren Mund legt sich der Zug des Ekels und der Verachtung. Ihre Augen blicken kalt und abweisend, und sie unterbrechen mich:
- Ah, ich ahne, worauf sie hinaus wollen. Aber ich will davon Nichts hören. Ist es nicht genug, daß man keine Zeitung mehr in die Hand nehmen, in keine Gesellschaft mehr gehen kann, ohne auf die Erörterung dieser Dinge zu stoßen, an die vor ein paar Jahren ein anständiger Mensch überhaupt nicht zu denken wagte? - Wird der Schmutz Einem jetzt sogar in den Weg getragen? - Aber ich will davon Nichts wissen! Ich will Sie nicht hören! - Verstehen Sie mich? - -
- Ich verstehe Sie. Ich wußte, daß Sie sich abwenden, daß Sie mich unterbrechen, daß Sie so sprechen würden. - Aber hier ist es, wo mein Schrei einsetzt: mich zu hören, zu hören für einen Augenblick! ...
Hören Sie wenigstens das Versprechen noch, das ich Ihnen geben will. Ich verspreche Ihnen, daß Sie von mir etwas hören werden, was Sie bisher nicht gewußt, woran Sie bisher nie gedacht haben. - Und ich verspreche Ihnen weiter, daß Sie von mir kein einziges jener Worte, in die sich die unverstandenen Begriffe unserer Zeit flüchten, und von denen ich nur so Viel sagen will, daß sie mich tausend mal mehr anekeln, als sie Sie anekeln können, daß Sie von mir keines dieser Worte hören werden, nicht ein einziges ... Ich schenke Ihnen eine Erkenntniß und Sie schenken mir dafür Ihr Gehör - für einen Augenblick - ist das nicht ein guter Tausch? - Und ist es zuviel verlangt? -


SIE schwanken und zaudern noch. Dann:
- Gut. es sei. Was kann ich schließlich mehr verlieren, als eine halbe Stunde? - Also sprechen Sie. Aber seien sie kurz.
- Ich werde kurz sein. So kurz, wie nur möglich. Lassen Sie uns hier auf und ab gehen. Niemand hört uns. Wenn man uns aber hörte, um so besser.
Von Liebe will ich zu Ihnen sprechen.
Was ist Liebe?
Liebe ist die tiefe und geheimnisvolle Macht, die den einen Menschen zu dem anderen zieht - oft gegen seinen Willen, immer gegen seinen Widerstand.
Liebe ist - lassen Sie mich von ihr sprechen, wie wir alle unterschiedslos von ihr sprechen, und mit den Worten, die mir gerade einfallen.
Liebe ist: die "Erfüllung unseres Lebens", sein "Anfang und Ende", der "Weisheit letzter Schluß" ...
Wir wissen nicht, woher sie kommt und wohin sie geht. Sie "ist da", und sie "stirbt an sich" ...
Sie ist unser erstes und letztes Glück, macht uns "erst zu Menschen", "hebt uns über uns", erschließt die "Schätze unseres Inneren", ist die Erweckerin unserer besten Kräfte; sie ist das Feuer unseres Hauses und "wandelt die Erde in ein Paradies" ...
Liebe - wir lieben, und die Welt erscheint uns "in neuem Licht"; sie versinkt um uns; nur in "dem geliebten Gegenstand" sehen wir sie noch ...
Liebe - sie fragt nicht, und sie lacht der Antwort; sie bedarf keiner Entschuldigung und keiner Anerkennung, sie läßt "ihrer nicht spotten"; sie verachtet das Urtheil der Welt ...
Liebe - sie adelt unsere Handlungen, giebt auch der letzten neue Bedeutung; sie nimmt nicht, sie giebt nur ... Und ist selig in Empfangen und Geben ... Sie ist das Einzige nicht Käufliche in käuflicher Welt ...
Liebe - sie thut Nichts ... Sie thut Eines nur: sie liebt ...
Wunderbar, wie sie selbst, sind ihre Wege...
Sie hat die Welt erschaffen, sie erhält die Welt...
Was wäre die Welt ohne sie?!...
So sprechen die Menschen von ihr ... der Liebe!
Wir sind einig über die wunderbare Kraft der Liebe, die die Welt beherrscht, wie wir einig sind über ihre Macht, der kein Lebender sich ganz entziehen kann -
und dennoch schließen wir eine Liebe aus, erklären sie für ein Verbrechen, verfolgen sie, wo wir sie finden, und nehmen ihr jedes Recht, selbst das Recht auf den Namen Liebe, eine:
Die Liebe des Mannes zu dem Jüngeren seines Geschlechts, seine Liebe zum Jüngling, zum Knaben! ...

SIE bleiben stehen. Wieder die Verachtung in ihren Augen, der Ekel um ihre Lippen.
- Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß das abscheuliche Laster, von dem Sie wieder anfangen zu reden, irgend etwas mit Liebe zu thun hat?
- Ja, das behaupte ich, wie ich behaupte, daß keine Liebe irgend Etwas mit Laster zu thun hat, wenn sie wirklich Liebe ist. - Und ich werde versuchen, Ihnen meine Behauptung aus der Existenz dieser Liebe zu beweisen.
Aber eines muß ich von Ihnen verlangen: daß Sie vorher aus Ihrer Vorstellung das schmutzige Bild bannen, unter dem allein Sie sich bisher diese Liebe zu denken vermochten.
An ihre eigene Liebe denken Sie, und sie werden mich verstehen, müssen mich verstehen! -
Denn da Sie ein Mensch sind, kann Ihnen Liebe nicht fremd geblieben sein: irgend einen Menschen lieben Sie, irgend einen haben Sie geliebt ...
Vielleicht lieben Sie glücklich. Dann kennen Sie die himmelhochjauchzende Seligkeit des Herzens, die qualvolle Lust der Sehnsucht, das beglückende Gefühl des Verstehens in der Zusammengehörigkeit zweier Wesen, das tiefe Ruheempfinden des Geborgenseins an der geliebten Brust ..
Vielleicht lieben Sie unglücklich. Dann ist Ihnen keine Qual der Hölle fremd geblieben: weder die unendliche Bitterkeit des Nichterhört- und des Nichtverstandenwerdens, die hoffnungslose Trauer der Vergänglichkeit, noch die lustvolle Qual nieerfüllter Sehnsucht, die wütende Pein der Eifersucht, die dumpfe Ergebung des Verzichts und jede Verzweiflung ...
Nun, genau so, in Glück oder in Unglück, fühlen wir unsere Liebe. - So freut sie sich, so leidet sie, und in Nichts unterscheidet sie sich von der Ihren, außer in dem Einen: daß ihr Gegenstand nicht des anderen, sondern des gleichen Geschlechtes ist!

ABER das ist es ja gerade, was ich nicht verstehe, sagen Sie. Warum liebt sie nicht, wie wir, das andere Geschlecht? - Erklären Sie mir diesen Zwiespalt.
- Erklären Sie mir Ihre Liebe, könnte ich ebensogut von Ihnen verlangen. Sie können es nicht. Ebensowenig, wie ich die meine erklären kann. Denn Liebe läßt sich nicht "erklären".
Auch diese nicht. Zwei Jahrtausende begruben sie in Schweigen. Sie "erklärten" sie für ein Verbrechen, wie die Meisten sie heute noch für ein Verbrechen "erklären". - Dann, als die fortschreitende Wissenschaft sich mit dieser Frage beschäftigen mußte, suchte sie nach körperlichen und geistigen Erscheinungen der Abweichung und "erklärte" sie für eine Krankheit. Jedoch, vor ihre Eigenen Resultate gestellt und machtlos, sie den zahllosen Fällen unanfechtbarer Gesundheit gegenüber aufrecht zu erhalten, gab sie das Angeboren sein dieser Neigung zu, ihre Unveränderlichkeit und Unbeeinflußbarkeit, und heute endlich muß sie, wenn Anders sie ehrlich und unvoreingenommen zu Werke geht, beschämt eingestehen, daß es sich hier um eine Naturerscheinung wie jede andere handelt, um keine "andere Art von Menschen", sondern um Menschen, die sich in Nichts von allen anderen Menschen unterscheiden, als eben in dieser ihrer Liebe.

Keinen Verbrechern, keinen Kranken, keinen Entarteten mehr - rathlos und hilflos steht unsere Zeit Menschen, gesunden Menschen gegenüber, und zwar Menschen, die endlich angefangen haben, sich selbst als solche zu betrachten, und die fordern, als solche behandelt zu werden ...


WIEDER bleiben Sie stehen, nachdenklich. Aber dann - triumphierend:
- Sie vergessen Eins: die Zwecke der Natur. Ihre Zwecke der Erhaltung und Fortpflanzung. Daher schuf sie zwei Geschlechter. Die Liebe aber, von der sie sprechen, widerspricht diesen Zwecken. Sie ist unfruchtbar und darum gegen die Natur - unnatürlich!
Auch hierauf kann ich Ihnen nur antworten:
- Ich glaube nicht an die Zwecke der Natur. Ich sehe nur überall ihre sinnlose und ungeheure Verschwendung: wie sie zahllose Keime schafft, um einen zur Frucht reifen zu lassen, und wie sie überall wieder zerstört, was sie eben geschaffen. So vollzieht sie in ewigen und lückenlosen Übergängen von Form zu Form die ihr innewohnenden Gesetze der Nothwendigkeit, aber "Zwecke" erfüllt sie nicht. - Und wir, die wir nicht wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen, noch warum wir hier sind, dürfen nur ahnen, daß sich in diesem unausgesetzten Kampfe zwischen Anziehung und Abstoßung die Welt erhält.
Erhält, wie sich auch unser Leben erhält in Liebe und Haß. Ein Kampf gegen die Natur, ist sein Sieg der Sieg über sie! ...
Ich glaube nicht an die Zwecke der Natur. Aber Sie, der Sie an diese Zwecke glauben, Sie müssen dann auch glauben, daß die Natur auch mit uns einen Zweck verfolgt hat, und an Ihnen, nicht an mir, sollte es sein, diesen Zweck zu ergründen ...
Den an der Existenz dieser Liebe werden Sie nicht zweifeln wollen? - Sagten Sie nicht selbst, daß sie eine der Fragen des Tages geworden ist - : daß man keine Zeitung mehr öffnen, keine Gesellschaft mehr betreten könne, ohne auf sie zu stoßen? Wie der gewaltsam zurückgestaute Strom endlich alle Dämme zerreißt, so hat sie ihr ungeheuerliches Schweigen der Jahrtausende gebrochen, und es ist nicht ihre Schuld, wenn sie heute so plötzlich unter uns steht wie eine Fremde.
Eine Fremde, die nur einmal eine Heimath hatte: unter jenem einzigen Volke, dessen Kunst die Seele unserer Kultur sehnsüchtig noch in ihren letzten Trümmern sucht, weil sie in ihr die Offenbarung der höchsten Schönheit erkennt.
Eine Fremde überall, aber nirgends fremd: alle Zeiten, alle Völker, jedes Land und jeder Stand kannten und kennen sie, und überall fordert sie heute ihr Heimathrecht der Duldung. Eine Fremde, die wir kennen und doch nicht kennen, von der wir nicht wissen, was sie uns bringen kann und will, stoßen wir sie noch umher und weichen vor ihr zurück, wie vor einer Aussätzigen, und heimathlos irrt umher, die sich ihr Bürgerrecht erst verdienen muß und - ach! - wie gerne nicht, verdienen möchte!
Denn in wieviel Herzen sie heute schon lebt - wer weiß es, da sie Alle verleugnen? -
So vor die Thatsache ihrer Existenz gestellt, machtlos, sie länger auszurotten und zu unterdrücken, bleibt nur eines übrig: sich mit ihr abzufinden; und die Erfahrung wird uns lehren, daß wir dies nur auf eine Weise können: indem wir sie, wie jede andere Kraft der Natur, unserem Leben nützlich zu machen versuchen, die scheinbar fruchtlose fruchtbar werden lassen ...
Wie - das kann ich Ihnen hier nicht sagen. Die Zeit ist zu kurz. Erwägen Sie selbst, wie groß die erzieherische Wirkung dieser Liebe auf die Jugend, die sie liebt, sein kann, wenn sie ungehindert wirken darf. Dei Tugenden der Mannhaftigkeit und Wahrhaftigkeit, der Gerechtigkeit und der Freiheit werden wir als ihre schönsten Früchte reifen sehen.


NUN aber höre ich Ihren längst erwarteten Einwand:
- Aber wer und was hindert Sie heute in dieser Wirkung? Das Gesetz doch nicht? Lächerlich! Kein Gesetz der Welt hat jemals Gefühle bestraft, kein Gesetz überhaupt die Macht dazu. Gefühle sind so frei wie Gedanken. Nicht sie, sondern Handlungen verfolgt das Gesetz: gegen seine Verführer will es die Jugend schützen; und gegen Verführer schützt diese Jugend Strafe allein.
- Es ist nicht wahr! - antworte ich Ihnen. Es ist nicht wahr! - Und ich will Ihnen beweisen, daß es nicht wahr ist, will Ihnen zeigen, daß das Gesetz selten nur die Handlungen, immer aber die Liebe bestraft.

Gesetze werden von Denen geschaffen, die die Macht haben, sie zu schaffen. Sie bestehen so lange, wie die Macht besteht, die sie hält. Die Macht aber wechselt ewig, und die Gesetze wechseln und fallen mit ihr. Macht hat ihre stärkste Stütze in Dem, was wir "Sitte" nennen: dem "Urtheil der öffentlichen Meinung", der "Stimme des Volkes, die Gottes Stimme ist", dem "moralischen Bewußtsein der Allgemeinheit". Und hinwiederum lehnt sich die Sitte an das Gesetz: es ist heute noch die Richtschnur der meisten Menschen, Aller, die nicht selbständig zu empfinden und zu handeln vermögen: der "großen Masse". Was das Gesetz erlaubt, ist "gut"; was es verbietet, ist "schlecht".
Und nun dieses Gesetz! - Es gibt keines, was so unhaltbar wäre, weil es so völlig undurchführbar ist. Hier und da, unter unzähligen Fällen einer, verfällt ihm irgend ein Unglücklicher. Die aber, auf die es geht oder gehen solle, die wirklichen Verführer der Jugend, entschlüpfen ihm immer, fast immer: mit allen seinen Schlichen und Zweideutigkeiten vertraut ihr Leben allein auf den Genuß ihrer Sinne stellend (zu oft nur, weil sie an der Möglichkeit ihrer Liebe verzweifeln und zu zweifeln gelernt haben), winden sie sich zwischen Sitte und Gesetz unbeschadet und suchen ihrem unterirdischen Dasein die trostlosen Reize des Geheimnißvollen und Besonderen abzugewinnen - einem Leben, nicht in dem Licht der Sonne, sondern in dem künstlichen des Verstecks.
Aber was spreche ich von Solchen zu Ihnen!
Von denen allein wollte ich zu Ihnen zeugen, welche lieben. Von Denen, die um so tiefer leiden, je tiefer sie lieben. Die zu Grunde gehen, weil sie lieben; und die lieben, weil sie ohne Liebe nicht leben können. Von Denen, die Ihr mordet, weil Ihr sie hindert, zu lieben - Denen, die die wahren Opfer dieses Gesetzes sind, immer, auch da, wo es sie nicht erreicht, nicht erreichen kann! ...


ABER kann und wird Ihre Liebe nicht auch zu Handlungen führen? - fragen Sie.
- Sie wird es nicht immer nothwendigerweise. Aber gewiß kann sie es. Doch werden es dann immer nur Handlungen der Liebe sein können: entsprungen dem einzigen Wunsche, sich gegenseitig so glücklich zu machen wie nur möglich; sich wohl und nicht, sich wehe zu thun; und sich auch so zu nützen, nicht sich zu schaden ... - Und das ist Alles und soll Alles sein, was ich Ihnen sagen kann über die Handlungen dieser Liebe, die die Menschen - und auch Sie! - allein sich vorzustellen vermögen, wenn sie an diese Liebe denken, unwillig und unfähig, Voraussetzungen zu ergründen, bevor sie Folgerungen ziehen.
Doch noch ein Wort über die Verführung.
Kein Gesetz kann die Jugend vor Verführung schützen. Das kann nur Aufklärung.
Nie aber wird Aufklärung wirkungsvoller, nie eindringlicher, nie segensreicher sein, als wenn Liebe, echte Liebe, sie erteilt. Vertrauen wir daher weniger dem Gesetz, als ihr: dem Gesetz der Liebe, dem einzigen ungeschriebenen Gesetz von ewiger Gültigkeit und Dauer, das aller unserer geschriebenen eines Tages auch hier spotten wird - vertrauen wir ihm ruhig auch unsere Jugend an! ...
Und sehen wir nicht immer und überall nur Verführer. Denn es giebt auch Führer.
Ein Verführer ist, wer zu Fragen verführt und ihre Lösung bietet, bevor sie selbst sich stellen - Knospen mit frecher und unreiner Hand gewaltsam erschließt, bevor die Zeit ihrer Reife gekommen ist. Ich habe Nichts zu thun mit diesen Verführern, so wenig wie Sie, und mit Ihnen sage ich, daß Alles erlaubt sein muß, uns ihrer zu erwehren.
Ein Führer aber ist, wer sorgsam der Fragen wartet, bis er sie zur Antwort drängen und sie gestellt sieht - wer die Knospe hütet, aber der Blüthe nicht den Boden der Nahrung verweigert.
Hier liegt die Grenze und nicht in der künstlichen Festsetzung des Alters. Der eine Mensch ist reif und scheint noch ein Kind; der andere ist noch ein Kind, während wir ihn seinen Jahren nach schon für reif nehmen.
Unterscheiden Sie daher zwischen Führern und Verführern.
Denn glauben Sie mir: es kann geschehen, daß sich Ihre Waffe gegen Ihre eigene Brust kehrt.
Der erwachende Knabe, der erwachte junge Mensch sucht ungestüm nach Antwort auf seine Fragen - nach einem Führer in ihrer Wirrniß.
Wie antworten Sie ihm? Ich weiß es nicht. Ich sehe nur die Resultate Ihrer Antwort.
Wie antwortet sein Freund, sein ältester, ihm, der, bei dem er bisher die Antwort auf alle kleinen Fragen seines jungen Lebens fand, jetzt auf die erste große? - "Natürlich", sagen Sie: "er räth ihm, ihn zu lieben!"
Durchaus nicht. Er liebt ihn und wird ihm darum alle Wege zeigen und dann sagen: Nun wähle selbst! Gehe dahin, wohin es Dich drängt ...
Der aber schwankt zwischen Ihnen und ihm: zwischen Ihnen, der seine Seele mit schreckhaften Andeutungen und furchtbaren Warnungen erfüllt hat, und ihm, zu dem es ihn zieht.
Er weiß nicht ein noch aus. Wohin soll er? Soll er zum Mädchen gehen? . es "verführen"? - Wer rettet ihn und sie vor den Folgen? Im besten Falle das Opfer seines ganzen eigenen Lebens.
Soll er zur Dirne? - Er kann sie sich kaufen. Aber sie kann ihn verkaufen. Und hier rettet ihn kein Opfer, auch das seines eigenen verlorenen Lebens nicht.
Soll er endlich zu sich gehen? - In der einsamen Liebe zu sich die Befreiung aus seiner Noth suchen? - Sich selbst die überall verweigerte und unverstandene Antwort geben, die ihn langsam zerstört? -
"Er soll überhaupt nicht lieben, solange er jung ist", sagen Sie. "Er soll sich enthalten". - Ebenso gut können Sie ihm sagen: er soll nicht leben, solange er jung ist. Er fühlt: das ist keine Antwort. Sie ist ihm zu einfach. Er weiß bereits, daß das Leben, das mit solchen Fragen an seine Sinne pocht, nicht so einfach ist.
"So soll er mit seinem Herzen lieben, aber nicht mit seinen Sinnen. So sollen und mögen auch Sie ihn lieben" ... Und diese Antwort, die die schlimmste von allen ist, sie wird ihn zu Dem machen, als den wir ihn am Wenigsten sehen möchten: zu einem haltlosen Träumer, einem lebensfremden Idealisten, dem Fanatiker irgend einer Idee, den das Leben umherschleudert, bis es ihn zermalmt.
Uns aber sagen Sie damit: wir sollen ihn lieben, ohne ihn - zu lieben.
Er aber, der zwischen Ihnen und seinem Freunde so lange geschwankt, er sucht endlich seine letze Zuflucht an der Brust, die ihn liebt. Und sie wird ihn nicht von sich stoßen. Sie wird ihm die Antwort geben, die er sucht, einer Welt und ihrem Urtheil zum Trotz. Sie wird an seiner Liebe und an ihm nicht zum Verräther werden. Sie wird ihn nicht auch noch enttäuschen.
Darum: ist es besser, er kommt heimlich zu ihr, hinter Ihrem Rücken, als offen und mit Ihrer Zustimmung?
Was ist besser: die Gefahr der Entfremdung zwischen uns zu legen, oder gemeinsam an seinem Glück zu arbeiten?
Um was könnte ich Sie inniger bitten, als hierum: lassen Sie uns zusammen gehen! - Und was könnte ich freudiger begrüßen, als daß Sie ihn aufklären? -
Aber bevor Sie ihn aufklären, klären Sie sich auf!


UND nun, wo wir uns näher gekommen sind - -
Aber sind wir uns näher gekommen?
Sie stehen so undeutlich vor mir in dem Dunkel dieser Nacht. Ich weiß nicht, wer sie sind. Aber wer sie auch sein mögen: Mann oder Frau, alt oder jung, unglücklich oder glücklich, einflußreich oder machtlos, arm oder reich - Sie sind ein Mensch, und als solcher kann Ihnen Mitgefühl für fremdes Leiden nicht ganz fremd sein.
Die Zeit ist kurz, die Sie mir gegönnt, aber so kurz darf sie nicht sein, um nicht noch einen Augenblick mit mir zu weilen bei einem Leben der Liebe, von dem Sie Nichts wissen, und das allein in dieser Liebe seine Erfüllung zu finden im Stande ist.
Wie immer es nach Außen auch scheinen möge - es ist ein armes Leben. Es ist ein Leben der Gefahr, der Angst, und es ist ein Leben der Lüge ... Ein Leben, das nur Der erträgt, der es tragen muß ...
Der Gefahr und der Angst: um sich und um Alles, was er liebt. Jeder nächste Zufall kann ihn vernichten: kann ihm seine Familie rauben, seine Freunde entfremden, den Geliebten von seinem Herzen reißen; kann seine Stellung in der Gesellschaft erschüttern und ihn überall unmöglich machen; seinen Ruf vernichten, seine Ehre beflecken, seinen Namen in den Schmutz ziehen, ihm sein Brot nehmen und ihn heimathlos machen ...
Daher baut er sein ganzes Leben auf einer Lüge auf. Keiner, selbst der Nächste nicht, darf auch nur ahnen, wie es in ihm aussieht. Ständig die Maske der Gleichgültigkeit und der Zufriedenheit vor dem erstarrten Gesicht, heuchelt er Liebe und Interesse, - wie oft nicht! - wo er sie nicht fühlt; nimmt Theil, wo Keiner theilnimmt an ihm; sieht nicht, was er am Liebsten sehen möchte, und muß lügen, lügen, lügen - mit jedem Blick, mit jedem Wort, unausgesetzt ...
Alles, was das "Glück der Anderen" ausmacht, wofür sie leben, es ist ihm verschlossen: er kennt kein ruhiges Leben in gesicherter Stellung; kein durch Frauensorge und Kinderlachen verschöntes Heim; nicht den Frieden der Seele und die Heiterkeit des Gemüths nach gut und schön vollbrachtem Tagewerk; kennt nicht einmal das Bewußtsein, arbeiten zu dürfen, für Die, die er liebt!...
Ihm ist Alles versagt. Was der ärmste der Armen noch darf: sein kleines Glück vor der Welt zu zeigen, er darf es nicht - er muß es verstecken ... Alles - selbst der letzte Trost der Thränen an dem Grabe Dessen, den er geliebt - denn seine Thränen könnten ja Verdacht erregen! ...
Einsamkeit ist sein Schicksal und Verbitterung sein Fluch!
Wie soll er noch leben? Er weiß es selbst nicht mehr.
Nie ist er seiner Liebe sicher. Selbst, wenn es ihm gelang, das Vertrauen eines jungen Herzens zu gewinnen und es sein zu nennen, immer ist er belauert von Argwohn, verfolgt von frecher Neugier, beaufsichtigt in jedem Schritt und Tritt, und wie leicht ist das junge und daher so leicht beeinflußbare ihm nicht entrissen durch ein Wort, eine Drohung, durch ein Verbot!
So steht er immer wieder trauernd vor der von Dummheit und Bosheit zertretenen Saat seines Glücks, muthloser von Jahr zu Jahr vergebliche Arbeit von Neuem zu beginnen ...
Muthloser zum Leben ... Denn wie soll er noch leben und arbeiten?
Er weiß es selbst nicht mehr.
Was darf er denn überhaupt noch? -
Was er auch thun und lassen möge - Alles hat ja natürlich nur den einzigen Zweck, sich das arme Opfer seiner Lust willfährig zu machen: ein Lächeln - der Fallstrick, mit dem er es umgarnt; ein freundliches Wort, ein kleines Geschenk - der Köder, an dem er es fängt; Hife in Rath und That - der Kaufpreis oder das Schweigegeld für irgend eine empfangene oder erwartete Schändlichkeit! ... Er hält sich zurück - aha, er liegt auf der Lauer; er "scheint sonst ganz anständig" - nun ja, da seht Ihr, wie er seine wahre Natur zu verbergen versteht; er ist treu, selbstlos und aufopfernd in seiner Liebe - das böse Gewissen hält ihn von dem Letzten zurück ...
Sagen Sie selbst: ist in all Dem auch nur eine Spur noch von Herz, Sinn und Verstand? ... Ich finde sie nicht.
So lebt er denn, ein Schatten Eures Glücks, einsam und schweigend, sein Leichen-Leben unter Euch, und langsam stirbt sein Gefühl: ein Mensch zu sein unter Menschen! ...
Denn wie soll er beweisen, daß auch er noch zu ihnen gehört?
Um ihn her ist ja Schweigen - Nichts als Schweigen...
Und dieses Schweigen, mit dem man seine Liebe begräbt, ist das Furchtbarste von Allem: - diese Unmöglichkeit, sich vertheidigen; das Gespenst des Wahns fassen; den Mund, der gegen uns lügt, schließen; die Gurgel, die die feigen Beschimpfungen speit, erdrosseln zu können! ...
Denn diese Liebe ist eben keine Liebe. Sie ist überhaupt nicht da. Das Nichtexistierende läßt sich nicht verteidigen, das unhörbare Raunen eines Gerüchts nicht greifen, die im Dunkeln schleichende unausgesprochene Verleumdung nicht zermalmen ...
Schweigen - wer vermag, gegen Schweigen zu kämpfen! ...
Wo ist der Charakter, der in einem solchen Leben nicht verhärtet oder verflacht, das Herz, das nicht verbittert werden muß? - Wo die Nerven, die in diesem unausgesetzten Kampf nicht erliegen? -
Ihr aber, die Ihr von Alledem Nichts hört, Nichts seht, Nichts ahnt, Ihr urtheilt: sein Laster hat ihn so zerrüttet; ein Mißtrauischer und Lebensunfroher; ein Herz ohne Liebe!
Ein Herz ohne Liebe? - Es ist nicht ohne Liebe, aber es ist dazu verurtheilt, was das Schwerste ist für jeden anständigen Menschen, sie zu verleugnen, ja, mehr als Das: mitzuhelfen, sie zu beschimpfen, sie zu verrathen, damit sie ihn nicht verräth! - Denn Schweigen erregt Verdacht, Vertheidigung aber ist Selbstanklage!
So geht er dahin, wohin Ihr ihn treibt: dazu verdammt, ohne Liebe und Freude zu leben, aber nicht mehr willens und fähig, sein Leben einem Phantom zu opfern, setzt er an die Stelle der Liebe die Lust, an die der Freude den Rausch, sucht sich zu betäuben, sich hinwegzutäuschen über sich selbst, klammert sich mit dem letzten Rest seiner hundertfach verschwendeten Zärtlichkeit an die warme, aber liebeleere Brust, die, sie duldet, weil sie für ihre Duldung bezahlt wird und ist zufrieden noch, wenigstens einen Ort zu wissen, wo man ihn nicht voll Abscheu von sich stößt ... Und ihm wird Alles gleichgültig und immer gleichgültiger: Euer Urtheil und sein Leben, bis ihn der Ekel vor der eigenen Oede und Leere dieses seines Lebens begräbt!


ABER, höre ich Sie sagen, seien Sie stärker als Ihr Leben, größer als Ihr Schicksal! - Bekennen Sie sich offen zu Ihrer Liebe und kämpfen Sie für sie!
- Zeigen Sie mir erst den Menschen, antworte ich Ihnen, der so unabhängig von seiner ganzen Umgebung ist, daß er Ihrem Urtheil trotzen kann. Und wenn er es ist, wer kann von ihm verlangen, daß er sich selbst auf offenem Markt entblößt, um zu zeigen, daß er makellos ist? - Wer ist sich selbst so gleichgültig geworden, daß er sich die letzte Hoffnung auf ein letztes kleines Glück für immer zerstören möchte? - Nichts Anderes aber, als Das, würde heute ein offenes Bekenntniß zu dieser Liebe sein, dieser verachteten Liebe, verachtet wie Nichts auf der Welt.
Wer kann es verlangen? - Sie doch wohl nicht, Sie, der Sie nichts zu fürchten und dennoch nicht einmal den Muth haben, das Wesen dieser Liebe zu berühren, aus Furcht, irgendwo in den Verdacht der Sympathie mit ihr zu geraten ....

SIE zucken die Achseln. "Die Zeit ist eben noch nicht reif. Sie sind zu früh geboren. - Und mir scheint, Sie übertreiben ein Wenig - so schlimm kann es doch nicht sein".
Nur mein Lächeln antwortete Ihnen.
Wenn ich Ihnen Alles, was ich weiß, erzählen würde - (und ich könnte Ihnen Viel erzählen), - es würde der Unsumme dieser Leiden, die in dem Schuldbuch der Menschheit allein uneingeschrieben und ungezählt geblieben sind, weil sie nie in Berechnung gezogen wurden, nicht eine Einzahl hinzufügen!


SIE stehen unschlüssig. Sie sind nicht erschüttert, denn zu erschüttern vermag uns nur, was wir selbst zu leiden fähig sind.
Indessen, etwas nachdenklich sind Sie doch geworden.
- Aber was kann ich thun? - fragen Sie.
- Was Sie thun können? Sie müssen es selbst wissen, ich kann es Ihnen nicht sagen. Denn ich kenne Sie nicht. Aber Eins können Sie - kann Jeder - heute thun, dies:
Machen Sie sich nicht länger mitschuldig an diesem sinnlosesten aller Vorurtheile, diesem dunkelsten aller Wahne, dieser grausamsten aller Ungerechtigkeiten.
Nehmen Sie nicht länger mehr Theil wie bisher: an diesen unsagbaren, scheusäligen Witzen, mit denen der Gemeine und der Gedankenlose Schicksale besudelt, die er nicht einmal ahnt; an dem häßlichen und wohlfeilen Lächeln, das versteckt um die Lippen des sich gebildet Dünkenden spielt, wenn er diese Liebe mit Schweigen begräbt; an der scheußlichen Freude dieser Sport gewordenen Menschenjagden, die eine nie genug gestachelte Gier nach immer neuen Sensationen durch die öffentlichen Gassen unserer Tage treibt; an dem widrigen Behagen, mit dem der Pöbel "aller Sorten" den von ihm zu Boden Getretenen zu Tode steinigt; an den schmutzigen Verdächtigungen, mit denen man allerorten die Ehre, den Ruf, den Namen Dessen, der "so ist" oder im Verdacht steht, "so zu sein", befleckt, bis man seine Existenz unter ihnen begraben hat! ...
Halten Sie sich zu gut, länger theilzunehmen an der Erniedriegung einer Liebe, die Sie nicht kennen, denn Sie erniedrigen Ihre eigene Liebe mit ihr! ...
Wenn Sie an Gott glauben, so bekennen Sie sich: Gott, der auch den Letzten an sein Herz nimmt, verstößt keinen um der Liebe willen, die er selbst in ihn gelegt.
Wenn Sie nicht an ihn glauben, so forschen Sie weiter und verstehen Sie, daß kein Gebiet des Lebens wahrer Forschung verschlossen sein darf, und betrachten Sie seine Erscheinungen nicht mit dem Auge des Zeloten und Moralisten, sondern mit dem eines Wahrheitssuchers.
Das ist es, was Sie thun können, wer immer Sie auch sind, unbedingt thun können, und zwar von Morgen an!
Was Sie darüber hinaus wirken können und wollen in dem Bezirk Ihres Lebens, um endlich dem vielleicht größten, sicher aber feigsten Verbrechen, das ein Theil der Menschheit bisher ungestraft an dem anderen begangen hat, ein Halt! zu gebieten - Ihr Herz, Ihr Geist, Ihr Gerechtigkeitsgefühl allein vermögen es Ihnen zu sagen ...

DER Augenblick geht zu Ende, den Sie mir gewährt.
Ich habe mein Versprechen gehalten, nicht wahr? - Sie haben Nichts von mir gehört, was Sie nicht ruhig hätten anhören können; keines der Worte ist gefallen, die das Verwirrte noch mehr verwirren; und nur von Liebe habe ich zu Ihnen gesprochen ...
Liebe - wo ist sie nicht?
Horchen Sie: vernehmen Sie nicht ein Rauschen um uns in dem Schweigen dieser Nacht, tief und voll wie das Rauschen eines fernen Stromes? - Es ist der Strom der Liebe, der die Welt durchfließt. Fern aus dem Geheimniß der Zeiten quillt sein Quell. Rein und klar entspringen seine Wasser dort - am Anfang der Welten, am Ursprung allen Seins. - Um Leben zu trinken, beugen sich die Menschen über ihn. Alle dürfen kommen und Alle trinken: Kraft und Gesundheit und Schönheit und Freude.
Nur wir stehen abseits. Unter Allen wir abseits und allein. Denn unser Quell, entsprungen auch hier, ist vergiftet: vergiftet durch das Vorurtheil und Verunreinigt durch den Haß. Und wie wir uns niederbeugen über ihn, um unseren Durst zu löschen, schlägt es uns aus ihm entgegen wie der Verwesungsdunst von Leichen, den Leichen Derer, die dennoch tranken und steben mußten, weil sie tranken. Und wir schaudern zurück, immer wieder - trinken dennoch und sterben wie sie; oder -verdursten!

ES ist spät. Der Augenblick ist vorbei.
Ich danke Ihnen nicht. Sie haben mir zu danken. Sie gaben mir Ihr Gehör, ich aber gab Ihnen die Möglichkeit einer Erkenntniß.
Sie wenden sich ab. Sie wissen, was ich Ihnen sagte, ist Wahrheit: unanfechtbar in ihren Thatsachen.
Was ich wollte, war: Ihnen zu zeigen, daß diese Liebe - die Liebe des Mannes zum Jüngeren: zum Jüngling, zum Knaben - so wenig ein Laster ist wie jede andere Liebe. Ich habe Nichts bei Ihnen erreicht, wenn Sie dies nicht begriffen haben.
Sie schweigen. Wohl bedrängen Sie Zweifel, aber Ihre Instinkte, die Sie so nennen, bäumen sich dagegen auf - das in Jahrtausenden durch Generationen fortgeimpfte Gift der Verleumdung thut seine Wirkung und ist stärker, als Ihr Wille zur Wahrheit. Sie "können nicht dagegen an".
Gut. So sei es denn.
Gehen Sie. Verschließen Sie weiter Ihre Augen und Ihre Ohren, Ihr Herz und Ihre Vernunft. Helfen Sie weiter an dem Werk der Verfolgung: verschärfen Sie die Gesetze, nein, besser: machen Sie neue, neue, die ein Lächeln dieser Liebe mit öffentlicher Entehrung, ein Wort mit lebenslänglicher Haft, einen Blick mit Verbannung bedrohen! - Bleiben Sie doch nicht auf halben Wege stehen: reißen Sie doch die Herzen aus der Brust, sezieren Sie ihre Gefühle, und wo Sie auf so verabscheuungswürdige stoßen, wie die unsrigen, verbrennen sie die zuckenden an der Leuchte Ihres Jahrtausends, vor den Augen einer Ihnen zuheulenden Masse! ...
Erst dann können Sie sagen, daß Sie erreicht, was Sie gewollt!
Glauben Sie etwa, ich hätte zu Ihnen geschrieen, weil ich Mitleid, Duldung, Verständniß von Ihnen erhoffte? - Weil ich noch an die Möglichkeit einer Gerechtigkeit in unserer Zeit glaubte? - Weil ich noch hoffte?
Glück? Keiner von uns glaubt mehr an Glück. - Gerechtigkeit? Wir lachen über sie, wie über ein leeres Wort. - Hoffnungen? Wir haben alle begraben, alle, bis auf die letzte.
Nein. Ich habe zu Ihnen geschrieen, weil ich schreien mußte!


GEHEN Sie. Thun Sie, was Sie wollen. Aber glauben Sie doch nicht, daß Sie noch irgend Etwas thun können, was nicht schon gethan ist gegen uns. Der Kelch ist geleert. Und er hat keinen Bodensatz mehr.
Aber Eines, hören Sie, sollten Sie nicht mehr thun - um Ihrer selbst willen nicht mehr.
Sprechen Sie nicht mehr von Liebe. Echte Liebe macht hellsehend und gütig - unsere Sinne weit für das Verstehen fremden Schicksals, unsere Herzen offen für fremdes Unglück.
Sprechen Sie nicht mehr von Gerechtigkeit. Wahre Gerechtigkeit kennt nur ein Verbrechen: das Verbrechen gegen die gleiche Freiheit der Anderen, sucht seine Gründe zu verstehen und es unmöglich zu machen mit ihnen, aber schafft nicht aus Unschuldigen Verbrecher, rein aus der Freude an ihrer Bestrafung.
Und sprechen Sie nie mehr von christlicher Barmherzigkeit. Denn unter dem Hohngelächter der Ausgestoßenen würde das Wort auf Ihren Lippen sterben! ...
Auch wir werden endlich begreifen und wissen, was wir zu thun haben.
Die da waren , Ihr konntet Sie morden - ungestraft.
Aber wir, die wir sind, unter Euch und aus Eurem Geschlecht, und die wir sein werden unter denen, die Ihr zeugt, nicht Eure und seine Feinde, sondern seine und Eure Freunde und Helfer, wir werden ihre Rächer sein: kein "Auswurf der Menschheit" mehr, sondern ein Theil von ihr, und - gleichberechtigt, gleichgeachtet in unserem Thun, gleichgeachtet auch in unserer Liebe - werden wir unseren Platz in ihr erobern und ihn behaupten.
Wie - das wird, das laßt unsere Sache sein.
Ein Weg steht uns offen, und wir werden ihn gehen. Es ist der Weg zu dem Herzen der Jugend. Und eine Waffe haben wir. Es ist der Schild unserer Liebe.
Ihn werden wir über uns halten und über sie, die wir lieben, und die Pfeile Eures Hasses wie der Geifer Eurer Verleumdung werden abprallen an ihm. So werden wir siegen.
Denn die Zukunft der Jugend ist auch die Zukunft unserer Liebe. In der Jugend lebt unsere Liebe weiter, wird unser Gedanke That. So ist es unser letzter Trost: daß keiner von ihnen, den Jungen, der einmal diese Liebe recht an sich verspürt hat, sie mehr verkennen kann. Jeder von ihnen, der ihre Kraft an sich gefühlt und in seinem Wachsthum erprobt, ihren Segen in seinen großen und kleinen Nöthen empfunden, und ihre Treue an sich bewährt gesehen hat; der nicht bei uns verführt, entehrt und geschändet wurde, wie Ihr es ihm eingeredet, sondern in uns die Helfer und Kameraden seiner glücklichen Jugend und seine Freunde fürs Leben fand, wird, selbst Vater eines Sohnes geworden, in Dem, der sich dem Heranwachsenden naht, zwar von Vornherein keinen Freund, aber von Vornherein auch keinen Feind erblicken, ihn prüfen auf Herz und Nieren, und ihn solange für einen anständigen Menschen halten, bis er sich selbst als das Gegentheil erweist.
Darum werden wir, die wir Nichts mehr zu verlieren habe als unsere Liebe, die nicht ohne sie, wenn auch ohne Glauben und Hoffnung mehr sind, nie müde werden zu lieben. Ueber jeder zertretenen Saat werden wir die Arbeit unserer Liebe von Neuem beginnen, bis auch wir vor unserer Ernte stehen; bis auch der Strom unserer Liebe, gereinigt von Gift und Leichen, klar und hell dahinfließen wird; bis auch wir an ihm ungefährdet trinken dürfen, trinken, wie Alle trinken ...
Und wir werden nicht mehr schweigen. Verlassen Sie sich darauf, wir werden nicht mehr schweigen!
Denn ein Recht ist noch unser: ein Recht, ein letztes, das keine Gewalt, kein Unrecht, keine Mißhandlung je ganz zu unterdrücken vermochte, das selbst der grausamste Henker auf den Lippen des wehrlosen Opfers nicht zu ersticken vermag - das Recht des letzten Schreis!
Vogelfrei vor Eure Schranken geschleppt; gestellt allein unter das Zeugniß der Dummheit und der Niedertracht; ungehört verurtheilt; lebendig begraben inmitten des lebendigen Lebens; in ewiger Angst der Ungewißheit gehalten über die Stunde unseres Todes; und endlich irgendwann und irgendwo erdrosselt unter den Händen irgend eines Buben, ist unser letzter Schrei unser letztes und einziges Recht!
Nur dieser Schrei vermag die Decke des Schweigens zu lüften, unter der Ihr uns weiter zu ersticken versucht.
Daher werden wir ihn ausstoßen - schreien werden wir, bis wir Gehör finden, nicht Gehör für einen Augenblick in dem Dunkel der Nacht vor Dem oder vor Jenem, sondern Gehör vor aller Welt, und in Allem, was wir zu sagen haben!
Wir werden schreien, schreien, so lange, bis man uns hört, schreien, wie ich zu Ihnen geschrieen mit diesem Schrei! - - -


GEHEN Sie. - Aber glauben Sie nicht, daß diese Stunde je ganz aus Ihrem Leben verschwinden wird. Einmal, vielleicht schon bald, vielleicht erst in Jahren, wird ihm eine andere kommen, in der ein Mensch, der Ihrem Herzen theuer war, den Sie zu kennen glaubten und den Sie doch nicht kannten, seinem unverschuldeten Schicksal verfällt, eine Stunde, in der Sie betäubt und fassungslos vor dem Toten stehen und immer die eine Frage nur finden: "Warum? - Warum?! - " Und in dieser anderen Stunde, in der Ihr Fuß, der sonst so sicher über Leichen geht, an der von Blut und Thränen besudelten Schwelle Ihres eigenen Hauses strauchelt, dieser Stunde, in der Sie sich über Den beugen, den Sie lieblos und verständnislos über sie gestoßen und den nun keine Liebe und kein Verständniß mehr zu erwecken vermag, und in der Sie doch immer noch hoffen, daß die stummen Lippen Ihnen die Antwort gegen auf die Frage, die sie foltert - in dieser anderen Stunde wird an Ihr betäubtes Ohr wie aus weiter Ferne her das Echo eines längst vergessenen Schreies dringen, wie die Antwort, die Sie suchen, eines Schreies, den einst in dunkler Stunde ein Fremder, der ihren Pfad kreuzte und den sie von sich abschüttelten, ausstieß, und Sie werden, zu spät, seinen Sinn verstehen ...
Liebst du die Sonne? ©Mima

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