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surfbrätti
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Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von surfbrätti »

Hier gehts zum Artikel:
https://heise.de/-3662764

Seit 17 Monaten sitzt in den USA ein Mann im Gefängnis, weil er verschlüsselte Festplatten besitzt, auf denen Kipo vermutet wird, und nicht bei der Entschlüsselung der Platten kooperiert. Und er wird da auch noch weiter bleiben.
"Da der Verdächtige nicht kooperiere, müsse er so lange inhaftiert bleiben, bis er seine Meinung ändere."
Der Mann behauptet die Passwörter für seine Platten vergessen zu haben. Und ausgerechnet seine Schwester (es muss eine Person mit sehr fragwürdigen Charakter sein) belastet ihn, indem sie aussagt, die Kipo-Sachen auf diesen Platten gesehen zu haben und auch gesehen zu haben, wie er aus dem Kopf sein Passowrt eingetippt hat.
Naja lest selbst.

Meine Theorie:
Ich könnte mir vorstellen, dass die Ermittler inzwischen selbst den Inhalt der Platten in Augenschein genommen haben und dort besagte verbotene Dinge gefunden haben. Die Platten sind nämlich mit dem Mac-eigenen Verschlüsselungs-Tool "File-Vault" verschlüsselt und da gibt es bestimmt eine Backdoor. Nur wollen die Ermittler dies nicht preisgeben und damit öffentlich machen dass es diese Backdoor gibt. Nicht wegen so einem kleinen Fisch. Aber in Freiheit gehen lassen wollen sie ihn auch nicht. Wenn er also doch irgendwann seine Passwörter rausrückt (und sei es beim "Reden im Schlaf") dann können die Ermittler ganz locker sagen. "Seht ihr, er ist schuldig.". Damit war die beugehaft erfolgreich und ist damit ein gutes Stück weiter etabliert. Fällt dem Beschuldugten das Passwort aber wieder ein und dann ist dort nur legales Zeug auf den Platten, dann wäre das Mittel Beugehaft wohl sehr verrufen und könnte so schnell nicht wieder eingestzt werden. So aber gehen die Ermittler kein Risko ein.

Der Beschuldigte ist aber auch ungeschickt vorgegangen. Anstatt sich auf die Sicherheit eines Mode-Produkts zu verlassen, hätte er seine Platten besser mit TrueCrypt verschlüsselt. 1. Da gibts wahrscheinlich keine Backdoor. und 2. hätte er behaupten können anstatt eines Passwortes ein Keyfile zu benutzen. Dieses Keyfile liegt auf einem USB-Stick und den hat er schon vor längerer Zeit weggeschmissen, weil er kaputt gegangen ist. Die so unbaruchbaren Platten hätte er nun normal formatieren wollen, hätte aber noch keine Zeit gefunden. Somit würde es keinen Weg geben, wie er kooperieren könnte.
Der eigenen Schwester Kipo zu zeigen ist natürlich auch saudumm. Man könnte zwar erwarten, dass die zu einem halten sollte, aber auch so muss es für sie doch belastend sein zu wissen, dass ihr Bruder sich so etwas anschaut.
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Mitleser
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von Mitleser »

Die Schwester könnte ihn ja auch heimlich beobachtet haben, so "saudumm" war er also vielleicht doch nicht. Von ihrem Bruder hält sie offenbar nicht sehr viel, wenn sie ihn mit ihrer Aussage in den Knast bringt (es wurde aus Mangel an Beweisen ja noch nicht mal ein Verfahren eröffnet) und ihn dort verrotten lässt. Interssant ist der Fall allemal, für den Täter sind jedenfalls alle Konstellationen gleich schlecht.

Wenn auf den Platten tatsächlich KiPos gespeichert sind, wird er das Passwort natürlich nicht herausrücken, denn dann verbringt er die nächsten Jahre ohnehin im Knast und ist zusätzlich als Sexualstraftäter geächtet (in den USA kann man die entsprechende Datenbank ja öffentlich einsehen). Wenn er das Passwort tatsächlich nicht mehr weiß, bleibt er auch im Knast, denn im Gegensatz zu hier scheint in den USA eine unbegrenzte Beugehaft möglich zu sein.

Sind die Platten sauber, gibt es immer noch die Aussage der Schwester, und vielleicht war er tatsächlich auf KiPo-Seiten unterwegs, und befürchtet noch Überreste im Browsercache o. ä., es stünde also weiterhin nicht gut um ihn. Oder vielleicht befindet sich dort anderes inkriminierendes Material (Raubkopien, heruntergeladene MP3s, Filme usw.). Ich kenne das US-Rechtssystem nicht, daher weiß ich nicht, ob solche Zufallsfunde gerichtlich verwertbar sind.

Und schließlich könnte es auch sein, dass er schlichtweg auf sein Aussageverweigerungsrecht besteht, denn seine privaten Daten gehen nunmal keinen etwas an, und er spekuliert darauf, dass die endlose Beugehaft irgendwann einmal doch als unverhältnismäßig eingestuft wird, so dass das entsprechende Gesetz geändert wird. Das Rechtssystem wendet sich ja ohnehin zunehmend gegen die Bürger, also wäre dies ein wichtiger Präzedenzfall.

Natürlich wissen wir nicht, ob die Polizei die Platten durch eine Hintertür entschlüsseln kann. Vielleicht ist das tatsächlich geschehen, und man wird es in der Tat nicht an die große Glocke hängen, weil man auch von dieser Seite auf einen Präzedenzfall aus ist, der unbegrenzte Beugehaft zum Normalfall werden lässt und damit das Aussageverweigerungsrecht durch die Hintertür aushebelt (willkommen im faschistischen Amerika)

Es könnte aber auch sein, dass die Verschlüsselung tatsächlich nicht geknackt werden kann, da kommt so ein KiPo-Fall natürlich gerade recht, um der Bevölkerung die Verwendung von Verschlüsselung madig zu machen ("Überlegen Sie, es könnte auch Ihr Kind sein!"). Wie dem auch sei, hier hat man wieder mal einen perfekten Sündenbock gefunden; es gibt nicht viele Dinge, mit denen man die Gesetze quasi nach Gutdünken zurechtbiegen kann, KiPo, sexueller Missbrauch und Terrorismus scheinen im Moment die Vorreiter für den nächsten Polizeistaat zu sein... :roll:
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Smaragd aus Oz
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von Smaragd aus Oz »

[color=#000000]surfbrätti[/color] hat geschrieben:2. hätte er behaupten können anstatt eines Passwortes ein Keyfile zu benutzen. Dieses Keyfile liegt auf einem USB-Stick und den hat er schon vor längerer Zeit weggeschmissen, weil er kaputt gegangen ist
Und Du meinst, die Ami-Inquisitoren würden das glauben und ihn dann mit Handschlag auf die Straße setzen? --> lol, Diggah.
... Und hab’s Pflücken nicht gemacht.
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surfbrätti
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von surfbrätti »

Aber aber , jetzt mal keine Schwarzweiß-Malerei.
Bestimmt würden die ihm das nicht glauben. Aber auf der anderen Seite hätten sie so zumindest auch kein "wasserdichtes" Argument dafür, dass er ihnen die nötige Kooperation verweigert, womit der Sinn dieser Haft selbst dem größten Befürworter fraglich erscheine sollte.
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Smaragd aus Oz
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von Smaragd aus Oz »

[color=#000000]surfbrätti[/color] hat geschrieben:hätten sie so zumindest auch kein "wasserdichtes" Argument dafür, dass er ihnen die nötige Kooperation verweigert, womit der Sinn dieser Haft selbst dem größten Befürworter fraglich erscheine sollte.
:kopfsch: Wenn die sagen: "Der lügt doch", dann bleibt ihr Argument wasserdicht. So einen Schmonz à la: "Hö, USB-Stick verloren, sorry Diggah", glaub ihm niemand. Deshalb werden auch die Befürworter nicht in an der Maßnahme zweifeln. Ich bin mir nicht mal sicher, ob nicht vielleicht ein US-Gericht keine Entscheidung auf diese Behauptung stützen würde. In den USA gibt es keine richtigen Gesetze, sondern irgendwelche Case-Loors, über die niemand einen vollständigen Überblick hat.
... Und hab’s Pflücken nicht gemacht.
Hyperherrscher
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von Hyperherrscher »

Man muss aber auch das "Kleingedruckte" lesen. In den bei Heise verlinkten Gerichtsdokumenten ist nicht nur von den beiden externen Festplatten(Western Digital) die Rede, sondern auch von zwei iPhones und dem Apple-Mac selbst.

Die gesamte Technik war verschlüsselt. Das Passwort des Macs wurde von den Forensikern geknackt, das Passwort für eines der Mobiltelefone hat er selbst herausgegeben. Auf dem Mac entdeckten die LEAs eine Downloadhistorie von CP-Seiten samt den Hashwerten für heruntergeladene Dateien. Diese Hashwerte fanden sie in ihren behördlichen CP-Datenbanken wieder, der Deliquent lud sie sich aber auf die externen Platten herunter.

Blieb noch das zweite Handy. Das konnte teilweise entschlüsselt werden, verborgen blieb aber eine Datenbank mit Bildern und Videos. Nach behördlicher Aufforderung gaben der Beklagte und sein Anwalt das Passwort zum Entschlüsseln der Datenbank ein, und die Mediendateien wurden begutachtet: Erwachsenenpornographie, ein Video von der vierjährigen Nichte, in dem sie nur Unterwäsche trug und zwanzig Photos von der sechsjährigen Nichte, in denen ihre Genitalien fokussiert wurden. Das erklärt auch die Aussagebereitschaft seiner Schwester, wobei mir nicht klar ist, ob es sich um zwei Nichten oder um eine in verschiedenen Lebensaltern handelt.

Der Beklagte behauptet zudem, das korrekte Passwort für die beiden Festplatten vergessen zu haben. Er hatte im Offenlegungstermin mehrere Passwörter ausprobiert, aber keines passte.
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Expectation
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Re: Beugehaft wegen verschlüsselter Festplatten

Beitrag von Expectation »

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