Pädophilie-Phobie - die "Zwangs"folge einer Zeiterscheinung
Verfasst: 30.12.2016, 16:24
Hm. Wenn die solche Angst haben, Ein Täter zu werden - hoffentlich geraten sie dann nicht an die falsche therapeutische Adresse.Warum der 23-jährige Max Angst davor hat, pädophil zu sein
Manche Menschen leiden unter so großer Angst, pädophil zu sein, dass sie es sich regelrecht selbst einreden. Eine Journalistin hat mit einem Betroffenen gesprochen.
Auszüge:
Max ist 23 Jahre alt und arbeitet als Buchhalter in Wien. Er hört in seiner Freizeit gerne Metal, schaut mit Freunden American Football ... Vor drei Jahren begann dann die Angst, sein Leben zu regieren. „Alles fing an mit der Angst vor Computerviren... Nach der Angst vor Computerviren kam die Angst, homosexuell zu sein. Auslöser dafür war das Coming-out eines engen Freundes. „Seitdem muss ich bei jedem Mann überprüfen, ob sich in meinem Körper etwas regt“, so der 23-Jährige.
„Ich wäre eine Gefahr für die Gesellschaft“
Danach kam ihm der Gedanke, dass er pädophil sein könnte. Diese Befürchtung ließ ihn nicht mehr los. „Für mich ist das der Katastrophengedanke schlechthin. ..
Sein Therapeut, Richard Fellner, ordnet Max’ Angst als eine spezielle Form der „Zwangsgedanken“ ein. Seit einigen Jahren beobachtet er eine deutliche Zunahme von Männern in seiner Praxis, die unter der massiven Angst leiden, pädophile Neigungen zu haben — obwohl sie nicht pädophil sind.
Sexuelle Fantasien mit Kindern sind das Tabuthema schlechthin
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert in ihrem Klassifikationssystem Zwangsgedanken wie folgt: „Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen. Sie sind fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. (…) Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich.“
Ist der Gedanke also erst einmal da, ist er schwer wieder loszuwerden und ebenso schwer zu thematisieren. Die Zwangssymptomatik sei zum Teil auch eine Zeitkrankheit. „Sexuelle Fantasien mit Kindern sind heute das sexuelle Tabuthema schlechthin. Darum eignen sie sich gut für Zwangsgedanken. Jede Diskussion rund um das Thema ist aufgeheizt. Von diesem Problem selbst betroffen zu sein, ist eine besonders bedrohliche Vorstellung“, erklärt Fellner.
Meist gebe es ein auslösendes Ereignis für die Angst: „Das kann die körperliche Erregung bei der zufälligen Berührung durch ein junges Mädchen oder einen Buben sein, ein sexuell gefärbter Traum oder als erregend empfundene Filmszenen. Ab diesem Zeitpunkt werden die eigenen Gedankenläufe genau beobachtet und Phantasie-Szenen im Kopf immer wieder durchgespielt“, so Fellner. Dieses sich selbst testen und die ständigen Konfrontation mit dem Thema könne zu Depressionen, Selbsthass, Albträumen, Schlaflosigkeit sowie abwertenden inneren Dialogen bis hin zu selbstverletzenden Handlungen führen. Alles, um die Gedanken irgendwie zurück zu drängen. „Wie bei anderen Formen von Zwangsgedanken existiert auch hier eine umgekehrte Kopplung – fühlen sich die Betroffenen allgemein gut, treten die Zwangsgedanken zurück und können ihnen auch selbst als geradezu absurd erscheinen“, erklärt der Therapeut.
„Ich habe absolut kein Leben mehr“
Derartige Zwangsgedanken und Ängste haben Max’ Alltag mittlerweile eingenommen: „Ich habe angefangen, nicht-sexuelle Zuneigung zu Kindern mit sexueller Zuneigung zu verwechseln. Ich habe absolut kein Leben mehr. Mein einziges Ziel ist, zu schlafen, um dem Ganzen zu entkommen. Alles, was ich um mich herum sehe, beinhaltet Trigger (Anm. Redaktion: Auslöser) für Zwangsgedanken“, erklärt er.
Mittlerweile ist Max seit drei Monaten in Therapie. Fellner behandelte bereits zahlreiche Patienten mit ähnlichen Ängsten. „Mein jüngster Patient mit diesen Zwangsgedanken war 16. Ich habe genauso 60-jährige Männer behandelt, die voll im Leben standen und ganz plötzlich diese Ängste entwickelten.“
Bisher sind Fellner nur Männer mit diesen Zwangsgedanken begegnet. „Das Thema Pädophilie ist erst seit Kurzem in der aktuellen Intensität in den Medien präsent. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Zeitungsaufmacher über Kindesmissbrauch, Kinderpornographie oder Sexualstraftaten anderer Art berichtet.“ Bereits der Sprachgebrauch mache das Thema zu einem männlichen. Zudem seien weibliche Übergriffe und Misshandlungen an Kindern bisher weniger bekannt und so gut wie nie in den Medien. Es gebe eine hohe Dunkelziffer, so der Therapeut.
Abgrenzung zwischen Zwangsgedanken und Pädophilie
Ebenfalls schwer zu definieren ist die Grenze zwischen Zwangsgedanken — wie Max sie hat — und pädophilen Neigungen. Ein „Kern-Pädophiler“, wie Fellner das nennt, suche aber ganz gezielt entsprechende Inhalte. „Das ultimative Ziel ist letztendlich auch eine Partnerschaft oder Sex mit Minderjährigen und Kindern.“ Bei Zwangsgedanken drehe sich hingegen alles um die Gedanken. „Es passiert im Kopf und im Normalfall gibt es keinen Übergriff“, zieht Fellner die Grenze.
Und trotzdem könnten sich theoretisch auch Menschen mit Zwangsgedanken strafbar machen: „Manche Patienten haben so massive Zwangsgedanken, dass sie beim Ausprobieren und sich selbst Testen bereits problematische Inhalte konsumieren“, so der Therapeut. Dabei werde natürlich auch die rechtliche Grenze überschritten und sie machen sich strafbar.
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Professionelle Hilfe ist wichtig
Therapeut Fellner rät beim Aufkommen derartiger Gedanken jedem, diese so schnell wie möglich von Expert*innen abklären zu lassen. Ob es nun Zwangsgedanken sind oder man tatsächlich pädophile Neigungen habe – eine Therapie könne in beiden Fällen helfen. Es als Tabu-Thema abzustempeln sei sicherlich der falsche Weg, sagt der Therapeut.
http://ze.tt/warum-der-23-jaehrige-max- ... l-zu-sein/
(gekürzt)