Geiler Graus - die Zeit nach den Ferien
Verfasst: 29.08.2016, 19:48
In vielen Bundesländern sind die großen Sommerferien vorbei. Damit auch die Urlaubszeit vieler Werktätiger.
Und das merkt man. Merkt Ihr das auch:
Vor ein paar Wochen noch war der Weg zur Arbeit ein Genuss. Die Busse waren halbleer, man bekam immer einen Sitzplatz. In der Bahn gab es weniger Assis, die Dich mit ihren übertönenden Kopfhörern nervten. Kein Gedrängel und Geschuppse beim Einsteigen. Die Luft in den ÖPV-Mitteln war atembar, weil weniger verschwitzte Körper ihre Ausdünstungen in sie abließen oder reinpupsten.
Und erst mit dem PKW: Da waren die Autobahnen und Stadtstraßen so leer, dass die Fahrt zur Arbeit wie auf einer Rodelbahn war. Du konntest barrierelos durchflutschen wie ein Aal durch die Saftgrotte der notgeilen dicken Bertha.
Und jetzt? Jetzt steckst Du im morgendlichen Berufsverkehr fest wie ein dicker Vollpigmentierter-Schwanz in der Trockenpflaume einer Gazelle.
Man fragt sich, aus welchen Löchern die Leute plötzlich gekrochen kommen. Während um Dich herum gehupt und geschimpft wird, weil eine Blechmasse an links abbiegenden Fahrzeugen die Kreuzung verstopft, guckst Du auf die Uhr und sorgst Dich um Deinen Termin oder die Stempeluhr. Kurz danach stehst Du selbst als Linksabbieger mitten auf der Kreuzung, wo sich nichts mehr bewegt, und wirst das Opfer wütender Gesten. Man komponiert extra für Dich ein Hupkonzert. Dein Puls pocht am Hals. Und Du ahnst: Auch morgen wieder wirst Du - bei noch grünem Ampellicht - in die Kreuzung einfahren, auch wenn der Verkehr stockt. Denn Du weißt: Wenn Du brav die Kreuzung frei halten würdest, würdest Du nie abbiegen können, weil nämlich der Querverkehr nicht brav sein wird und die Kreuzung vollstellen wird.
Kommst Du endlich an Deiner Arbeit an - mit so'nem Hals! - bekommst Du keinen Parkplatz mehr. In der Ferienzeit war immer etwas frei gewesen.
Wenn Du Glück hast, kommt Deine Bahn pünktlich. Du denkst dann zuerst, der Tag fängt doch gut an. Mit Dir drängt - gefühlt - die ganze Stadt in die Bahn. Wer hartnäckig Leute wegschiebt, bekommt den letzten Sitzplatz. Du gehörst nicht zu den Hartnäckigen, sondern zu den Verschobenen. Du stehst irgendwo mitten im Gang ohne Festhaltemöglichkeit oder - von lauter unbeweglichen Fahrgästen umstellt - auf der gegenüberliegenden Seite zu der Tür, an der Du bald aussteigen musst. Deine Tasche hast Du auf dem Rücken oder in der Hand. Das gibt nach einigen Minuten Rücken- oder Armschmerzen. Du stellst sie deshalb auf den Boden. Weil immer neue Leute in die Bahn drängen, bewegst Du Dich mit der Masse mit. Jemand stolpert über Deine am Boden liegende Tasche. Vielleicht gar Du selbst. Auch Dein letzter Lichtblick auf ein pünktliches Erreichen der Arbeitsstelle schwindet. Zwar kam die Bahn pünktlich an Deinem Bahnhof an. Wegen des Fahrgastandranges, der schon fast indische Verhältnisse annimmt (dort sitzen die Fahrgäste sogar bis auf dem Dach), und weil einige Schmerzlose meinen, sie könnten sich noch in den letzten freien Zentimeter zwischen der Tür-Hydraulik quetschen, bekommst Du statt beruhigender Fahrgeräusche über die Lautsprecher zu hören: "Bitte den Türbereich frei machen". Natürlich wissen die, an die diese Botschaft gerichtet ist, in 99% der Fälle nicht, dass sie gemeint sind. Ich habe die mal beobachtet, diese "Türsteher": Die gucken, wenn die Durchsagen kommen, dann immer so angestrengt und vielbeschäftigt in einige unverdächtige Richtung mit einem Gesichtsausdruck, den man hat, wenn man auf dem Klo sitzt und die Arschgeburt mit Gewalt erzwingen will.
Na ja, wenn Deine Bahn dann irgendwann doch noch ankommt - natürlich mit Verspätung - dann kämpfst Du Dich mutig an hunderten Leuten vorbei zur Ausgangstür. Und falls Du zum Verlassen des Bahnhofes eine Treppe begehen musst, dann wird in dem Pulk aus Menschen garantiert immer einer dabei sein, der genau vor Dir in der Mitte geht, so dass ein Vorbeigehen links oder rechts ausgeschlossen ist, und der es nicht so eilig hat wie Du. Da denkt man sich: Der Typ hätte doch in der Ferienzeit die Treppe besichtigen können.
Nach alledem merkst Du, dass Du es wie die Borg machen musst: Dich anpassen, Dich nach der Ferienzeit wieder der normalen Berufszeit anpassen. Eine halbe Stunde früher aufstehen. Die frühere Bahn nehmen. Zeitiger mit dem PKW losfahren. Weniger Schlaf. Und trotzdem im Stau oder am Bahnhof stehen.
So ging es mir in den letzten Tagen. Ich biss ins Lenkrad und wünschte mir die Ferienzeit zurück.
Doch... irgendwie... neben den Veränderungen, die ich oben schon beschrieb, war noch etwas anders geworden.
Unterbewusst, ganz subtil, habe ich es schon die Tage bemerkt.
Aber richtig bewusst geworden ist es mir erst heute morgen. Als ich nämlich das Bremslicht meines Vordermannes zu spät sah und ein Auffahren mit einer Vollbremsung verhindern musste, was meinen Hintermann - verständlicherweise - zu einem Hupen veranlasst hatte.
Es war das hellblonde, braun gebrannte Schulmädchen im Sommerkleid auf seinem Fahrrad, was meinen Blick von der Straße lenkte und meinen Auspuff röhren ließ.
Während ich noch "Boah, ist die geil!" dachte, sah ich einige Meter weiter schon das nächste augenweidende Schulmädchen marschieren. Und als ich meine Fahrt heimlich so verlangsamte, dass ich in der Pole-Position vor einer gedrückten Fußgängerampel anhalten durfte, über die eine kleine Gruppe Grundschüler/innen in vorteilhaftesten Shorts und kurzen Röcken geführt wurde, da wusste ich:
Lieber geil im Stau als dröge auf Fahrt.
Und wer drängelt sich nicht gerne im ÖPV, wenn sich dabei eine kleine Fahrgästin an einem reibt?
Die heiße Jahreszeit ist vorbei. Es lebe die heiße Jahreszeit!

Vor ein paar Wochen noch war der Weg zur Arbeit ein Genuss. Die Busse waren halbleer, man bekam immer einen Sitzplatz. In der Bahn gab es weniger Assis, die Dich mit ihren übertönenden Kopfhörern nervten. Kein Gedrängel und Geschuppse beim Einsteigen. Die Luft in den ÖPV-Mitteln war atembar, weil weniger verschwitzte Körper ihre Ausdünstungen in sie abließen oder reinpupsten.
Und erst mit dem PKW: Da waren die Autobahnen und Stadtstraßen so leer, dass die Fahrt zur Arbeit wie auf einer Rodelbahn war. Du konntest barrierelos durchflutschen wie ein Aal durch die Saftgrotte der notgeilen dicken Bertha.

Und jetzt? Jetzt steckst Du im morgendlichen Berufsverkehr fest wie ein dicker Vollpigmentierter-Schwanz in der Trockenpflaume einer Gazelle.

Man fragt sich, aus welchen Löchern die Leute plötzlich gekrochen kommen. Während um Dich herum gehupt und geschimpft wird, weil eine Blechmasse an links abbiegenden Fahrzeugen die Kreuzung verstopft, guckst Du auf die Uhr und sorgst Dich um Deinen Termin oder die Stempeluhr. Kurz danach stehst Du selbst als Linksabbieger mitten auf der Kreuzung, wo sich nichts mehr bewegt, und wirst das Opfer wütender Gesten. Man komponiert extra für Dich ein Hupkonzert. Dein Puls pocht am Hals. Und Du ahnst: Auch morgen wieder wirst Du - bei noch grünem Ampellicht - in die Kreuzung einfahren, auch wenn der Verkehr stockt. Denn Du weißt: Wenn Du brav die Kreuzung frei halten würdest, würdest Du nie abbiegen können, weil nämlich der Querverkehr nicht brav sein wird und die Kreuzung vollstellen wird.
Kommst Du endlich an Deiner Arbeit an - mit so'nem Hals! - bekommst Du keinen Parkplatz mehr. In der Ferienzeit war immer etwas frei gewesen.
Wenn Du Glück hast, kommt Deine Bahn pünktlich. Du denkst dann zuerst, der Tag fängt doch gut an. Mit Dir drängt - gefühlt - die ganze Stadt in die Bahn. Wer hartnäckig Leute wegschiebt, bekommt den letzten Sitzplatz. Du gehörst nicht zu den Hartnäckigen, sondern zu den Verschobenen. Du stehst irgendwo mitten im Gang ohne Festhaltemöglichkeit oder - von lauter unbeweglichen Fahrgästen umstellt - auf der gegenüberliegenden Seite zu der Tür, an der Du bald aussteigen musst. Deine Tasche hast Du auf dem Rücken oder in der Hand. Das gibt nach einigen Minuten Rücken- oder Armschmerzen. Du stellst sie deshalb auf den Boden. Weil immer neue Leute in die Bahn drängen, bewegst Du Dich mit der Masse mit. Jemand stolpert über Deine am Boden liegende Tasche. Vielleicht gar Du selbst. Auch Dein letzter Lichtblick auf ein pünktliches Erreichen der Arbeitsstelle schwindet. Zwar kam die Bahn pünktlich an Deinem Bahnhof an. Wegen des Fahrgastandranges, der schon fast indische Verhältnisse annimmt (dort sitzen die Fahrgäste sogar bis auf dem Dach), und weil einige Schmerzlose meinen, sie könnten sich noch in den letzten freien Zentimeter zwischen der Tür-Hydraulik quetschen, bekommst Du statt beruhigender Fahrgeräusche über die Lautsprecher zu hören: "Bitte den Türbereich frei machen". Natürlich wissen die, an die diese Botschaft gerichtet ist, in 99% der Fälle nicht, dass sie gemeint sind. Ich habe die mal beobachtet, diese "Türsteher": Die gucken, wenn die Durchsagen kommen, dann immer so angestrengt und vielbeschäftigt in einige unverdächtige Richtung mit einem Gesichtsausdruck, den man hat, wenn man auf dem Klo sitzt und die Arschgeburt mit Gewalt erzwingen will.
Na ja, wenn Deine Bahn dann irgendwann doch noch ankommt - natürlich mit Verspätung - dann kämpfst Du Dich mutig an hunderten Leuten vorbei zur Ausgangstür. Und falls Du zum Verlassen des Bahnhofes eine Treppe begehen musst, dann wird in dem Pulk aus Menschen garantiert immer einer dabei sein, der genau vor Dir in der Mitte geht, so dass ein Vorbeigehen links oder rechts ausgeschlossen ist, und der es nicht so eilig hat wie Du. Da denkt man sich: Der Typ hätte doch in der Ferienzeit die Treppe besichtigen können.
Nach alledem merkst Du, dass Du es wie die Borg machen musst: Dich anpassen, Dich nach der Ferienzeit wieder der normalen Berufszeit anpassen. Eine halbe Stunde früher aufstehen. Die frühere Bahn nehmen. Zeitiger mit dem PKW losfahren. Weniger Schlaf. Und trotzdem im Stau oder am Bahnhof stehen.
So ging es mir in den letzten Tagen. Ich biss ins Lenkrad und wünschte mir die Ferienzeit zurück.
Doch... irgendwie... neben den Veränderungen, die ich oben schon beschrieb, war noch etwas anders geworden.
Unterbewusst, ganz subtil, habe ich es schon die Tage bemerkt.
Aber richtig bewusst geworden ist es mir erst heute morgen. Als ich nämlich das Bremslicht meines Vordermannes zu spät sah und ein Auffahren mit einer Vollbremsung verhindern musste, was meinen Hintermann - verständlicherweise - zu einem Hupen veranlasst hatte.
Es war das hellblonde, braun gebrannte Schulmädchen im Sommerkleid auf seinem Fahrrad, was meinen Blick von der Straße lenkte und meinen Auspuff röhren ließ.

Lieber geil im Stau als dröge auf Fahrt.
Und wer drängelt sich nicht gerne im ÖPV, wenn sich dabei eine kleine Fahrgästin an einem reibt?
Die heiße Jahreszeit ist vorbei. Es lebe die heiße Jahreszeit!