Re: GLF-Literaturwettbewerb 2013
Verfasst: 10.11.2013, 19:39
von Denker
Na dann...
Ich dachte, dass alle nur in den Startlöchern sitzen?
Dann mache ich mal den Anfang mit einer Fortsetzung eines Kreativ-Bereichs- Beitrages. (Es gibt welche, die es so gewollt haben.)
Eifersucht
Anna fühlte sich wie im siebenten Himmel. Sie war mit Andreas beinahe allein! Die ganze Zeit waren ihre Blicke nur auf ihn gerichtet, so dass sie es immer wieder schaffte, ihren Drachen abstürzen zu lassen. Jedes Mal fluchte Roy, weil er wieder über die Wiese rennen musste.
Roy war ein Junge aus ihrer Schule und Andreas war immer noch ihr Sachkundelehrer. Sie waren mit der ganzen Klasse zu einer großen Wiese gefahren, um Drachen steigen zu lassen. Projekt- Tag hatte Andreas es genannt und anfänglich war niemand wirklich davon begeistert gewesen. Sie waren schließlich schon in der 4. Klasse und keine kleinen Kinder mehr! Aber dann gab es d i e große Überraschung. Andreas hatte mehrere Lenkdrachen mitgebracht, und jetzt konnten alle Schüler – weit verteilt auf der Wiese – immer zu zweit mit einem Drachen ihre Flugversuche machen. Andreas hatte gleich angekündigt, dass sie sich die Tage danach im Unterricht darüber unterhalten werden, warum so ein Drachen überhaupt fliegt. Aber wen interessierte das im Moment. Der Wind war perfekt: nicht zu stark, aber dennoch so kräftig, dass es einige sogar schafften, ihren Drachen halsbrecherisch zu fliegen: senkrecht zum Boden stürzen, kurz davor umdrehen und wieder senkrecht in den Himmel steigen lassen.
Nur Anna war nicht bei der Sache. ‚Von wegen der Drachen fliegt…‘ Eigentlich war es nicht schwer, mit den zwei Leinen dieses Teil zu steuern. Wenn man jedoch gar nicht hinsah, wohin der Drachen gerade flog, so war es auch nicht möglich, rechtzeitig vor dem Absturz zu reagieren.
„Lass‘ mich mal steuern“, rief Roy ihr zu. Bisher hatte er den Part übernommen, den Drachen immer wieder zu ordnen und beim Start zu helfen. „Du guckst ja gar nicht hin, was Du machst! Wenn Du keine Lust hast, dann stelle Dich doch hier hin, wo ich jetzt bin. Dann kann ich wenigstens den Drachen lenken und stehe nicht nur dumm rum!“ Aber erst, als Roy das alles noch einmal wiederholte, bekam Anna mit, dass er mit ihr sprach. Sie war völlig abgelenkt, weil ihre Blicke immer wieder über die Wiese wanderten.
Zum Glück wusste Roy nicht, wohin Anna die ganze Zeit sah. Sie hatte nur Augen für Andreas, denn sie war bis über beide Ohren in ihren Lehrer verliebt. Anfangs war ihr das gar nicht bewusst gewesen, sie bemerkte nur, dass sie sich immer mehr auf den Unterricht mit ihm freute und sich auch in den Pausen sowie nach der Schule immer wieder etwas einfallen ließ, um in seiner Nähe zu sein. Immer wieder ertappte sie sich beim Träumen von Andreas – wie sie gemeinsam etwas unternahmen, und einmal sogar wie es wäre, mit ihm gemeinsam unter der Dusche zu stehen.
Eines Morgens vor ein paar Wochen hatte sie mit ihrem Vater über ihre Gefühle gesprochen – nicht ganz von sich aus, es hatte sich einfach so ergeben. Aber sie beide hatten ein so offenes Verhältnis zueinander, dass sie nach seiner direkten Frage, ob es jemand anderes in ihrem Leben gäbe außer ihren Vater, unmöglich die Wahrheit verschweigen konnte. Das Lächeln ihres Vaters hatte sie auch darin bekräftigt, zu ihren Gedanken zu stehen. Außerdem w o l l t e sie von ihren Gefühlen reden! Sie w o l l t e , dass alle Welt davon erfährt! Aber das, so hatte es ihr Vater deutlich gemacht, würde beide in Teufels Küche bringen – ihren Andreas und auch sie selbst. Außerdem wusste sie nicht wirklich, ob auch Andreas etwas für sie empfand. Bisher konnte sie nicht deuten, ob die Momente, in denen er sich speziell mit ihr beschäftigte, nicht nur das Normale waren, was ein Lehrer sowieso immer für seine Schüler tat.
Heute – so hatte sie es sich vorgenommen – heute wollte sie mit ihm reden. Deshalb suchte sie die ganze Zeit mit ihren Augen die Wiese ab, um immer zu wissen, wo Andreas gerade war. Sie wollte auf keinen Fall den Moment verpassen, bei dem sie endlich die ersehnte Gelegenheit bekam, mit ihm allein zu reden. Die Worte hatte sie auch schon geübt. N e i n – „geübt“ stimmte nicht. „Trainiert“ traf es besser. Außerdem – ihr Vater hatte ihr versprochen, ihr im Notfall zur Seite zu stehen.
‚Apropo Papa, wo ist der überhaupt?‘ Anna sah sich um.
Ihr Vater war mitgekommen, um ihrem Lehrer zu helfen. Vor zwei Wochen hatte Andreas seine Schüler gefragt, wessen Eltern ihn heute unterstützen könnten. Als Anna an dem Abend zu Hause beim gemeinsamen Abendbrot diese Frage angesprochen hatte, war es für ihren Vater erstaunlich schnell klar. Er hatte sofort zugesagt und extra frei genommen. Anna hatte sich gefreut, denn auf der einen Seite sehnte sie das Gespräch mit Andreas herbei, auf der anderen Seite hatte sie richtige Angst davor. Mit ihrem Vater in der Nähe fühlte sie sich sicher. Sie wusste nur nicht, wie er es anstellen wollte, dass sie allein mit Andreas reden konnte, und er trotzdem immer in ihrer Nähe war.
Es war sowieso komisch, dass ihr Vater sie völlig vergessen zu haben schien.
Weil keiner der anderen Eltern mitkommen konnte oder wollte, war er der einzige von den Eltern mit auf der Wiese. Deshalb musste er sich auch um die anderen Kinder kümmern. Soweit war Anna das klar. Sie hatte sich erhofft, dass er trotzdem immer in ihrer Nähe blieb, um ihr bei ihrem Vorhaben heute zu helfen. Aber das Gegenteil war der Fall: Er war zum ganz anderen Ende der Wiese gegangen! Und Laura war bei ihm!
Am Anfang hatte er den Kindern geholfen und erklärt, wie sie am besten mit ihren Drachen zurecht kommen. Dabei war er von einem zum anderen gelaufen und konnte dadurch nicht bei ihr bleiben. Inzwischen waren die Drachen fast alle in der Luft und schwirrten nur so am Himmel hin und her. Platz war ja genug. Drachen waren auch genug da. Nur die Schülerzahl ging nicht auf. Laura, Anna’s Freundin, war übrig geblieben.
Ganz im Gegensatz zu sonst wollte sie dieses Mal auch nicht zusammen mit Anna bleiben. Deshalb flog jetzt Roy den gemeinsamen Drachen. Der war aber der Einzige, der glücklich über diese Wendung war. ‚Wahrscheinlich steht der auch noch auf mich‘, dachte sich Anna. ‚Hoffentlich quatscht er mich nicht auch noch deswegen an. Das würde heute alles verderben.‘
Dass Laura nicht mit Anna zusammen sein wollte, war schon komisch genug, dass sie jetzt auch noch mit ihrem Vater am Ende der Wiese gemeinsam den Drachen steigen ließen, fand Anna noch viel ungewöhnlicher. Es waren noch nicht einmal alle Kinder aufgeteilt, da hatte Laura ihren Vater schon direkt angesprochen: „Ich habe niemanden, mit dem ich meinen Drachen fliegen lassen kann. Wollen wir das zusammen machen?“ ‚Und Papa fand das völlig normal und sah sogar richtig glücklich nach dieser Frage aus!‘ Laura’s Blicke wanderten argwöhnisch zu den beiden. Sie waren soweit von ihr entfernt, dass sie sie nicht wirklich erkannte. Aber es war das einzige Pärchen, wo ein Erwachsener und ein Kind zusammen standen.
Ach was, s t a n d e n ?! ‚Jetzt schleppt er Laura sogar auf dem Rücken!‘ Anna konnte es nicht fassen! ‚Kann sie nicht allein bis zum Drachen gehen? Kann er nicht dort warten, wo er stand, bis sie den Drachen zum Starten wieder hoch gehoben hat?‘ Immer wieder, wenn sie zu den beiden sah und beobachtete, wie intensiv sich Laura und ihr Vater miteinander beschäftigten, schnürte es ihre Brust zusammen. Es tat ihr tief im Innersten weh zu sehen, wie ihr Vater sich von ihrer besten Freundin so vereinnahmen lassen konnte. ‚Ihr Drachen ist auch mehr am Boden als in der Luft. Immer wieder hängen sie zusammen. Man kann doch den Drachen viel besser fliegen, wenn man sich so aufteilt, wie Roy und ich!‘
„Wieso lässt du ihn nicht einfach in Ruhe?“ Anna wollte die Worte schreien, aber sie kamen ihr nur als leises Flüstern über die Lippen. ‚Du bist doch mein Papa! Sag ihr doch, dass sie Dich mir nicht wegnehmen darf!‘
Die Drachen und die Wiese waren ihr plötzlich völlig egal. Am liebsten wäre sie weit weg gerannt, nur um das alles nicht mehr sehen zu müssen.
Plötzlich durchzuckte sie ein anderer Gedanke wie ein Blitz: ‚Warum ist mir das nicht eingefallen? Warum habe ich nicht gleich Andreas gefragt, ob er mir beim Drachensteigen hilft? Dann wäre ich wirklich bei ihm und müsste mich nicht mit dem da rumschlagen.‘ Ihr Seitenblick zu Roy fiel nicht gerade freundlich aus. Aber dieser hatte seine Augen nur auf den Himmel gerichtet und bekam nichts von alledem mit. Wieder sah sie zu ihrem Vater hinüber. Die beiden hockten schon wieder am Boden und schienen den Drachen entwirren zu müssen. ‚Wer weiß, was Laura jetzt mit ihm redet?! Ach Papa, kannst Du sie nicht einfach stehen lassen und mir bei Andreas helfen?‘ Langsam begann Anna, auf ihren Vater böse zu werden.
„Na, eifersüchtig?“
Anna schrak zusammen! Sie kannte diese Stimme! Diese Stimme war es, deren Klang immer ihren Körper zum Schwingen brachte – selbst wenn der Moment so unpassend war wie gerade jetzt! Es war die Stimme von Andreas, der plötzlich neben ihr stand.
„Ich sehe Dir schon eine Weile zu. Ich sehe auch, wohin Du die ganze Zeit siehst, und ich kann Deine Stimmung in Deinem Gesicht ablesen.“
Augenblicklich war alles anders! Anna war völlig aus dem Häuschen: Andreas stand direkt neben ihr, und er hatte mal nichts wegen der Schule zu ihr gesagt! Jetzt war d e r Moment gekommen, und sie war gar nicht vorbereitet! Fieberhaft kramte sie in ihren Gedanken nach den Worten, die sie so intensiv geübt hatte, aber es war nichts mehr da! Sie schien plötzlich wie in einem leeren Raum zu schweben, selbst der beginnende Groll gegenüber ihrem Vater und Laura war wie weggeblasen.
„Andreas… äh, Herr …“, begann sie stammelnd, als er ihr mit einem Lächeln in’s Wort fiel: „Hier draußen außerhalb der Schule freue ich mich sehr darüber, wenn Du mich Andreas nennst.“ Und nachdem Anna noch immer kein Wort herausbrachte: „Roy kommt ganz gut ohne Dich zurecht. Lass‘ uns mal etwas aus der Reichweite der Drachen gehen.“
Anna Aufregung steigerte sich noch weiter. Andreas war bei ihr und „aus der Reichweite der Drachen“ bedeutete „an den Rand der Wiese“. ‚Ob Andreas das absichtlich macht, um mit mir allein zu sein?‘ überlegte sie. Sie hoffte so sehnlichst, dass es so war. Aber sie fragte nicht sondern griff nach seiner Hand. Äußerlich wirkte sie fast entspannt, als sie entgegnete: „Gern! Dort ‘rüber?“ „Ja.“ Seine Antwort war kurz, aber er griff ihre ausgestreckte Hand, und so schlürften sie gemeinsam über die trockene Wiese – Hand in Hand. Anna war überglücklich! Andreas hatte ihre Hand genommen! Sie waren sich beide so nah wie nie jemals zuvor! Es schien auch nicht gleich vorbei zu sein – und ehrlich, sie w o l l t e auch nicht, dass dieser Moment überhaupt jemals verging!
Ihren Vater hatte sie vergessen!
„Andreas?“ begann sie nun doch vorsichtig, „Ich muss Dir etwas sagen.“ Er sah sie aufmunternd an. ‚Was sie mir wohl zu erzählen hat? Sollte heute d e r Moment der Wahrheit sein?‘ dachte er. Doch sie „erzählte“ nichts, sie hatte ihre Fassung wieder gewonnen, und die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus – allerdings nicht genau die, welche sie abgewogen und sich vorgenommen hatte. Sie redete so, wie sie gerade fühlte, und und sie redete über das, was sie schon eine ganze Weile gefühlt hatte.
Dann hatte sie alles gesagt und sah Andreas erwartungsvoll an. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt, „Anna, das ist nicht so einfach …“
„Papa hat mir schon gesagt, dass Du als Lehrer nicht gleich Hurra rufen wirst, aber fühlst Du denn gar nichts für mich?“ Anna wollte ihn gar nicht erst ausreden lassen. Eine Ablehnung wollte sie nicht hören! War es doch genau das, wovor sie am meisten Angst gehabt, und weshalb sie es so lange vor sich hergeschoben hatte, ihm von ihr zu erzählen. Andreas hielt sie mit seinen großen Händen vorsichtig an ihren Schultern fest und sah ihr tief in die Augen: „Deine Gefühle mir gegenüber habe ich schon sehr zeitig bemerkt. Anfangs fand ich es nur niedlich, weil ich es nicht zum ersten Mal erlebe, dass eine Schülerin für ihren Lehrer schwärmt. Mit der Zeit schien es aber bei Dir immer stärker und ernster zu werden. Heute weiß ich es genau, dass ich mich nicht getäuscht habe. Zuerst fühlte ich mich nur geschmeichelt, aber zuletzt habe ich mir immer mehr von Dir gewünscht zu erfahren, was Du wirklich denkst. Wenn ich ehrlich zu mir bin, weiß ich auch schon eine ganze Weile, dass ich Dich sehr gern habe. Ich wünsche mir, mit Dir viel Zeit zu verbringen, immer in Deiner Nähe zu sein…
Aber ich bin Dein Lehrer, und das macht alles so unheimlich kompliziert…“
Anna wusste auch nicht, wie es nach ihrer Offenbarung weiter gehen würde, darüber hatten sich beide – ihr Vater und sie – noch keine endgültigen Gedanken gemacht. Erst einmal wollten sie abwarten, wie Andreas selbst darüber denkt.
Natürlich hatte sie Vorstellungen, Ideen und Träume, und darüber redete sie jetzt mit Andreas. Andreas hatte ebenfalls viel zu sagen. Sehr lange hatte er seine Gefühle vor aller Welt und wohl auch vor sich selbst versteckt. Auch er hatte sich tatsächlich schon seine Gedanken gemacht für einen Moment wie heute und für ein mögliches Miteinander danach.
Beide hatten sich nebeneinander in’s Gras gesetzt. So konnten sie miteinander sprechen, so konnten sie gegenseitig feststellen, dass sie viel mehr miteinander verband, als das, was sie sich bisher selbst eingestanden hatten. Und dennoch sah es für die anderen so aus, als würden sie die wild umher zappelnden Drachen und die herumspringenden Kinder beobachten. Es war so schön für beide, miteinander zusammen zu sein! Und dennoch war beiden klar, dass sie ihre Gefühle zueinander nicht überall offen zeigen konnten.
Anna‘s Vater war das alles nicht entgangen. Er wusste natürlich nicht, was die beiden redeten, aber er wusste, dass Anna heute den großen Schritt wagen würde, mit „ihrem“ Andreas zu reden. Er hoffte sehr, dass es für sie nicht die befürchtete Enttäuschung bedeuten würde. Dass sie noch immer zusammen auf der Wiese saßen, konnte alles heißen.
Er würde ja heute Abend spätestens erfahren, wie es gelaufen ist. Ein bisschen hatte er schon ein schlechtes Gewissen, dass er nicht bei ihr war, aber andererseits war es ganz gut, dass seine Tochter das selbst in die Hand nahm. Wenn sie etwas älter wäre, würde er ja auch keine Chance bekommen, bei der Liebeserklärung von ihr an ihren Freund dabei zu sein. Irgendwann wird es soweit sein, dass sie nicht mehr seine kleine Tochter war und eigene Wege ging. Aber jetzt war sie doch erst 10.
‚Was ist, wenn er ihre Zuneigung erwidert?‘ heiß und kalt durchfuhr ihn dieser Gedanke. ‚Gut - das war und ist ihr sehnlichster Wunsch.‘ Er war ehrlich genug zu sich, dass diese Option natürlich möglich war. Aber für ihn bedeutete es, dass er seine Tochter nicht mehr für sich allein haben würde! Mit diesen Gedanken belastet war er plötzlich gar nicht mehr so glücklich, seine Tochter mit Andreas zusammen zu sehen. Ein Gefühl der rasenden Eifersucht machte sich in ihm breit: ‚Sie ist meine kleine Tochter! Wenn du ihr zu nahe kommst…!‘.
Er sprang auf und wollte es hinüber schreien. Aber zum Glück riss er sich zusammen! Denn Laura stupste ihn in die Seite: „Was ist los, Du bist plötzlich so anders, als wenn Du gar nicht mehr hier wärst.“ Er schüttelte den Kopf – für Laura als Zeichen, dass sie sich täuschen würde, für sich, weil er sich selbst zurechtwies: ‚Du hattest ihr doch geraten, zu ihm zu gehen. Du kannst jetzt nicht sagen, Dir wären die Konsequenzen nicht klar gewesen!‘ Es war ernüchternd! ‚Außerdem musst Du Dich an Deine eigene Nase fassen. Was war denn gerade die ganze Zeit mit Laura?‘
„Entschuldige bitte!“ Er zwang seinen Blick weg von seiner Tochter und Andreas. Laura lächelte ihn an: „Kannst Du mich wieder auf dem Rücken tragen?“ Der nächste Schauer durchfuhr ihn.
Zum Glück waren sie am Rand der Wiese!
Er hatte Laura heute schon einmal auf dem Rücken zu dem von ihr „gelandeten“ Drachen getragen. Damit sie besser „aufsteigen“ konnte, hatte er seine Hände als „Steigbügel“ hinter sich gehalten… und Laura hatte sich auf seine Hände gesetzt.
Überrascht, erschrocken und glücklich zugleich war sein Blick in die Runde gewandert, aber keiner auf der Wiese nahm in dem Moment Notiz von ihrem Treiben. Also machte er sich bewusst, was er da mit seinen Händen durch die dünnen Leggings spürte.
„Du sitzt auf meinen Händen.“ Seine Worte beantwortete sie nur mit einem wohligen Summen, und dabei drückte sie sich noch fester an seinen Rücken und ihr Gesicht an seine Wange. Weiter sagte er: „Ich kann deinen Knochen spüren.“ ‚(…und noch viel mehr…)‘, aber das Letzte sprach er nicht aus.
„Ist das der Steiß?“ Ihre Frage wirkte absolut unwirklich und riss ihn in die Gegenwart zurück. „Nein, das ist Dein Schambein.“, und bei diesen Worten ließ er sie sanft von seinem Rücken gleiten.
Laura hatte ihn hinterher lange in die Augen gesehen, und er konnte in ihrem Blick spüren, dass sie dieses Erlebnis ganz bewusst herbeigeführt hatte. Dass sie ihn dann auch noch fest umarmt und lange gedrückt hatte, zeigte ihm, dass Laura alles genau so fühlte, wie sie handelte. Also machte er sich keine Sorgen, sondern war weiter so unbeschwert wie bisher.
Nach einer Weile wurde er sogar beinahe mutig. Auszusprechen hatte er es sich nicht getraut, aber er nutze eine andere Idee. Weil sie vorher mit ihrem Drachen Buchstaben- Figuren geflogen waren, bat er Laura, genau mitzulesen und zeichnete mit dem Drachen noch einmal Buchstaben an den Himmel: L – I – E – B – E L – A – U – R – A - ! I – L – D Sie las laut mit und sprach die Worte zusammenhängend aus: „liebe Laura ild“ Erstaunt sah sie ihn an: „Was heißt ‚ild‘?“ Er hatte gelächelt und geantwortet: „Nicht ‚ild‘. Es sind einzelne Buchstaben. Ich traue mich nicht, diese Worte auszusprechen. Es ist eine Abkürzung.“ Daraufhin konnte er in ihrem Blick die Erkenntnis miterleben! Dann war sie aufgesprungen und hatte ihn an sich gedrückt. Gesagt hatte sie nichts, aber er fühlte es genau, dass sie sehr glücklich über seine Erklärung war.
Alles war schön, bis…
Ja, bis er seine Tochter mit Andreas an den Rand der Wiese gehen sah.
Laura wartete noch immer auf seine Antwort: „Trägst Du mich nun?“ „Na klar, steig auf.“ Seine Entscheidung zauberte ein glückliches Lächeln in ihr Gesicht. Dieses Mal hielt er die Hände seitlich. Laura nahm diese Unterstützung gern an und nutzte jetzt die Hände wirklich als Steigbügel, um sich wie ein Jockey auf einem Rennpferd auf seinem Rücken festzuklammern. Sie verschmolz förmlich mit ihm zu einer Einheit, und das Gefühl ihres Körpers auf seinem Rücken und ihrer weichen Wange an der seinen ließ ihn tatsächlich ein paar Sprünge wie ein junges Pferd machen. Es war unbeschreiblich schön -
und eine Katastrophe, genau in diesem Moment die Stimme von Andreas über die Wiese schallen zu hören:
„Feierabend! Zusammenpacken und vorn an der Straße sammeln!“
Sofort verschwand der Zauber der Situation, weil Laura sich plötzlich verhielt, als hätte jemand einen Schalter umgelegt: Sie sprang von seinem Rücken, rannte über die Wiese und räumte Drachen und Leinen in einer Windeseile zusammen, dass er den Eindruck nicht los wurde, sie wäre froh, das alles jetzt endlich ein Ende hätte! Er versuchte noch, dieses Glücksgefühl etwas festzuhalten, indem er sie beim Zusammenpacken bremste.
„Wir müssen uns beeilen. Die anderen warten. Ich kann nicht so lange mit Dir hier herumtrödeln!“ Laura’s Worte brannten sich wie Dornen in sein Herz, und es fiel ihm schwer, auf den Boden der Realität zurück zu kommen.
Dass sie nach dem Zusammenlegen und Verpacken des Drachens gleich wieder auf seinen Rücken geklettert war und sich zum Sammelpunkt hatte tragen lassen, war auch nicht mehr das Gleiche wie vorher. So empfand er es fast als Hohn, dass sie von den anderen Kindern mit Gelächter empfangen wurden. Und die Worte, mit denen man sie begrüßte, trübten seine Laune endgültig ein: „Laura, Du und Dein Pferde- Fimmel! Hast Du wieder jemanden gefunden, auf dem Du reiten kannst?“ Laura sprang herunter, gesellte sich zu ihren Mitschülern und - sagte gar nichts.
Wie sollte er das werten? Hatte er sich alles nur eingebildet und schöngeredet, was heute auf der Wiese geschehen war?
Er suchte mit den Augen nach Laura und erhaschte ihren wissend-lächelnden Blick. Dann drehte sie sich um und verschwand in der Gruppe.
Es war nicht lange still. „Habt Ihr meinen Drachen fliegen sehen?!“ Die Frage von Roy war nur der Anfang eines plötzlich einsetzenden Stimmengewirres.
Anna ging zu ihrem Vater und hängte sich an seinen Arm, allerdings nicht ohne ebenfalls mit Andreas noch einmal einen intensiven Blick zu tauschen. Andreas überlegte, ob er im Augenblick mit Anna’s Vater reden sollte. Doch dann er hielt es doch für den falschen Zeitpunkt und blieb stumm.
Die beiden Männer standen sich gegenüber und sahen sich an – lange und prüfend.
Und dann erhellten sich ihre Mienen zu einem Lächeln. Ja, sie empfanden ähnlich: Mädchen sind liebenswerte Geschöpfe! Sie haben so viel Zuwendung verdient – e i g e n t l i c h .
Denn als Andreas noch einmal Anna’s Blick suchte und wie ihr Vater bei Laura ebenfalls den Eindruck bekam, dass beide Mädchen sie völlig vergessen zu haben schienen, wurde beiden Männern schmerzlich bewusst, wer hier von wem abhängig war…
Und das waren n i c h t die Mädchen!
Gruß
Denker
Re: GLF-Literaturwettbewerb 2013
Verfasst: 14.11.2013, 18:20
von Denker
Hallo Janus Halbritter,
ich weiß, dass das Folgende nicht wirklich hierher in den Thread des Literaturwettbewerbes gehört. Es bezieht sich ja auf die Geschichte
"Ich habe keine Angst mehr"
in folgendem Thread:
https://www.girlloverforum.net/forum/vi ... f=5&t=2246,
welche wohl schon älter ist und von Cortejador am 22.10.
2009 noch einmal gepostet wurde.
Vielleicht sollte man das auch dorthin verschieben
*mit dem Zaunpfahl wink und zur Administration schiel*
Aber eine Frage hat sich mir dennoch aufgedrängt, nachdem ich diese Geschichte heute zwei mal gelesen hatte:
Wovon sprichst Du wenn Du folgendes schreibst
Janus Halbritter hat geschrieben:
Das Mädchen gibt und gibt und der Pädo nimmt und nimmt, und am Ende steht er auchnoch als Held da.
Man kann sicherlich über den Schreibstil geteilter Meinung sein
(ich "darf" mir ja auch regelmäßig deshalb konstruktive(?) Kritik durchlesen...),
aber vom Inhalt ist mir
nichts Derartiges in dieser o.a. Geschichte aufgefallen.
Auch Dein Resümé kann ich nicht nachvollziehen:
Janus Halbritter hat geschrieben:
Das ist bloß ein ganz primitiver Pädowunschtraum.
Wenn ich vor dem Rechner sitze, ich beim Lesen die schwankende Stimmung des Mädchens regelrecht fühlen kann und mir beim letzten Kapitel beide Male und nicht unterdrückbar die Tränen über das Gesicht laufen, dann habe ich eine ganz andere Stimmung!
Es ist wohl eher ein
Alptraum, jemanden zu verlieren, der einem an's Herz gewachsen ist - noch dazu seine kleine Freundin!!!!!
Gruß
Denker