
Elfen (bzw. Naturgeister im allgemeinen) treten in vielen Sagen und Märchen als Mittelwesen zwischen Göttern und Menschen auf. Im engeren Sinne manifestieren sich Elfen - zumindest in Darstellungen seit dem 18.Jh. - zumeist als anmutige, (kindlich-)weibliche bzw. feminisierte (mit den Elementen Erde, Wasser und Luft verbundene) Lichtwesen.
[Allerdings sind sie aber auch von den grobstofflicheren Zwergen u.a. nicht gänzlich klar abgrenzbar. Die Silbe Elf- /Alf- bzw. Elb- /Alb- steckt somit auch in Wesensbezeichnungen und Begriffen drinnen, die nur randlich mit der Welt der Elfen in Verbindung gesehen werden (zB Zwergenkönig Alberich im Niebelungenlied, vgl. auch Gandalf bei Tolkien, der Albtraum u.a.)]
Elfen sind ein auch fester Bestandteil der klassischen Literatur (zB. Shakespeare: Sommernachtstraum; Goethe: Erlkönig [urspr.: Elfenkönig] u.a.)
Lewis Carroll hat sein Spät- und Hauptwerk "Sylvie und Bruno" (abgeschlossen: 1893) ganz auf eine Weltvorstellung aufgebaut, in der Elfen existieren, und lässt die beiden titelgebenden Hauptfiguren zeitweilig dem Erzähler als solche in Erscheinung treten.
Aber Carroll erörtert auch, warum die Existenz von Elfen bzw. Naturgeistern angenommen werden darf (!), so etwa im in "Sylvie und Bruno" geführten Gespräch zwischen dem Earl, dem Erzähler und Lady Muriel. Dieses - hier verkürzt wiedergegebene - Gespräch geht zunächst von der Alltagsbeobachtung aus, dass neben Menschen auch Tiere (zB. Hunde) durchaus gewisse Verstandeskräfte zu besitzen scheinen, um in der Folge die Begriffe "Verstand" und "Geist" konkreter zu fassen:
Der Earl:
"Die Wahrheit der Religion schien noch vor einer Generation mit der Behauptung zu stehen und zu fallen, der Mensch sei das einzige vernunftbegabte Wesen. Aber damit ist jetzt Schluss. Gewisse Monopole kann der Mensch für sich noch reklamieren - zum Beispiel den Gebrauch einer Sprache, der es uns ermöglicht, die Arbeit von vielen durch 'Arbeitsteilung' zu nutzen. Aber mit dem Glauben, wir besäßen ein Monopol auf Vernunft, ist längst aufgeräumt. Und doch ist die Katastrophe ausgeblieben. Wie sagt doch ein alter Dichter: 'Gott ist noch immer dort, wo er war'"
Der Erzähler:
"Sie erwähnten eben die 'Arbeitsteilung'. In einem Bienenstock gelangt sie doch bestimmt zur höchsten Perfektion?"
Der Earl:
"Ganz wunderbar - ganz übermenschlich -, und so absolut unvereinbar mit ihrem sonstigen Verhalten, dass es für mich ganz außer Zweifel steht, dass es sich hier um reinen Instinkt handelt und nicht, wie einige meinen, um hochgradige Intelligenz. Überlegen Sie doch nur einmal, wie dumm sich eine Biene bei dem Versuch anstellt, aus einem offenen Fenster zu fliegen." [...]
Der Erzähler:
"Sie sind also der Ansicht, dass reiner Instinkt keinerlei Vernunft beinhaltet?"
Der Earl:
"Im Gegenteil, ich bin der Ansicht, dass die Arbeit eines Bienenstocks einen höchsten Grad an Vernunft impliziert. Aber die Biene trägt nichts dazu bei. Gott hat alles wohl durchdacht und dem Verstand der Biene nur das Ergebnis der Überlegungen eingepflanzt. [...]
Die wahrscheinlichste Lösung für das Rätsel 'Biene' scheint mir zu sein, dass alle Bienen eines Schwarms nur einen einzigen Verstand besitzen. Wir erleben oft, dass ein einzelner Verstand eine hochkomplizierte Ansammlung von Gliedern und Organen steuert, wenn sie miteinander verbunden sind. Woher wollen wir aber wissen, dass eine materielle Verbindung notwendig ist? Könnte bloße Nähe nicht schon genügen? Wenn ja, dann ist ein Bienenschwarm einfach nur ein Einzellebewesen, dessen viele verschiedene Glieder nur nicht ganz so eng miteinander verbunden sind.[...]
Lady Muriel:
"Sie sagten neulich, bei triftigen Beweisen würden Sie alles akzeptieren, was nicht a priori unmöglich sei. Und Sie nannten als beweisbares Phänomen, glaube ich, Geister. Wären Elfen ein weiteres Beispiel?" [...]
Der Erzähler:
"Ich glaube, dass es überall Leben gibt - nicht nur in materieller Form, nicht nur in einer mit unseren Sinnen fassbaren Form, sondern ebenfalls in immaterieller und unsichtbarer Form. Wir glauben an unser eigenes immaterielles Wesen - heiße es nun 'Seele' oder 'Geist' oder sonstwie. Warum sollten um uns herum nicht andere Geschöpfe existieren, die nicht an einen sichtbaren und materiellen Körper gebunden sind?
[aus: Lewis Carroll, Sylvie und Bruno. Ins Deutsche übertragen von Michael Walter und Sabine Hübner. München 2006.]
Freilich kein Zufall, dass bei Carroll - ganz im Sinne der idealistisch geprägten Klassik und Romantik - es das in Sylvie und Bruno verkörperte Wesen des Kindes ist, das die "elfische"-naturgeisthafte Mittlersphäre zwischen Gott und Menschheit bzw. Himmel und Erde, Natur und Zivilisation, Zeit und Ewigkeit einnimmt: Der koboldhafte Bruno (von ahd: "der Braune" = der [Wald-]Bär) - vgl. Puck, Papageno, Pan, Pumuckl -, der auf einer anderen Erzählebene ein etwa 6-jähriger kleiner Knabe ist und die engelhafte Sylvie (von lat: "Sylva" = Wald, d.h. also die "Waldfrau"), auf anderer Ebene ein etwa 12-jähriges Mädchen - Inbegriff für das weiblich-kindliche Wesen bei Carroll - sind komplementäre und doch affine Figuren.
Hier noch zwei Bilder:
*) Sylvie und Bruno als Elfen-Kinder. Zeichnung von Carrolls Buchillustrator H. Furniss:
http://www.alephbet.com/pictures/4630.jpg
*) Drei Elfen-Mädchen. Gezeichnet von der mit Carroll befreundeten Malerin G. Thomson, die Carrolls Gedichtband "Three Sunsets" illustrierte:
http://www.dace.co.uk/painting/fairies/ ... shroom.gif
Weitere schöne Elfen sind z.B. auch hier zu finden:
http://www.beepworld.de/members50/himme ... eelfen.htm
Damit ist aber nun - denke ich - genug gesagt.
Jetzt bitte ich um eure Kommentare zum hier Gesagten und vor allem auch dazu, wie ihr zu Elfen steht.
