mrutik hat geschrieben:Das zeigt dann aber auch, dass es letztlich die ökonomischen Verhältnisse sind, ....
Das kommt meiner Auffassung sehr nahe. Es geschah in derselben Epoche, dass Kinder von "der Strasse" (die jetzt verpönt wurde) geholt wurden, die allgemeine Schulpflicht ausgerufen wurden, die Kinder der Armen und die armen Kinder, die auf der Strasse "lagen" (dieses "Liegen" wurde schwer thematisiert - mit Anspielungen ans Sexuelle) in Heime gesperrt wurden, die bürgerlichen Kinder in Internate eingeschlossen wurden, und - wie man aus genauen Untersuchungen weiss - die täglich von Erwachsenen, insbes. den Eltern für die Kinder investierte Zeit angehoben wurde. Gleichzeitig hob ein Kampf gegen den Müssiggang auch bei Erwachsenen an. Die Gesellschaft wollte mehr produzieren, sicherere Verhältnisse haben, nichts mehr dem Zufall überlassen, schon gar nicht die Zukunft, also die Kinder. Das
Kind wurde zum Hoch-Investitionsgut, welches zu wertvoll wurde, um sich selber und dem Zufall und "den Trieben" (die es herumtrieben) überlassen zu werden. Da wurde die Schraube langsam angezogen. Die einzelne Familie hatte wenig Chance, sich dem zu entziehen, wollte es auch nicht, sondern Schritt halten in einem immer intensiver werdenden Wettbewerb.
Im 18. Jh war man dann bei einem säkularen Kampf gegen die kindliche Masturbation, von der man eine Schwächung der Gesellschaft befürchtete, nicht nur eine moralische, auch einen Verlust an Produktions- und Kampfesenergie. Frankreich liess eine Enquête in allen Kasernen durchführen (ein modernes Unterfangen - eine der ersten repräsentativen Umfragen), das Resultat erschreckte, das von den Rekruten allgemein praktizierte Masturbieren würde der Nation ihre Energie rauben. Im 19. Jh. kamen dann die Erfindungen der Erziehungssadisten - Geräte, mit denen die Hände der Kinder im Schlaf festgezurrt wurden, und solche, die den Kindern beim Masturbieren Schmerzen bereiteten. Der Kampf wurde übernommen von der jetzt beginnenden Spezialisierung der Kinderärzte (vorher gab es keine spez. Medizin für die Kinder, man wendete Erw.med. auf sie an, einfach die Dosis geteilt durchs Körpergewicht - das Kind hatte keinen "anderen" Körper - jetzt aber begann das "Anderssein" des Kindes, medizinisch begründet, mit einem anderen Körper). In Oesterreich führten die Kinderärzte den heftigen Kampf gegen den "Zutzel", ein mit Zucker getränkter Stofflappen, den man den Kindern als Einschlafhilfe gab, damit sie daran saugen und ihre oralen Bedürfnisse befriedigen konnten. Den Aerzten war das zu lustbetont, sie fürchteten eine laszive Haltung beim heranwachsenden Kind, und dass daraus zu lustabhängige Menschen hervorgehen würde - quasi das Suchtmittel von damals). Dann kam S. Freud mit seiner Theorie von der oralen Frustration, der dem zwar entgegenwirkte, aber auch die Lust beim Kind problematisierte, indem er alles vom Schicksal dieser Lust in frühen Jahren ahängig sah.
Die Voraussetzungen für den Eintritt ins Erwachsenenleben werden immer höher, man muss immer besser darauf vorbereitet werden, was schon beim Kind eine asketische Grundhaltung braucht. Weil der Gesellschaft dabei unwohl ist, bereitet sie dem Kind gleichzeitig ein eigenes Reich, ein Kinderzimmer mit rosa Möbeln usw., damit es doch "ganz Kind sein" kann - aber in einer bereinigten Kindheit.
Ich sehe nur in diesem Sinn (bereinigt") eine gewisse Parallele zum Jungfräulichkeitsthema, nicht im konkreteren Sinne, da überhaupt nicht. Denn Jugendsexualität, also Sex vor der Ehe, ist ja sehr wohl zugelassen. DA gehen dann die islamischen Gesellschaften einen anderen Weg (mit immer mehr Friktionen). Von ihnen ist auch keine Reduktion des AoA zu erwarten, nur eine Reduktion des Heiratalters.