gegu hat geschrieben:
Die Aufklärung. Mir kommt es so vor als ob nur sehr wenig Aufklärung vorhanden ist. [..]
Die Aufklärung zeichnet sich für jeden Erwachsenen gegenüber einem Kind von einer inneren Ratlosigkeit aus.
Es ist nicht einmal so, dass man aus irgendeinem moralisch oder ethischem Kalkül es nicht tut, man weiß es einfach nicht.
Und es gibt Anzeichen dafür, dass dies gar biologisch notwendig so angelegt ist, wenn es also um ganz konkrete sexuelle Erfahrungen der Kinder geht. (Nicht die ganze nüchterne Informationswelt drumherum. Die lässt sich sachlogisch runterbeten, wie andere Unterrichtsthemen auch)
Hierzu ein interessanter Ausschnitt aus dem Artikel des Spiegels "Triebwerk im Keller der Seele". [1]
Im Nachhinein fiel ihr kein anderes Verhalten ihrer Kinder ein, auf das sie so vage reagiert hätte. Seither führten sie und Fonagy ziemlich lebhafte Diskussionen. Sie befragten reihenweise Mütter, was sie taten, wenn sie sexuelle Gefühle ihres Kindes beobachteten. Die Antwort war fast immer gleich: "Wegschauen, ignorieren."
Jahrelang hatten sich Target und Fonagy mit der Frage beschäftigt, wie sich das Selbst des Kindes entwickelt. Die innere Repräsentation, die wir von all unseren Gefühlen haben, so sagen sie, kann nur in der Beziehung zu einem Gegenüber entstehen: Die Mutter, die ihr Baby anschaut, spiegelt mit ihrem Gesicht unwillkürlich dessen Ausdruck, aber auf eine Weise, die signalisiert, dass nicht sie diejenige ist, die sich gerade in der vollen Windel unwohl fühlt. Ihr Gesicht drückt eher aus: "Ich kenne und verstehe dieses Gefühl, das du hast. Es ist in Ordnung." Durch diese Art von Interaktion lernt das Baby, seine Gefühle, sein Selbst zu regulieren.
Jeder kann das vor dem Spiegel ausprobieren: "Machen Sie ein ,Ich bin traurig'-Gesicht und dann eines für ,Ach, du bist sooo traurig'. Versuchen Sie ein ,Es tut schrecklich weh'-Gesicht und ein ,Oje, mein Schatz, hast du dir wehgetan!'-Gesicht", sagt Target. Niemandem falle das sonderlich schwer. "Aber jetzt stellen Sie sich vor, Ihr kleiner Junge habe eine Erektion oder Ihr Töchterchen masturbiere", fährt sie fort. "Machen Sie dazu das passende Gesicht!"
[...]
Das hat System: "Mütter sind unbewusst in der Lage, alle Emotionen ihres Kindes zu spiegeln", sagt Fonagy, "mit Ausnahme der sexuellen Erregung. Weil unser mimisches Repertoire keine intuitive Antwort darauf hat, erlangt das Kind keine innere Repräsentation davon. Dieses aufregende Etwas wird nicht in unser Selbst integriert wie andere Gefühle."
Diesen blinden Fleck habe die Evolution eigens eingerichtet: "Wir müssen lernen, unsere Gefühle zu regulieren, sonst ist kein soziales Leben denkbar. Dafür hat unsere Spezies die verlängerte Kindheit. Würden wir aber lernen, unsere Sexualität auf die gleiche Weise zu kontrollieren wie unsere Aggression, Eifersucht oder Trauer, wäre bis zur Pubertät nicht mehr genug Triebhaftes übrig, um die Weitergabe unserer Gene zu garantieren. Deswegen muss Sexualität eine Art Alien in uns bleiben. Unsere Sexualität gehört zu uns, ohne uns zu gehören."
Erst später, beim Sex mit einem Partner, wenn man die eigene Erregung in der eines anderen gespiegelt sieht, integriert man seine Sexualität schrittweise in sein Selbst - und im gleichen Maße, wie dies geschieht, nimmt die Triebkraft ab.
Bedeutet also: Die polymorph-perverse Lustsuche der Kinder ist ein unbewusstes Spiel ohne Spiegelpartner.
Erst in der Pubertät kommt ein solcher Spiegelpartner dazu und wird in die Sexualität wird in die Persönlichkeit bewusst integriert.
Vor diesem Hintergrund stellt das die sexual-pädagogik vor die Aufgabe einem konstruktivistischen Lernen der Sexualität so weit es geht wegzubereiten. Größtenteils einfach Freiheiten gewähren Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht zu machen.
gegu hat geschrieben:
Den Grund könnte ich jetzt selbst nicht genau festmachen, da einfach zu viele Faktoren in unterschiedlicher Gewichtung wirken.
Aber reden wir jetzt mal in unserem Fall davon. Wie reagiert also praktisch einer von unserer Spezies, wenn er erfährt, dass seine Liebe mit einem anderen Jungen "rummacht"?
Ich persönlich würde ein Stück weit in Demut feststecken; zu sehen wie sie ihre Erfahrungen macht; unausweichlich und Teil ihres Lebens.
gegu hat geschrieben:
Kenne ich den Jungen nicht und er hat sich sie einfach nur "geschnappt" [*] -> No go.
Kenne ich den Jungen und er hat sie sich einfach nur "geschnappt" -> No go.
Du musst dem Jungen zu Gute halten, dass er keine so hohen moralischen Standards einhalten kann, wie wir es täten bei der Anbahnung einer Beziehung.
Man darf sich das nicht als Ausrede nehmen da zwischenzufunken, nur weil man dem Jungen in dieser Sache eine 5- gibt. (So ähnlich wie ein Vater, der jeden Freund von Töchterchen nach seinen Maßstäben ratifiziert)
Genauer gesagt, sollte man sich aus sowas ganz raushalten, und sich freuen wenn das Mädchen dir immer noch ein Teil ihrer Zeit widmet.
Es ist natürlich eine ganz andere Sache, wenn das Mädchen offensichtlich stark belästigt wird von dem Jungen.
Aber man sollte da schon genau hinsehen; manchmal ist es Teil der Identitätsentwicklung des Mädchens, wenn es sich etwas windet und dem Jungen dann doch wieder hinterherschaut, dann sich doch wieder streitet. (Jeder wird das wohl schonmal beobachtet haben)
Und so schwer es auch fällt die Phasen des Neckens der beiden für sich zu nutzen, sollte man sich doch eher zurückhalten.
Was ich damit sagen wollte: Es wird uns immer ein Grund einfallen, warum der Junge scheisse gebaut hat. Können wir wirklich so unparteiisch bleiben?
So blöd es klingt. Ich würde die Zuständigkeit jemandem anders "zuschustern". Man ist ja nicht die einzige erwachsene "Bezugsperson", wie man so schön sagt.
gegu hat geschrieben:
Kenne ich den Jungen nicht und beide haben sich ineinander verguckt - da würde ich voller Herzschmerz loslassen müssen, um deren Glück nicht zu zerstören. Leicht würde es mir aber nicht fallen, da sozusagen mein Vertrauen verletzt wurde.
Kenne ich den Jungen und beide haben sich ineinander verguckt, ist es zwar immer noch schwer dies dann zu akzeptieren, aber es ist doch um einiges leichter als bei völlig Fremden solch eine Entscheidung zu treffen.
Jupp.
gegu hat geschrieben:
Was tun wenn ein "No go" eintritt? Gute Frage. Furchtbar ärgern über manche Menschen, sogar schon junge, die ein paar Werte vermissen lassen. Ovid würde jetzt kommen: Das sind deine Werte. Kann schon sein, nur sollte Respekt einem anderen Menschen gegenüber immer sehr weit oben stehen.
Wobei Respekt noch zu definieren wäre. [2]
Ich sagte ja: Sich so weit es geht aus der Frage heraushalten "
Was ist gut für andere?"
Manchmal geht es akut nicht anders. Da muss man gewisserweise gar in Kauf nehmen, dass man die Situation unbewusst sogar eigennützig ausschlachtet.
In welche Fallstricke man da als absolut parteiische Person geraten kann, sagte ich ja oben bereits.
gegu hat geschrieben:
Habe ich mit dem Mädchen nur eine Freundschaft ist es leichter zu fassen, dass sie da einen Freund hat mit dem gewissen Dinge passieren.
Bin ich aber von oben bis unten in sie verschossen, würde ich an meiner Eifersucht und Ohnmacht langsam verenden.
Ja das knüpft gut an die Schwierigkeiten an. Man darf nicht vergessen, dass man eine verhältnisnäßig
mächtige Person ist, die unter der Fahne der Moralität so einiges Schalten und Walten kann. Aber ist das immer uneigennützig?
gegu hat geschrieben:
Und noch ein Punkt allgemein: Wie locker oder nicht das ein jeder sehen mag, hängt individuell von seiner Lebenssicht ab die mit diesem Thema verbunden ist.
Erziehungsdilemma. Wie erreicht man es, dass das Kind möglichst eigenständig wird (und somit eigenständig Werte konstruieren kann) ohne zu viel von seinem eigenen Konglomerat an Weltsicht "einzutrichtern".
Der heilige Graal für mich ist die "
unbeeinflussende Erziehung", was ja an sich schon ein Widerspruch ist.
Fixpunkt muss eine Art von Mündigkeit sein, und die Waage sollte immer mehr auf der Seite der individuellen Entfaltung stehen als eine "künstliche Wertevermittlung".
[1]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46765839.html
[2]
http://girlloverforum.net/forum/viewtop ... ekt#p91149