Hallo she-like-the-wind,
Du schreibst (sinngemäß), dass wir uns vieles ausdenken um uns zu rechtfertigen und dafür keine Beweise bieten können. Beweisen können wir tatsächlich nichts. Aber ich könnte Dir unzählige Untersuchungen bzw Studien und wissenschaftliche Fachartikel bieten, aus denen hervorgeht, dass das was wir behaupten weniger abwegig ist, sondern der Realität wohl sehr Nahe kommt.
Du bezweifelst z.B. dass der Anteil pädophiler Täter nicht so gering ist, wie von uns behauptet. Ich habe hier an anderer Stelle schonmal die mir bekannten Arbeiten dazu aufgelistet, wo der Täteranteil entweder geschätzt oder im Hellfeld untersucht wurde:
1% (Wolter, 1985), 5% (Lautmann, 1994), 2 - 10% (Kinsey-Report, Lautmann, Brongersma, Groth,
(Anm.: zitiere ich ungerne, weil ich kaum nähere Angaben habe, nicht mal eine Jahreszahl)), 12% (Zonana & Abel 1999), 15% (Beier 1995, Bosinski 1997), 20% (Fiedler 2004), 30% (Barbaree & Marshall, 1989)
Wie Du siehst gehen die Meinungen dabei weit auseinander, in keinem Fall der Schätzungen oder Untersuchungen liegt dieser Anteil über 30%. Unterschlagen habe ich auch keine (sonst hätte ich die letztere weggelassen). Genauso verhält es sich z.B. auch mit der Gewalt- oder Agressionsbereitschaft pädophiler Menschen. Es besteht weitestgehend Einigkeit, dass ein Pädophiler in diesen Punkten (wie auch in anderen) sich dabei nicht von anderen Gruppen unterscheidet. Aber um dieses zu beantworten kann man sich auch einfach selbst fragen, ob man der Person, die man liebt, weh tun würde. Würdest Du? Ich nicht!
Interessant ist, dass Du Wikipedia anzweifelst. Denn das tu ich genauso, aber aus einem anderen Blickwinkel. Aus meiner Sicht stellt Wikipedia die Pädophilie nicht neutral, sondern
leicht negativ dar (nicht alle Aussagen entsprechen wirklich dem wissenschaftlichen Kenntnisstand, bzw. werden einige positive oder neutrale Aspekte unterschlagen).
Ich kann Dir aber einen Fachartikel von Sophinette Becker empfehlen (erschienen in Werkblatt 1/97). Sie positioniert sie erstaunlich neutral, sozusagen in der Mitte. Nicht gegen etwas und nicht für etwas, sondern sie betrachtet die Thematik von Außen einfach ganz nüchtern und sachlich. Diese Lektüre empfehle ich allen Seiten, direkt und indirekt Betroffene wie auch Leuten, denen Pädophilie ein Dorn im Auge ist:
http://www.werkblatt.at/archiv/38becker.html
lg kim
Nachtrag zur Verursachungstheorie (falls es Dich wirklich interessiert, die einzige mir bekannte Theorie die zudem auch noch schlüssig erscheint):
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Das Modell von Griesemer (2005) wird aufgrund seiner Neuheit und empirischen Fundierung skizziert. Es wurde vor kurzem anhand einer großen Dunkelfeldstichprobe primär- und sekundärpädophiler Männer validiert. Zudem existieren weibliche und männliche (nicht-pädophile) Vergleichsgruppen (N=140; Pädophile und Vergleichsgruppen inklusiv). Der Kerngedanke der Modellvorstellungen wird aus Platzgründen extrem vereinfacht und sehr verkürzt dargestellt.
Der Ansatz geht von der Grunderklärung aus, dass das Phänomen Pädophilie als solches völlig unspezifisch ist und als Latenz und Möglichkeit bei einem Großteil der Bevölkerung gegeben ist. 80% der Kinder verlieben sich zu Beginn ihrer psychosexuellen Entwicklung in andere Kinder (gehäuft um das 10. Lebensjahr). Bei Zutreffen dieser 80 prozentigen Wahrscheinlichkeit werden frühe sexuelle Typenraster (S-R-Verbindungen im ZNS) gebildet, die weitgehend löschungsresistent sind und ein Leben lang bestehen. Die Löschungsresistenz hängt damit zusammen, dass sie sich nach ihrem Zustandekommen aufgrund bestimmter neuronaler Verschaltungen durch interne Regelkreisläufe (und die Bildung von Nebennieren Stereoiden) selber verstärken. Die sexuellen Typenraster werden im Regelfall der nicht-pädophilen Entwicklung jedoch durch andere S-R-Verbindungen überlernt.
Ein ausschließlicher Typus der Pädophilie ist bei Menschen vorhanden, bei denen die pädoerotischen Reiz-Reaktions-Verbindungen der Kindheit nie überlernt wurden. Bei den Erwachsenen, bei denen pädoerotische Kopplungen existieren, aber gleichzeitig eine subdominante Orientierung auf Erwachsene besteht, liegt eine primäre Pädophilie nicht-ausschließenden Typs vor. Die Herausbildung dieses zweiten Typs wird mit bestimmten individuellen Eigenschaften des Gehirns erklärt. Die dritte Gruppe sind die sekundär-pädophilen Entwicklungen (subdominante sexuelle Präferenz gegenüber Jungen, Mädchen oder Kindern allgemein). Diese erwachsenen treten zum Teil niemals pädosexuell in Erscheinung und weisen normalerweise auch keine pädophile
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Identitätsbildung auf. Es ist jedoch möglich, dass diese Typenraster nach Jahrzehnten seit der Pubertät urplötzlich aus der Latenz in bewusste Empfindungen und Handlungen treten. Eine Reihe von Faktoren kann veranlassend wirken (z.B. Drogen, Hirntumore, Altersveränderungen im Gehirn, seelische Konstellationen, spezifische Auslösereize).
Der gemeinsame Nenner dieser drei mehr oder weniger stark pädophilen Entwicklungstypen ist, dass die präpubertäre pädophile Prägung wesentlich durch Mechanismen im Frontalhirn geschieht, das einen zentralen Steuerungseinfluss auf die Wahrnehmung allgemein und die Selektivität der Informationsaufnahme hat. Der eigentliche Umstellungsprozess auf „normale“ Sexualität erfolgt durch automatisierte Lernprozesse ohne Zutun des Bewusstseins und geschieht bei diesen drei Typen in unterschiedlichem Maße
Das Modell ist geeignet, eine Vielzahl von Besonderheiten pädophilen Erlebens, spezielle pädosexuelle Phänomene und differentielle Unterschiede (auch gegenüber Frauen) zu erklären und vorherzusagen (Griesemer, 2005). Weitreichendere Validierungsprozesse sind jedoch noch nötig.
Griesemers integrative Verursachungstheorie stellt künftig möglicherweise eine potentielle Alternative/Ergänzung zu den weit verbreiteten simplizistischen analytischen und feministischen Modellbildungen dar, bei denen eine solide empirische Basis für die pädophile Population vollkommen fehlt. Postulierte Mechanismen wie Melanie Kleins „projektive Identifikation“ haben mit Sicherheit eine gewisse Relevanz, können jedoch nicht blind auf „den Pädophilien“ verallgemeinert werden.
aus:
Vogt, Horst (2006): Pädophilie: Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer; Papst Science Publishers
weitere Literatur dazu:
Griesemer, Michael M. (2005): Integrative Ursachentheorie zur Entstehung der paedophilia erotica
http://www.itp-arcados.net/wissenschaft ... rotica.pdf
Griesemer, Michael M. (2006): Die Nautilus-Studie zur psychosexuellen Kindesentwicklung; Teilfragestellung I: Nichtpädophile vs. Pädophile; Integration zweier Beiträge des Autors zum 9. Kongress 2006 der International Association for the Treatment of Sexual Offenders (IATSO)
http://www.itp-arcados.net/wissenschaft ... eutsch.pdf