Re: Wir-sind-auch-Menschen und die Haltung zur Sexualität
Verfasst: 31.10.2024, 05:38
Bei der Gelegenheit möchte ich hier, etwas Off-Topic, den Steckbrief von David festhalten. Die Schilderungen über die Freundschaft mit dem kleinen Jungen in seiner Grundschulzeit haben mich gerade zu Tränen gerührt. Manchmal bin ich wohl etwas nah am Wasser gebaut.
https://wir-sind-auch-menschen.de/steckbriefe/8/david hat geschrieben: David
Mitte 20 | Männlich | Erzieher
Man nennt mich David, ich bin Mitte 20 und arbeite als Erzieher im Kita-Bereich. Ich lese viel, treibe Sport. Ich habe gern Freunde um mich, muss ab und an aber auch mal einfach allein sein. Ich bin introvertiert (INFP-Pride), habe viele Hobbys, bin gern in der Natur, mag Tiere und Pflanzen, unsere Erde und alles, was hier lebt. Daher ist mir Tier- und Umweltschutz sehr wichtig. Ich bin ein Familienmensch. Und dann wäre da noch eine Sache. Eine klitzekleine Sache vielleicht, die in den Augen vieler Menschen aber mein ganzes Sein ausmacht und mich in jeder Diskussion disqualifiziert; mich zu einem Menschen zweiter Klasse degradiert: Ich stehe auf Jungs. Kleine Jungs.
Rückblickend betrachtet hab ich schon in meiner Kindheit gemerkt, dass mich kleine Jungen faszinieren. In der Grundschulzeit hab ich mich in der Pause gern mit den Kita-Kindern auf der anderen Seite des Zauns unterhalten. Ich fand sie toll, irgendwie niedlich-frech und trotzdem freundlich, neugierig und lustig. Und so lebensfroh.
In der vierten Klasse verbrachte ich viel Zeit mit einem Erstklässler. Er fand das cool, weil die anderen Viertklässler ihn ja entweder links liegen ließen, oder ihn rumschubsten. Jeden Tag bin ich ein wenig früher zur Schule, den großen Ranzen auf den kleinen Schultern, immer den Sandweg zur Schule hinauf. Den Morgentau zu beiden Seiten glitzernd, die orangerote Sonne im Gesicht. Und da hat er gesessen, bei dem Felsen neben dem Eingangstor und auf mich gewartet. Ich glaube, damals war ich zum ersten Mal so richtig verschossen. Das hab ich so natürlich nicht bewertet, weil ich nicht wusste, dass das möglich ist. Immerhin war das auch noch sehr kindlich geprägt. Damals hätte ich wohl gesagt, ich finde meinen kleinen Kumpel süß und zum Knuddeln. Wenn ich mich das getraut hätte, denn ich habe durchaus gemerkt, dass ich der einzige Viertklässler war, der sich überhaupt mit den Erstklässlern abgegeben hat.
Rückblickend betrachtet habe ich schon in meiner Kindheit gemerkt, dass mich kleine Jungen faszinieren.
Später dann habe ich vermutet schwul zu sein. Dass die Jungs, die ich mochte, deutlich jünger waren als ich und mit fortschreitendem Alter meinerseits, jung blieben, habe ich erst einmal ausgeblendet. Ich war 15, die stickigen, schweißigen Zimmer meiner Freunde mit Postern von halbnackten Frauen tapeziert. Ich hätte mir gern eines von dem süßen Hauptdarsteller aus dem Kinderfilm an die Wand gehängt, dessen Plakat ich immer sah, wenn ich am Kino vorbeilief. Das hätte ich mich aber nie getraut, denn ich wusste verdammt genau, dass ich einen Crush hatte, so wie die anderen in meinem Alter Crushes auf Sängerinnen oder Schauspielerinnen hatten.
Dennoch war ich in meiner Jugend die meiste Zeit verwirrt und habe mich einsam gefühlt, denn ich bin nicht auf die Idee gekommen, pädophil zu sein. „Pädophiler“ war für mich, geprägt durch Medien und die Horrorgeschichten meiner Eltern, ein anderes Wort für Mörder oder Entführer. Daher bekam ich dann auch große Angst, als mir irgendwann ein Licht aufging. Ich dachte, ich hätte keine Wahl, ich müsse jetzt auch ein Mörder oder Entführer werden. Zeitungsartikel, die dies implizierten, befeuerten die Angst. Ich machte mir schreckliche Sorgen, vielleicht schlafzuwandeln und nachts über Kinder herzufallen, wenn ich keine Kontrolle hatte. Ich überlegte, ob es nicht klug wäre, mich nachts ans Bett zu fesseln. Die Aussage eines Mannes, der mich einmal mit meiner Schulklasse in einer Psychiatrie herumführte („Da drüben sind die gefährlichsten und übelsten Leute, die wir hier haben. Pädophile zum Beispiel. Die dürfen nie raus.“), warf mich in meinem Selbstvertrauen um Jahre zurück. Rückblickend betrachtet, glaube ich nicht, dass ich das überlebt hätte, wäre ich nicht gerettet worden.
Der Austausch mit anderen Betroffenen, die mir klar machten, dass diese Typen in der Zeitung und in der Psychiatrie Straftäter sind und ich keiner werden muss; dass die Leute es einfach nur nicht für nötig halten, zwischen Pädophilen und Straftätern zu differenzieren, weil sie selbst glauben, dass es da keinen Unterschied gibt; das war meine Rettung. Und dann waren da noch die Harry-Potter-Bücher mit denen ich aufgewachsen bin und meine Identifizierung mit dem Charakter Remus Lupin, einem Werwolf, der nicht bösartig, sondern gütig war und als Lehrer arbeitete.
Das war sehr wichtig für mich, da ich in der Phase, in der ich es mir eingestand, mitten in der Ausbildung zum Erzieher war. Wie bin ich da nur reingeraten?, dachte ich damals. Ich mochte Kinder sehr und alle bestätigten mir, ich sei gut im Umgang mit ihnen, da erschien es mir nur logisch, Erzieher zu werden. Dann wurde mir immer klarer, was ich bin. Und meine Welt brach zusammen. Durch Freunde, die ich unter Pädophilen fand, lernte ich jedoch schnell, mich zu akzeptieren wie ich bin, gewann Vertrauen in mich und meine Prinzipien. Ich hatte nie das Bedürfnis einen Übergriff zu begehen. Denn ich liebe Kinder und will ihnen nicht schaden.
Heute lebe ich allein, doch keinesfalls unzufrieden. Ich bin in der Lage mit meiner Liebe zu Kindern und der Faszination für ihre Welt etwas Gutes zu tun, indem ich sie in den ersten Jahren ihres Lebens begleite. Das bedeutet mir sehr viel und gibt mir eine Menge Stabilität und Freude am Leben. Dennoch rutsche auch ich immer öfter in depressive Phasen ab, fühle Hoffnungslosigkeit und Angst bis hin zur Verzweiflung. Der Grund dafür ist der zunehmende Hass, die Ausgrenzung, die Verfolgung von Menschen wie mir. Gegen diese alltäglichen Taten der Gesellschaft stelle ich mich vehement, denn aus ihnen entsteht nichts als Hass, Wut, Frust und Traurigkeit. Es handelt sich um negative Handlungen, die nichts als negative Gefühle auslösen. Die nichts weiter vermögen, als Menschen kaputt zu machen. Und das akzeptiere ich nicht. Denn positive Dinge wie Liebe, Freundschaft, Akzeptanz und Toleranz sind es, was uns als Menschen ausmacht. Was uns weiterbringt. Uns Stabilität schenkt und Freude am Leben. Und nicht nur würde das viele Probleme lösen, es ist viel mehr auch mein gutes Recht, nach grundlegenden Menschenrechten behandelt zu werden. Denn ich bin auch ein Mensch.