Kinderpornografie - Polizei sucht an Schulen nach Opfern
Hagen. Die Polizei setzt bei der Bekämpfung von Internetkriminalität auf neue Fahndungsmethoden. Lehrern werden Fotos sexuell missbrauchter Kinder gezeigt.
Sie bekomme heute noch Gänsehaut, wenn sie daran denke, erzählt eine Lehrerin aus Hagen. An die Bilder, die ein missbrauchtes Mädchen zeigen. Fotos von dem Kind, das vermutlich zwischen Zwölf und 14 Jahren alt ist, sind in den vergangenen Monaten an alle Schulen bundesweit verteilt worden, auch in Südwestfalen. Eine solche Schulfahndung ist für die Ermittler das letzte Mittel, das Opfer zu schützen. Und den Täter zu fassen.
Im Internet, auf frei zugänglichen Seiten, sei man auf das Material gestoßen, erzählt Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität. Szenen aus einem Kinderzimmer, vermutlich irgendwo in Deutschland, wie die Ermittler annehmen. Wo genau, darauf geben die Bilder keine Hinweise. Die Fotos zeigen, wie ein Mädchen seit Jahren missbraucht wird – vermutlich bis heute.
Technik ausgeschöpft
Wenn ein Täter ganz offensichtlich über einen längeren Zeitraum „Zugriff“ auf sein Opfer habe, dann stamme er meist aus dem Umfeld des Kindes, weiß Alexander Badle. Weshalb er auch befürchtet, dass sich der Täter nach wie vor an dem Mädchen vergeht.
Nachdem die Ermittler alles technisch Machbare versucht hatten, den Täter zu identifizieren, haben sie Bilder von dem Mädchen über die Landeskriminalämter an alle weiterführenden Schulen im gesamten Bundesgebiet übermittelt, Obergrenze 10. Klasse. Zumeist über eine sichere, passwortgeschützte Datenleitung, erklärt Badle. In der Hoffnung, dass irgendein Lehrer in Deutschland das Mädchen als seine Schülerin identifizieren kann. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Hat man das Mädchen, hat man vermutlich auch den Täter aus dem „persönlichen Nahbereich“. Es handele sich um nicht-pornografische Bilder, wie Badle betont. Zu erkennen sei allein das Gesicht des Mädchens, fügt er hinzu.
Erfolge zu verzeichnen
Ein immenser Ermittlungsaufwand, räumt der Oberstaatsanwalt ein. „Aber der enorme Druck, das Mädchen aus dieser Situation herauszuholen, rechtfertigt dies“, ist er überzeugt. Er rechtfertigt es auch, Fotos eines Kindes bundesweit zu streuen. Hier überwiege der Schutz des Opfers das Interesse des Kindes am eigenen Bild. „Und wenn uns das Opfer in einigen Jahren oder Jahrzehnten fragt, ob wir alles getan haben, ihm zu helfen, dann möchte ich nicht nein sagen müssen“, so Alexander Badle.
Und deshalb hat er keine Bedenken, die Lehrer in eine für sie vermutlich „ungewöhnliche Situation“ zu bringen. Wenig Verständnis zeigt er dafür, dass sich Berliner Pädagogen über dieses Vorgehen der Ermittler beschwert hatten. Lehrer hätten einen Schutzauftrag für die Kinder, betont Badle. Um ein solches Verbrechen aufzuklären, sei es ihnen durchaus zuzumuten, sich dieses Bildmaterial einmal anzusehen. Und meistens bekomme man auch positive Reaktionen aus den Schulen, fügt er hinzu.
Wirklich am Ende angelangt
Zumal die Ermittler auch Erfolge zu verzeichnen haben. Erst Ende Oktober ist ihnen nach einer Schulfahndung ein Täter ins Netz gegangen. In Oberösterreich nahmen sie einen 49-jährigen Deutschen fest. Er soll seinen siebenjährigen Sohn schwer sexuell missbraucht und Bilder davon im Internet verbreitet haben. Bei der bundesweiten Fahndung erkannte eine Schulleiterin aus Niederbayern den kleinen Jungen. Bis zum Zeitpunkt der Festnahme des Vaters sei das Kind noch dessen Opfer gewesen. „Wir konnten die Notsituation für den Jungen beenden“, sagt Oberstaatsanwalt Badle.
Die Festnahme verdeutliche, wie wichtig die bisher noch junge Methode der Schulfahndung mittlerweile sei, um die Opfer sexuellen Missbrauchs zu identifizieren, so Badle. Zwei bis drei Mal jährlich setzen die Ermittler inzwischen auf dieses Instrument, seitdem die Tatbegehungen über das Internet zunehmen und man immer häufiger anonymes Bildmaterial entdecke.
Im aktuellen Fall des Mädchens aber scheinen die Ermittler keinen Erfolg zu haben. Seit Ende September bereits läuft die Schulfahndung – bisher ohne Ergebnis. Wenn man nicht bald noch eine positive Rückmeldung bekomme, so Badle, „dann sind wir wirklich am Ende“.
QuAlle:
https://www.derwesten.de/staedte/hagen/ ... 24290.html