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Fetzer
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von Fetzer »

Einwanderung – Bedrohung oder Zukunft
Mythen und Fakten zur Integration

Migrantinnen als Bedrohung - Die neue
Diskursfähigkeit einst abgelegter Weltbilder

Ulrike Kluge, Seyran Bostancí

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand in Europa der Eindruck, dass ethnische und nationale Etikettierungen und Kategorisierungen als Konfliktstoff ausgedient hätten und Rassismus von der breiten Öffentlichkeit abgelehnt, verurteilt und als nicht haltbar angesehen würde. Insbesondere in Deutschland verschwand der Rassismus jedoch nicht, sondern unterlag aufgrund der faschistischen Vergangenheit vielmehr einer Tabuisierung. Stattdessen fanden in der öffentlichen Thematisierung Begrifflichkeiten wie Ausländerfeindlichkeit, Fremdenangst, Fremdenhass oder Rechtsextremismus einzug. [1] In den gegenwärtig geführten Debatten um das Thema Migration, einigen Aussagen im Rahmen der Diskussionen um das Kopftuchverbot [2] oder die Entwicklungen in der Aufklärung der Morde an neun Personen mit Migrationshintergrund durch Rechtsextremistlnnen, [3] entsteht der Eindruck, dass stereotypisierende Vorbehalte und insbesondere die dahinter stehenden Ethnisierungs- und Ausgrenzungsprozesse offensichtlich nicht an Relevanz und Wirkmächtigkeit verloren haben. Die vermeintlich abgelegten Weltbilder und die vereinfachte Dichotomisierung der Welt in Gut und Böse – wie es noch zu Zeiten des Kalten Krieges der Fall war - wiederholen und transformieren sich heutzutage beispielsweise in den Thesen von Samuel Huntingtons Kampf der Kulturen oder in Schlagzeilen wie Der Kampfgegen den Terrorismus.

ln der Öffentlichkeit werden die Diskurse um Migration und lntegration mehrheitlich negativ dargestellt, rezipiert und bewertet, und dies ist nicht erst mit Thilo Sarazzins polemischer Integrationskritik in seinem Buch Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen (2010) feststellbar. ln den Diskussionen erfolgt die dichotome Gegenüberstellung an-

[1] Gomolla, Interventionen gegen Rassismus, S. 42f.
[2] S. Haug/ Reimer, Politik ums Kopftuch; Berghahn/ Rostock, Der Stoff aus dem Konflikte sind.
[3] S. Netzwerk Migration in Europa e.V., Migration und Bevölkerung, 10/2011; Ders., Migration und Bevölkerung, 01/2012.


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hand der konstruierten Differenzlinien von verschiedenen, scheinbar starren, voneinander getrennten kulturellen, nationalen oder religiösen Entitäten. Dabei wird die deutsche (Leit-) Kultur der vermeintlichen >Kultur der Migrantlnnen< gegenüber gestellt und das Leben in einer multikulturellen, kosmopolitanen Gesellschaft pauschal zum Scheitern verurteilt.
Wie kommt es, dass das Thema Migration respektive Integration in Deutschland derartig negative Assoziationen hervorruft und eher im Zusammenhang mit Schwierigkeiten und Problemen oder sogar mit einer Form von Bedrohung zusammengebracht und diskutiert wird? Warum stehen nur gewisse Migrantlnnengruppen für ein Bedrohungspotenzial und andere nicht? Was steckt hinter dieser wahrgenommenen Bedrohung?


Migration: gesellschaftliche Normalität?

Migration ist so alt wie die Menschheit. Unser aller Geschichte ist geprägt von Wanderungsbewegungen. Der Soziologe Helmuth Berking spricht von einem ››[...] außerordentlich überraschungsarmen Konzept, geht es doch definitorisch um die dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Personen [...].« [4]

lnsbesondere in den lndustriestaaten wird in der heutigen Zeit auf dem Arbeitsmarkt eine gewisse Mobilität von jedem lndividuum verlangt, bzw. es wird zunehmend als selbstverständlich erachtet, dass Menschen für ihre berufliche Entwicklung in eine andere Stadt ziehen oder für eine gewisse Zeit, manchmal sogar für immer, in ein anderes Land auswandern (müssen und können). Oder wie der Soziologe Peter Gross zur Sozialfigur des Nomaden schreibt: »Nomadesein ist trendig<< [5] . Ein Ergebnis der Industrialisierung und
der Globalisierung ist, dass zunehmend individuelle Lebensbiografien von Migration geprägt sind. Die Biografien von Menschen, die aus einem Land auswandern, pendeln oder an verschiedenen Standorten zugleich leben und arbeiten, stehen für den Zeitgeist der so genannten globalisierten Welt und spiegeln das heute zur Normalität werdende kosmopolitane Leben wider. [6] Mittlerweile gilt es fast als Konsens, dass Migration und Wanderung nicht

[4] Berking, Der Migrant, S. 292.
[5] Gross, Der Nomade, S. §16.
[6] Fischer, Der Bürger/Weltbürger, S. 38ff.


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nur unvermeidbare, sondern auch unverzichtbare Phänomene darstellen. [7] Im ökonomischen Sinne gelten sie als ein bedeutender Motor für gesellschaftliche Veränderung und Modernisierung. [8] So verwundert es nicht, dass viele Ökonomen die Einwanderung in einen Staat positiv bewerten und betonen, dass durch Migration ein Zugewinn für den Wohlstand einer Gesellschaft erzielt werden kann (siehe die Beiträge von Straubhaar und Hinte u.a. in diesem Band). [9] Als Paradebeispiel dafür kann Deutschland in der Nachkriegszeit gesehen werden. Die deutsche Wirtschaft hat in großem Maße von den damals zugewanderten so genannten ›Gastarbeitern< aus den Mittelmeerstaaten wie Italien, Spanien, dem damaligen Jugoslawien und der Türkei stark profitiert. Die eingewanderten Arbeitskräfte haben maßgeblich zum deutschen Wirtschaftswunder beigetragen. Für diesen Beitrag zum deutschen Wohlstand bedankte sich anlässlich des 50. Jahrestages der Ein-
wanderung des ersten türkischen Gastarbeiters der damals amtierende Bundespräsident Christian Wulff bei den in Deutschland lebenden türkischen MigrantInnen. [10] In der breiten Öffentlichkeit, das heißt in den Medien, in politischen Gesprächskreisen oder auf Podien etc., hört und liest man aber prozentual gesehen überwiegend negative Meldungen und Bestandsaufnahmen, wenn es um Migration, Menschen mit Migrationshintergrund und
deren Integration geht. Das heißt Migrantinnen und Migranten werden in öffentlichen Debatten fast ausschließlich im Zusammenhang von Problemen bzw. Misserfolgen thematisiert. [11] Doch dies betrifft bei Weitem nicht alle Migrantinnen, die in Deutschland leben. Das Bedrohungspotenzial wird vornehmlich mit bestimmten Migrantinnen assoziert.

[7] In der Sozialforschung. speziell in der Ethnologie, wird in diesem Zusammenhang zunehmend Mobilität als ein umfassenderer Begriff verwandt: »anders als der Begriff der Migration impliziert Mobilität alle Formen von Bewegung (Nomadismus, Forschung. Dienst-
reise, Tourismus, Ausbildung, Pilgerwesen, Handel, Migration. Flucht) und wird daher in
seinem konzeptionellen Gebrauch den verschiedenen Erfahrungshintergründen [...] eher
gerecht.« (Hardung, Reflexion einer interdisziplinären Praxis, S. 210).
[8] Castro Varela/Mecheril, Migration, S. 154.
[9] Kolb, Plan oder Markt, S. 80.
[10] Braun/Schöltzer, Wulff dankt Türken. in: Süddeutsche Zeitung, I(›.()9.2()1l.
[11] Bommes, Migration, S. 49.


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Wer sind die Migrantinnen?

Es ist wichtig zu klären, wer heutzutage in Deutschland zu den sogenannten Migrantinnen (bzw. Menschen mit Migrationshintergrund) gezählt wird bzw.als solche/r wahrgenommen wird. Denn nicht jede Migrantlnnengruppe wird gleich bewertet. Zur selektiven Wahrnehmung der ethnischen Minderheiten in Deutschland tragen neben verschiedenen weltpolitischen Ereignissen in der Mehrheitsgesellschaft verankerte Weltbilder, sowie der schleichende Prozess der Ökonomisierung des Sozialen bei. Zu ersterem Phänomen
zählt der Soziologe Wilhelm Heitmeyer den 11. September 2001 und spricht in diesem Zusammenhang von ››historischen Signalereignissen<<. Unter dem Prozess der Ökonomisierung des Sozialen versteht Heitmeyer in Anlehnung an den amerikanischen Soziologen Richard Sennett, dass Kategorien und Maßstäbe aus der Ökonomie in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen eine immer stärkere Rolle spielen. wie beispielsweise Effizienz, Verwertbarkeit und Nützlichkeit. [12]
Auch die Entwicklungen in der Europäischen Union haben dazu beigetragen, dass nur bestimmte Migrantlnnengruppen als Bedrohung und ›nicht nützlich< wahrgenommen werden. Auf der einen Seite hatten eine Reihe von juristischen Entwicklungen wie beispielsweise das Abkommen von Schengen zur Folge, dass die Grenzen innerhalb Europas zunehmend durchlässiger wurden und neben Gütern und Waren nun auch Personen freizügiger die Grenzen der europäischen Länder passieren konnten. Auf der anderen Seite wurden jedoch die Außengrenzen der Europäischen Union strikter per Gesetzgebung festgeschrieben. Dazu zählt zum Beispiel auch das im Jahre 2005
in Kraft getretene Gesetz zur Begrenzung und Steuerung von Zuwanderung in Deutschland. [13] Wie die Migrationslorscher Maria do Mar Gastro Varela und Paul Mecheril konstatieren. sind durch diese Entwicklungen bezogen auf Migration widersprüchliche Verhältnisse entstanden. So spreche man zum Einen von der »Festung Europa«. während man andererseits das ››postnationale […] Zeitalter« ausrufe, welches in Konzepten wie dem Kosmopolitismus zum Ausdruck komme. [14] Ein Ergebnis dieser ambivalenten Entwicklung ist. dass eine Hierarchisierung unter den Migrantlnnengruppen entstanden ist, und dass die Einwandernden zunehmend nach ökonomischen Kriterien (bspw. hoch und niedrig qualifiziert) als gute und schlechte

[12] Goettle. Rette sich wer kann. in: TAZ. 28.02.2012.; Vgl. Heitmeyer. Deutsche Zustände.
[13] Bundesministerium des Innern. Zuwanderung in Deutschland.
[14] Ciastro Varela/Mecheril. Migration. S. 157.


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Migrantlnnen bewertet werden. Als Folge dessen werden MigrantInnen aus Drittstaaten und Flüchtlingsländern sowie MigrantInnen außerhalb der Europäischen Union zu den ›unerwünschten< Migrantlnnen gezählt, während Migrantlnnen aus EU-Ländern, den USA oder Kanada eher zu den ›erwünschten< zählen. [15] Wer als fremd und unerwünscht gilt, hängt daher sowohl von Ökonomistischer Selektion als auch von sozialen Konstruktionen ab.

Die Integration der MigrantInnen sah man in Deutschland lange Zeit und zum Teil auch heute noch in der Angleichung der Migrantlnnen an die Aufnahmegesellschaft. [16] Die gesellschaftliche Integrationsdebatte ist implizit von Assimilationstheorien bestimmt, die maßgeblich auf den Soziologen Hartmut Esser [17] zurückgehen. Diesen Konzepten liegt ein Bild von nationalen, als kulturell homogen verstandenen Gesellschaften (und Kulturen) zugrunde, sodass eine erfolgreiche Integration die Anpassung, sprich die Assimilation der MigrantInnen an die Aufnahmegesellschaft bedeutet. Doch erweist sich eine vollständige Assimilation an ›die deutsche Gesellschaft< als schwierig, da diese keine homogene Einheit ist, in die man sich einpassen könne. Zudem negiert die Assimilation die eigenständige Wertigkeit der sozialen und kulturellen Erfahrungen und Lebensstrukturen der MigrantInnen. Das in dem Assimilationsgedanken enthaltene Potential des Scheiterns in der neuen Situation verbleibt zumeist bei den Migrantlnnen. So heben Castro Varela und Mecheril hervor, dass »Integrationsdebatten die […] Aufmerksamkeit [erhöhen], die ›Anderen< entgegen gebracht wird, eine Aufmerksamkeit, die sie fortwährend als ›Andere< bestätigt, ihnen aber gleichzeitig abverlangt, nicht anders, sondern integriert zu sein.« [18] Diese Art oktroyierter
Andersartigkeit bezüglich Migranten, die teilweise in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, kann auch nicht mit Sprachkenntnissen oder der Staatsbürgerschaft überwunden werden, denn das Ausschlag gebende für eine derartige Kategorisierung sind vielmehr erkennbare, phänotypische Merkmale wie das Aussehen, ein Kopftuch oder ein ausländisch klingender Name. Diese bestimmen allzu häufig, welcher Kategorie, zum Beispiel fremd oder einheimisch, eine Person zugeordnet wird. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis auf bundespolitischer Ebene anerkannt wurde, dass sich die Integration nicht allein in der Forderung nach Assimilation realisieren lässt, sondern Anstrengungen auf beiden Seiten, das

[15] Butterwegge, Globalisierung, in: Dossier Multikulturalismus. 08/2006.
[16] Meier-Braun, Der lange Weg, S. 206ff; Rommelspacher, Die Anerkennung, S. 23.
[17] Esser. Aspekte der Wanderungssoziologie: Esser, Integration.
[18] Castro Varela/Mecheril, Migration, S. 174.


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heißt von Seiten der Mehrheitsgesellschaft und der Eingewanderten, sowie eine zielgerichtete und planvolle politische Gestaltung erforderlich sind. [19] Diese zunächst einmal politisch geforderte Bewusstseinsänderung lässt sich auch in der Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts Ende der 1990er Jahre erkennen, welches bis dahin die Staatsbürgerschaft bzw. Zugehörigkeit via Blutsverwandtschaft sicherte. Seit dem 1. Januar 2000 bietet es den in Deutschland geborenen Kindern nicht-deutscher Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Reform kann nicht nur als eine Erleichterung zur Einbürgerung gedeutet werden, sondern auch als ein Zeichen zur Verbesserung der Integration der dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. [20] Allerdings fordert die Negierung (=Verneinen) doppelter Staatsbürgerschaft ab dem 18. Lebensjahr jungen Migrantinnen ab, sich gegen das ›Ursprungsland< zu entscheiden, was angesichts in Deutschland fortbestehender Ausgrenzung oft kaum attraktiv ist. Außerdem werden Migrantinnen mit deutscher Staatsbürgerschaft nicht automatisch als deutsche Mitbürger gesehen und anerkannt; insbesondere muslimische Migrantinnen werden nach wie vor als ›Fremde< oder als ›Ausländer< stigmatisiert, ohne Berücksichtigung ihrer Staatsbürgerschaft.

Berking schreibt noch 2010, dass »Migrationsdiskurse […] aller Globalisierungsrhetorik zum Trotz nationalstaatlich überdeterminiert<< [21] seien. ››Da wir die Welt, in der wir leben, nach wie vor als eine Welt der Staaten imaginieren, trifft den Migranten die konkretisierende Wucht seiner nationalstaatlichen Herkunft. Der Migrant ist zuallererst ›Chinese<, ›Thailänder< ›Russe< oder ›Türke<.<< [22] im Kontrast hierzu stellen eine Reihe von (medien-) wissenschaftlichen Untersuchungen in Bezug auf die vermehrt negative
Wahrnehmung und Darstellung der Migrantinnen lest, dass die nationale Herkunft bei der Klassifizierung und Kategorisierung kaum noch eine entscheidende Rolle spielt. [23] wurden die Migrantinnen in Deutschland vermehrt noch als Türken, Araber etc. dargestellt und wahrgenommen, haben die Diskurse bereits seit den 1990er Jahren und insbesondere infolge der Anschläge des 11. Septembers 2001 dazu beigetragen, dass sie nur noch als
Muslime kategorisiert werden. [24] Heitmeyer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass ››eine Umstellung von ethnischen Kategorien […] auf eine religiöse

[19] Goldberg/Sauer". Die Lebenssituation. S. 22.
[20] Götz, Nationale Identitiits- und Geschichtspolitik. S. 562f.-
[21] Berking, Der Migrant. S. 298.
[22] Ebd., S. 294.
[23] Ruhrmann/Sommer/Uhlemann. TV-Nachrichtenberichterstattung. S. 45.
[24] Wagner, Diskriminierende Darstellungen. in: Dossier Rassismus. 04/2010.


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Kategorie, nämlich Muslime, entstanden ist<<. [25] Der attribuierte islamische Glaube erfolgt dabei unabhängig von tatsächlich praktizierter Religiosität, die Zuschreibung erfolgt vielmehr aufgrund phänotypischer Merkmale, auch der Name kann ausreichend sein, um eine Person der Gruppe der Muslime zuzuordnen. Wie die Politikwissenschaftlerin Sabine Berghahn bemerkt, sind häufig vorgebrachte Gründe für die Fremdmarkierung und Ablehnung
von Muslimen deren religiöse Alltagskultur sowie beispielsweise die Geschlechterverhältnisse, die als besonders patriarchal beschrieben und angesehen werden. Darüber hinaus wird den muslimische MigrantInnen der Vorwurf gemacht, sie bildeten ››Parallelgesellschaften«, das heißt sie sonderten sich ab und verweigerten die Integration in die deutsche Gesellschaft. [26]

Aufgrund ihres ›andersartigen< soziokulturellen Hintergrundes wird daher insbesondere den muslimischen Migrantinnen in dem politischen und wissenschaftlichen Diskurs ein besonders allgemein attribuiertes Problem potential zugeschrieben, [27] das Hauptproblem sieht man meist in der Integrationsbereitschaft bzw. -verweigerung. Anfang 2012 stand dies erneut im
Fokus der politischen und medialen Öffentlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit errang die vom Bundesinnenministeriums im März veröffentlichte und sofort umstrittene Studie Lebenswelten junger Muslime in Deutschland, in welcher unter anderem die Integrationsbereitschaft dieser Zielgruppe unter sucht wurde. Bei der Erfassung der Integrationsbereitschaft wurde der Fokus dieser Studie auf die identifikatorische bzw. emotionale Integration gerichtet (wie Heimatverbundenheit oder Zugehörigkeit) und somit wiederum ein assimilatives Integrationsverständnis zugrunde gelegt. Andere Parameter wie
Bildung, Arbeitsmarkt und Spracherwerb, anhand welcher die strukturelle und kulturelle Integration gemessen werden kann, rückten somit in den Hintergrund, sodass bei der Beurteilung und gesellschaftlichen Wahrnehmung der Integrationsbereitschaft der Befragten beispielsweise ihr Bildungsstatus, ihre Freundschafts- und Nachbarschaftskontakte sowie Vereinsmitgliedschaften oder die Beherrschung der deutschen Sprache keine Berücksichtigung fanden. [28] Obwohl die Studie belegte, dass nur ein geringer Prozentsatz der Befragten [29] der Kategorie der ›lntegrationsverweigerer< zuzuordnen und die

[25] Goettle, Rette sich wer kann, in: TAZ, 28.02.2012.
[26] Bcrghahn, Ein Quadratmeter Stoff, S. 3.
[27] Kaya, ldentitätsverständnis, S. S.
[28] Foroutan/Canan/Müller/Sollorz, Stellungnahme zur Studie, S. 2f.
[29] Laut der Studie können rund 16 % der »deutschen Muslime« als »streng Religiöse mit
starken Abneigungen gegenüber dem Westen und tendenzieller Gewaltakzeptanz und
ohne Integrationstendenz« bezeichnet werden. Diese Zahl beruht auf 25 Personen aus


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überwiegende Mehrheit ›integrationswillig< war und sich integriert fühlten, [30] wurde die öffentliche Debatte und Wahrnehmung vor allem durch die Äußerungen des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich [31] und die negative Rezeption bestimmter Medien, wie der Bild-Zeitung, auf das Problem- und Gefahrenpotenzial junger Musliminnen und Muslime forciert. Neben einer differenzierten Darstellung der Studie kursierten Schlagzeilen wie ››Schock-Studie« [32] oder »jeder vierte junge Moslem lehnt Integration ab<<. [33] Polarisierend und generalisierend postulierten Zeitungen, dass junge Muslime ~ insbesondere ohne deutschen Pass - ein Gefahrenpotential für die deutsche Gesellschaft darstellen. Allgemein scheint, so die Sozialpädagogin Iman Attia, der Mechanismus vorzuherrschen, dass ›››Muslime< für sämtliche gesellschaftliche Missstände verantwortlich« gemacht werden. [34]

Die Bedrohung durch die Muslime

Die Kategorisierung muslimisch ist in diesen Tagen nicht (wert-)neutral, sondern mit überwiegend negativen Assoziationsketten wie beispielsweise ›Islam als Bedrohung< verbunden. Allzu oft wird diese Religion mit ›fortschrittsfeindlich< und ›antiwestlich< gleichgesetzt und Muslime mit Fundamentalisten, die die Ziele des ›politischen Islam< verwirklichen wollen. [35] Verstärkt hat dieses Bild der muslimischen Migrantinnen bzw. des Islams nicht zuletzt die mediale Öffentlichkeit. in den deutschen Medien werden der Islam und die muslimischen Migrantinnen allzu oft in Verbindung mit Kriminalität, Ehrenmorden, Frauenunterdrückung und Rückständigkeit - und seit den Anschlägen des 11. Septembers vermehrt mit Terrorismus dargestellt. [36] Durch

insgesamt 162 Befragten (Bundesministerium des Innern, Lebenswelt junger Muslime.
S. 2.75).
[30] Innenministerium des Innern. Studie veröffentlicht.
[31] Innenminister Friedrich sagte in einem interview mit der Bild-Zeitung. er ››akzeptiere
nicht den Import autoritärer. antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten. Wer
Freiheit und Demokratie bekämpft. wird hier keine Zukunft haben« (Reimann/Trenkarnp, Stunde der Angstmacher. in: Spiegel online, 01.03.2012).
[32] Solms-Laubach. Nach Schock-Studie, in: Bild.de, 29.02.2012.
[33] Welt online, Jeder vierte junge Moslem. in: Welt online, 29.02.2012.
[34] Attia, Die ››westliche Kultur«. S. 68.
[35] Mohagheghi. Ein Stück (Streit-)Stoff, S. 27.
[36] Ruhmann/Sommer. Migranten in den Medien, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und
Ausländerpolitik. 2005, S.12.


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Ereignisse wie die Anschläge in London (2005), Madrid (2007) und den vereitelten Anschlag der Sauerlandgruppe (2008) wurde die von muslimischen Migrantlnnen vermeintlich ausgehende Bedrohung bzw. Gefahr weiter bestärkt.

Durch die immer wiederkehrende Verknüpfung der Begriffe Radikalisierung, Terrorismus und Fundamentalismus mit islamisch in den Medien und öffentlichen Debatten entsteht in der Gesellschaft eine breite Angst vor dem Islam und terroristischen Anschlägen. [37] Diese Rahmenbedingungen führten und führen dazu, dass zum einen antiislamische Stereotype mit realen Bedrohungsszenarien untermauert und somit Ängste geschürt werden, und
zum anderen Ressentiments gegenüber muslimischen Menschen großen Zuspruch fanden und weiter zunehmen. So ist an dieser Stelle auch das Buch von Thilo Sarrazin einzuordnen, das trotz breiter Kritik von wissenschaftlicher und politischer Seite großen Zuspruch in der deutschen Bevölkerung findet und das meistverlangte ›Sachbuch< der Nachkriegszeit wurde. Trotz gegenteiliger Bemühungen ist die öffentliche Diskussion zum Thema Migration ebenso wie zum Islam von Verallgemeinerungen geprägt. Die Folge: Muslimische Migrantinnen werden als statische und homogene Gruppe und der Islam als eine ganzheitliche Religion behandelt, von der eine generelle Gefahr und Bedrohungspotenzial gegenüber der ›westlichen< Welt ausgehe und ist somit zum Sinnbild des Bösen katapultiert. [38] Dabei ist die Religion des Islams keineswegs homogen, sondern vereint verschiedene Richtungen, Strömungen, Haltungen und Bewegungen. [39] Die von Einzelnen ausgehende Bedrohung bzw. Gefahr wird auf die überwiegende Mehrheit von Menschen
mit Migrationshintergrund projiziert. Es verwundert daher nicht, dass das Thema Migration in den letzten zehn Jahren eng an Sicherheitsfragen gekoppelt wurde. In diesem Zusammenhang stellen Castro Varela und Mecheril heraus, dass durch diese »Verzahnung von Sicherheits- und Migrationsdiskursen […] Migrationsandere unter fortgesetztem Verdacht [stehen]<<. [40] Betrachtet man nun die Geschehnisse um die Aufklärung der Mordserie an
Personen mit Migrationshintergrund durch Zwickauer Rechtsextremistlnnen, [41] kommt die Frage auf, ob die Ermittlungen systematisch vernachlässigt oder blockiert wurden und wieso man nicht mit der gleichen Stringenz

[37] Davids. Innerer Rassismus, S. 81.
[38] Micus/Walter, Mangelt es an Parallelgesellschaften, S. 215; Attia. Die ››u/est/ic/ae Kultur«
S. 74ff.
[39] Edition Le Monde diplomatique, Arabische Welt.
[40] Castro Varela/Mecheril, Migration, S. 175.

[41] Netzwerk Migration in Europa e.V.. Migration und Bevölkerung, 01/2012.


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ermittelt hat, wie man es beim islamistischen Terrorismus zumeist tun würde. Und die Frage entsteht nicht zuletzt deshalb, weil immer zuerst nach Tätern innerhalb der vermeintlich bedrohlichen Migrantengruppen gesucht wurde. Es entsteht der Eindruck, dass die einseitige Fokussierung auf den islamistischen Terrorismus auf Kosten der Thematisierung, Wahrnehmung und Einschätzung weiterer gesellschaftlicher Bedrohungspotenziale geht.


Die Wiederkehr vermeintlich abgelegter Weltbilder in neuem Gewand?

In Bezug auf die selektive Wahrnehmung und Bewertung von konstruierten gesellschaftlichen Gruppen, wie gegenwärtig bei den muslimischen Migrantinnen, ist es wichtig diese als Resultat kontextspezifischer, lokaler Praxen zu verstehen. [42] ln diesem Zusammenhang stellt die Sozialwissenschaftlerin Carolin Emcke heraus, dass eine Gesellschaft im Laufe der Zeit die für sie relevanten Eigenschaften und Kriterien definiere, die als Unterscheidungsmerkmale zur Abgrenzung von anderen sozialen Gruppen herangezogen werden. Solche Prozesse haben einen sinn- und identitätsstiftenden Charakter. [43]
Wenn dieser Abgrenzungsmechanismus mit einer Abwertung des ›Anderen< und diese Bedeutungskonstruktion mit Machteinfluss auf`Debatten und Diskurse verbunden ist, dann kann man nach Mark Terkessidis von Rassismus sprechen. [44] Diese Bestimmung von Unterscheidungskriterien reguliert daher nicht nur die soziale Zugehörigkeit, sondern erfüllt darüber hinaus die Funktion der Sicherung von Privilegien und Machtverhältnissen. Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen bzw. Gruppen aufgrund phänotypischer Merkmale, ihrer Herkunft oder Konfession ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch die Geschichte (beispielsweise Kreuzzüge oder Kolonialismus) und erreichten in Deutschland ihr bislang erschreckendstes Ausmaß während des Nationalsozialismus. [45] Dabei variieren die Differenzlinien, entlang derer Menschengruppen als andersartig bzw. fremd klassifiziert und oftmals als vermeintlich minderwertig positioniert werden.
Für die Fremdmarkierung und Ausgrenzung muss nicht immer eine tatsäch-

[42] Castro Varela/Mecheril, Migration, S. 167.
[45] Emcke, Kollektive Identitäten, S. 205.
[44] Terkcssidis, Die Banalität des Rassismus, S. 108.
[45] Heinz, Psychopathen und Volksgenossen, S. 30ff.


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liche oder zugeschriebene Migrationsgeschichte der ausschlaggebende Grund sein, wie sich in der Verfolgung der Juden in Deutschland zeigte, bei denen es sich zum größten Teil um deutsche Mitbürger handelte. Die Differenzmarkierung erfolgte hier anhand zugeschriebener und konstruierter ›Rasse<, die der Umsetzung kolonialer Herrschaftstechniken den Weg bereitet. Im Kontext des Kolonialismus fungierten hauptsächlich körperliche Merkmale (beispielsweise die Hautfarbe) als Begründung für die Herabsetzung und die Ausbeutung bestimmter Menschen bzw. Gruppen. [46] Attia arbeitet in ihrem Buch Die ››westliche Kultur« und íhr Anderes heraus, dass aktuell insbesondere muslimische Menschen als Projektionsfläche und Zuschreibungsmöglichkeit des Andersseins herangezogen werden. Betrachtet man dies beispielsweise vor dem Hintergrund der umfangreichen Rezeption der antiken Wissenschaften durch den Islam bereits im siebten und achten Jahrhundert, [47] wird die Konstruktion der vermeintlich unüberwindlichen Differenz deutlich. Attia zufolge erfahren die Feindbilder seit dem Ende des Kalten Krieges und den US-europäischen Kriegen im Nahen und Mittleren Osten eine Renaissance und der Islam erstarkte zusehends als politisches Gegenbild. [48] Betrachtet man beispielsweise die Debatten, die sich um den Moscheebau in deutschen Städten drehen, erinnern sie an die vermeintlichen Kulturkonflikte
Ende des 19. Jahrhunderts. Damals waren es nicht die Muslime, denen Beschränkungen in ihrer Religionsausübung auferlegt wurden, sondern die katholischen Gemeinden. In protestantisch regierten Gebieten wurde diesen das Recht sowohl auf öffentliche als auch auf private Ausübung ihrer Religion verwehrt. [49] Katholische Kirchengemeinden, Klöster und andere Einrichtungen wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt, aufgelöst und der Bau von Kirchen verboten. Es ist bezeichnend für diese Zeit, dass die Hedwigskirche am Berliner Bebelsplatz über 100 Jahre hinweg (bis Mitte des 19. Jahrhunderts) die einzige katholische Kirche in der Region Berlin blieb. Nach der Reichsgründung 1871 erhöhte sich die Zahl der Katholiken, vor allem im protestantisch geprägten Berlin durch die Zuwanderung vieler Schlesier, doch änderte dies wenig an der vorherrschenden Diskriminierung von Menschen katholischen Glaubens. [50] So wurden katholische Glaubenshäuser nur

[46] Attia, Die ››westliche Kultur«. S. 45f.
[47] Rudolph, lslamische Philosophie, S. ll.
[48] Ebd.. S. 71fi`.
[49] Förderverein der St. Clemens-Kirche Berlin e.V., Die Geschichte.
[50] Haak, Von Zuwanderern geprägt, in: Berliner Zeitung, 22.09.2011.


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als Straßen- und Hinterhofkirchen geduldet. Typisches Beispiel ist die St. Clemens Kirche in Friedrichshain-Kreuzbergf. [51]

Wie wird ›der Andere< zum ›Anderen<? -
Othering und Orientalismus

Fragt man nach den Mechanismen und Zwecken, die hinter diesen Ethnisierungs- und Ausgrenzungsprozessen sowie der Konstruktion von Feindbildern stecken, stellt man historisch und soziologisch betrachtet keine neuen Phänomene fest. Mit dem Konzept des ››Otherings« lassen sich diese Phänomen teilweise gut verstehen. Es wurde im Zuge der Debatten um Postkolonialismus [52] geprägt und verweist auf Aspekte des Rassismus, ››womit nicht nur die Erfahrung des Fremd-gemacht-werdens, sondern auch die des
Fremd-werdens gemeint ist.<< [53] Othering beinhaltet also zwei gleichzeitig ablaufende Prozesse: auf der einen Seite wird die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe betont und dadurch auf der anderen Seite die Distanz zu der anderen Gruppe hervorgehoben. Die Unterscheidung und Distanzierung vollziehen sich dabei entlang der Differenzlinien Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität etc.. Neben der Homogenisierung der ›Anderen< werden negativ besetzte Bilder und Markierungen definiert und zugeschrieben. Durch diese im Zuge des Otherings folgenden Differenzierungen [54] fühlen sich die Fremdmarkierten ››unterlegen, schlecht gebildet, exotisch, anders, fremd, (etc.)« [55] und werden in einer selbst erfüllenden Prophezeiung zu dem, was von ihnen schon immer erwartet und über sie gedacht wurde, und grenzen sich im Laufe der Zeit ebenfalls bewusst von der vermeintlich anderen Gruppe ab. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass sich viele türkische Jugendliche der sogenannten zweiten und dritten Gene-

[51] Förderverein der St. Clemens-Kirche Berlin e.V.. Die Geschichte.
[52] Beim Postkolonialismus handelt es sich um eine theoretische und politische Position, die
sich mit den anhaltenden Folgen von Kolonialismus auseinandersetzt. Postkolonialismus
ist ein transdisziplinäres Forschungsfeld und beleuchtet eine Sichtweise der Welt jenseits
eurozentrischer Mächtigkeit (Davis-gelöscht_23wski/Khittel/Slama. Migration, 3. 94).
[55] Broden, Rassismus heute. ida-nrw.de.
[54] Terkessidis. Die Banalität der Rassismus, S 98; Terkessidis verwendet den Begriff der Rassifizierung und bezeichnet damit den Akt der Rassenkonstruktion (ehd.).
[55] Broden, Rassismus heute. ida-nrw.de.


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ration heutzutage stärker mit dem Islam identifizieren als beispielsweise ihre Eltern. [56]

Ein bedeutender Aspekt dieses Wirkungsmechanismus ist die Erkenntnis, dass die Identifizierung von Individuen als (ethnisch) andersartig gleichzeitig die eigene Position mitbestimmt. Wie die Sprachwissenschaftlerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung Sabine Schiffer sowie der Soziologe und Religionswissenschaftler Constantin Wagner ferner konstatieren, lassen sich insbesondere in Zeiten der Krise ››über die Bestimmung von Subjekten und Gruppen als ›Fremde<, die angeblich eine interne und/oder externe Bedrohung darstellen, Identitäten konstruieren.« [57] Wie Heinz für
die Dynamiken der sogenannten Volksgemeinschaft während des Nationalsozialismus in Bezug auf die Errichtung der Differenz hinsichtlich vermeintlich ›degenerierter< und/oder ›minderwertiger Anderen feststellt, bleiben derartige Identitäten jedoch vermutlich leer, damit instabil und bedürfen eines hohen Aufwandes zur Abgrenzung, um sie immer wieder für Momente zu stabilisieren: »Ohne Bezug auf ihre Feinde bleibt die Volksgemeinschaft eigentümlich leer, ihre negative Definition bedarf der Entartung, von
der sie zu heilen ist.« 58 Und weiter:

»Die negative Konstitution der Volksgemeinschaft ist [...] vom ständigen Zerfall bedroht. Einerseits kann die Entwertung der Ausgeschlossenen auf die Agenten der Differenzierung zurückschlagen. Andererseits könnte der Gegenpol der Volksgemeinschaft der erfolgreichen Vernichtung anheimfallen, so dass die Differenz in sich zusammenstürzt und die Identität der ›gesunden Volksgenossen< implodiert.« [59]

Eine spezifische Form der Ausgrenzung von ›Anderen< ist der auf die gegenwärtig vorherrschende Situation zutreffende Begriff des ››Orientalismus« [60] der den Mechanismen des Otherings unterliegt. Er wurde von dem Literaturtheoretiker- und kritiker Edward Said geprägt, der sich eingehend mit dem Thema Postkolonialismus beschäftigte. Nach Said existiert eine sozial konstruierte eurozentrische Unterscheidung zwischen Okzident und Orient. [61] Die Vorstellung des Orients als ›das Andere< basiert dabei auf einer Konstellation falscher Annahmen und Einstellung gegenüber dem mittleren Osten und der arabischen Welt seitens des Westens und vor allem Europas.

[56] Brettfeld/Wetzels, Muslime in Deutschland, S. 23.
[57] Schiffer/Wagner. Antisemitismus und Islamophobie, in: Dossier Rassismus. 04/2010.
[58] Heinz, Psychopathen und Volksgenossen. S. 35.
[59] Ebd., S. 38.
[60] Vgl. Said, Oríentalísmur.
[61] Said, Orientalism reconsidered, S. 90.


(29)
Diese drücken nach Said ein Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Orient aus: der ›aufgeklärte Westen« steht dem ›mysteriösen Orient< gegenüber. Dieses Überlegenheitsgefühl sowie Feindseligkeit gegenüber dem Orient, ist laut Said in der modernen politischen und intellektuellen Kultur der Gegenwart verankert. Dies sei vor allem auf den akademischen Orientalismus, aber auch auf das in Literatur und Kunst seit der Kolonialzeit gezeichnete Bild des Orients in der westlichen Kultur zurückzuführen. Der Orientalismus beeinflusst gleichermaßen das Denken und die Wahrnehmung der Bevölkerung des Okzidents als auch das Denken und Handeln im Orient. [62] Die gegenwärtig vorherrschenden Dichotomien wie Christentum/westlich und Islam/östlich oder westliche Welt/gut und lslam/böse können daher als Neuauflage eines alten Weltbildes (Feindbildes) gesehen werden. Merz begründet die Entstehung und Manifestation dieses Feindbildes mit dem Verlust der Wirkmächtigkeit der Dichotomisierung der Welt in West und Ost nach dem Ende des Kalten Krieges. [63] Interessant ist nun dabei, dass dieses vermeintlich neue Feindbild, auf sehr viel älteren Bildern und Diskursen - wie dem des
Orientalismus - basiert. Merz sieht in den gegenwärtigen Dichotomien letztlich den im Mechanismus des Otherings (noch immer) latent bestehen den Rassismus und hebt in diesem Zusammenhang kritisch hervor: »Auch der gegenwärtige antiislamische Rassismus funktioniert nach der altbekannten ›Logik<, nutzt aber vermehrt kulturalistische Argumentationen. ›Ethnie< oder ›Kultur< dienen als Ersatzbegriffe für einen diffamierenden genetischen ›Rassen<begriff und versuchen, den darin zugrunde liegenden Macht- und
Herrschaftsanspruch zu verschleiern.<< [64]
ln der gegenwärtigen Konstruktion der ›bedrohlichen Migrantinnen« und den damit verbundenen Dichotomisierungen zeigt sich, dass die vermeintlich abgelegten Weltbilder nicht an Wirkmächtigkeit verloren haben, im Gegenteil, sie kommen hier wieder, jedoch in subtiler Form zum Tragen. Und dies trotz (oder vielleicht auch gerade wegen) der im Zeitalter der Globalisierung zunehmend stattfindenden Mobilität und Migration von Menschen und der damit einhergehenden kulturellen ~ und somit auch religiösen Heterogenisierung und Vermischung.
Folgt man den Diskussionen zu Hybridität [65] im Kontext von Migration,
entsteht der Eindruck, dass gerade aufgrund der Vergegenwärtigung der

[62] Said, Orientalismus, S. 12.
[63] Ebd.
[64] Merz, Islam, S. f›72.
[65] Bspw. Bhabba, Dir Verortung der Kultur. Kneer, Der Hybride; Hein, Hybride Identitäten.


(30)
›Vermischungen<, die erst durch Migration und Mobilität möglich werden, ein Problempotential entsteht. Historisch betrachtet galten die im Zuge der Vermischungen, Überlagerungen, Durchdringungen entstehenden hybriden Subjekte als ››verkörperter Ausdruck der Bedrohung einer vorgegebenen, häufig religiös verbürgten Ordnung [...] Das hybride Subjekt galt als unreines Mischwesen von minderwertiger Gestalt dem mit Misstrauen, Geringschätzung und Exklusion begegnet wurde.« [66] Dabei vermag das Konzept der hybriden Identität die auf nationale Zugehörigkeit bezogenen, immer unre-
alen, d.h nur als konstruiert wirksamen Identitätskonzepte zu überwinden und stellt vielmehr eine (Lösungs-)Strategie bei der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Kontexten dar. Sie bedeutet die Zugehörigkeit zu zwei oder mehreren kulturellen Räumen, welche durch transnationale Migration entstanden ist. [67] »Hybriden Identitäten« gelingt es »Elemente der Herkunfts- und der Ankunftsregion« in sich aufzunehmen und zu etwas Eigenem und Neuem zu transformieren. [68] Sie lassen sich nicht eindeutig einer bestimmten Kultur zuordnen bzw. passen nicht in den Rahmen eines traditionellen homogenen Kulturverständnisses einer Nation. [69] Diese doppelte Zugehörigkeit bzw. Hybridität könnte vielmehr als Bereicherung verstanden werden. Anstatt als Bedrohung wahrgenommen zu werden, kann sie eine mittelnde Funktion zwischen kulturell vermeintlich homogenen Gruppen einnehmen.

Schlussbetrachtung
Insofern lässt sich mit Kneer argumentieren, dass die Irritation der bestehen den Ordnungen als Begründung für die eigentliche Bedrohung dient, die gegenwärtig vor allem muslimischen Migranten zugeschrieben wird. Um diese abzuwehren, werden alte Muster der Ethnisierungs- und Ausgrenzungsprozesse bemüht, die auf unterschiedliche Art und Weise ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft finden. Es handelt sich dabei sowohl um latente
als auch subtile Formen von Rassismus. Insofern sind die alten, zum Teil rassistisch geprägten Weltbilder und -Vorstellungen und die damit verbunde-

[66] Kneer, Der Hybride, S. 224.
[67] Hein, Hybride Identitäten. S. 87.
[68] Pries, ››Transmigranten«, S. 418.
[69] Siebenhaar/Allmanritter, Migranten und Kulturinstitutionen, S. 34.


(31)
nen Macht- und Herrschaftsasymmetrien keineswegs verschwunden, im Gegenteil, sie überdauern und prägen all zu oft die soziale Konstruktion des ›Fremden< und die auf ihn projiizierte Bedrohung. Nicht alle ›Fremden< sind aber auf gleiche Weise ›fremd<. Die Wahrnehmung und Bewertung folgt nicht zufälligen Auswahlkriterien und beruht eben zumeist nicht auf tatsächlichen Differenzen, sondern kann als Ergebnis machtpolitischer, sozialer und historischer Entwicklungen gedeutet werden. [70] Das heißt, welche Migrantlnnengruppen als ›fremd< und ›bedrohlich< wahrgenommen werden, ist immer auch eine Frage aktueller Machtverhältnisse.
Damit Migrantinnen als Teil unserer Gesellschaft erlebt werden und sich erleben können, reicht beispielsweise die Reformierung des Staatsbürgerschaftsrechts nicht aus. Eine wichtige Voraussetzung ist vielmehr, Migration und Migrantinnen als gesellschaftliche Normalität anzuerkennen und als ein Bestandteil einer zunehmend globalisierten Welt zu verstehen, wie es sich zuweilen bereits in Alltagspraxen gelebter Hybridität und deren Potentialen zeigt.

Hierzu bedarf es eines weiteren Perspektivenwechsels in den Diskussionen um Themen wie Migration und lntergration sowie eine Abkehr von starrem nationalstaatlichem Denken seitens der Mehrheitsgesellschaften.

[70] Rommelspracher, Die multikulturelle Gesellschaft, S. 25f
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von gelöscht_13 »

In dem Video wird dazu aufgerufen, das Christentum mit Aktionen nach außen hin zu unterstützen.
Mir sind Religionen egal, vor allem das Christentum. Ich bin zwar Christ, aber nur weil ich zu faul bin mich als Atheist einstufen zu lassen.

Selbst die heftigsten Islamisten wie Salafisten sind völlig harmlos, wenn man sie ignoriert. Von daher habe ich kein Problem damit.
Macht alles lustig, ich hoffe ihr lebt noch so lang das ihr sehen könnt wie weit es kommt und ich hoffe es kommt zu einer Revolution, zu einem Bürgerkrieg und ich werde keine Gnade haben vor keinem Feind.
Wie wäre es wenn Du Deinen sinnlosen Hass mal außen vorlässt und andere Kulturen einfach ignorierst bzw. tolerierst? Deine Deklarationen von Feindseeligkeit auf Grund einer anderen Religionszugehörigkeit sind rassistisch und damit asozial.

Hintergründe zur Islamfeindlichkeit:
http://www.youtube.com/watch?v=G_82fmt4noI
Das Feindbild Islam kam von den USA, wo Moslime friedlich mit den Christen zusammen leben. Die Feindlichkeit kommt durch die Medien. Und nur wirklich dumme, leich manipulierbare Leute wie Du Jonny springen auf so etwas an.

Ich kenne keinen einzigen Grund, der ungerechtfertigten Hass legitimiert.
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von Fetzer »

Der Schritt bei der Selbstfindung beinhaltet Dinge unabhängig von einander zu betrachten. Das geht jedoch bei manchen Sachen nur erst mal aus kritischer perspektive.

Jonny könnte RECHT haben mit seiner Sicht, das sich die Völker viel zu schnell vermixt haben, man jetzt besser alle Brücken einreist und der Mobilität den Garaus macht.
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von gelöscht_13 »

Humbug, ohne ausländische Arbeiter sehe es in Zukunft bei der niedrigen Geburtenrate schlecht für Deutschland aus. Wir brauchen qualifiziertes Personal aus dem Ausland. Bei der Demographie hätten wir sonst eine breite Altersarmut, die noch schlimmer wäre als derzeit.
Da bei Volkszählungen nicht nach Religion gefragt wird, gibt es keine offizielle Zahl, die angibt, wie viele Muslime in Deutschland leben. Es ist jedoch möglich, die muslimische Bevölkerung aufgrund der Herkunftsländer der Migranten einigermaßen genau zu schätzen.

Die Geburtenrate der Muslime in Deutschland (und Europa) geht seit Jahren zurück. Wie der National Post berichtete, hatten Türken in Deutschland im Jahr 1970 eine Geburtenrate von 4,4, während sie heute bei 2,2 liegt. Die Geburtenraten aller Migrantengruppen nähern sich immer weiter an, bei einigen stärker als bei anderen. Die Einwanderung aus der Türkei sinkt ebenfalls, mittlerweile gibt es ein negatives Wanderungsverhältnis. Die meisten Einwanderer kommen zurzeit aus Ost- und Südeuropa, nicht aus muslimischen Ländern.
http://arprin.wordpress.com/2012/11/16/ ... lamisiert/

Zum einen weiß keiner, wie viele Muslime es genau gibt, daher sind die Zahlen auf ziemlich wackligen Beinen und Schätzungen bis zum Jahr 2030 dürften mehr als ungenau sein, da keiner weiß, wer sich wie vermehren oder wohin ziehen wird.
Rasante Veränderungen in islamischen Ländern
Besonders Frauen werden von den neuen Erwartungen und Möglichkeiten geprägt, da Frauen, die außerhalb der eigenen vier Wände Karriere machen wollen, sich nicht um sechs oder sieben Kindern kümmern wollen.
http://www.welt.de/debatte/article16025 ... siert.html

Muslimische Frauen passen sich Europa an, werden leicht integriert und verzichten gern auf Kinder, heißt die erwartbare Vermehrung ist vermutlich weit geringer, als in dem Video geschildert.

Verglichen mit den neutralen Sichtweisen die rechten Populisten mit Schlagzeilen wie "Zahlen die nicht lügen können" oder auch Jonny mit Islamismus- die Wahrheit" da wird mir übel, wie unseriös das ist. Da wird mit Zahlen umher gewurfen, die nur grob geschätzt sein können und diese wiederum werden für zuverlässig verkauft, bis in die ferne Zukunft hochgerechnet, ohne dabei aktuelle Veränderungen zu berücksichtigen und hinzu kommen noch Ängste etc. die geschürt werden. Alles grundlos.

Ich habe ein Familienmitglied, das sich zum Islam bekannt hat. Ein harmloser Intellektueller ohne Drang, die Religion exzessiv auszuleben.
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von Fetzer »

Ist es die Frage: "ob Kinder die Pubertät durchleben", oder die Frage: "wie lange sich die Erde dreht", selbst bei der Frage: "Bin ich mein Gehirn"?

Allen Fragen geht voraus: die Überlegung ob Glauben und Wissen Eins sind oder sich der Weg spaltet in Habgier und Krankheit.

Das mit der drehenden Welt hab ich aus deinem schon editiertem Post noch halten können @Verurteilt
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Re: Islamisierung die Wahrheit

Beitrag von Fetzer »

Jonny hat geschrieben:Anstatt die bumsfaulen Deutschen zum bumsen ohne Kondom und Pille zu bewegen tauscht man das Volk einfach um weil das alte ja ausgedient hat und das Verfallsdatum schon abgelaufen ist.
https://www.girlloverforum.net/forum/vi ... 80#p272680

:shock: :shock: :shock:

Also ich bin nett bumsfaul, ich lern gerade Geschichte und Sexualkunde :? Bitteschön!

Und da knüpf ich noch mal an dem vom mir zuvor geposten Megapost an, exakt an der Stelle der Einfügemarke "[40]"

Ist einfach nur Lachhaft! Warum die Ermittlungen systematisch vernachlässigt oder blockiert wurden?
um die Aufklärung der Mordserie an Personen mit Migrationshintergrund durch Zwickauer Rechtsextremistlnnen
Hier gibt es keine Einfügemarke die eine Antwort parat hätte!

Ich kann nur behaupten das es die Zeit war in der auf Menschen mit hang zum Kindlichem die Jagt eröffnet war.

Von daher, werde ich die Monografie aus der ich den Megapost Zitiert habe selbst verständlich noch zu ende lesen, aber so ganz komm ich damit nicht zu Rande.

Und wo in diesem Buch, deutlich die Machbarkeit der Vielfältigkeit projiziert erscheint, Außenseiter sind wir doch, auch wenn "das" mit "dem" nichts zu tun haben mag.
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