Hallo Smaragd,
Smaragd aus Oz hat geschrieben:Mensch, hier geht es ja heiß her. 
Ja - und das ausgerechnet im GLF ausgerechnet wegen Jungsvorhäuten
Ich verstehe die Welt nicht mehr...
Bislang habe ich zu dem Beschneidungsthema geschwiegen, weil ich ehrlich gesagt noch keine feste Meinung darüber habe, ob ich das nun verteufeln oder verteidigen soll.
Wären die Kölner Richter mal so klug gewesen!
[...] bei der Diskussion handele es sich um eine Stellvertreterdiskussion. Gemeint hattest Du damit - so habe ich es herausgelesen - das Bedürfnis des Staates, sich regulativ die Gesellschaft zu unterwerfen.
Ja, so ungefähr. Es geht mir darum, dass der Staat nicht das Recht hat, sich in eine nicht justiziable Kleinigkeit einzumischen. Unter dem Aspekt war mir das Thema wichtig.
Wer dem hier wiedersprach, machte das zunächst mit dem legitimen Argument, dass das keine Kleinigeit sei.
Nun, die Muslime haben kritisiert, aber recht rational und konsensoffen reagiert.
Hm, "Das Urteil verachtet die Religionsfreiheit..." usw. ist schon ein starker Tobak und kann zur Radikalisierung der Debatte beitragen.
Die Juden hingegen haben gleich losgepoltert und das Gerichtsurteil sogar mit den Nürnberger Rassegesetzen verglichen.
Ja, es gab sofort einige schrille Stimmen von Extremisten. Die Sorte übrigens, die ich schon lange aufm Kieker habe, wenn es um Nahostopolitik geht.
Andererseits hat Dieter G. im Gegensatz zu dem Getöse in der Debatte ausdrücklich keinen Antisemitismus gesehen. Ich meine Dieter Graumann, den Zentralratsvorsitzenden. Das ist sehr moderat und entzieht den Berufsempörten die offizielle Rückendeckung. Deine Interpretation der ursprünglichen Stellungnahme schießt also weit übers Ziel hinaus.
Nachdem die wie immer wirkungsvolle Nazikeule geschwungen wurde,
Das ist wirklich übertrieben

Zumindest offiziell wird gar keine Nazikeule geschwungen, sondern dieser Eindruck, wo er entstanden sein sollte, deutlichst korrigiert.
erklärte der Bundestag in einer hektischen Aktion, dass das mit der Beschneidung ja gar nicht so schlimm sei und "Religion, Religion über alles, über alles in der Welt" gelte.
Und genau DAS ist es, was mich ankotzt, aber das ist ein Problem der Politik und kann nicht gegen Juden und Muslime verwendet werden. Dieser blödsinnige Aktionismus ist erstmal gar nicht nötig gewesen und erweckt leicht den Eindruck, man würde vor Lobbyisten kuschen. Dümmer können sich Politiker nicht verhalten.
Jetzt stellt Euch - ganz ficktief [...] Glaubt Ihr wirklich, es hätte dann so eine Empörung über das Thema gegeben? Glaubt Ihr wirklich, der Bundestag wäre zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen gekommen [...]
Das glaube ich auch nicht, dass es so schnell gekommen wäre, aber das ist, siehe oben, die Dummheit der Politiker. Gekommen wäre die Empörung und hitzige Diskussion über die Vorhaut trotzdem, nämlich später, wenn lange nach der Kriminalisierung mal auffällt, dass millionen Muslime hier gegen das Gesetz verstoßen.
Das ist auch wieder so ein Mythos unserer westlichen Zivilisation, dass sie überall mit ihren Gesetzen auch tatsächlich Änderungen schafft. Es wird sich nichts verändern durch die Kriminalisierung. Außer vllt. dass die Beschneidung überall unter dubiosen und riskanten Umständen weiterhin geschähe.
Wie in der Öffentlichkeit (nicht hier im Forum!) hektisch dazu befunden wurde,
Du meinst wohl "in der offiziellen Politik"? In der Öffentlcihkeit kann sich jeder selbst aussuchen, welche Aspekte an dieser Diskussion ihm genehm sind.
Mit diesem Verhalten hat keiner Recht! Sowohl die Juden als Religionsleute, als auch die Deutschen als Volksgemeinschaft. Hier verhalten sich beide Gruppen wie Kinder und sind beide Verlierer, anstatt das Problem sachlich zu diskutieren und zu lösen.
Das Ganze hat rein gar nichts mit der Bevölkerung hier zu tun, sondern ist eine Kopfgeburt einiger Politiker aus Opportunitätsgründen. Volksgemeinschaften gibt es schon lange nicht mehr. Es gibt Staaten und Gesetze und Bürger und zwischen allem davon ein Spannungsfeld. Der monolithische Block des Volkes ist eine Erfindung der Romantik, die später zum Inventar der Diktaturen wurde. Vielfach wird das Monolithische als schööön empfunden und die komplizierte Zivilisation dagegen verachtet.
Doch in meinen Augen geht es bei der politischen Diskussion gar nicht um Kindeswohl und Religion, sondern um den alten ideologischen Schimmel,
Ja, diese Gefahr besteht nun, nachdem die Politik so gründlich versagt hat.
Und deshalb kann ich auch Madicken verstehen, wenn er sich im Versuch einer kritischen sachlichen Auseinandersetzung gegen - vermeintliche - Antisemi-Vorwürfe verteidigen will.
Wir müssen aber sorgfältig unterscheiden zwischen der wegen politischer Kurzschlüsse im Ansatz gescheiterten Diskussion da draußen und dem Stil, der hier innerhalb des GLF sichtbar wird. Ich bezog mich bei meiner Kritik nur auf die GLF-Diskussion. Zahlenmäßig betrifft die Beschneidung zu weit über 90% Muslime, der Splatterfilm war, wenn überhaupt ein religiöser Zusammenhang besteht, aus einer islamischen Gegend. Trotzdem fällt mir nach wie vor auf, dass in der Beschneidungsdebatte hier und im CLF eine latente Feindseligkeit Luft macht, die über eine allgemeine Religionsfeindlichkeit hinaus auch ein beträchtliches Maß an Feindseligkeit speziell gegenüber Juden enthält, auch da wo ein Zusammenhang im Einzelfall wie dem Splatterfilm nicht gegeben ist.
Du rationalisierst das, indem Du auf die schrillen Töne hinweist, mit der von jüdischer Seite auf das Urteil reagiert wurde und erklärst diese Äußerungen zu einer Reaktion darauf. Aber auch die Muslime haben sich überaus unfreundlich geäußert. Sie bleiben von der Polemik im GLF aber weit gehend verschont.
Nun könnte man sagen, da wurde einfach unreflektiert ein traditionelles Feindbild benutzt, was an sich schon übel ist, aber darauf hingewiesen, wird nochmal und nochmal das kulturübergreifende Phänomen der Beschneidung und der Abscheu dagegen auf Juden projiziert.
Wirklich nur unüberlegt, das alles? Klassischer Antisemitismus wird auch mit einiger empirischer Berechtigung gedeutet als Ausdruck eigener Minderwertigkeitsgefühle. Und da, wo gerade ein Feindbild angeboten wird, sogar noch ein klassisches, da ist es in einer Gruppe von Leuten mit Mnderwertigkeitsgefühlen, die selber nur gebasht wird, verführerisch, eben dieses Feindbild herzunehmen und seine Unzufriedenheit daran abzuarbeiten.
Wenn man wie Madicken kurzschlüssig eine echte Empörung äußert, wegen des Films, und dann wegen der Richtung, in die die Debatte hier ging, ebenso kurschlüssig in die falsche Richtung tritt, ist das mit einem Erkenntnisprozess korrigierbar. Und Antisemi-Schimpfe ist da vllt weniger förderlich als ein freundschafliches "Denk mal drüber nach".
Das mögen dann alle mal tun und sich ernsthaft überlegen, gegen wen oder was man denn eigentlich ist, und für was die Beschneidung ihren wütendsten Gegenern als Ersatzfeind steht.
Nix helfen wird das jedoch in Fällen, wo man sich schon in Auge-um-Auge-Gewaltfantasien gefällt. Da empfehle ich ein Aussteigerprogramm in Gestalt einer Therapie gegen Minderwertigkeitskomplexe, die man sich zunächst mal einzugestehen hätte. Vllt. mal zu versuchen etwas aus seinem Leben zu machen, das auch außerhalb der GL-Community Bestand hat.
Sakura