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Ovid
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Re: Elfjährige schwanger: Sie darf nicht abtreiben

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: Und nicht nur dieser empirischen Frage, sondern SÄMTLICHEN empirischen Fragen. Denn sie alle machen "arbiträre Setzungen" notwendig, z.B., dass eine 1 eine Spannung von 9V ist.
Moment. Ein Problem, was wir haben, ist doch einzig und allein die Setzung "Mensch".

Kannst du mir zeigen, dass der Begriff Mensch so wissenschaftlich einheitlich und eindeutig gebraucht wird wie die elektrische Spannung?
Das würde mich sehr wundern und genau da liegt auch das Problem.

Weltweit gibt es wohl wenig Disput darüber, wann man eine Spannung von 9 V misst oder nicht.
Oder z.B. eine menschliche Zelle. Oder ein menschliches Organ. Darüber können wir uns wohl zweifelsfrei empirisch und eindeutig verständigen, weswegen dein Vorwurf ich sei inkompetent empirische Feststellungen zu machen, irgendwie nicht ganz standhält.

Was wir aber als Menschen betrachten und wann bzw. ab wann, darüber herrscht eben kein klarer Konsens, weswegen ich dein Brimborium nicht ganz verstehe.
"Mensch" ist darüber hinaus ein interdisziplinärer Begriff und selbst innerhalb der Fächer oftmals ein Oberbegriff mit unzähligen nicht-notwendigen Teileigenschaften und auch Disput über die notwendigen Mindesteigenschaften. Z.B.: In der Biologie spricht man davon, dass der Mensch einen aufrechten Gang hat. Und da sieht man schon, was für Probleme mit dieser Eigenschaft einhergehen. Was ist mit Babys? Was ist mit verletzten, mutierten, behinderten Menschen? Sind die dann keine Menschen? Naja doch es ist eben irgendwie doch keine notwendige Bedinung... usw.

Nun setzt du, dass die einzige notwendige Bedingung für Menschsein die Existenz mindestens einer Zelle mit neuer DNA-Kombination ist und behauptest kühn, dass dies eine rein empirische Frage sei. Ja, als ob! Da kannst du keinen mit an der Nase herumführen. Was wir festgestellt haben, ist doch schlicht, dass wir nun eine Zelle mit einer neuen DNA-Kombination haben und ob das das nun schon Mensch nennt oder nicht, die eigentlich arbiträre Setzung ist, wenn man bedenkt wie groß der Begriff ist, was er noch so alles impliziert und wie verschieden der Gebrauch dieses Begriffs ist.
(Vor allem würde man dann ja selbst von sich von mehreren Menschen sprechen müssen, weil ja jeder von uns nachweislich von etlichen solcher Zellen besteht, wenn man deiner notwendigen Bedingung nicht noch äußere und externe Bedingungen hinzufügt, wie die Umstände, der Ort und der Zeitpunkt dieser Zelle)

Und das mal ganz abgesehen davon, dass es mit der Empirie allein, also der Deskription von Tatsachen ja überhaupt nicht getan ist (im Gegensatz zum physikalischen Spannungsbegriff ohne ethische Bedeutung), wenn wir davon sprechen, was ethisch noch legitim ist oder nicht, wann man von welchen Rechten sprechen kann und wann nicht, welche Handlungsgebote wir im Hinblick auf die empirischen Tatsachen nun als notwendig erachten und welche nicht; also der ganze dialektische und persuasive Diskurs, fernab jeder empirischen und deskriptiven Wissenschaft.
Mit deinem begrifflichen Taschenspielertrick etwas einfach - vorgeblich empirisch - ab dem Zeitpunkt einen Menschen zu nennen, ab dem du diese ethischen Gebote als notwendig erachtest, ist es einfach nicht getan (auch nicht damit, dass du Faschismus-Vorwürfe bringst :? ).
Ja ich könnte doch sogar einen Embryo noch nicht einen Menschen nennen und trotzdem dafür sein, dass eine Tötung hier unzulässig sei.
Von der Setzung Mensch ist dieser Punkt schon einmal völlig unabhängig übrigens.
Andersherum bedeutet das aber natürlich auch, dass die allgemeine Setzung Mensch für den Fall A, nicht das gleiche bedeuten muss wie für den Fall B, was sich ja z.B. in unserem Rechtssystem überall widerspiegelt, dass für bestimmte Menschen mit bestimmten Eigenschaften, eben andere Rechte und Pflichten gelten.

Also noch einmal: Deine Setzung nehme ich ja gerne als Arbeitsdefinition an, und es ändert sich weiterhin nichts an der Essenz dieser Diskussion.

Zur Veranschaulichung komme ich noch einmal zu einem Punkt dieser Diskussion, der das meiner Meinung nach ganz gut zeigt, wenn man deinen Überlegungen bis zum Ende hin folgt.

Du schriebst:
Cocolinth hat geschrieben: Beim Erstkontakt ist die Sache jedoch bereits gelaufen. Dann ist der Mensch da, mit allen seinen Rechten.
Ergo bedeutet das doch:
Ovid hat geschrieben: Also: Jede Frau direkt nach jedem Sex ab ins Krankenhaus und 24-Stunden Überwachung! Es geht um Leben und Tod!
Wenn also eine Frau ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte, dann befindet sich schon kurze Zeit danach wahrscheinlich menschliches Leben in ihr, und zwar in einem sehr verletzlichen und kritischem Stadium!
Sich nicht direkt ins Krankenhaus zu begeben und seinen Lebensstil ggf. nach jedem Geschlechtsverkehr (bezüglich bspw. Alkohol und Tabak) sofort anzupassen und auch medizinische Maßnahmen wie z.B. die Erhöhung der Nidationswahrscheinlichkeit zu unternehmen, wäre unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht gar schon fahrlässige Tötung!

Gehst du damit mit?
Zuletzt geändert von Ovid am 09.07.2013, 22:35, insgesamt 2-mal geändert.
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gelöscht_13
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Re: Elfjährige schwanger: Sie darf nicht abtreiben

Beitrag von gelöscht_13 »

Coco Du wirst nicht verhindern können, dass Meinungen zu dem Thema auseinander gehen und manche befruchtete Eizellen so wenig als einen vollständigen Menschen sehen, wie Du vergnüglich ausgeschüttete Spermien.

Ich würde aber empfehlen beim Thema zu bleiben: Embryo in der 14 Schwangerschaftswoche. Für mich wegen den Gründen Vergewaltigung und Risikoschwangerschaft Anlass für eine Abtreibung, weil auch das Leben danach sozial schwierig wäre.
Es steht Dir frei das als Mord aus Bequemlichkeit und Mangel an Verantwortung zu beschreiben.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgehalten: "Es gibt keinen Konsens über das Wesen und den Status des Embryos oder Fetus. Als gemeinsamen Nenner kann man höchstens die Zugehörigkeit zur menschlichen Spezies ausmachen. Es ist die Potentialität dieses Wesens und seine Fähigkeit, eine Person zu werden, die im Namen der Menschenwürde zu schützen sind, ohne daraus eine Person zu machen, die ein Recht auf Leben hätte."
http://www.svss-uspda.ch/de/ethik/ethik.htm

Da Du so gern auf die Tötung eingehst und mich das Thema zu wenig interessiert, um selbst einen qualitativen Beitrag zu schreiben, hier eine fremde Stellungnahme aus der selben Quelle dazu:
Der Tötungsvorwurf
Worte wie "Mord" und "Tötung" oder Vergleiche mit anderen Straftaten sind beim Schwangerschaftsabbruch fehl am Platz. Die Problematik des Schwangerschaftsabbruchs ist mit nichts anderem vergleichbar. Es handelt sich nicht um eine aggressive Handlung gegen einen anderen Menschen. Der Embryo ist nicht ein "Anderer", sondern in der Frau drin, in völliger körperlicher Abhängigkeit von ihr. Der Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch ist daher nicht ein Tötungsakt, sondern die Weigerung, im eigenen Körper die eigene Leibesfrucht heranwachsen zu lassen, die Weigerung, im gegebenen Zeitpunkt, unter den gegebenen Umständen die grosse Verantwortung der Mutterschaft auf sich zu nehmen.
Diese Weigerung sollte man akzeptieren und eventuell im persönlichen Infogespräch näher diskutieren. Aber grundsätzlich eine ablehnende Haltung dagegen einzunehmen und das noch als wenig involvierter Mann, sehe ich als grundverkehrt an.
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Ovid
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Re: Elfjährige schwanger: Sie darf nicht abtreiben

Beitrag von Ovid »

Verurteilt hat geschrieben: Der Tötungsvorwurf
Worte wie "Mord" und "Tötung" oder Vergleiche mit anderen Straftaten sind beim Schwangerschaftsabbruch fehl am Platz. Die Problematik des Schwangerschaftsabbruchs ist mit nichts anderem vergleichbar. Es handelt sich nicht um eine aggressive Handlung gegen einen anderen Menschen. Der Embryo ist nicht ein "Anderer", sondern in der Frau drin, in völliger körperlicher Abhängigkeit von ihr. Der Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch ist daher nicht ein Tötungsakt, sondern die Weigerung, im eigenen Körper die eigene Leibesfrucht heranwachsen zu lassen, die Weigerung, im gegebenen Zeitpunkt, unter den gegebenen Umständen die grosse Verantwortung der Mutterschaft auf sich zu nehmen.
Diese Argumentation würde ich allerdings aber auch nicht wirklich unterschreiben. Denn: Für ein Neugeborenes gilt eine sehr ähnliche Abhängigkeit gegenüber mütterlicher Zuwendung. Die bloße Weigerung sich dem Neugeborenen Zuzuwenden und es zu versorgen würde auch seinen Tod bedeuten.
Allerdings ist ab hier bloß die Übertragung der Verantwortung an einen anderen Menschen einfacher als bei der Schwangerschaft selbst. Aber die Möglichkeit Verantwortung abzugeben kann ja selbst nicht als Kriterium gelten ob nun die Tötung legitim ist oder nicht.
Außerdem besteht ja irgendwann - noch im Bauch der Mutter - auch theoretisch keine völlige körperliche Abhängigkeit mehr, und kann auch extern versorgt werden.
Sollte also jeweils für die Legitimität des Abbruchs immer die Zeitspanne gelten bevor eine externe Versorgung möglich ist? Auch das sehe ich als problematische Setzung, die ja vollkommen abhängig von denen zeitlich und örtlich gegebenen medizinischen Möglichkeiten ist. Die Legitimität des Abbruchs sollte man daher viel eher in Anbetracht und unter Berücksichtung des sich entwickelnden Lebens selbst suchen und nicht in den externen Möglichkeiten und Umständen.
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gelöscht_13
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Re: Elfjährige schwanger: Sie darf nicht abtreiben

Beitrag von gelöscht_13 »

Ovid in einem Punkt wirst Du mir zustimmen: Wir werden keinen Konsens finden.

Warum versuchst Du es überhaupt?
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Ovid
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Re: Elfjährige schwanger: Sie darf nicht abtreiben

Beitrag von Ovid »

Ich wollte hier einfach nur inhaltlich argumentieren. Genauso wie ich Cocos Argumente für seine Position nicht ganz unterschreiben kann, gehe ich auch nicht ganz mit deinen Argumenten mit.
Es wäre ja blödsinnig Argumenten nur allein deswegen zuzustimmen, weil sie die eigene Position besser stützen (was nicht bedeutet, dass ich eine klare Position bisher habe).

Weil ich ja in so einer bequemen skeptischen Position bin, wofür ich eher weniger kann, weil man sich nicht dazu entscheiden kann von etwas überzeugt zu sein, betrachte ich also jedes Argument als solches und hoffe dann eben, dass mir irgendwann etwas so überzeugendes über den Weg läuft, dass ich eben eine klare und deutliche Position formulieren kann. Das ist ein großer Wunsch von mir! Aber eben nicht etwas, was einem Münzwurf gleichkommt oder eine simple Wahl zwischen verschiedenen Eissorten.
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