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Re: Frage...

von Sascha » 21.11.2011, 21:24

Noch so einer hat geschrieben:Was ich damit sagen will, Clancy gibt eine universelle Antwort wenn sie sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern als Verbrechen betrachtet, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Umstände. Denn diese ändern ja nichts daran das aus ihrer Sicht das Kind betrogen wird, da es die Motive des Erwachsenen nicht verstehen kann. Natürlich kann man als Erwachsener sich im Nachhinein einverstanden damit fühlen, der Betrug bleibt aber eine Tatsache. Sprich, der Konflikt tritt unweigerlich auf und das macht es zu einem (zumindest moralischen) Verbrechen.
Was natürlich ein recht trivialer Fehlschluss ist. Denn ob etwas Betrug ist, hängt nicht alleine davon ab, ob der potentiell Betrogene es verstehen kann. Sondern natürlich auch von der Sachlage selbst.

Also von der Frage, ob der Betroffene, wenn er es hätte verstehen können, auch hätte zustimmen können.

Betrug ist etwas anderes. Es ist, wenn man sich die Zustimmung auf unlauterem Wege erschleicht. Es setzt voraus, dass man davon ausgeht, dass der andere, wenn er vollständig von allen relevanten Fakten informiert wäre, kaum zustimmen würde.

Ist aber bei Sex mit Kindern nicht der Fall. Ich finde es beispielsweise schade, dass ich als Kind keinen BL hatte, der mit mir das getan hat, was ich mit Jungs mache. Und ich denke, dass ein Junge alle relevanten Information besitzt, um sich dafür zu entscheiden - die einzig relevante ist nämlich die, ob er gerade Lust dazu hat.

Re: Frage...

von Terra » 21.11.2011, 21:07

Hinter dieser Frage steht ja die These, dass ein gesellschaftliches Wertesystem wesentlichen Einfluss darauf hat, wie wir unsere Erlebnisse bewerten. Sprich, das ursprünglich positive Erlebnis des sexuellen Kontakts mit einem Erwachsenen wird durch die Übernahme des Wertesystems in ein schlechtes Erlebnis um gedeutet.
Die Beispiele die du bringst sprechen aber auch für diesen Einfluss.
Wenn man sich als Teenager an die Doktorspiele mit dem Nachbarsjungen erinnert und sich Sorgen macht ob man schwul sei, warum macht man sich denn da Sorgen? Weil Schwule so coole Typen sind? Nein, weil da all die Klischees über schwule einem im Kopf rumspucken. Und wo kommen diese Klischees wohl her? Sich als schwul zu outen ist sicher einfacher als noch vor ein paar Jahrzehnten, trotzdem ist es immernoch negativ behaftet. Ist das so weil Schwule "objektiv" schlechte Menschen sind oder eher weils die Gesellschaftsmeinung ist.
In manchen Kulturen flippen die Leute aus wenn man ein Bild von ihnen oder ihrem Gott macht. Ist das Bild objektiv "schlimm". Nein, aber ihr Glaubens/Wertesystem lässt es für sie so erscheinen. Ein Atheist fasst sich da nur an den Kopf. Warum setzt du vorraus, dass der "Täter" das nur zu seiner Befriedigung tut warum soll man nicht jemand anderem ein schönes Gefühl bereiten einfach weil man ihn mag (oder weil beide es mögen). Wenn ein Kind eine sexuelle Handlung als positiv empfindet und der Mama davon erzählt und diese dann erzählt wie böse das ist und es ggf zu Verhör, Prozess würde dass das Kind sicher belasten. Abgemildert bekommt man das quasi ständig durch das Umfeld mit, Sex mit Kindern = Missbrauch, lebenslange Traumata usw. sind gesellschaftlicher Konsens. Wenn die Mama aber sagt: "Awwwwww wie schön" und die Gesellschaft es nicht per se als schlecht ansieht dürfte dass das Kind wohl kaum belasten eher das Gegenteil.
versuchen mit dem Wissen das du als erwachsener über Sexualität hast in dein Leben zu integrieren.
Woher nimmst du das? Was sagt einem "das Wissen" als Erwachsener über sexuelle Handlungen von Kindern mit Erwachsenen?

Re: Frage...

von Mitleser » 21.11.2011, 20:43

Ovid hat geschrieben:Schämt man sich dafür mit Lego gebaut zu haben? Schämt man sich dafür mit Puppen gespielt zu haben (als Mädchen)?
Drehe es doch am besten um, damit es noch deutlicher wird: Schämt man sich als Junge dafür, dass man in seiner Kindheit auch mal mit Puppen gespielt hat? Ist es für Mädchen wirklich so ungeziemlich, beim Fußballspiel mitzumachen? Genauso wenig, wie man gleich "schwul" wird, wenn man mit seinem besten Freund das Masturbieren ausprobiert hat (damit hat "Noch so einer" ja offenbar keinerlei Probleme, zumal "schwul sein" heutzutage von der Gesellschaft sehr viel weitgehender als noch vor wenigen Jahren akzeptiert wird), wird sich jegliches Erlebnis aus der Kindheit, wenngleich auch etwas ungewöhnlich, zwangsläufig negativ auf die weitere Entwicklung auswirken.

Warum macht man bei sexuellen Kontakten diese große Ausnahme, die sich in einer Vielzahl von Paragraphen niederschlägt? Vielleicht, weil die Sexualität der Urtrieb schlechthin ist, so dass man der Ansicht ist, hier gar nicht vorsichtig genug sein zu können, um nur ja alle Eventualitäten auszuschließen? Ich gewinne auch immer mehr den Eindruck, dass sich bei den meisten Menschen letztendlich alles um Sex zu drehen scheint, auch wenn sie versuchen, das im Alltagsleben bestmöglich zu verstecken, um nur ja nicht unangenehm aufzufallen, denn es könnte ja sein, hier unversehens ins nächste Fettnäpfchen zu treten...

Re: Frage...

von Ovid » 21.11.2011, 20:09

Anmerkung: Mit Kontext und kontextfrei meine ich der Einfachheit halber immer die: "rechtlichen und sozialgesellschaftlichen Werte und Normen"

Es ist schon richtig, dass Clancy da nicht viel tiefer in die Materie geht.

Aber man kann sich schon fragen, "was könnte sein" - also wie du richtig sagst, ist hier, dass es ein sehr hyptothetisches Modell sein muss, die größte Hürde. Aber versuchen kann man es ja.

Dein Ansatz ist gut. Möchte aber nur an einigen Stellen darauf hinweisen, dass du in deinem Szenario an einigen Stellen Werte-Prämissen setzt, die extern, also kulturell vorgegeben sind.

Diese sind nicht, wie manche schnell annehmen würden, menschlich psychologische Realien im rein naturgegebenen Sinne.
Zumindest zweifle ich das an.

Die Konstruktion der eigenen Identität basiert auf mehreren Deutungsprozessen, die du in deinem Szenario, darlegst - welche aber meiner Meinung nach eben nicht kontextfrei sind. Also nicht allein von innen heraus gemacht worden sein konnten.
Noch so einer hat geschrieben: Hinter dieser Frage steht ja die These, dass ein gesellschaftliches Wertesystem wesentlichen Einfluss darauf hat, wie wir unsere Erlebnisse bewerten. Sprich, das ursprünglich positive Erlebnis des sexuellen Kontakts mit einem Erwachsenen wird durch die Übernahme des Wertesystems in ein schlechtes Erlebnis um gedeutet.
So in etwa.
Die Sexualität ist gerade deswegen ein Spezialfall, weil sie eben unangenehm und angenehm sein kann - in der Regel aber eben, nach reinen menschlichen naturangelegten Realien - ist sie per se positiv und angenehm.
Außer es dringt ein weiterer Umstand dazu, der eben unangenehm ist. Dann kommt es gar zur Mischung von angenehmen sexuellen Gefühlen und unangenehmen anderen.

Das Gegenteil ist physische Gewalt. Diese ist per se unangenehm. Außer natürlich es dringt ein Umstand dazu - und ich denke hier wieder an Sexualität - also Masochismus.

An diesen naturangelegten Realien hängt nun unserer Kognition und unserer Identifikations- und Bewertungsprozess.

Hier entscheidet sich un, wie bestimmte Situationen bewertet werden:
Noch so einer hat geschrieben:Es kann für jemanden ein furchtbares Erlebnis sein wenn man vom Partner oder Ehemann betrogen wird, unabhängig davon ob es straf-, zivilrechtlich oder für das soziale Umfeld eine Rolle spielt.
Ich kann bis heute nicht verstehen, warum ausgerechnet Sex der größte Betrug in einer Partnerschaft sein soll.
Für mich wäre ein enttäuschender Betrug viel eher seine größten Geheimnisse auch mit jemanden anderen zu teilen, sich eine eigene Sprache aufzubauen, sich gedanklich näher zu kommen, Traditionen, Insider zu haben - mehr von sich zu kennen. Auf je mehr teure Momente mein Partner mit jemandem anders zurückblicken kann, desto mehr Neid bzw. Enttäuschung würde in mir wachsen.
Sex wäre nur ein einmaliger Tropfen, und nicht gerade ein besonders bedeutsamer.

Und doch - ist gerade das in unserer Kultur meistens der größte Verrat.

Aber es gibt auch polygame Gesellschaftsgruppen - die haben ähnliche Paradigmen.

Also: Vom Ehemann betrogen -> nicht kontextfrei.

In deinem Ehe-Szenario wäre eine "beste Freundschaft" ohne Sex mit jemandem anders wohl nicht so ein schlimmer Verrat, wie der Sex-Ausrutscher.
Noch so einer hat geschrieben: Du hast als Kind sicher auch mal Doktor gespielt. Sagen wir du erinnerst dich wie du das im Alter von 9 Jahren mit der Nachbarstochter gemacht hast, zum Beispiel das sie dir an deinem Penis gezogen hat um ihn zu untersuchen und du fandest es war ein angenehmes Gefühl dort berührt zu werden. Ich denke mal so eine Erinnerung dürfte keine Konflikte verursachen. Jetzt stell dir vor es wäre nicht die Tochter gewesen, sondern der Sohn der Nachbarn. Würde das heißen das du und er Schwul sind? Sicher nicht, du und er habt nicht gewusst was ihr gemacht habt, ihr wart einfach neugierig. Seine und deine Motive waren im Prinzip die gleichen oder sehr ähnlich. Eventuell hättest du dich als Teenager dafür geschämt weil du dir in dem Alter unsicher bist, ob du nicht doch schwul bist, aber sobald sich deine sexuellen Präferenzen gefestigt haben, kannst du das Erlebnis wieder erfolgreich integrieren, als schönen Teil deiner Kindheit akzeptieren.
Ich denke auch das Schwulen-Beispiel ist nicht kontextfrei. Die Scham kann doch nur daher stammen, dass man das damalige positive Erlebnis, mit neuen Informationen bewertet, die gegen solche Kontakte spricht.
Diese Informationen könnten in einer anderen Kultur komplett anders aussehen.
Man fixiert Sexualität hier unnötig als Sonderfall. Als Kind hat man allerlei anders gedacht, anders gehandelt, andere Interessen gehabt.
Schämt man sich dafür mit Lego gebaut zu haben? Schämt man sich dafür mit Puppen gespielt zu haben (als Mädchen)?
Manche Dinge ausserhalb der Sexualität sind zwar auch mit Scham betroffen - aber eher eine gesunde Scham. Mehr eine Abgrenzung - eine Fortentwicklung. Das habe ich als Kind getan, und das habe ich als Kind gerne getan. Heute nicht mehr.
Gibt auch Kinder, die haben Oma früher gerne ein Küsschen gegeben - es hat der Oma genutzt, sie fand es angenehm, und man selbst empfand es als eine normale Zärtlichkeit. Ja, klar. Die Oma handelte tatsächlich aus Eigennutz. Aber natürlich nicht ohne die Liebe zum Kind, und eben andere Aufmerksamkeiten usw. (in diesem Beispiel)
Als Teenager Küsschen für Oma? Nie und nimmer. Aber war es als Kind so schlimm? Ist die "Scham" der Vergangenheit gegenüber, also eigentlich die gesunde Abgrenzung und Fortentwicklung so extrem, dass man dafür in eine wahnhafte Scham versinken muss, die das eigene Selbstkonzept zerstören muss? Ich denke nicht. Wenn das passiert, dann ist das meiner Meinung nach kontextabhängig.

Und ich denke das gilt im Prinzip für fast alle möglichen Dinge, die man als Kind tat und damals auch positiv empfand. Ich behalte mir Ausnahmen vor; mir will aber gerade kein geeignetes Beispiel einfallen, weil es schwierig ist, das möglichst kontextfrei zu basteln, und die Sexualität mal rauszulassen, der verminderten Komplexität wegen.

Dein Vaterbeispiel beinhaltet auch Inzest. Das macht es umso schwieriger.
In einem anderen Thread im Forum hatten wir das mal besprochen: Vaterrolle und "Partnerrolle" gehen nicht gemeinsam. Das verletzt sich, überkreuzt sich. Man wird notwendig in einigen Dingen vernachlässigt, wenn der Vater sexuelle Zärtlichkeiten mit seinem Kind austauscht.
Aber das soll hier nicht Thema sein.

Tauschen wir Vater einfach mit einem bekannten Freund.

Wieder kommt es drauf an, wie schwer die "abgrenzende Scham" wiegt und bewertet wird. Solch ein vernichtendes Urteil - wie allgemeinhin angenommen - muss es ja gar nicht sein. Meiner Meinung nach kommt man da - je nachdem wie sehr man eben die Person, mit der man eine glücliche Zeit verbrachte in Erinnerung behält - mit einer zufriedenen Abgrenzung heraus - wenn der Kontext zusätzlich stimmt.

Wenn man sich natürlich dazu hinreissen lässt, zu denken, dass man nur für seinen Körper "geliebt" wurde - dann ist das natürlich etwas, was schwieriger zu verarbeiten ist.
Aber welchen Stellenwert hat das? Ein Beispiel ohne Sexualität:
Eine fanatische Mutter hat ihr Kind nur für ihre Leistungen mit dem Instrument geliebt. Anderweitige Zuwendung und Aufmerksamkeit für ihre anderen Belange und Bedürfnisse bekam sie nicht.
Strafbar ist so etwas erst recht nicht.

Die Frage ist also: Ist der Stellenwert von Sex so hoch bei uns Menschen? Wiegen sexuelle Belange in uns schwerer, als soziale oder emotionale?

Absurd gesagt: Warum gibt es kein Emotionalstrafrecht? Nun ja: Wir haben natürlich kleine Klauseln, die wir Kindesvernachlässigung nennen. Aber man möge meinen, das entdeckte man kaum, unter all den Paragraphenhaufen speziell zum Sexualtrafrecht.
Noch so einer hat geschrieben: Denn diese ändern ja nichts daran das aus ihrer Sicht das Kind betrogen wird, da es die Motive des Erwachsenen nicht verstehen kann.
Aber das kann es ja in den wenigsten Fällen. Kann sich das Kind in die Bedürfnisse und Motive seiner Mutter hineindenken, verstehen?
Solange die Motive der Eltern, oder eines anderen Erwachsenen gut sind, und positiv sind, und für das Kind zustimmbar, gibt es eig. keinen Unterschied mehr, ob es nun sexuelle Zärtlichkeiten sind, oder eben Kuscheln, oder, dass das Kind seine Eltern bei einer Theater-Aufführung stolz macht - solange das Kind sich eben in dieser Rolle wohlfühlt und zustimmt.

Glaube ich also, dass man Missbrauch legalisieren sollte?
Nein. Wir sind noch weit davon entfernt, um uns erstens sicher sein zu können, und zweitens ist unserer Weltgesellschaft bei weitem noch nicht sexualmündig. Ob wir es je sein werden? Ich weiss es nicht...

Re: Frage...

von Madicken » 21.11.2011, 19:48

Noch so einer hat geschrieben:Clancy spricht zwar wenig über den Schaden die Missbrauchsopfer haben, aber sie macht deutlich wie Menschen unter den Folgen zu Leiden haben. Und dabei geht es nicht um eine Gesellschaftliche Definition, die Menschen fühlen sich sexuell Verraten, jemand der ihnen Nahe stand hat sie für seinen sexuellen Trieb missbraucht. Jeder normale Mensch kann sich ungefähr vorstellen was das für einen Schaden so was anrichtet.
Ich stelle mal (wieder) eine ganz banale, naive Frage :
Warum kann die Mehrheitsgesellschaft (besonders bei dieser Thematik!) nur noch EINDIMENSIONAL denken ?
Ist es (also) immer nur der böse, egoistische Trieb eines
ausnutzenden, "missbrauchenden" Erwachsenen
?
Sind / wären nicht auch andere Motive denkbar ?


Noch so einer hat geschrieben:Clancy ist ja Psychologin, für sie spielen rechtliche oder soziale Kriterien keine wichtige Rolle.
Das sollte es, für sie als Wissenschaftlerin, aber tun. Integriert sie diese Kriterien nicht in das Gesamtbild, hängt es schief.

Noch so einer hat geschrieben:Was ich damit sagen will, Clancy gibt eine universelle Antwort wenn sie sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern als Verbrechen betrachtet, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Umstände. Denn diese ändern ja nichts daran das aus ihrer Sicht das Kind betrogen wird, da es die Motive des Erwachsenen nicht verstehen kann. Natürlich kann man als Erwachsener sich im Nachhinein einverstanden damit fühlen, der Betrug bleibt aber eine Tatsache. Sprich, der Konflikt tritt unweigerlich auf und das macht es zu einem (zumindest moralischen) Verbrechen.
Da wäre sie die erste, die eine "universelle " Antwort geben konnte....
Noch einmal : Jede sexuelle Handlung ist/wäre "Betrug am Kind" ?
Warum ? Vielleicht ist es ja auch Betrug am Kind, ihm (s)eine Sexualität
(ja, ich weiss: die ist völlig anders!), nicht zuzugestehen ?

Re: Frage...

von Mitleser » 21.11.2011, 19:43

@Noch so einer: Dein Beispiel ist schön und gut, und ich bin mir sicher, (nicht nur) Ovid wird Dir zustimmen, dass der Erwachsene hier seine Machtposition ausgenutzt hat. Nun stelle Dir aber mal folgende Situation vor: Du bist 9 Jahre alt, und so langsam merkst Du, dass sich bei Dir gelegentlich etwas in der Hose regt, manchmal sogar zu den unpassendsten Momenten. Es ist Dir zu peinlich, Deinen Vater oder die Klassenkameraden danach zu fragen, aber zu Deinem Onkel hast Du ein gutes Verhältnis, er hat schon früher viel mit Dir zusammen unternommen, und er ist auch ansonsten ein cooler Typ, mit dem man sich über Gott und die Welt unterhalten kann. Rein zufälligerweise ist Dein Onkel ein Boylover, aber von solchen Feinheiten hast Du natürlich (noch) keine Ahnung, Du kennst ihn halt nur als netten Menschen, der immer ein offenes Ohr für Dich hat.

Als Du das nächste Mal bei Deinem Onkel bist, fragst Du ihn, was es denn mit diesem "komischen Gefühl" auf sich hat, und Dein Onkel klärt Dich mit einem schelmischen Grinsen darüber auf. Vielleicht fragt er Dich, ob es sich nicht schön anfühlt, wenn Du Dich dort unten berührst. Möglicherweise wird Deine Neugier nun erst recht geweckt, und Du fragst, ob er Dir das nicht einfach mal zeigen könnte, was er daraufhin dann auch mit sichtlicher Begeisterung tut. Es fühlt sich gut an, und Du würdest es auch noch öfter mal machen wollen. Erst ein paar Jahre später geht Dir auf, dass es sich dabei um ein sexuelles Spiel handelte, aber das macht Dir nichts aus, schließlich hattest Du ja gefragt, und Dein Onkel war auch immer liebevoll und zärtlich zu Dir.

Noch viel später hörst Du nun plötzlich, dass sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern verboten sind, und dass Dein Onkel bestraft werden könnte, wenn die Sache ans Licht kommt. Dir ist mittlerweile auch klar, dass Dein Onkel ein Boylover ist, so wie er sich kleinen Jungs gegenüber schon immer verhalten hat, aber da Du weißt, dass er niemals etwas Böses getan hat und sich immer für Dich einsetzte, bist Du wütend auf die Gesellschaft und fühlst Dich einfach unverstanden, schließlich hat Dir das Erlebnis niemals geschadet. Auch wenn Dein Onkel vermutlich nicht ganz uneigennützig gehandelt hat, fühlst Du Dich dennoch nicht missbraucht.

Ist es unter diesen Gesichtspunkten legitim, sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Minderjährigen grundsätzlich unter Strafe zu stellen, weil die Gefahr besteht, dass sich Kinder ausgenutzt und missbraucht fühlen können? Selbst wenn Kinder aufgrund fehlender Erfahrungen in Sachen Sexualität sich nicht der Konsequenzen bewusst sind und so möglicherweise in der Tat nicht wissentlich zustimmen können, ist es so schwer, sich vorzustellen, dass sie es trotzdem genossen haben und entgegen der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung nicht zu dem Schluss kommen, missbraucht worden zu sein?

Insofern kritisiere ich Susan Clancy, die zwar korrekt festgestellt hat, dass sexueller Missbrauch nicht zwangsläufig ein Trauma nach sich zieht, aber trotzdem der Auffassung ist, dass jeder sexuelle Kontakt nichtsdestotrotz einen Missbrauch darstellt. Es ist schön, dass sie sehr wohl zwischen verschiedenen Stufen des Missbrauchs unterscheidet (von leichten Berührungen bis hin zu Penetration), den beteiligten Erwachsenen aber dennoch kriminelle Absichten vorwirft. Wie zuvor schon erwähnt glaube ich, dass diese Einstellung sicher auch einer gewissen Verteidigungshaltung entspringt, da sie bisweilen herbe Kritik, selbst aus Kollegenkreisen, geerntet hat, insofern kann ich es ihr nicht verübeln, hier eindeutig Position beziehen zu wollen. Trotzdem würde ich mir an dieser Stelle noch eine bessere Differenzierung wünschen.

Re: Frage...

von Perma » 21.11.2011, 19:24

Noch so einer hat geschrieben:Clancy ist ja Psychologin, für sie spielen rechtliche oder soziale Kriterien keine wichtige Rolle.

Warum reagiert sie dann auf die Frage

[...] but I’m not sure if I qualify as a sexual abuse victim.


mit einem

I say, “How in God’s name do you not think you’re a sexual abuse victim?


Ich frage mich, ob Clancy die Hintergründe solcher Kontakte überhaupt schon bekannt waren, wenn sie auf derartige Fragen in dieser Form geantwortet hat.

Re: Frage...

von Noch so einer » 21.11.2011, 18:54

Hallo Ovid,
Noch einmal von vorn: Würde sich ein Erwachsener, der nach heutiger Definition missbraucht wurde als Kind, jedoch positive Erfahrungen damit machte, in einer Gesellschaft in denen solche leichten Formen legalisiert sind, sich später noch missbraucht fühlen/Nachteile von sich tragen?
Wie gesagt, ich finde nicht das Clancy der Frage ausgewichen ist, die Frage hat nun mal einen spekulativen Charakter und ist zudem noch fächerübergreifend.

Hinter dieser Frage steht ja die These, dass ein gesellschaftliches Wertesystem wesentlichen Einfluss darauf hat, wie wir unsere Erlebnisse bewerten. Sprich, das ursprünglich positive Erlebnis des sexuellen Kontakts mit einem Erwachsenen wird durch die Übernahme des Wertesystems in ein schlechtes Erlebnis um gedeutet.

Ich kann ja mal versuchen für sie eine Antwort zu geben, sofern ich sie verstehe. Clancy ist ja Psychologin, für sie spielen rechtliche oder soziale Kriterien keine wichtige Rolle. Es kann für jemanden ein furchtbares Erlebnis sein wenn man vom Partner oder Ehemann betrogen wird, unabhängig davon ob es straf-, zivilrechtlich oder für das soziale Umfeld eine Rolle spielt. Schlussendlich dreht sich alles darum wie Erlebnisse in die Persönlichkeit integriert werden können, das heißt auch wie man seine Vergangenheit beurteilt. "Hatte ich jetzt 5 Jahre eine glückliche Ehe oder bin ich nur der Dumme, den man hintergangen hat, gewesen?" Unsere Vergangenheit spielt eine wichtige Rolle dabei wie wir uns als Person konstruieren können und wie wir uns dabei fühlen.


Was heißt das auf sexuelle Kontakte im Kindesalter übertragen?

Du hast als Kind sicher auch mal Doktor gespielt. Sagen wir du erinnerst dich wie du das im Alter von 9 Jahren mit der Nachbarstochter gemacht hast, zum Beispiel das sie dir an deinem Penis gezogen hat um ihn zu untersuchen und du fandest es war ein angenehmes Gefühl dort berührt zu werden. Ich denke mal so eine Erinnerung dürfte keine Konflikte verursachen. Jetzt stell dir vor es wäre nicht die Tochter gewesen, sondern der Sohn der Nachbarn. Würde das heißen das du und er Schwul sind? Sicher nicht, du und er habt nicht gewusst was ihr gemacht habt, ihr wart einfach neugierig. Seine und deine Motive waren im Prinzip die gleichen oder sehr ähnlich. Eventuell hättest du dich als Teenager dafür geschämt weil du dir in dem Alter unsicher bist, ob du nicht doch schwul bist, aber sobald sich deine sexuellen Präferenzen gefestigt haben, kannst du das Erlebnis wieder erfolgreich integrieren, als schönen Teil deiner Kindheit akzeptieren.

So, jetzt stell dir die gleiche Erinnerung mit deinem Vater als Mitspieler vor. Dir ist als erwachsener klar das dein Vater wusste was er tat, er wollte dich masturbieren und dir ist auch klar, dass er damit seine sexuellen Wünsche erfüllen wollte und er dich dafür benutzt hat. Was dir damals als 9 jähriger wie ein lustiges Spiel vorkam musst du nun versuchen mit dem Wissen das du als erwachsener über Sexualität hast in dein Leben zu integrieren. Dazu gehört auch wie du über deinen Vater denkst, den du in deiner Kindheit als liebevoll und Zärtlich erlebt hast und nun musst du feststellen, das vieles einen ganz anderen Hintergrund hat. Eine heftige Aufgabe, ganz gleich ob das was dein Vater getan hat legal war oder nicht.

Was ich damit sagen will, Clancy gibt eine universelle Antwort wenn sie sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern als Verbrechen betrachtet, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Umstände. Denn diese ändern ja nichts daran das aus ihrer Sicht das Kind betrogen wird, da es die Motive des Erwachsenen nicht verstehen kann. Natürlich kann man als Erwachsener sich im Nachhinein einverstanden damit fühlen, der Betrug bleibt aber eine Tatsache. Sprich, der Konflikt tritt unweigerlich auf und das macht es zu einem (zumindest moralischen) Verbrechen.

Re: Frage...

von Ovid » 21.11.2011, 16:22

Noch so einer hat geschrieben: Ich denke ihr größtes Anliegen ist es das Opfer von "leichteren" Missbrauchsfällen sich als Opfer eines Übergriffes verstehen können, damit diese einen Weg finden das erlebte zu verarbeiten. Man muss sozusagen nicht erst vergewaltigt werden damit man als Opfer gilt, sondern auch ganz un-traumatische Ereignisse sind sexueller Missbrauch, unter welchem Menschen im erwachsenen Alter dann leiden können. Von dem her sehe ich das nicht als Verharmlosung sondern mehr als Differenzierung. Ihre Kritiker werfen ihr darauf hin sicher eine Bagatellisierung vor.
Klar. Es ist keine Verharmlosung, es ist Realismus.
Noch so einer hat geschrieben:
I think there should be clear legal terms to differentiate sexual abuse that involves touching and no force, and sexual abuse that’s penetrative, and sexual abuse that involves force and violence. You have to make it clear that in all cases it is a crime, but clumping all of them under one title — when they range from genital stroking to anal penetration — is a bad thing.
Genau das meine ich ja. Also hat sie doch partiell an einigen Stellen weitergedacht, in Bezug auf Strafrecht.
Noch so einer hat geschrieben:Von dem her weiß ich nicht ob ihr Verständnis von sexuellen Missbrauch in Deutschland nicht ohnehin schon realisiert ist und differenziert betrachtet wird.
Vielleicht gerade noch so. Aber man hört es ja immer wieder: "Die Gesetze seien zu lasch. Guckt doch mal in die USA. Die machen's richtig"
Richter und Anwälte werden bepöbelt und auch bei minderen Vergehen ist jeder unten durch - vollkommen, ohne Rehibillationschance. Zumindest, wenn man vom "big picture" ausgeht. Natürlich kann je nach Umstand das nahe Umfeld das ganze etwas anders sehen.

Die Frage ist also, ob es nicht noch schlimmer wird und die USA hier als Vorbild genommen wird.
Hätte Clancy in den USA mehr Erfolg gehabt, dann wäre dieser Effekt zumindest abgeschwächt worden.

Letztendlich, wo wir uns eig. so gut wie über Clancy Motive geeinigt haben, möchte ich aber trotzdem noch auf das eine winzige Detail eingehen, bei der du mir auch immer ausgewichen bist. :lol:

Ich glaube da ist Clancy sich auch nicht sicher. (Spekulation von mir; steht wohl nirgends)
Der Interviewer hatte da schon den richtigen Riecher irgendwie.

Noch einmal von vorn: Würde sich ein Erwachsener, der nach heutiger Definition missbraucht wurde als Kind, jedoch positive Erfahrungen damit machte, in einer Gesellschaft in denen solche leichten Formen legalisiert sind, sich später noch missbraucht fühlen/Nachteile von sich tragen?

Sehr fiese Frage eigentlich. Clancy sagt natürlich: Missbraucht bleibt ein Verbrechen - kulturübergreifend und unabhängig jeder gesellschaftlichen Kontexte.
Aber die Frage müsste man für einige Fälle wohl tatsächlich mit Nein beantworten. Nein, der Erwachsene würde psotive Erfahrungen/Erinnerungen mit sich tragen, und die Einordnung gelingt konfliktfrei - eben, weil es zusätzlich legal war.

Re: Frage...

von warauchverwirrt » 21.11.2011, 16:19

Was den Umgang mit Kindern angeht, scheinen die Leute in den USA beinahe wie von evangelikalen oder ähnliches Fundamentalisten unterwandert zu sein.

Dort zeigt sich eine vollkommen pervertierte Auffassung von dem, was gesund für eine menschliche psychische Entwicklung ist.

In manchen Schulen werden gar Umarmungen zwischen Freunden sanktioniert, da es ein dritter als sexuell belästigend auffassen könnte. Demzufolge käme jeder körperlicher Kontakt beinahe einer sexuellen Belästigung gleich.

Re: Frage...

von Noch so einer » 21.11.2011, 16:09

Hallo Ovid,
Missbrauch per se stuft sie aber ganz klar auf eine harmlosere Eben herab.
In den Augen anderer tut sie ganz klar bagatellisieren und verharmlosen.
Da kommt sie nicht drumherum. Denn die Konsequenz ihrer Aussage ist ganz klar:
Es IST also de facto NICHT so schlimm, wie es bisher von der Gesellschaft befunden wurde.
Ich denke ihr größtes Anliegen ist es das Opfer von "leichteren" Missbrauchsfällen sich als Opfer eines Übergriffes verstehen können, damit diese einen Weg finden das erlebte zu verarbeiten. Man muss sozusagen nicht erst vergewaltigt werden damit man als Opfer gilt, sondern auch ganz un-traumatische Ereignisse sind sexueller Missbrauch, unter welchem Menschen im erwachsenen Alter dann leiden können. Von dem her sehe ich das nicht als Verharmlosung sondern mehr als Differenzierung. Ihre Kritiker werfen ihr darauf hin sicher eine Bagatellisierung vor.
I think there should be clear legal terms to differentiate sexual abuse that involves touching and no force, and sexual abuse that’s penetrative, and sexual abuse that involves force and violence. You have to make it clear that in all cases it is a crime, but clumping all of them under one title — when they range from genital stroking to anal penetration — is a bad thing.
Bei ihrem Buch muss man sicher beachten das der kulturelle Background in den USA liegt. Erst letztens habe ich von einem Fall gehört wo man tatsächlich einen 6 jährigen angezeigt hat, der einer 5 jährigen beim Doktorspielen den Finger in den Po gesteckt hat. In Deutschland wäre so etwas undenkbar. Soweit ich einen Überblick habe was unser Rechtssystem angeht dann richtet sich das Strafmaß ja auch an der schwere der Taten. Jemand der mal ein Mädchen antatscht wandert ja nicht ohne Umwege in die Sicherungsverwahrung. Von dem her weiß ich nicht ob ihr Verständnis von sexuellen Missbrauch in Deutschland nicht ohnehin schon realisiert ist und differenziert betrachtet wird.

Re: Frage...

von Ovid » 20.11.2011, 23:55

Noch so einer hat geschrieben: Sie schreibt doch genau das Gegenteil
Hmm. Ok. Wobei ich mir nicht sicher bin ob sie das wirklich auf ALLE Fälle ausweitet.
Das genannte Beispiel war ja schon extrem. Da würde ich genauso dafür plädieren, dass zumindest der Onkel ein Täter ist, und nunja, er hat jemandem etwas angetan, was nicht in Ordnung ist.
Opfer ist ja auch sehr stark besetzt von sehr extremen Situationen; da möchte man nicht gerne drinstecken. Es gibt ja auch nicht Bisschen-Opfer, Normal-Opfer usw.
Das ist schonmal ein Problem.
Noch so einer hat geschrieben: Genau darum geht es ihr ja! Denen Menschen die sich unsicher sind, ob sie Opfer sexuellen Missbrauchs sind, möchte sie entgegenkommen in dem sie die Realität, wie Missbrauch in der Regel stattfindet, beschreibt und mit dem Trauma Mythos bricht. Das die Kinder zum Zeitpunkt des Missbrauchs nicht traumatisiert werden bagatellisiert aber das Verbrechen nicht, dass sagt sie ebenfalls ziemlich deutlich.
Traumata gibt es aber tatsächlich auch; dort ist die Tat eben noch um ein weites übler - die Umstände ungünstiger usw.

Missbrauch per se stuft sie aber ganz klar auf eine harmlosere Eben herab.
In den Augen anderer tut sie ganz klar bagatellisieren und verharmlosen.
Da kommt sie nicht drumherum. Denn die Konsequenz ihrer Aussage ist ganz klar:
Es IST also de facto NICHT so schlimm, wie es bisher von der Gesellschaft befunden wurde.
Noch so einer hat geschrieben: Tut mir Leid, aber meiner Meinung deutest du auch dies komplett falsch. Sie spricht zwar wenig über den Schaden die Missbrauchsopfer haben, aber sie macht deutlich wie Menschen unter den Folgen zu Leiden haben. Und dabei geht es nicht um eine Gesellschaftliche Definition, die Menschen fühlen sich sexuell Verraten, jemand der ihnen Nahe stand hat sie für seinen sexuellen Trieb missbraucht. Jeder normale Mensch kann sich ungefähr vorstellen was das für einen Schaden so was anrichtet.
Nun, ja. Ich weiss es nicht, wie ihre Antwort lauten müsste.
Aber sie beantwortet die Frage nicht. Sie tut es nicht. Das hast du schon gesehen oder?

Re: Frage...

von Noch so einer » 20.11.2011, 23:40

Hallo Ovid,
Wenn sich jemand nicht als Opfer sieht, dann wäre es falsch diesen als Opfer zu behandeln.
Sie schreibt doch genau das Gegenteil
This is a huge problem. You have people who call me and say, “My uncle attempted sexual penetration when I was a child, but I’m not sure if I qualify as a sexual abuse victim.” I say, “How in God’s name do you not think you’re a sexual abuse victim?”
Genau darum geht es ihr ja! Denen Menschen die sich unsicher sind, ob sie Opfer sexuellen Missbrauchs sind, möchte sie entgegenkommen in dem sie die Realität, wie Missbrauch in der Regel stattfindet, beschreibt und mit dem Trauma Mythos bricht. Das die Kinder zum Zeitpunkt des Missbrauchs nicht traumatisiert werden bagatellisiert aber das Verbrechen nicht, dass sagt sie ebenfalls ziemlich deutlich.
Interviewer: Würden sich die Kinder (als Erwachsene) missbraucht fühlen, in einer Gesellschaft, die legalisiert?
Clancy: Nein. Aber es ist trotzdem falsch und bleibt Missbrauch, weil Kinder diese Handlungen nicht beurteilen können.
Tut mir Leid, aber meiner Meinung deutest du auch dies komplett falsch. Sie spricht zwar wenig über den Schaden die Missbrauchsopfer haben, aber sie macht deutlich wie Menschen unter den Folgen zu Leiden haben. Und dabei geht es nicht um eine Gesellschaftliche Definition, die Menschen fühlen sich sexuell Verraten, jemand der ihnen Nahe stand hat sie für seinen sexuellen Trieb missbraucht. Jeder normale Mensch kann sich ungefähr vorstellen was das für einen Schaden so was anrichtet.

Ich werde mal schauen ob ich das Buch bekommen kann. Sie hat immerhin rund 200 Personen befragt, ich bezweifle das auch nur einer über den Missbrauch glücklich ist.

Re: Frage...

von Ovid » 20.11.2011, 20:30

Noch so einer hat geschrieben:
Die Wahrheit, die jedes Opfer anzuerkennen hat, wird seit jeher fremddiktiert. Mit nicht unerheblichem Schaden.
Ich nehme mal an der Satz fast gut zusammen was du meinst, aber das ist zumindest nicht das was Susan Clancy meint. Der Schaden entsteht nicht, weil die Gesellschaft solche Kontakte für ein Verbrechen hält und Opfern diese Sichtweise "aufgezwungen" wird, sondern worauf sie hinaus will ist, dass sich viele gar nicht als Opfer fühlen weil sie bei der momentanen Definition von sexuellen Missbrauch ihre Erlebnisse nicht einordnen können. So sagt sie in einem anderen Interview*
Mit dem Fremddiktat meine ich eher:
Das Opferbild, wird nicht von den wahren Opfern bestimmt. Die haben da eigentlich nichts zu sagen.
Bedeutet: Wie es den Opfern (oder vlt. gar in machen Fälle Nichtopfern) WIRKLICH erging, dringt nicht mehr an die Oberfläche, sondern wird von Sensationsjournalismus und Empörtheitskultur besetzt.

Also ich meine schon dasselbe, und so habe ich sie auch verstanden.
Das hat damals Gunter Schmidt auch schon erkannt.
Noch so einer hat geschrieben: Jetzt kommt dann die Frage nach dem Schaden auf für die Menschen und du vermutest das Clancy für mildere Strafen ist
Vorne an natürlich, ist die Konsequenz von Clancys Erkenntnis vor allem anders mit den Opfern bzw. Nichtopfern umzugehen.
Wenn sich jemand nicht als Opfer sieht, dann wäre es falsch diesen als Opfer zu behandeln.

Interessant ist aber doch alles das, was Clancy nicht sagt. Oder meinst du sie hätte wirklich ALLES gesagt, was sie vermutlich zu sagen hätte, wenn man eben weiterdenkt?

Ich meinte also zusäzlich nur, dass die Konsequenz ihrer Erkenntnise doch eigentlich AUCH heissen müsste, dass die jetzigen Strafen oder höhere Strafen nicht mehr legitim sein können.

Das lebenslange Trauma, die getötete Kinderseele. Alles Argumente dafür die Strafen drakonisch zu erhöhen. Dem ist aber wohl nicht so. Und deswegen wäre es der nächste Schritt zu überlegen, wie eine Anpassung des Strafrechts diesem Umstand beikommen könnte.

Dass es nach Clancys Ansicht natürlich falsch bleibt, habe ich nie bestritten.

Aber es ist so ein kleiner Handstand nötig, der sie etwas ausweichlich antworten lässt. Und es ist bei weitem schwieriger das Strafrecht mit ethischer Falschheit (Wrongfulness) zu begründen, als mit purer operationaliserbarer dumpfen Schädlichkeit (Harmfulness).

Deswegen antwortet sie auf diese eine Frage (siehe oben) ausweichlich.

Sie müsste eigentlich so antworten:

Interviewer: Würden sich die Kinder (als Erwachsene) missbraucht fühlen, in einer Gesellschaft, die legalisiert?
Clancy: Nein. Aber es ist trotzdem falsch und bleibt Missbrauch, weil Kinder diese Handlungen nicht beurteilen können.
Noch so einer hat geschrieben: . Nicht alle aber viele entwickeln daraus Probleme wie, warum hab ich mich nicht gewehrt, warum hab ich nicht auf gehört diese Person zu lieben ... Man kann sich vorstellen in welcher emotionalen Zwickmühle diese Menschen geraten und das ist mit Sicherheit etwas, was ihnen im Leben zu schaffen macht.
Exakt! Und seit jeher streitet man sich wer die Zwickmühle denn nun wirklich verantwortet. Der Täter oder diejenigen, die die Normen setzen?

Er wusste, dass es falsch war. Er wusste, dass es ein großes Risiko war - doch trotzdem tat er es.

Re: Frage...

von Noch so einer » 20.11.2011, 19:58

Hallo Ovid,
Die Wahrheit, die jedes Opfer anzuerkennen hat, wird seit jeher fremddiktiert. Mit nicht unerheblichem Schaden.
Ich nehme mal an der Satz fast gut zusammen was du meinst, aber das ist zumindest nicht das was Susan Clancy meint. Der Schaden entsteht nicht, weil die Gesellschaft solche Kontakte für ein Verbrechen hält und Opfern diese Sichtweise "aufgezwungen" wird, sondern worauf sie hinaus will ist, dass sich viele gar nicht als Opfer fühlen weil sie bei der momentanen Definition von sexuellen Missbrauch ihre Erlebnisse nicht einordnen können. So sagt sie in einem anderen Interview*
You get all these people who are keeping it a secret because they’re ashamed — because what happened to them is not what is portrayed in the media or psychological and medical circles.
(...)
Many of them do not even think they were sexually abused. This is a huge problem. You have people who call me and say, “My uncle attempted sexual penetration when I was a child, but I’m not sure if I qualify as a sexual abuse victim.” I say, “How in God’s name do you not think you’re a sexual abuse victim?” It’s because in most cases of sexual abuse, it was not traumatic when it happened.
Ihr "erstes" Bemühen geht also in die Richtung, Menschen zu erreichen die sexuellen Kontakten in ihrer Kindheit ausgesetzt waren, sich aber nicht im klaren darüber sind das sie Opfer sind, weil sie den oder die Vorfälle nicht als traumatisch erlebt haben, eventuell sogar genossen haben oder ähnliches.


Jetzt kommt dann die Frage nach dem Schaden auf für die Menschen und du vermutest das Clancy für mildere Strafen ist

du schreibst
Ihre Position müsste mildere Strafen bedeuten, oder nicht?
In dem gleichen Interview bezieht sie wieder ganz eindeutig Position dazu
As I hope to have made clear in the book, sexual abuse is never OK. No matter what the circumstances are, or how it impacts the victims, sexual abuse is an atrocious, despicable crime. Just because it rarely physically or psychologically damages the child does not mean it is OK. Harmfulness is not the same thing as wrongfulness. And why is it wrong? Because children are incapable of consent.
Children do not understand the meaning or significance of sexual behavior. Adults know this, and thus they are taking advantage of innocent children — using their knowledge to manipulate children into providing sexual pleasure. Sick.
Also das lässt eigentlich wenig Fragen übrig, was sie über sexuelle Kontakte von Kindern und Erwachsenen denkt, bleibt aber immer noch die Frage wie es um den Schaden steht, dem einem Menschen dadurch entsteht.

Ich habe das Buch noch nicht gelesen aber was ich aus den Interviews mit ihr herausgehört habe ist, dass auch wenn der sexuelle Kontakt nicht traumatisch war die Opfer, wenn sie sich darüber klar werden was ihnen passiert ist, sich hinter gegangen fühlen und das oft von einer geliebten Person. Nicht alle aber viele entwickeln daraus Probleme wie, warum hab ich mich nicht gewehrt, warum hab ich nicht auf gehört diese Person zu lieben ... Man kann sich vorstellen in welcher emotionalen Zwickmühle diese Menschen geraten und das ist mit Sicherheit etwas, was ihnen im Leben zu schaffen macht.

* Quellen
Youtube
Susan Clancy on The Truth about the Sexual Abuse of Children

Salon
“The Trauma Myth”: The child betrayed

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